BGH, X ZR 80/11
Schenkungswiderruf wegen groben Undanks: Widerruf einer Wohnrechtseinräumung für die Ehefrau wegen ehewidrigem Verhältnis mit einem Dritten und Tätigkeit als Prostituierte
Leitsatz
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 27. Mai 2011 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin verlangt vom Beklagten die Räumung und Herausgabe seines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks. An diesem Grundstück hat der Beklagte der Klägerin mit notariellem Vertrag vom 28. Februar 2000 und mit Ergänzungsvertrag vom 19. September 2000 ein unentgeltliches unbefristetes Wohnrecht übertragen. Hiervon ausgenommen waren zunächst die vom Beklagten, der selbständiger Malermeister ist, betrieblich genutzten Räume. Der Beklagte verpflichtete sich aber für den Fall, dass die damalige Lebensgemeinschaft zwischen den Parteien aufgegeben werde, auch diese betrieblich genutzten Räume freizugeben und der Klägerin das Wohnrecht am gesamten Wohnhaus und den Nebengelassen sowie den unbebauten Grundstücksteilen unter Ausschluss des Eigentümers einzuräumen.
Die Klägerin war, als der Beklagte sie kennenlernte, als Prostituierte tätig. Als der notarielle Vertrag geschlossen wurde, lebten die Parteien in nichtehelicher Lebensgemeinschaft. Sie heirateten im Jahre 2005, die Ehe wurde im Jahre 2008 geschieden.
Der Beklagte hat mit Schreiben vom 8. November 2007 den Widerruf der nach seiner Auffassung in der notariellen Vereinbarung vereinbarten Schenkung erklärt. Zur Begründung hat er angegeben, die Klägerin sei ohne sein Wissen und entgegen ihrem 1999 gegebenen Versprechen seit 2001 wieder als Prostituierte tätig gewesen und habe zudem ein ehewidriges Verhältnis unterhalten.
Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt, das Grundstück mit Einfamilienhaus und Nebengelassen zu räumen und an die Klägerin herauszugeben. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision, mit der der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage anstrebt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Entscheidungsgründe
Eine Zuwendung unter Ehegatten ist nicht Schenkung, sondern ehebezogene Zuwendung, wenn ein Ehegatte dem anderen einen Vermögenswert um der Ehe willen und als Beitrag zur Verwirklichung und Ausgestaltung, Erhaltung oder Sicherung der ehelichen Lebensgemeinschaft zukommen lässt, wobei er die Vorstellung oder Erwartung hegt, dass die eheliche Lebensgemeinschaft Bestand haben und er innerhalb dieser Gemeinschaft am Vermögenswert und dessen Früchten weiter teilhaben werde. Dass die Zuwendung in diesem Sinne der ehelichen Lebensgemeinschaft dienen sollte, bedarf der tatrichterlichen Feststellung (BGH, Urteil vom 28. März 2006 – X ZR 85/04, NJW 2006, 2330). Entsprechendes gilt für eine Zuwendung im Rahmen einer nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft. Solche Feststellungen sind jedoch vom Berufungsgericht weder getroffen worden, noch zeigt die Revisionserwiderung entsprechenden Vortrag der Klägerin als übergangen auf.
Der Widerruf setzt deshalb nicht nur objektiv eine Verfehlung des Beschenkten von gewisser Schwere voraus, sondern es ist ferner erforderlich, dass die Verfehlung auch in subjektiver Hinsicht Ausdruck einer Gesinnung des Beschenkten ist, die in erheblichem Maße die Dankbarkeit vermissen lässt, die der Schenker erwarten darf (BGH, Urteil vom 11. Juli 2000 – X ZR 89/98, BGHZ 145, 35, 38; Urteil vom 11. Oktober 2005 – X ZR 270/02, FamRZ 2006, 196). Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalles zu beurteilen (BGHZ 87, 145, 149; BGH, Urteil vom 23. Mai 1984 – IVa ZR 229/82, BGHZ 91, 273, 278; BGH, FamRZ 2006, 196). Sie sind daraufhin zu untersuchen, ob und inwieweit erkennbar wird, dass der Beschenkte dem Schenker nicht die durch Rücksichtnahme geprägte Dankbarkeit entgegenbringt, die der Schenker erwarten kann. Anhaltspunkte dafür, was der Schenker an Dankbarkeit erwarten kann, können dabei neben dem Gegenstand und der Bedeutung der Schenkung auch die näheren Umstände bieten, die zu der Schenkung geführt und deren Durchführung bestimmt haben (BGH, NJW 1999, 1623, 1624).
b) Dieser Verpflichtung zu einer insbesondere die näheren Umstände der Schenkung berücksichtigenden Gesamtwürdigung wird das Berufungsurteil nicht gerecht. Die Würdigung des festgestellten Sachverhalts ist zwar grundsätzlich Sache des Tatrichters, an dessen Feststellungen das Revisionsgericht gemäß 559 Abs. 2 ZPO gebunden ist. Das Revisionsgericht kann lediglich nachprüfen, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat (ständige Rechtsprechung, vgl. BGHZ 145, 35, 38; BGH, Urteil vom 14. Dezember 2004 – X ZR 3/03, FamRZ 2005, 511). Dieser Prüfung hält die Würdigung des Berufungsgerichts aber nicht stand.
Sie leidet zunächst daran, dass das Berufungsgericht das Verhalten der Klägerin, das der Beklagte als Ausdruck groben Undanks ansieht, nicht in seiner Gesamtheit erfasst, sondern in einzelne Gesichtspunkte zergliedert hat, denen es teils jede Bedeutung, teils das einen Widerruf der Schenkung rechtfertigende Gewicht abgesprochen hat. So hat es die Behauptung des Beklagten, die Klägerin habe im Zusammenhang mit ihrer Prostituiertentätigkeit Steuern hinterzogen, was Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens sei, für unerheblich erachtet, weil sich die Straftat nicht gegen den Kläger, sondern gegen die Allgemeinheit gerichtet habe. Das ehewidrige Verhältnis der Klägerin zu dem Zeugen V. , der nach der Behauptung des Beklagten für die Klägerin eine Wohnung angemietet hat, damit sie dort der Prostitution nachgehen konnte, hat das Berufungsgericht gleichfalls für unerheblich gehalten, da ein Liebesverhältnis mit einem Dritten keine schwere Verfehlung darstelle, zumal wenn es nicht öffentlich geführt werde. Den Umstand selbst, dass die Klägerin während des Zusammenlebens mit dem Beklagten und auch nach der Eheschließung der Prostitution nachging, hat das Berufungsgericht deshalb nicht als schwere Verfehlung gewertet, weil weder ersichtlich sei, dass die Klägerin dies getan habe, um den Beklagten in seiner Ehre zu verletzen, noch ersichtlich sei, dass sein Ansehen hierdurch Schaden genommen habe. Soweit das Berufungsgericht eine Gesamtwürdigung vornimmt, besteht sie ausschließlich in der Zusammenstellung der vermeintlich die Klägerin entlastenden Gesichtspunkte, dass der Beklagte selbst „im Rotlichtmilieu verkehrt“ habe, das Vorleben der Klägerin gekannt habe, als er sich ihr zugewandt habe, und die Klägerin schließlich „sehr diskret vorgegangen“ sei, als sie die Prostitution wieder aufgenommen habe.
Insbesondere die letzteren Erwägungen zeigen zudem, dass das Berufungsgericht den Vortrag des Beklagten in seinem Kern nicht erfasst und nicht gewürdigt hat. Entscheidend ist, ob die Klägerin nach dem Vortrag des Beklagten durch ihr Verhalten die gebotene Rücksichtnahme auf die Belange des Schenkers hat vermissen lassen. Die Frage, welche Rücksichtnahme der Beklagte erwarten durfte, hat sich das Berufungsgericht nicht erkennbar gestellt.
Damit erhielt die Klägerin eine Schenkung, durch die zeitlebens, unabhängig vom Fortbestand ihrer Beziehung zum Beklagten, ihr Wohnbedarf gesichert war und die damit einen erheblichen wirtschaftlichen Wert verkörperte. Für diese Zuwendung gab es keine andere Veranlassung des Beklagten als die gemeinsame Vorstellung der Parteien, die Klägerin werde, wie sie es dem Beklagten zugesagt hatte, die Prostitution aufgeben.
Bei einer Gesamtwürdigung dieser Umstände, die zu der Schenkung geführt haben, widersprach es objektiv einer von Dankbarkeit geprägten Rücksichtnahme auf die Belange des Beklagten, wenn sich die Klägerin alsbald nach Abschluss des sie begünstigenden notariellen Vertrages über ihr Versprechen hinwegsetzte und die Prostitution wieder aufnahm. Dies lief nicht nur den im Zeitpunkt der Schenkung gemeinsamen Vorstellungen über die zukünftige Lebensgestaltung entgegen, sondern entzog der für die Schenkung maßgeblichen von dem Versprechen der Klägerin, die Prostitution aufzugeben, geprägten Entscheidung des Beklagten, der Klägerin das Wohnrecht schenkweise zu übertragen, die Grundlage.
In diesem Verhalten der Klägerin ist deshalb jedenfalls objektiv eine schwere Verletzung der Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf die Belange des Beklagten als Schenker zu sehen. Es liegt nahe, diese Verfehlung auch subjektiv als Ausdruck einer Gesinnung der Klägerin zu werten, die in erheblichem Maße die Dankbarkeit vermissen lässt, die der Schenker erwarten kann.
III. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das die Frage, ob der Beklagte die Schenkung wirksam widerrufen hat, erneut zu prüfen und gegebenenfalls auch aufzuklären haben wird, ob der Widerruf nach § 532 Satz 1 BGB ausgeschlossen ist, was es bisher hat dahinstehen lassen können.
Wetzlarer Straße 8a
35644 Hohenahr
Telefon: +49 6446 921 332
Telefax: +49 6446 921 331
E-Mail: info@rechtsanwalt-krau.de
Wetzlarer Straße 8a
35644 Hohenahr
Telefon: +49 6446 921 332
Telefax: +49 6446 921 331
Wetzlarer Straße 8a
35644 Hohenahr
Telefon: +49 6446 921 332
Telefax: +49 6446 921 331