BGH IX ZR 94/14
Insolvenzanfechtung: GmbH & Co. KG als nahestehende Person gegenüber einer GmbH
Eine GmbH & Co. KG gilt gegenüber einer GmbH als nahestehende Person im Sinne des Insolvenzanfechtungsrechts, wenn die Geschäftsführer der Komplementär-GmbH und der GmbH miteinander verheiratet sind.
vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, 4. April 2014, Az: 2 U 15/13
vorgehend LG Bremen, 17. Januar 2013, Az: 12 O 214/12
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 4. April 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
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Der Kläger ist Verwalter in dem auf einen Antrag vom 1. September 2011 am 1. November 2011 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der N. Metallbau GmbH (nachfolgend: Schuldnerin). Die Schuldnerin war im April 2010 gegründet worden. Ihr Geschäftsführer war A. N. . Die Beklagte ist eine Gesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG. Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin ihrer Komplementär-GmbH war I. N. , die Ehefrau des Geschäftsführers der Schuldnerin. Die Beklagte erteilte der Schuldnerin monatlich Rechnungen für Verwaltungs- und Konstruktionsarbeiten, ab Mai 2011 nur noch für Verwaltungsarbeiten. Schriftliche Aufträge oder Leistungsbeschreibungen lagen diesen Rechnungen nicht zugrunde. Auf sie erbrachte die Schuldnerin zwischen dem 8. Juli 2010 und dem 1. August 2011 Zahlungen zugunsten der Beklagten – teils an diese direkt, teils an deren Gläubiger – im Gesamtbetrag von 101.504,48 €.
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Der Kläger nimmt die Beklagte unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung auf Rückgewähr eines Teilbetrags von 50.000 € in Anspruch, den er den einzelnen Zahlungen in zeitlicher Reihenfolge zuordnet. Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
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Über die Revision ist, weil die Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung im Revisionsverhandlungstermin nicht vertreten war, durch Versäumnisurteil zu entscheiden, das aber inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern auf einer sachlichen Prüfung des Antrags beruht (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 1962 – V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81 f).
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Die Revision hat Erfolg und führt unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
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Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Zahlungen seien nicht nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar. Der Kläger habe nicht beweisen können, dass die Zahlungen ohne Gegenleistungen der Beklagten erfolgt seien und es sich deshalb um unentgeltliche Leistungen gehandelt habe. Auch ein Anspruch wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung nach § 133 Abs. 1 InsO bestehe nicht. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Beklagte Kenntnis von einem möglichen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gehabt habe. Eine solche Kenntnis werde auch nicht nach § 138 InsO vermutet. Die Beklagte sei keine der Schuldnerin nahestehende Person im Sinne dieser Vorschrift. Der Fall, dass die Geschäftsführerin der Anfechtungsgegnerin mit dem Geschäftsführer der Schuldnerin verwandt oder verheiratet sei, sei dort nicht geregelt.
II.
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Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch des Klägers wegen vorsätzlicher Benachteiligung nach § 133 InsO nicht verneint werden. Es ist nicht auszuschließen, dass die Beklagte eine der Schuldnerin im Rechtssinne nahestehende Person ist.
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Entsprechendes hat zu gelten, wenn, wie im Streitfall, die persönliche Verbindung über die Geschäftsführerin der Komplementär-GmbH als der persönlich haftenden Gesellschafterin einer Kommanditgesellschaft hergestellt wird. Es handelt sich dabei zumindest um eine vergleichbare gesellschaftsrechtliche Verbindung, die der Beklagten die Möglichkeit gab, sich über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Schuldnerin zu unterrichten, und nach der letzten Alternative des § 138 Abs. 1 Nr. 4 InsO ebenfalls das Näheverhältnis begründet.
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Einer Analogie zu § 138 InsO, die vor der Einfügung der Nr. 4 in § 138 Abs. 1 InsO in der obergerichtlichen Rechtsprechung (OLG Hamm, ZVI 2007, 204) befürwortet wurde und im Schrifttum teilweise heute noch vorgeschlagen wird (vgl. Uhlenbruck/Hirte, InsO, 14. Aufl., § 138 Rn. 43; FK-InsO/Dauernheim, 8. Aufl., § 138 Rn. 20), bedarf es nicht mehr.
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Ob die Voraussetzungen dieser Ausnahmeregelung vorliegen, kann nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden. Geschäftsführer einer GmbH dürfen Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis nicht unbefugt offenbaren (§ 85 Abs. 1, § 43 Abs. 1 GmbHG). Ein Geheimhaltungsinteresse der Gesellschaft besteht grundsätzlich an Tatsachen, deren Bekanntwerden geeignet wäre, der Gesellschaft Schaden zuzufügen. Eine solche Tatsache kann die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft sein, deren Kenntnis auch für eine Kenntnis der Beklagten von einem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin von Bedeutung ist. Zusätzlich ist jedoch zu fordern, dass die Verschwiegenheitspflicht nicht nur generell, sondern auch im konkreten Fall besteht. Nur dann fehlt es an der besonderen Informationsmöglichkeit des Anfechtungsgegners, die es rechtfertigt, die Anfechtung unter erleichterten Voraussetzungen zu ermöglichen. Konkret kann die Pflicht des Geschäftsführers zur Verschwiegenheit entfallen, wenn das zuständige Organ der Gesellschaft das Geheimhaltungsinteresse aufgibt. Ein solcher Fall ist regelmäßig anzunehmen, wenn der Geschäftsführer zugleich alleiniger Gesellschafter der GmbH ist. Dann ist allein sein Wille dafür maßgeblich, ob eine Tatsache der Geheimhaltung unterliegen soll. Mit der Offenbarung einer Tatsache gibt er konkludent auch ein eventuelles Geheimhaltungsinteresse auf und nimmt der Tatsache einen Geheimhaltungscharakter, so dass diese nicht mehr dem Tatbestand des § 85 GmbHG unterfällt (OLG Düsseldorf, ZInsO 2005, 215, 217; OLG Hamm, ZVI 2007, 204, 205; MünchKomm-GmbHG/Wißmann, 2. Aufl., § 85 Rn. 39; vgl. auch Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl., § 85 Rn. 10; Scholz/Tiedemann/Rönnau, GmbHG, 11. Aufl., § 85 Rn. 25). Feststellungen zu der Frage, ob der Geschäftsführer der Schuldnerin auch ihr alleiniger Gesellschafter war, hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Dem für das Vorliegen dieser Rückausnahme darlegungspflichtigen Kläger ist insoweit noch keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden (§ 139 Abs. 2 ZPO).
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III.
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Die angefochtene Entscheidung war danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO).
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist von einem bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung des Versäumnisurteils bei dem Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, Karlsruhe, durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.
Kayser | Lohmann | Pape | ||
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