BGH IV ZR 224/12 Anfechtung eines Erbvertrags durch den Erblasser

August 11, 2017
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 15. Juni 2012 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der Kosten der Streithelfer der Klägerin (§§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO).
Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Erbenstellung nach dem am 17. Oktober 2010 im Alter von 91 Jahren verstorbenen R.            S.    (Erblasser).
Dieser war in erster Ehe mit der am 9. Februar 2009 verstorbenen I.      S.      verheiratet gewesen. Am 3. Dezember 2002 schloss er mit ihr einen notariell beurkundeten Erbvertrag, in dem sie die von ihnen errichtete Stiftung des bürgerlichen Rechts, die Beklagte, als Alleinerbin des Erblassers einsetzten, ein Vermächtnis für I.     S.      aussetzten, jeweils einen Pflichtteilsverzicht erklärten und ein einseitiges Rücktrittsrecht ausschlossen. Durch ergänzende notariell beurkundete letztwillige Verfügung vom 3. Dezember 2005 bestimmten die Eheleute unter anderem den Sohn des Erblassers als Testamentsvollstrecker, der seit 2009 alleinvertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied der Stiftung ist.

 

Am 30. Juli 2009 heiratete der Erblasser die Klägerin und bestimmte sie mit handschriftlicher letztwilliger Verfügung vom 7. August 2009 zu seiner Alleinerbin. Mit notarieller Urkunde vom 28. August 2009 erklärte er unter vorsorglichem Widerruf aller letztwilligen Verfügungen mit Ausnahme der vom 7. August 2009 die Anfechtung des Erbvertrages und bat den Notar um Übermittlung einer Ausfertigung an das zuständige Nachlassgericht, wobei folgender Zusatz eingefügt ist:
„Dies soll allerdings erst erfolgen, wenn ihm der Erschienene oder ein hierzu Bevollmächtigter diesbezüglich gesondert schriftlich Mitteilung macht.“
In zwei weiteren notariellen Urkunden vom gleichen Tag erteilte der Erblasser dem Streithelfer zu 2, einem Rechtsanwalt, Generalvollmacht und setzte ihn als Testamentsvollstrecker anstelle seines Sohnes ein. Mit Schreiben vom 23. Dezember 2009 bat Rechtsanwalt Z.    für den nach Diktat verreisten Generalbevollmächtigten den beurkundenden Notar, Streithelfer zu 1, namens und in Vollmacht des Erblassers, die Anfechtungserklärung beim Nachlassgericht einzureichen. Am 28. Dezember 2009 ging dort eine Ausfertigung der notariellen Urkunde vom 28. August 2009 mit einem Anschreiben des Streithelfers zu 1 vom 23. Dezember 2009 ein. Das Nachlassgericht veranlasste die Zustellung an die Beklagte, die am 11. Januar 2010 erfolgte.
Mit Beschluss vom 11. November 2010 ordnete das Amtsgericht Nachlasspflegschaft zur Sicherung und Verwaltung des Nachlasses des Erblassers an. Die dagegen eingelegten Rechtsmittel hatten keinen Erfolg (Senatsbeschluss vom 13. September 2012 – IV ZB 23/11, ZEV 2013, 39).
Das Landgericht hat der Klage auf Feststellung, dass die Klägerin aufgrund letztwilliger Verfügung und Anfechtung des Erbvertrages Alleinerbin des Erblassers geworden ist, stattgegeben; das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision erstrebt die Beklagte weiterhin Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt (ZEV 2012, 542 m. Anm. Keim 548), die Klägerin sei aufgrund letztwilliger Verfügung des Erblassers vom 7. August 2009 dessen Alleinerbin geworden. Die Anfechtung des Erbvertrages sei formwirksam am 28. August 2009 erklärt worden. Der in die Urkunde aufgenommene Vorbehalt, die Anfechtungserklärung erst nach entsprechender Anweisung beim Nachlassgericht einzureichen, stelle eine Treuhandauflage dar, die sich an den beurkundenden Notar richte und nicht Bestandteil der Anfechtungserklärung sei. Der notariellen Form habe nur die Anfechtungserklärung als solche, nicht aber deren Begebung bedurft. Sei eine empfangsbedürftige Willenserklärung zugegangen, streite eine Vermutung dafür, dass sie mit Willen des Erklärenden in den Verkehr gelangt sei. Die formelle Beweiskraft der Urkunde werde nicht dadurch entkräftet, dass der Treuhandauftrag zu ihrem Vollzug mit in die Urkunde aufgenommen worden sei. Es hätte damit der Beklagten oblegen, den fehlenden Begebungswillen des Erblassers zu beweisen, ein Beweisantritt sei aber nicht erfolgt.
II. Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand.
1. Das Berufungsgericht hat revisionsrechtlich beanstandungsfrei festgestellt, dass der Erblasser die Anfechtung des Erbvertrages erklärt hat.
a) Für die Feststellung des in der Anfechtungserklärung enthaltenen Erblasserwillens gelten die allgemeinen Auslegungsregeln der §§ 133, 2084 BGB. Hiernach ist der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften (Senatsbeschluss vom 17. Juli 2012 – IV ZB 23/11, ZEV 2013, 36 Rn. 14; Senatsurteile vom 24. Juni 2009 – IV ZR 202/07, ZEV 2009, 459 Rn. 25; vom 8. Dezember 1982 – IV ZR 94/81, BGHZ 86, 41, 45). Dabei müssen nicht nur der gesamte Text der Verfügung, sondern auch alle dem Richter zugänglichen Umstände außerhalb der Urkunde ausgewertet werden, die zur Aufdeckung des Erblasserwillens möglicherweise dienlich sind (Senatsurteil vom 24. Juni 2009 aaO). Abzustellen ist aber stets auf den Willen des Erblassers im Zeitpunkt der Erklärung. Danach eingetretene Umstände können nur Bedeutung erlangen, soweit sie Rückschlüsse hierauf zulassen (BayObLG NJW 1996, 133).
b) Es obliegt in erster Linie dem Tatrichter, die Anfechtungserklärung auszulegen. Seine Auslegung kann mit der Revision nur erfolgreich angegriffen werden, wenn gesetzliche Auslegungsregeln, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt, wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen oder in Betracht kommende andere Auslegungsmöglichkeiten nicht in Erwägung gezogen werden (Senatsurteil vom 24. Februar 1993 – IV ZR 239/91, BGHZ 121, 357, 363 m.w.N.). Dies führt dazu, dass sich im Ergebnis sogar widersprechende tatrichterliche Auslegungen als vom Revisionsgericht nicht zu beanstanden erweisen können. Deshalb ergeben sich im Streitfall revisible Rechtsfehler nicht bereits daraus, dass der Senat die vom Beschwerdegericht hinsichtlich der Anordnung der Nachlasspflegschaft vertretene abweichende Auslegung im Rechtsbeschwerdeverfahren unbeanstandet gelassen hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom 13. September 2012 – IV ZB 23/11, ZEV 2013, 39 Rn. 4; vom 17. Juni 2012 – IV ZB 23/11, ZEV 2013, 36 Rn. 12).
c) Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Anfechtung des Erblassers in der notariellen Urkunde vom 28. August 2009 sei unbedingt erklärt worden und der in der Urkunde aufgenommene Vorbehalt sei lediglich als aufgeschobene Begebung zu verstehen, ist schon nach dem Wortlaut der Urkunde rechtlich jedenfalls vertretbar. Der Erblasser hat in Ziff. II Abs. 1 erklärt, dass er den Erbvertrag vom 3. Dezember 2002 nebst den nachfolgenden letztwilligen Verfügungen nach § 2281 Abs. 1 BGB anfechte. Ziff. II Abs. 2 Satz 1 enthält die Anweisung an den Notar, die Anfechtungserklärung dem zuständigen Nachlassgericht zu übermitteln. Damit sind alle erforderlichen Erklärungen des Erblassers in der notariellen Urkunde aufgenommen. Für die notarielle Beurkundung etwa einer bloßen Anfechtungsabsicht oder nur bedingten Anfechtung im Zeitpunkt der Erklärung besteht kein Anhalt. Der mit einem zeitlichen Aufschub der Begebung, die für jede empfangsbedürftige Willenserklärung im Anschluss an die Erklärung erforderlich ist, verbundene Vorbehalt lässt keine maßgeblichen Rückschlüsse auf eine noch nicht endgültig gemeinte Anfechtung zu. Dem Erblasser kam es bei Niederschrift seiner Erklärung vielmehr ersichtlich darauf an, dass die früher beurkundeten Erklärungen zukünftig keine Wirksamkeit mehr entfalten sollten. Dies wird auch durch Ziff. III verdeutlicht. Dort heißt es in Abs. 1:
„Vorsorglich widerrufe ich alle letztwilligen Verfügungen mit Ausnahme des vorgenannten und bestätigten Testaments vom 07.08.2009 sowie heute beurkundeter Erklärungen.“
Zu Recht weist das Berufungsgericht – in anderem Zusammenhang – darauf hin, dass der Erblasser in der von ihm am 2. Oktober 2010 errichteten Urkunde nochmals bestätigt hat, die Anfechtung des Erbvertrages durch die am 28. August 2009 errichtete und dem Nachlassgericht am 28. Dezember 2009 übermittelte notarielle Urkunde erklärt zu haben.
2. Rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Auffassung des Berufungsgerichts, die Anweisung an den Notar, die Anfechtungserklärung dem Nachlassgericht zu übermitteln, habe nicht gesonderter notarieller Beurkundung bedurft. Nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Gesetzessystematik und einhelliger Auffassung der Rechtsprechung und Literatur erstreckt sich das Erfordernis notarieller Beurkundung allein auf die Erklärung der Anfechtung.
a) Dem Wortlaut des § 2282 Abs. 3 BGB ist zu entnehmen, dass nur die Anfechtungserklärung der notariellen Beurkundung bedarf.
Die Anfechtung des Erbvertrages nach § 2281 BGB ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, für die § 130 BGB gilt (Senatsurteil vom 16. April 1953 – IV ZB 25/53, BGHZ 9, 233 f.; RGZ 65, 270, 272). Sie erfordert neben der Erklärung der Anfechtung deren Abgabe und Zugang. Geht die abgegebene Erklärung nicht zu, so wird sie nicht wirksam. Die Abgabe der Willenserklärung ist der entscheidende Moment, auch wenn für das Wirksamwerden der Zugang notwendig ist und die Wirksamkeit erst im Zeitpunkt des Zugangs eintritt (Flume, Das Rechtsgeschäft 2. Band 3. Aufl. S. 225 f.). Abgegeben ist die Erklärung, wenn der Erklärende seinen rechtsgeschäftlichen Willen erkennbar so geäußert hat, dass an der Endgültigkeit der Äußerung kein Zweifel möglich ist (Palandt/Ellenberger, BGB 72. Aufl. § 130 Rn. 4). Bei einer empfangsbedürftigen schriftlichen Willenserklärung muss zu ihrer Wirksamkeit die Begebung hinzukommen, d.h. sie muss mit dem Willen des Erklärenden in den Verkehr gebracht worden sein (Senatsurteil vom 18. Dezember 2002 – IV ZR 39/02, NJW-RR 2003, 384 unter II; BGH, Urteil vom 30. Mai 1975 – V ZR 206/73, BGHZ 65, 13, 14). Dem Beurkundungszwang unterliegt nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 2282 Abs. 3 BGB nur die gemäß § 2282 Abs. 1 Satz 1 BGB höchstpersönliche Erklärung der Anfechtung, d.h. die Abgabe der Willenserklärung, nicht hingegen deren Begebung.
b) Die Formfreiheit der Begebung empfangsbedürftiger Willenserklärungen entspricht dem historischen Willen des Gesetzgebers.
In den Protokollen der Kommission zur zweiten Lesung des BGB findet sich zum jetzigen § 128 BGB der Hinweis, dass bei empfangsbedürftigen einseitigen Willenserklärungen der Zugang nicht der Beurkundung bedarf:
„[…] Rede man von Beurkundung, so sei selbstverständlich, daß nur beurkundet werden könne, was vor Gericht oder Notar erfolgt sei. Verlange das Gesetz, daß eine Erklärung gerichtlich oder notariell beurkundet werden müsse, so erhelle aus der Vorschrift mit genügender Deutlichkeit, daß nicht auch das Zugehen der Erklärung an den anderen Theil den Gegenstand der Beurkundung bilde -, ein Ergebnis, das mit den Anforderungen des Verkehrs in Einklang stehe.“ (Prot. V 438)
Nach dem Verständnis des historischen Gesetzgebers erfasst die Formfreiheit auch die Begebung. Darauf weisen ferner die weiteren Erörterungen der Kommission hin, wonach es zur notariellen Beurkundung eines Vertrages genügt, wenn zunächst der Antrag und sodann die Annahme des Antrags von einem Notar beurkundet werden. Ausdrücklich abgelehnt wurde hingegen eine Alternativfassung, nach der für die Beurkundung ein Ersuchen des Antragenden um Vorlage durch ein Gericht oder einen Notar und eine Vorlage des Antrags durch ein Gericht oder einen Notar notwendig gewesen wären; formbedürftig wären danach das Ersuchen, die Vorlegung sowie die Annahme des Antrags gewesen (Prot. V 434 f., 439 ff.). Das Ersuchen des Antragenden, dem anderen Teil den Antrag vorzulegen, hätte strukturell der Begebung entsprochen, weil dies die mit Wissen und Wollen bewirkte Entäußerung der Willenserklärung dargestellt hätte. Der Ablehnung der Formbedürftigkeit des Ersuchens (Prot. V 440 ff.) ist zu entnehmen, dass der historische Gesetzgeber diesbezüglich Formfreiheit insgesamt wollte.
Die Beratungen der Kommission belegen weiter, dass nach der Wertung des historischen Gesetzgebers die für ihn maßgeblichen Zwecke des Beurkundungserfordernisses einer Formfreiheit der Begebung nicht entgegenstehen. Die Kommission erkannte, dass die Formfreiheit der Begebung Beweisschwierigkeiten bezüglich der willentlichen Entäußerung von Vertragserklärungen schaffen kann, meinte aber, dies sei im Hinblick auf die Bedürfnisse des Verkehrs hinzunehmen (vgl. Prot. V 440 f.). Zwar wurde die Beurkundung empfangsbedürftiger einseitiger Willenserklärungen von der Kommission im Kontext des jetzigen § 128 BGB erörtert. Für diese gelten aber die Überlegungen zur Formfreiheit der Begebung in gleicher Weise wie für Vertragserklärungen. Anhaltspunkte für einen unterschiedlichen Maßstab des historischen Gesetzgebers sind nicht ersichtlich.
c) Auch die Formvorschrift des § 766 Satz 1 BGB spricht dafür, dass die Begebung nicht der für die Abgabe der Willenserklärung maßgeblichen Form unterliegt. Danach ist zur Gültigkeit des Bürgschaftsvertrages die schriftliche Erteilung der Bürgschaftserklärung erforderlich. Erteilung bedeutet, dass zum Wirksamwerden der unter Wahrung der Schriftform abgegebenen Erklärung die Unterzeichnung der Bürgschaftsurkunde allein nicht genügt, hinzukommen muss, dass sich der Bürge hinsichtlich der in der Bürgschaftsurkunde verkörperten Willenserklärung gegenüber dem Gläubiger entäußert (MünchKomm-BGB/Habersack, 5. Aufl. § 766 Rn. 24). Dies stellt die Begebung der Bürgschaftsurkunde dar. Die Erteilung selbst geschieht in der Regel durch Übergabe der Bürgschaftsurkunde (MünchKomm-BGB/Habersack aaO; RGZ 126, 121, 122) und damit gerade nicht schriftlich.
d) Angesichts dessen besteht kein Grund, die Formfreiheit der Begebung in Frage zu stellen, was auch in Rechtsprechung und Schrifttum übereinstimmend so gesehen wird.
aa) Bundesgerichtshof und Reichsgericht haben sich im Zusammenhang mit dem Widerruf wechselseitig abhängiger Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament wiederholt damit befasst, ob empfangsbedürftige Willenserklärungen dem Erklärungsgegner noch nach dem Tod des Erklärenden wirksam zugehen können (BGH, Urteil vom 19. Oktober 1967 – III ZB 18/67, BGHZ 48, 374; Senatsurteil vom 16. April 1953 – IV ZB 25/53, BGHZ 9, 233; RGZ 65, 270). Die Beurteilung erfolgte jeweils am Maßstab des § 130 Abs. 2 BGB, nach dem es für die Wirksamkeit der Willenserklärung ohne Einfluss ist, wenn der Erklärende nach deren Abgabe verstirbt. Entscheidend ist, dass der Erklärende vor seinem Tod alles getan hat, was von seiner Seite erforderlich war, damit die Erklärung dem anderen Teil zugeht (so schon RGZ 65, 270, 274). Diese Ausführungen betrafen nur die Abgabe („formgerecht erklärt“), nicht jedoch die anschließende Begebung.
bb) Entgegen der Ansicht der Revision ergibt sich nichts anderes aus dem Erfordernis, dass dem Empfänger einer Anfechtungserklärung deren Urschrift oder Ausfertigung zugehen muss, der Zugang einer beglaubigten Abschrift hingegen nicht ausreicht (BGH, Beschluss vom 19. Oktober 1967 – III ZB 18/67, BGHZ 48, 374, 377 und Urteil vom 28. September 1959 – III ZR 112/58, BGHZ 31, 5, 7; OLG Celle NJW 1964, 53, 54; BayObLGZ 1963, 260, 264). Dass über die Anfechtungserklärung hinaus noch zusätzlich die Begebung notariell beurkundet werden müsste, lässt sich den Entscheidungen nicht entnehmen.
e) In Übereinstimmung damit bedarf auch nach einhelliger Ansicht der Literatur nur die Erklärung der Anfechtung der notariellen Beurkundung nach § 2282 Abs. 3 BGB, nicht aber deren Zugang (Staudinger/Kanzleiter, BGB Neubearb. 1998 § 2282 Rn. 6; MünchKomm-BGB/Musielak, 5. Aufl. § 2282 Rn. 4; Soergel/Wolf, BGB 13. Aufl. § 2282 Rn. 4; Planck/Greiff, BGB 4. Aufl. § 2282 Rn. 2). Dies muss ebenso für den Begebungsakt der Anfechtungserklärung gelten (Palandt/Weidlich, BGB 72. Aufl. § 2282 Rn. 1 unter Hinweis auf die Entscheidung des Berufungsgerichts); Begebung und Zugang von Willenserklärungen sind tatsächliche willensgetragene Vorgänge, auf die sich die mit der Beurkundung verbundenen Zwecke – zuverlässige und sachkundige Beratung, eindeutige Feststellung des erklärten Willens, Warnfunktion vor übereilten Entscheidungen – nicht erstrecken (Michalski, WiB 1997, 785, 786 f.; Kanzleiter aaO § 2296 Rn. 7). Ein zeitlicher Aufschub der Begebung ändert daran nichts.
3. Im Ergebnis zu Recht sieht es das Berufungsgericht aufgrund der Vorlage der notariellen Urkunde vom 28. August 2009 als bewiesen an, dass diese vom Erblasser persönlich abgegeben und begeben worden ist.
a) Nach der gesetzlichen Beweisregel des § 416 ZPO begründet eine von dem Aussteller unterschriebene Privaturkunde vollen Beweis dafür, dass die in ihr enthaltenen Erklärungen von dem Aussteller abgegeben worden sind. Der Senat hat die Beweisregel des § 416 ZPO auf die Begebung einer schriftlichen Willenserklärung erstreckt (Senatsurteile vom 8. März 2006 – IV ZR 145/05, NJW-RR 2006, 847 Rn. 13 und vom 18. Dezember 2002 – IV ZR 39/02, NJW-RR 2003, 384 unter II).
Das gilt auch hier. Die Urkunde enthält zwar den Zusatz, dass die Begebung auf gesonderte Anweisung erfolgen soll. Dies führt aber nicht dazu, dass sie damit dem Anwendungsbereich des § 416 ZPO entzogen wäre und die Begebung der in dieser Privaturkunde enthaltenen Erklärung zum Gegenstand einer gesetzlichen oder einer auf einen Erfahrungssatz gegründeten tatsächlichen Vermutung würde (so aber Keim ZEV 2012, 548). Die Übermittlungsanweisung betrifft nur das jeder einem abwesenden Erklärungsempfänger gegenüber abzugebenden empfangsbedürftigen Willenserklärung immanente Auseinanderfallen von Erklärung und Wirksamwerden. Die in § 416 ZPO angeordnete, das Gericht bindende Beweiswirkung hängt aber nicht von Umständen der Erklärung, ihrer Begebung oder des Zugangs ab, sondern allein von der in den Verkehr gelangten echten Urkunde. Diese Wirkung tritt mit Erfüllung des Tatbestands der Norm des § 416 ZPO ein. Für eine richterliche Überzeugungsbildung ist im Umfang der gesetzlichen Beweisregel kein Raum. Durch Vorlage der die Anfechtungserklärung enthaltenden notariellen Urkunde vom 28. August 2009 ist damit bewiesen, dass die Erklärung vom Erblasser gemäß § 2282 Abs. 1 BGB persönlich abgegeben und von ihm begeben wurde.
b) Das Berufungsgericht hat im Ergebnis auch richtig entschieden; die Beklagte hat den Beweis nicht geführt, dass die Begebung ohne Willen des Erblassers erfolgt ist.
Gegen die Beweiswirkung des § 416 ZPO kann der Beweis angetreten werden, dass die Urkunde nicht willentlich begeben worden ist. Erforderlich dafür ist der Gegenteilsbeweis (Senatsurteil vom 8. März 2006 – IV ZR 145/05, NJW-RR 2006, 847; Ahrens in Wieczorek/Schütze, ZPO 3. Aufl. § 416 Rn. 33; Preuß in Prütting/Gehrlein, ZPO 4. Aufl. § 416 Rn. 20; Zöller/Geimer, ZPO 29. Aufl. § 416 Rn. 9; HK-ZPO/Eichele, 5. Aufl. § 416 Rn. 6). Im Anwendungsbereich gesetzlicher Beweisregeln – wie § 416 ZPO – ist nach § 286 Abs. 2 ZPO die freie Beweiswürdigung ausgeschlossen (Zöller/Greger, ZPO 29. Aufl. § 286 Rn. 3), sodass Umstände innerhalb und außerhalb der Urkunde diese auch nicht erschüttern können. Der Beklagten oblag es mithin zu beweisen, dass die notarielle Urkunde ohne Willen des Erblassers eigenmächtig durch einen Vertreter in den Verkehr gelangt ist. Diesen Beweis hat sie nicht erbracht. Sie ist mangels Beweisantritts vom Berufungsgericht zu Recht als beweisfällig angesehen worden.
4. Unbegründet ist schließlich die weitere Rüge der Revision, das Berufungsgericht hätte Beweis darüber erheben müssen, ob die Klägerin die Bedingung in dem ergänzenden notariellen Testament vom 23. November 2009 erfüllt hat, bis zum Tod des Erblassers im gemeinsamen Haushalt zu wohnen und ihn im Falle dauernder Pflegebedürftigkeit zu pflegen. Entgegen der Ansicht der Revision stellt es keine vorweggenommene Beweiswürdigung dar, dass das Berufungsgericht die von der Beklagten benannte Privatsekretärin des Erblassers nicht als Zeugin dazu vernommen, sondern nur deren schriftliche Aufzeichnungen ausgewertet hat. Die Beklagte hat ein Erinnerungsprotokoll der Zeugin über den Verlauf der letzten Tage vor dem Tod des Erblassers in das Verfahren eingeführt und sich deren Ausführungen bei ihrem Sachvortrag zur angeblich nicht erfüllten Pflegeklausel ausdrücklich zu Eigen gemacht. Diesen Parteivortrag hat das Berufungsgericht seiner tatrichterlichen Würdigung zugrunde gelegt. Dabei hat es die Pflegeklausel so ausgelegt, dass die Klägerin Pflege im engeren Sinne nicht selbst erbringen, sondern lediglich in gewissem zeitlichem Umfang „persönlich nach dem Erblasser mit Blick auf sein Wohlergehen“ schauen musste. Im Zusammenhang damit wertet es den Inhalt der Aufzeichnungen der Zeugin dahin, dass unzureichende Pflegeleistungen der Klägerin nicht dokumentiert seien. Das ist eine revisionsrechtlich nicht zu beanstandende Würdigung des Sachvortrags der Beklagten. Eine Vernehmung der Zeugin war danach nicht mehr geboten.

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