BGH, Beschl. v. 15.04.2015 – XII ZB 534/14 Behindertentestament

Juni 12, 2018

BGH, Beschl. v. 15.04.2015 – XII ZB 534/14

Behindertentestament

Gründe:

Die geistig behinderte Betroffene ist durch Testament v. 12.09.2001 zur alleinigen befreiten Vorerbin ihrer im Jahr 2008 verstorbenen Mutter bestimmt worden. Der Nachlass stellt derzeit ihr wesentliches Vermögen dar. In dem Testament ordnete die Erblasserin eine Testamentsvollstreckung als Dauervollstreckung auf Lebenszeit der Betroffenen an und ernannte den Rechtsbeschwerdeführer zum Testamentsvollstrecker, der dieses Amt bis heute ausübt.

Mit Beschl. v. 02.06.2014 hat das Betreuungsgericht eine Vergütung des Betreuers aus dem Vermögen der Betroffenen i.H.v. 198,00 € sowie die Erstattung bereits von der Staatskasse verauslagter Betreuervergütungen aus dem Vermögen der Betroffenen i.H.v. 792,00 € festgesetzt. Mit weiterem Beschl. v. 03.06.2014 hat das Betreuungsgericht eine Vergütung des Betreuers aus dem Vermögen der Betroffenen i.H.v. 330,00 € festgesetzt.

Gegen diese Beschlüsse hat der Rechtsbeschwerdeführer mit Schreiben v. 10.06.2014 Beschwerde eingelegt und zugleich seine Hinzuziehung zu dem Vergütungsverfahren als Beteiligter beantragt. Mit Beschl. v. 24.06.2014 hat das Betreuungsgericht den Antrag des Rechtsbeschwerdeführers auf Verfahrensbeteiligung abgelehnt und dessen Beschwerden gegen die Beschl. v. 02.06.2014 und 03.06.2014 „zurückgewiesen”. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde hat das LG zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom LG zugelassene Rechtsbeschwerde, mit der der Rechtsbeschwerdeführer weiter seine Verfahrensbeteiligung und die Aufhebung der Vergütungsfestsetzungsbeschlüsse anstrebt.

Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 70 Abs. 1 FamFG aufgrund der Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft (vgl. auch Senatsbeschl. v. 05.01.2011 – XII ZB 152/10, FamRZ 2011, 368 Rn. 2) und auch im Übrigen zulässig. Die Rechtsbeschwerdebefugnis des Beschwerdeführers ergibt sich daraus, dass seine Erstbeschwerde gegen den Beschluss des Betreuungsgerichts ohne Erfolg geblieben ist (vgl. Senatsbeschl. v. 05.11.2014 – XII ZB 117/14, FamRZ 2015, 249 Rn. 4 m.w.N.).

Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet. Soweit sich der Rechtsbeschwerdeführer gegen die Festsetzung der Betreuervergütung wendet, ist sie mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beschwerde gegen die entsprechenden betreuungsgerichtlichen Beschl. v. 02.06.2014 und 03.06.2014 verworfen wird. Insoweit ist bereits die Erstbeschwerde unzulässig gewesen, weil dem Rechtsbeschwerdeführer die Beschwerdebefugnis gefehlt hat.

  1. Das Beschwerdegericht hat zutreffend angenommen, dass der Rechtsbeschwerdeführer als Testamentsvollstrecker nicht am Verfahren zur Festsetzung der Betreuervergütung zu beteiligen ist.
  2. a) Der Kreis der Personen, die in Betreuungssachen (271 FamFG) von Amts wegen oder auf Antrag am Verfahren beteiligt werden können, bestimmt sich nach §§ 7 Abs. 3, 274 Abs. 4 FamFG. Als Testamentsvollstrecker wird der Rechtsbeschwerdeführer von dieser abschließenden Regelung der Kann-Beteiligten (vgl. BT-Drucks. 16/6308, S. 179) nicht erfasst.
  3. b) Als Testamentsvollstrecker ist der Rechtsbeschwerdeführer auch nicht zwingend am Verfahren zu beteiligen. Nach 274 Abs. 1 und 2 FamFG sind nur der Betroffene, der Betreuer und der Vorsorgebevollmächtigte, soweit ihr Aufgabenkreis betroffen ist, und der Verfahrenspfleger sog. Muss-Beteiligte in Betreuungssachen. Allerdings schließt die Regelung in § 274 Abs. 1 FamFG eine ergänzende Anwendung der allgemeinen Vorschrift in § 7 Abs. 2 FamFG nicht aus (Keidel/Budde, FamFG, 18. Aufl., § 274 Rn. 1; Prütting/Helms/Fröschle, FamFG, 3. Aufl., § 274 Rn. 2; BT-Drucks. 16/6308, S. 179).
  4. aa) Nach 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG sind diejenigen als Beteiligte zum Verfahren hinzuzuziehen, deren Recht durch das Verfahren unmittelbar betroffen wird. Die Vorschrift knüpft an den materiellen Beteiligtenbegriff an (Keidel/Budde, FamFG, 18. Aufl., § 7 Rn. 11) und entspricht damit inhaltlich den Voraussetzungen für die Beschwerdeberechtigung in § 59 Abs. 1 FamFG.

Eine Rechtsbeeinträchtigung in diesem Sinne liegt vor, wenn der Entscheidungssatz des angefochtenen Beschlusses unmittelbar in ein dem Beschwerdeführer zustehendes Recht eingreift (Senatsbeschl. v. 19.01.2011 – XII ZB 326/10, FamRZ 2011, 465 Rn. 9 m.w.N.). Die angefochtene Entscheidung muss daher ein bestehendes Recht des Beschwerdeführers aufheben, beschränken, mindern, ungünstig beeinflussen oder gefährden, die Ausübung dieses Rechts stören oder dem Beschwerdeführer die mögliche Verbesserung seiner Rechtsstellung vorenthalten oder erschweren (Senatsbeschl. v. 08.10.2014 – XII ZB 406/13, FamRZ 2015, 42 Rn. 14 m.w.N.). Eine Beeinträchtigung lediglich wirtschaftlicher, rechtlicher oder sonstiger berechtigter Interessen genügt dagegen nicht (Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 18. Aufl., § 59 Rn. 6).

  1. bb) Gemessen hieran hat das Beschwerdegericht eine unmittelbare Betroffenheit des Beschwerdeführers in eigenen Rechten durch die Entscheidungen im Verfahren zur Festsetzung der Betreuervergütung zu Recht verneint.

(1) Die Aufgabe des Testamentsvollstreckers besteht darin, entsprechend dem Willen und unter Beachtung der Anordnungen des Erblassers (§ 2216 Abs. 2 BGB) die letztwilligen Verfügungen des Erblassers zur Ausführung zu bringen (§ 2203 BGB) und den Nachlass zu verwalten (§ 2205 BGB). Hierzu ist er regelmäßig mit umfassenden Befugnissen ausgestattet, die ihm die Erfüllung der ihm anvertrauten Aufgabe ermöglichen (vgl. §§ 2205, 2206, 2207 BGB). In seiner Amtsführung ist der Testamentsvollstrecker unabhängig, soweit nicht das Gesetz oder der Erblasser selbst ihm Bindungen auferlegt haben (vgl. BGHZ 25, 275 (279) = NJW 1957, 1916). Stets hat er jedoch den ausdrücklich geäußerten oder mutmaßlichen Willen des Erblassers zu beachten (vgl. MünchKomm-BGB/Zimmermann, 6. Aufl, § 2203 Rn. 13). Denn innerhalb der zwingenden gesetzlichen Schranken ist der Wille des Erblassers die oberste Norm für die Aufgaben und Befugnisse des Testamentsvollstreckers (BayObLG, NJW-RR 2000, 298 (300) [BayObLG 30.09.1999 – 1 Z BR 142/98]).

(2) In der so umschriebenen Rechtsstellung wird der Testamentsvollstrecker durch die Festsetzung der Betreuervergütung aus dem Vermögen der Betroffenen nicht unmittelbar beeinträchtigt.

(a) Allerdings steht der Nachlass, der der Testamentsvollstreckung unterfällt, nur dann für Vergütungsansprüche eines Betreuers des Erben zur Verfügung, wenn dies mit den vom Erblasser im Testament getroffenen Verwaltungsanordnungen zu vereinbaren ist, die vom Testamentsvollstrecker vollzogen werden müssen. Die durch ein Behindertentestament angeordnete (Vor-)Erbschaft bei gleichzeitiger Anordnung der Testamentsvollstreckung führt zu einer Einschränkung der Verfügungsbefugnis des Erben gem. § 2211 BGB. Demgemäß können sich die Gläubiger des Erben, die nicht zu den Nachlassgläubigern gehören, nicht an die der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegenden Nachlassgegenstände halten, § 2214 BGB. Dies schließt auch eine Verwertung des Nachlasses für die Betreuervergütung grundsätzlich aus.

Der Erbe hat einen durchsetzbaren Anspruch darauf, dass der Testamentsvollstrecker die vom Erblasser getroffenen Verwaltungsanordnungen i.S.d. § 2216 Abs. 2 BGB umsetzt. Dieser Anspruch, der sich in diesem Zusammenhang auf die Freigabe der zu entrichtenden Betreuervergütung richtet, gehört zum Vermögen der Betroffenen i.S.v. § 90 SGB XII. Daher ist durch Auslegung der an den Testamentsvollstrecker adressierten Verwaltungsanordnungen zu ermitteln, ob der Erblasser auch Vergütungsansprüche des Betreuers ausschließen wollte (vgl. Senatsbeschl. v. 27.03.2013 – XII ZB 679/11, FamRZ 2013, 874 Rn. 22 f. [= ErbR 2013, 250]). Stehen die im Testament getroffenen Verwaltungsanordnungen an den Testamentsvollstrecker einer Entnahme der Betreuervergütung aus dem Nachlass entgegen, ist der Erbe mittellos i.S.d. §§ 1908i Abs. 1 Satz 1, 1836d Nr. 1 BGB und der Betreuer kann seine Vergütung nur aus der Staatskasse verlangen.

(b) Gleichwohl lässt sich ein Recht auf Verfahrensbeteiligung auch nicht mit der Erwägung des Beschwerdeführers begründen, dass er als Testamentsvollstrecker sonst keinen Einfluss auf die vom Gericht im Vergütungsverfahren vorzunehmende Auslegung der letztwilligen Verfügung habe. Zwar können Erkenntnisse, über die der Testamentsvollstrecker verfügt, zur Feststellung des wirklichen oder mutmaßlichen Willens des Erblassers hilfreich sein. Ein Beteiligungsrecht nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG lässt sich daraus jedoch nicht herleiten. Denn die Auslegung des Testaments im Vergütungsverfahren ist für den Testamentsvollstrecker nicht bindend. Vielmehr ist es ihm unbenommen, bei Zweifeln an der Auslegung einer letztwilligen Verfügung gegenüber dem Erben oder sonstigen Anspruchstellern vor dem Prozessgericht eine entsprechende Feststellungsklage (§ 256 ZPO) zu erheben (MünchKomm-BGB/Zimmermann, 6. Aufl., § 2202 Rn. 25 m.w.N.) oder sich, gestützt auf § 2214 BGB, gegen die Zwangsvollstreckung in den von der Testamentsvollstreckung erfassten Nachlass zu wenden (Palandt/Weidlich, BGB, 74. Aufl., § 2214 Rn. 2).

Dem Beschwerdeführer steht auch keine Beschwerdeberechtigung gegen die Vergütungsfestsetzungsbeschlüsse i.S.v. § 59 Abs. 1 FamFG zu.

Zwar kommt es hierfür nicht darauf an, ob und inwieweit der Beschwerdeführer verfahrensrechtlich als Beteiligter anzusehen ist (BGH, Beschl. v. 24.04.2013 – IV ZB 42/12, FamRZ 2013, 1035 Rn. 20m.w.N. [= ErbR 2013, 248]). Der Begriff der Rechtsbeeinträchtigung in § 59 Abs. 1 FamFG ist jedoch inhaltsgleich mit dem Begriff der unmittelbaren Rechtsbetroffenheit in § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG. Deshalb führt die fehlende unmittelbare Rechtsbetroffenheit, die einer Verfahrensbeteiligung des Beschwerdeführers entgegensteht, auch dazu, dass es ihm an der Beschwerdebefugnis gegen die in diesem Verfahren ergangenen Entscheidungen mangelt.

Da sich eine Beschwerdebefugnis des Beschwerdeführers auch nicht aus § 303 FamFG ergibt, weil der Testamentsvollstrecker nicht zu dem in dieser Vorschrift genannten Personenkreis zählt, hätte das Beschwerdegericht die Erstbeschwerde des Beschwerdeführers gegen die Vergütungsfestsetzungsbeschlüsse als unzulässig verwerfen müssen. Dies ist vom Senat nachzuholen.

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