BGH, Urteil vom 02. November 1995 – X ZR 135/93

Mai 3, 2020

BGH, Urteil vom 02. November 1995 – X ZR 135/93
Zustandekommen des Vertrages: Schweigen auf Vertragsangebot als stillschweigende Annahmeerklärung; gesetzliche Frist für die Annahme des Vertragsangebots
1. In dem Schweigen auf ein Angebot, das aufgrund einverständlicher und alle wichtigen Punkte betreffender Vorverhandlungen ergeht, liegt in der Regel eine stillschweigende Annahme, sofern nicht nach den Umständen des Falls der Angebotsempfänger eine solche stillschweigende Annahmeerklärung ausschließen wollte, oder mit einer inzwischen eingetretenen Änderung seiner Willensbildung zu rechnen war (so auch BGH, 1955-10-14, I ZR 210/53, BB 1955, 1068).
2. Haben die Vorverhandlungen dagegen noch zu keiner Übereinstimmung geführt, dann muß er den Vertrag Antragende mit einer Ablehnung durch den Gesprächspartner rechnen. Treu und Glauben erfordern dann keine unverzügliche Ablehnung des Angebots, wenn diese Vertragsbedingungen enthält, über die bislang ganz oder teilweise keine Einigung erzielt worden war. Vielmehr ist der Angebotsempfänger (nur) zu einer Äußerung innerhalb der Zeit verpflichtet, in der der Antragende mit einer Ablehnung rechnen durfte.
3. Die gesetzliche Annahmefrist nach BGB § 147 Abs 2 setzt sich zusammen aus der Zeit für die Übermittlung des Antrags an den Empfänger, dessen Bearbeitungs- und Überlegungszeit sowie aus der Zeit für die Übermittlung der Antwort an den Antragenden.
vorgehend OLG Frankfurt, 19. November 1993, 25 U 36/93
vorgehend LG Kassel, 5. Januar 1993, 12 O 2956/91

Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 25. Zivilsenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 19. November 1993 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines nach ihrer Meinung mit der Beklagten zustande gekommenen Vertrags. Die Klägerin, die als Werbeunternehmen auf einen Auftrag der L. zur Herstellung eines sogenannten L.sparbuchs hoffte, erhielt bei ihrer Suche nach einem Druckereiunternehmen u.a. mit Schreiben vom 28. Mai 1991 ein Angebot „freibleibend“, das namens der Beklagten von der „P.-GmbH“ abgegeben worden war. Nach mehreren Telefongesprächen zwischen den Parteien übersandte die Klägerin der Beklagten ein mit „Auftrag“ überschriebenes Schreiben vom 27. Juni 1991, in dem u.a. ein Preis von 219,– DM/1.000 sowie eine Vertragsstrafe für den Fall der Nichteinhaltung des vereinbarten Liefertermins aufgeführt war. Am 11. Juli 1991 teilte die Beklagte der Klägerin telefonisch mit, der Auftrag könne nicht übernommen werden, weil sich ihr Subunternehmer in der Kalkulation geirrt habe. Die Klägerin setzte der Beklagten mit Fax vom 11. Juli 1991 Frist zur verbindlichen Erklärung bis 12. Juli 1991, 10.00 Uhr dazu, daß der Auftrag zu den festgelegten Bedingungen ausgeführt werde. Die Beklagte lehnte jedoch mit Schreiben vom 12. Juli 1991 die Ausführung des Auftrags ab und verlangte einen höheren Preis. Die Klägerin vergab hierauf den Auftrag anderweitig zu einem höheren Preis. Sie begehrt von der Beklagten den Unterschiedsbetrag zu dem von ihr tatsächlich gezahlten Preis.
Das Landgericht hat nach Vernehmung der Zeugen der Klägerin und Anhörung des Geschäftsführers der Beklagten das Zustandekommen eines Vertrags zwischen den Parteien verneint und die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der Klage ohne Vernehmung der zum Termin zur mündlichen Verhandlung vorsorglich geladenen Zeugen dem Grunde nach stattgegeben und den Rechtsstreit für das Betragsverfahren an das Landgericht zurückverwiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht führt aus, der Klägerin stehe ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 326 Abs. 1 BGB zu. Zwischen den Parteien sei ein Vertrag zu den Bedingungen des Schreibens vom 27. Juni 1991 zustande gekommen, dessen Erfüllung die Beklagte trotz Fristsetzung und Androhung von Ersatzansprüchen endgültig abgelehnt habe. Das Schreiben vom 27. Juni 1991 sei als Angebot der Klägerin zu werten, das die Beklagte durch Schweigen während zwei Wochen nach Erhalt des Angebots angenommen habe. Nach den Grundsätzen von Treu und Glauben und nach Handelsbrauch wäre die Beklagte infolge der vorangegangenen Vertragsverhandlungen verpflichtet gewesen, dem Schreiben unverzüglich zu widersprechen. Hätten die Vertragsverhandlungen einen Punkt erreicht, an dem beide Verhandlungspartner mit einem Abschluß fest rechnen dürften, sei in der Nichtbeantwortung eines Angebots eine Annahmeerklärung des Empfängers zu sehen. Nach den Aussagen der Zeugen im ersten Rechtszug habe sich die Beklagte mit den im Auftragsschreiben genannten Abweichungen von ihrem freibleibenden Angebot vom 28. Mai 1991 einverstanden erklärt. Infolge ihrer Verpflichtung zu unverzüglicher Äußerung müsse sich die Beklagte so behandeln lassen, als wäre ihr ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben zugegangen, dem sie nicht unverzüglich widersprochen habe.
II. Gegen diese Ausführungen des Berufungsgerichts wendet sich die Revision zu Recht. Die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts sind nicht in jeder Hinsicht verfahrensfehlerfrei getroffen. Das Oberlandesgericht hat das Ergebnis der Beweisaufnahme ohne erneute Vernehmung der Zeugen anders gewürdigt als das Gericht erster Instanz.
1. Keinen Bedenken aus revisionsrechtlicher Sicht begegnet der auch von der Revision nicht bezweifelte Ausgangspunkt des Berufungsurteils, wonach das Schreiben der Klägerin vom 27. Juni 1991 lediglich ein Angebot an die Beklagte darstellt. Dieses Schreiben ist nach der Auslegung durch das Berufungsgericht weder als Annahme eines Angebots der Beklagten noch als kaufmännisches Bestätigungsschreiben über eine bereits abgeschlossene Vereinbarung zu werten. Insbesondere enthält das freibleibende Angebot im Schreiben der P. GmbH namens der Beklagten kein Vertragsangebot, sondern lediglich eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots (zu denselben Bedingungen). Diese Auslegung des Berufungsgerichts ist rechtlich möglich (vgl. BGH, Urt. v. 24.06.1958 – VIII ZR 52/57, NJW 1958, 1628, 1629; RGZ 102, 227, 228; 105, 8, 12; RG JW 1926, 2674; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl., § 346 Rz. 74; RGRK/Piper, BGB, 12. Aufl., § 145 Rz. 14; Staudinger/Dilcher, BGB, 12. Aufl., § 145 Rz. 20; Lindacher, DB 1992, 1813; Palandt/Heinrichs, BGB, 54. Aufl., § 145 Rz. 4) und naheliegend.
Das Berufungsgericht hat einen Vertragsschluß – insoweit in Übereinstimmung mit der Beweiswürdigung des Landgerichts – auch nicht den von den Zeugen geschilderten Telefongesprächen der Parteien am 11. und 14. Juni 1991 entnommen. Das greift die Revision als ihr günstig nicht an; ein Rechtsfehler ist auch insoweit nicht erkennbar.
2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, die Beklagte habe durch Schweigen ein in dem Schreiben der Klägerin vom 27. Juni 1991 liegendes Angebot angenommen.
Das Berufungsgericht hat das Schweigen der Beklagten auf das Schreiben vom 27. Juni 1991 als beredtes Schweigen im Sinne einer Annahme gewürdigt und sich hierbei auf die Grundsätze von Treu und Glauben und einen Handelsbrauch berufen. Hätten die vorausgegangenen Vertragsverhandlungen nämlich einen Punkt erreicht, an dem beide Verhandlungspartner mit einem Abschluß fest rechnen durften, könne in der Nichtbeantwortung eines Angebots eine Annahmeerklärung gesehen werden. Der Empfänger müsse deshalb, wenn er nicht einverstanden sei, unverzüglich widersprechen; anderenfalls habe sein Schweigen die Bedeutung der Annahme, falls dem nicht die Umstände des Einzelfalls entgegenstünden.
a) Das Urteil hat keinen Bestand, soweit das Berufungsgericht dem Schweigen der Beklagten nach Treu und Glauben die Bedeutung einer Annahme beigemessen hat. Im Ansatzpunkt zutreffend beruft sich das Oberlandesgericht auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 14. Oktober 1955 (I ZR 210/53, LM BGB § 151 Nr. 2 Bl. 2 = BB 1955, 1068). Der Bundesgerichtshof sieht in dieser Entscheidung „in dem Schweigen auf ein Angebot, das aufgrund einverständlicher und alle wichtigen Punkte betreffender Vorverhandlungen ergeht, in der Regel eine stillschweigende Annahme, sofern nicht nach den Umständen des Falls der Antragsgegner eine solche stillschweigende Annahmeerklärung ausschließen wollte oder mit einer inzwischen eingetretenen Änderung seiner Willensbildung zu rechnen“ sei. Zwar mag die Formulierung des Berufungsgerichts mißverständlich sein; eine inhaltliche Abweichung von den Grundsätzen der genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofes liegt darin jedoch nicht. Das Berufungsgericht wollte mit der Beschreibung der Vorverhandlungen bis zu dem Zeitpunkt, „an dem beide Verhandlungspartner mit einem Abschluß fest rechnen durften“, ersichtlich zum Ausdruck bringen, nach den Vorverhandlungen habe Einigkeit in den wesentlichen Punkten des Vertrags bestanden und lediglich die Geltung des Vertrags habe eines zusätzlichen Willensentschlusses bedurft. Das zeigen seine Ausführungen, das Angebot müsse aufgrund einverständlicher und alle wichtigen Punkte betreffender Vorverhandlungen ergehen, damit Schweigen als Annahme gewertet werden dürfe.
b) Die Revision rügt aber mit Erfolg, es sei „nicht … ersichtlich“, aus welchen Tatsachen das Berufungsgericht die Überzeugung ableite, daß der Punkt erreicht gewesen sei, an dem beide Vertragspartner mit einem Abschluß fest hätten rechnen dürfen, weil der Inhalt der Telefonate streitig sei.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, daß Vertragsverhandlungen zu den Vertragsbedingungen geführt worden seien, sei zwischen den Parteien weitgehend unstreitig und im übrigen durch die Beweisaufnahme erwiesen. Nach den Aussagen der Zeugen K. und W. habe sich die Beklagte mit den im Auftragsschreiben vom 27. Juni 1991 genannten, von ihrem freibleibenden Angebot abweichenden Bedingungen einverstanden erklärt gehabt; sie seien jedenfalls für sie bei Erhalt des Auftragsschreibens nicht überraschend und fremd gewesen. Diese Begründung trägt die Verurteilung der Beklagten nicht.
aa) Daß die Bedingungen für die Beklagte nicht überraschend und fremd waren, genügt nicht, um dem Schweigen die Bedeutung einer Annahme beizumessen. Eine Pflicht der Beklagten zur Ablehnung des Angebots vom 27. Juni 1991 mag angehen, wenn sich die Parteien bereits in Vorverhandlungen völlig einig geworden waren, aber aus irgendwelchen Gründen – hier etwa, weil die Klägerin selbst noch keinen sicheren Auftrag der L. hatte – von einem Vertragsschluß zunächst abgesehen haben. In einem solchen Fall ist – insbesondere wenn die Zeit bei einem Fixgeschäft knapp wird – der Empfänger gerade wegen der Übereinstimmung des Angebots mit dem Ergebnis der Vorverhandlungen nach Treu und Glauben verpflichtet, den Verhandlungspartner nicht im Unklaren zu lassen und eine (nach allem überraschende) Ablehnung zu erklären. Diese Grundlage für eine Ausnahme von der Regel, daß Schweigen eine Ablehnung bedeutet, fehlt jedoch, wenn die Vorverhandlungen noch zu keiner Übereinstimmung geführt haben. Dann kann der den Vertrag Antragende sich nicht darauf verlassen, daß der Vertrag zustande komme, sondern er muß mit einer Ablehnung durch den Gesprächspartner und mit weiteren Verhandlungen rechnen. Treu und Glauben erfordern dann keine unverzügliche Ablehnung des Angebots, wenn dieses Vertragsbedingungen enthält, über die bislang ganz oder teilweise keine Einigung erzielt worden war. Zur Einigung der Parteien bei den Vorverhandlungen hat das Berufungsgericht vorliegend keine Feststellungen getroffen, die revisionsrechtlicher Prüfung standhalten.
bb) Das Berufungsgericht entnimmt verfahrensfehlerhaft den Aussagen K. und W. ein Einverständnis der Beklagten mit den Vertragsbedingungen, auch soweit sie von ihrem freibleibenden Angebot vom 28. Mai 1991 abweichen. Die Revision rügt zu Recht einen Verstoß gegen § 398 ZPO.
Zwar steht es nach § 398 Abs. 1 ZPO grundsätzlich im Ermessen des Berufungsgerichts, ob es einen in erster Instanz vernommenen Zeugen ein zweites Mal vernehmen will. Dieses pflichtgebundene Ermessen unterliegt jedoch Einschränkungen. Eine erneute Vernehmung ist geboten, wenn das Berufungsgericht einer ihrem Wortlaut nach eindeutigen Stelle in der Vernehmungsniederschrift, zu der das erstinstanzliche Gericht nicht Stellung genommen hat, eine vom Wortsinn abweichende, die Entscheidung aber tragende Auslegung geben will (BGH, Urt. v. 15.01.1993 – V ZR 2/92, NJW-RR 1993, 893 m.w.N.), oder wenn das Berufungsgericht – wie hier – eine protokollierte Aussage anders verstehen oder ihr ein anderes Gewicht beimessen will als der Richter der Vorinstanz (BGH, Urt. v. 15.06.1994 – VIII ZR 212/93; v. 24.11.1992 – XI ZR 86/92, NJW 1993, 668, 669). Das Landgericht hatte als Ergebnis der Beweisaufnahme nicht festgestellt, daß die Parteien sich auf die Bedingungen des Auftrags gemäß Schreiben vom 27. Juni 1991 geeinigt hatten. Hinsichtlich der Vertragsstrafe hat es im Gegenteil sogar eine vorherige Mitteilung bezweifelt und die Aussagen K. und W. in diesem Punkt für „möglicherweise nicht zuverlässig“ gehalten. Zu Skonto und Lieferung frei Haus ist das Landgericht davon ausgegangen, daß diese Bedingungen der Beklagten nicht im einzelnen bekannt gewesen seien.
Der unstreitige Vortrag der Parteien stützt die Annahme des Berufungsgerichts nicht, die Beklagte sei mit den Vertragsbedingungen einverstanden gewesen. Der Inhalt der Vertragsverhandlungen war zwischen den Parteien umstritten. Das Berufungsgericht konnte deshalb dem Vortrag der Parteien als unstreitig nur entnehmen, daß tatsächlich Vertragsverhandlungen zwischen den Parteien geführt worden waren. Der Geschäftsführer der Beklagten hatte zudem in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht nur eingeräumt, daß am Telefon auch über Skonto und Lieferung frei Haus gesprochen worden war, jedoch ohne eine Einigung zu erzielen. Soweit das Berufungsgericht darüber hinaus von einem Einverständnis der Beklagten mit diesen Bedingungen und mit der Vertragsstrafe ausgeht, war dies dem unstreitigen Vortrag der Parteien nicht zu entnehmen.
c) Auch soweit das Berufungsgericht das Schweigen der Beklagten kraft Handelsbrauchs als Annahme des Angebots vom 27. Juni 1991 wertet, hat das Urteil keinen Bestand.
Die Revision rügt mit Recht, daß das Berufungsgericht einen Handelsbrauch ohne entsprechende tatsächliche Feststellungen behauptet (§ 551 Nr. 7 ZPO). Es ist nicht ersichtlich, wie das Berufungsgericht zur Annahme eines Handelsbrauchs kommt. Auch die vom Berufungsgericht angeführten Belegstellen lassen keinen Handelsbrauch erkennen, daß Schweigen auf ein Angebot auch dann als Zustimmung gewertet werde, wenn das Angebot von den vorausgegangenen Verhandlungen abweichende Bedingungen oder zuvor abgelehnte Bedingungen enthält.
3. Das Urteil stellt sich nicht aus einem anderen Rechtsgrund als richtig dar (§ 563 ZPO).
Ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben hat das Berufungsgericht verneint. Die Voraussetzungen des § 151 BGB hat das Berufungsgericht ebenfalls verneint; die Revision greift das nicht an.
4. Nach allem ist das Urteil aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Eine abschließende Entscheidung (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) ist dem Senat nicht möglich, denn es sind weitere tatsächliche Feststellungen zu treffen. Auch die Rüge der Revision, die Ablehnung des Angebots der Klägerin vom 27. Juni 1991 durch die Beklagte sei nicht verspätet erfolgt, vermag nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand eine Abweisung der Klage nicht zu begründen.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe das Angebot der Klägerin vom 27. Juni 1991 verspätet abgelehnt. Bei der Bemessung der der Beklagten zustehenden Frist sei zu beachten, daß Geschäfte im Handelsverkehr möglichst schnell abzuwickeln seien. Deshalb billige die Rechtsprechung dem Angebotsempfänger gewöhnlich eine Frist von ein bis zwei Tagen, höchstens jedoch von acht Tagen zur Beantwortung eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens zu.
Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe nicht beachtet, daß der Geschäftsführer der Beklagten bei Eintreffen des Auftragsschreibens für acht Tage in Urlaub gewesen sei. Da die Beklagte aufgrund des telefonischen Gesprächs vom 14. Juni 1991 nicht davon habe ausgehen müssen, daß der Vertragsschluß mit Sicherheit zu erwarten gewesen sei, habe keine Verpflichtung bestanden, auf das Vertragsangebot der Klägerin sofort zu reagieren. Die Klägerin habe damit rechnen müssen, daß die Beklagte den Auftrag, der in wesentlichen Punkten von ihrem freibleibenden Angebot abgewichen sei, überprüfen und erst nach zwei bis drei Wochen Stellung nehmen werde.
Diese Rüge hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht geht auf der Grundlage des bisherigen Tatsachenvortrags ohne Rechtsfehler davon aus, daß eine raschere Antwort geboten gewesen wäre und die Ablehnung des Angebots vom 27. Juni 1991 erst nach mehr als elf Tagen am 9./11. Juli 1991 verspätet war mit der Folge, daß ein Vertrag durch Schweigen der Beklagten auf das Angebot zustande gekommen sein kann, wenn die Voraussetzungen hierzu im übrigen gegeben waren. Zwar war die Beklagte entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht zu einer sofortigen Äußerung, sondern nur zu einer Äußerung innerhalb der Zeit verpflichtet, in der der Antragende mit einer Ablehnung rechnen durfte. Insoweit ist § 147 Abs. 2 BGB entsprechend anzuwenden. Das Berufungsgericht überhöht die Anforderungen. Das Angebot der Klägerin ist einem kaufmännischen Bestätigungsschreiben nicht gleichzustellen. Eine Pflicht zu unverzüglichem Widerspruch hat der Bundesgerichtshof (BGHZ 1, 353, 355 f.) im übrigen lediglich dann angenommen, wenn ein Angebot unter Bezugnahme auf einen früheren Vertrag ausdrücklich angefordert war und erkennbar ein Interesse an einer baldigen Antwort bestanden hatte. Das ist vorliegend nicht festgestellt.
Die gesetzliche Annahmefrist nach § 147 Abs. 2 BGB setzt sich zusammen aus der Zeit für die Übermittlung des Antrags an den Empfänger, dessen Bearbeitungs- und Überlegungszeit sowie aus der Zeit für die Übermittlung der Antwort an den Antragenden. Vorliegend nahm die Beklagte beim gewählten telefonischen Übermittlungsweg eine Bearbeitungs- und Überlegungszeit vom mutmaßlichen Zugang des Schreibens am 1. Juli 1991 bis zum 9. Juli 1991, mithin von mindestens neun Tagen in Anspruch. Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn der Tatrichter diese Zeit in Anbetracht der gegebenen Umstände als zu lang und die Äußerung der Beklagten als verspätet gewertet hat. Der Beklagten war bekannt, daß die Sparbücher am 1. Oktober 1991 ausgeliefert werden sollten und daß eine Menge von 300.000 Stück/täglich bei der Produktion einzukalkulieren war. Diese vorgesehene Gesamtmenge von ca. 1,6 Mio Stück war daher mehr als eine Woche lang zu produzieren. Nach dem Angebot vom 27. Juni 1991 war die Filmauslieferung bereits für den 20. August 1991 vorgesehen, was der Beklagten als Angebot der Klägerin aufgrund der Telefongespräche möglicherweise vorbekannt war. Die Beklagte hatte selbst eine Filmauslieferung bis zum 26. August gewünscht. Unter diesen Umständen vermag auch der Urlaub des Geschäftsführers der Beklagten keine hinreichende Entschuldigung für die späte Ablehnung des Angebots der Klägerin darzustellen. Ein Vollkaufmann wie die Beklagte darf die an ihn gerichteten Geschäftsbriefe nicht längere Zeit unbeachtet liegenlassen. Der Geschäftsführer muß sich bei längerer Abwesenheit vertreten lassen oder auf andere Weise dafür sorgen, daß die Geschäftspost ihm sofort nach Eingang inhaltlich mitgeteilt wird (vgl. BGH, Urt. v. 11.10.1961 – VIII ZR 109/60, NJW 1962, 104 zu A 2; v. 21.03.1966 – VIII ZR 44/64, LM HGB § 346 (Ea) Nr. 10 = NJW 1966, 1070 zu II; vgl. schon RGZ 105, 389, 390).

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