BFH, II R 54/08
Schenkungssteuer bei Rückabwicklung des Schenkungsvertrages
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) und ihr Ehemann E waren jeweils zur Hälfte Eigentümer eines in X belegenen Grundstücks. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 2. Juni 1995 übertrugen sie das Grundstück unentgeltlich im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf ihre in Y wohnhafte Tochter T. Dabei behielten sie sich am übertragenen Grundbesitz den Nießbrauch vor.
In der notariellen Urkunde wurde dazu in einer Vorbemerkung festgehalten, dass sich die Klägerin und ihr Ehemann von der Überlegung hätten leiten lassen, dass T ihre Bereitschaft erklärt und bekräftigt habe, ihre Eltern bei der Pflege des Grundstücks, insbesondere des großen Gartens, tatkräftig zu unterstützen und ggf. diese vollständig zu übernehmen. T wurde am 4. Juli 1995 als Eigentümerin des Grundstücks in das Grundbuch eingetragen.
Am 19. November 2003 verstarb E, ohne eine Verfügung von Todes wegen hinterlassen zu haben. Aus seiner Ehe mit der Klägerin waren neben T auch die Töchter U und V hervorgegangen.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 31. Mai 2005 schenkte T der Klägerin das Grundstück. Die Schenkung war aufschiebend bedingt durch den gleichzeitigen Abschluss eines Erbvertrages, mit welchem die Klägerin ihre drei Töchter zu gleichen Teilen als Erben einsetzen sollte. Ein solcher Erbvertrag wurde ebenfalls am 31. Mai 2005 beurkundet. Die Klägerin wurde am 25. August 2005 als Eigentümerin des Grundstücks in das Grundbuch eingetragen.
Wegen der mit Vertrag vom 31. Mai 2005 erfolgten unentgeltlichen Übertragung des Grundstücks setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) gegen die Klägerin mit Bescheid vom 16. Februar 2006 Schenkungsteuer in Höhe von 81.884 EUR fest, wobei er vom vollen Grundbesitzwert ausging.
Am 29. April 2006 ließen die Klägerin und ihre drei Töchter die Aufhebung und Rückabwicklung der Verträge vom 2. Juni 1995 und vom 31. Mai 2005 wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage sowie Nichterfüllung einer Auflage notariell beurkunden. Bezüglich des erstgenannten Vertrages wurde in der Urkunde unter anderem ausgeführt, T sei entgegen ihrer ursprünglichen Absicht nicht nach X umgezogen, weshalb auch die Verpflichtung zur Grundstückspflege nicht erfüllt werden könne. Auch sei es im Nachhinein als unbillig empfunden worden, dass V, welche die Klägerin bei der Grundstückspflege unterstützt habe, nicht bei der Schenkung bedacht worden sei. Im Hinblick darauf hätten die Beteiligten den Schenkungsvertrag vom 31. Mai 2005 abgeschlossen, wobei sie aber davon ausgegangen seien, dass dies keine Schenkungsteuer auslöse. Hinsichtlich des ungeteilten Nachlasses nach E setzten sich die Beteiligten dergestalt auseinander, dass die Töchter auf ihren jeweiligen Erbanteil zugunsten der Klägerin verzichteten. Die Klägerin wurde dementsprechend am 10. Oktober 2006 als alleinige Eigentümerin des Grundstücks in das Grundbuch eingetragen.
Einspruch und Klage der Klägerin gegen den Schenkungsteuerbescheid vom 16. Februar 2006 blieben erfolglos. In seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2008, 1644 veröffentlichten Urteil führte das Finanzgericht (FG) aus, der angefochtene Schenkungsteuerbescheid sei nicht nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 29 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) aufzuheben, weil danach die Schenkungsteuer nur erlösche, soweit ein Geschenk wegen eines Rückforderungsrechts herausgegeben werden müsse. An einer danach erforderlichen ernsthaften Rückgängigmachung der Grundstücksschenkung vom 31. Mai 2005 fehle es im Streitfall, weil die Klägerin das ihr geschenkte Grundstück nicht wieder an die Schenkerin T herausgegeben habe. Bei der Bewertung der Schenkung sei der der Klägerin bereits eingeräumte Nießbrauch nicht zu berücksichtigen.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO i.V.m. § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG und die fehlerhafte Anwendung von § 889 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung sowie den Schenkungsteuerbescheid vom 16. Februar 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. September 2007 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Gründe
aaa) Nach den von der Rechtsprechung entwickelten und auch im Erbschaftsteuerrecht geltenden Grundsätzen zum Wegfall der Geschäftsgrundlage (vgl. dazu Urteile des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 3. August 1960 II 263/57, Der Betrieb 1961, 226; vom 29. Juli 1964 II 106/62, Betriebs-Berater 1979, 1208; vom 27. Oktober 1972 II B 7/72, BFHE 107, 231, BStBl II 1973, 14; vom 19. Oktober 1977 II R 89/71, BFHE 124, 208, BStBl II 1978, 217) kann in dem Fall, dass sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, die Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Dabei kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten, wenn eine solche Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar ist. Voraussetzung für die Geltendmachung eines auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage gestützten Rückforderungsanspruchs ist es danach stets, dass der Umstand, auf dessen schwerwiegende Veränderung sich eine Vertragspartei beruft, überhaupt zur Geschäftsgrundlage des Vertrages geworden ist. Grundlage eines Vertrags sind nur die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt gewordenen, bei Vertragsschluss aber zutage getretenen gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragsparteien oder die der einen Partei erkennbaren und von ihr nicht beanstandeten Vorstellungen der anderen Partei von dem Vorhandensein oder dem Eintritt bestimmter Umstände, auf denen der Geschäftswille der Parteien aufbaut (vgl. Erman/Hohloch, BGB, 12. Aufl., § 313 Rz 17). Anders als die Klägerin meint, ist die Frage der Schenkungsteuerpflicht anlässlich der Verhandlungen des Vertrages vom 31. Mai 2005 ausdrücklich offen gelassen worden. Aus § 10 Ziff. 3 des Vertrages vom 31. Mai 2005 ergibt sich, dass von den Vertragsbeteiligten eine steuerliche oder steuerrechtliche Beratung durch den Notar nicht verlangt und von diesem auch nicht vorgenommen wurde. Nichts anderes ergibt sich aus dem Vortrag der Klägerin, wonach der Notar gesprächsweise darauf verwiesen habe, dass allenfalls eine geringe Steuer anfallen werde. Wenn die Vertragsparteien trotz des ausdrücklichen Ausschlusses einer steuerlichen Beratung durch den Notar und angesichts des in den Raum gestellten Bestehens einer Schenkungsteuerpflicht dennoch den Vertrag vom 31. Mai 2005 abgeschlossen haben, so haben sie die Frage des Entstehens bzw. der Höhe der Steuer erkennbar nicht zur Grundlage des Vertrages gemacht.
bbb) Die Klägerin dringt vor diesem Hintergrund auch nicht mit ihrer auf das Unterbleiben einer Beweisaufnahme bezogenen Verfahrensrüge durch. Diese greift schon deshalb nicht durch, weil die Einlassungen zu den steuerbezogenen Auskünften des Notars nach der vom FG vertretenen Auffassung für dieses nicht entscheidungserheblich waren.
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