Brandenburgisches OLG, Urteil vom 09.01.2019 – 7 U 81/17

Dezember 10, 2020

Brandenburgisches OLG, Urteil vom 09.01.2019 – 7 U 81/17

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 17.05.2017 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das Versäumnisurteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus vom 18.05.2016 wird mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 150.000 € festgesetzt.
Gründe

I.

Die Klägerin, eine GmbH in Liquidation, nimmt den Beklagten als ihren früheren Geschäftsführer wegen vermeintlicher Verletzung der Geschäftsführerpflichten aus dem Gesichtspunkt der Untreue auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch.

Gesellschafter der Klägerin sind seit 2010 die Gemeinden B… und W…, zuvor war weitere Gesellschafterin die Gemeinde By…. Geschäftsgegenstand der Klägerin sind Maßnahmen zur wirtschaftlichen und touristischen Entwicklung.

Die Klägerin verfügt gemäß §§ 6, 8 ihrer Satzung vom 16.04.2003 über einen Aufsichtsrat, bestehend aus fünf Mitgliedern. Die Amtszeit der Aufsichtsratsmitglieder beträgt nach § 8 Abs. 4 der Satzung vier Jahre, wobei das Geschäftsjahr, in dem die Amtszeit beginnt, nicht mitgerechnet wird.

Der Beklagte war vom 20.04.1995 bis zum 31.12.2009 Geschäftsführer der Klägerin. Am 03.01.2011 beschloss die Gesellschafterversammlung der Klägerin die Auflösung der Gesellschaft und bestellte Rechtsanwalt M… P… zum Liquidator. Seither befindet sich die Klägerin in der Abwicklung.

In der außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 25.10.2014 beschlossen die Gesellschafter der Klägerin, die Gemeinde B… dabei nach Darstellung der Klägerin vertreten durch die ehrenamtliche Bürgermeisterin, den Beklagten auf Schadensersatz durch den Liquidator der Klägerin in Anspruch zu nehmen zu lassen.

Die Klägerin, vertreten durch ihren Liquidator, hat am 30.12.2014 bei dem Amtsgericht Wedding den Erlass eines Mahnbescheids gegen den Beklagten auf Zahlung von 150.000 € beantragt. Gegen den am 09.01.2015 erlassen und ihm am 13.01.2015 zugestellten Mahnbescheid hat der Beklagte am 22.01.2015 Widerspruch eingelegt.

Im streitigen Verfahren hat die Klägerin die Zahlungsforderung weiterverfolgt und ferner Feststellung beantragt, dass der Forderung eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung zugrunde liege. Die Klägerin hat geltend gemacht, der Beklagte als ihr Geschäftsführer habe ihr einen Schaden durch Auszahlung des Betrages von 150.000 € an die D… GmbH am 26.01.2016 aufgrund eines Darlehensvertrages vom 25.01.2006 im Rahmen des Projekts „Digitaler Tachograph“ zugefügt. Die Darlehensgewährung stelle sich als Missbrauch der Vertretungsbefugnis im Sinne des § 266 Abs. 1 1. Alt. StGB dar, was die Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB begründe. Der Beklagte habe bei Darlehensgewährung gewusst, dass die D… GmbH vermögenslos gewesen sei, zumal diese bereits im Jahr 2005 Zahlungszusagen nicht eingehalten habe.

Zur weiteren Begründung des Anspruchs hat sich die Klägerin auf die rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung des Beklagten zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von sieben Monaten wegen Untreue aufgrund der darlehensweise erfolgten Auskehrung von 150.000 € durch das Urteil der 2. Großen Strafkammer des Landgerichts Cottbus – Wirtschaftsstrafkammer – vom 24.02.2014 (Az: 22 KLs 13/12) gestützt.

Aufgrund der Säumnis der Klägerin im Termin am 18.05.2016 hat das Landgericht durch das am gleichen Tag verkündete Versäumnisurteil die Klage abgewiesen. Gegen das am 13.06.2016 zugestellte Versäumnisurteil hat die Klägerin am 27.06.2018 Einspruch eingelegt.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

das Versäumnisurteil vom 18.05.2016 aufzuheben und

den Beklagten zu verurteilen, an sie 150.000 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 14.01.2015 zu zahlen

sowie festzustellen, dass der Zahlungsanspruch aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung resultiert.

Der Beklagte hat beantragt,

das Versäumnisurteil aufrecht zu erhalten.

Der Beklagte hat die Wirksamkeit der Bevollmächtigung der Rechtsanwälte der Klägerin in Abrede gestellt und ist der Klage in der Sache entgegengetreten. Die Bevollmächtigung sei nach § 181 BGB unwirksam, weil der Liquidator der Klägerin selbst der bevollmächtigten Rechtsanwaltskanzlei angehöre. Ferner verstoße die Bevollmächtigung gegen § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO und gegen haushaltsrechtliche Vorschriften. Im Übrigen hat der Beklagte insbesondere geltend gemacht, der Gesellschafterbeschluss vom 25.01.2014 sei mangels wirksamer Vertretung der Gesellschafter unwirksam. Ferner habe die Klägerin den geltend gemachten Anspruch nicht schlüssig vorgetragen. Er habe bei Ausreichung des Darlehens an die D… GmbH nicht pflichtwidrig gehandelt, ein Schaden sei der Klägerin nicht entstanden. Schließlich hat sich der Beklagte auf Verjährung berufen.

Das Landgericht mit dem am 17.05.2017 verkündeten Urteil unter Aufhebung des Versäumnisurteils der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt: Die zulässige Klage sei begründet. Die Prozessvollmacht sei wirksam erteilt worden, ein In-Sich-Geschäft im Sinne von § 181 BGB liege nicht vor, da als Vollmachtnehmer Rechtsanwältin P… aufgetreten sei. Ein etwaiger Verstoß gegen berufsrechtliche Vorschriften der Rechtsanwälte oder gegen hauhaltsrechtliche Bestimmungen berühre die Wirksamkeit der Vollmacht nicht. Die Wirksamkeit der Beschlussfassung vom 25.10.2014 könne dahinstehen, denn ein Beschluss nach § 46 Nr. 8 GmbHG sei im vorliegenden Fall nicht erforderlich, nachdem die Klägerin seit dem Liquidationsbeschluss vom 02.01.2011 nicht mehr am Geschäftsverkehr teilnehme. Der Beklagte hafte der Klägerin aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung auf Schadensersatz, denn die Darlehensgewährung an die D… GmbH erfülle den Missbrauchstatbestand nach § 266 Abs. 1, 1. Alt. StGB. Der Klägerin sei ein Schaden in Höhe der Klageforderung entstanden. Der Anspruch der Klägerin sei auch nicht verjährt,

Gegen das ihm am 15.06.2017 zugestellte Urteil wendet sich der Beklagte mit der am 14.07.2017 eingelegten Berufung, die er nach Verlängerung der Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 15.09.2017 an diesem Tag begründet hat.

Der Beklagte beanstandet das Urteil in formeller und materieller Hinsicht. Insbesondere habe das Landgericht unter Verstoß gegen die Hinweispflicht und sachlich unzutreffend zugrunde gelegt, dass ihm die Vermögenslosigkeit der D… GmbH bei Gewährung des Darlehens bekannt gewesen sei und dass die Darlehensgewährung ohne Billigung der Gesellschafter erfolgt sei. Zum Zeitpunkt der Auszahlung des Darlehens habe die D… GmbH über Kontoguthaben von 2,5 Mio. € verfügt. Fehlerhaft habe das Landgericht einen Gesellschafterbeschluss nach § 46 Nr. 8 GmbHG als nicht erforderlich angesehen und den Eintritt der Verjährung verneint. Im Übrigen wiederholt und vertieft der Beklagte sein erstinstanzliches Sach- und Rechtsvorbringen.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils das Versäumnisurteil vom 18.05.2016 aufrecht zu erhalten.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin rügt die Zulässigkeit der Berufung des Beklagten, weil die Berufungsschrift weder durch Rechtsanwalt G… noch durch einen der auf dem verwendeten Briefkopf der Anwaltskanzlei als angestellter Rechtsanwalt bezeichneten Rechtsanwälte, sondern durch den auf dem Briefkopf nicht bezeichneten Rechtsanwalt K… unterzeichnet worden sei. In der Sache verteidigt die Klägerin das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Sach- und Rechtsvorbringen. Sie bestreitet, dass die D… GmbH zum Zeitpunkt der streitbefangenen Darlehensgewährung über eigenes Vermögen von 2,5 Mio. € verfügt habe.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Senat der Klägerin unter anderem den Hinweis erteilt, dass die Klage unzulässig sein dürfte, weil die Klägerin durch ihren Liquidator im Prozess nicht ordnungsgemäß vertreten sei.

Der Klägerin hat auf den Hinweis innerhalb der ihr gewährten Frist schriftsätzlich Stellung genommen. Sie hat vorgetragen, die Amtszeit der im Jahr 2004 bestellten Aufsichtsratsmitglieder habe mit Ablauf des Monats August 2009 geendet, ein neuer Aufsichtsrat sei nicht mehr bestellt worden. Ende 2009 sei die Liquidation beschlossen worden, zu diesem Zeitpunkt habe ein Aufsichtsrat nicht mehr bestanden. Eine Vertretung der GmbH durch den fakultativen Aufsichtsrat sei im Rahmen der Liquidation auch nicht vorgesehen, die Vertretung erfolge durch den Liquidator.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages der Parteien wird auf die von ihnen zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

II.

Die gemäß §§ 511, 517 ff. ZPO zulässige Berufung des Beklagten ist begründet, denn die Klage ist unzulässig.

1) Die Berufung des Beklagten und die Berufungsbegründung sind frist- und formgerecht erfolgt, §§ 517, 518, 519 ZPO.

1.1) Hinsichtlich der Wahrung der gesetzlichen Fristen für die Einlegung der Berufung und die Berufungsbegründung wird auf die mitgeteilten Daten Bezug genommen.

1.2) Die Berufungsschrift und die schriftliche Berufungsbegründung sind auch formgerecht erfolgt. Beide Schriftsätze sind von dem bei der vom Beklagen mandatierten Anwaltskanzlei G… angestellten und bei dem Berufungsgericht nach § 78 ZPO postulationsfähigen Rechtsanwalt K… eigenhändig unterzeichnet worden. Der Umstand, dass der unterzeichnende Rechtsanwalt K… auf dem für die Berufungsschrift verwendeten Briefkopf der Anwaltskanzlei G… (noch) nicht als angestellter Anwalt bezeichnet war, steht der formgerechten Erhebung der Berufung nicht entgegen. Dasselbe gilt, falls das Anstellungsverhältnis Rechtsanwalt K… erst nach Einlegung der Berufung begründet worden sein sollte.

a) Die Berufungsschrift muss von einem postulationsfähigen Anwalt unterschrieben sein. Das war bei dem allgemein zugelassenen Rechtsanwalt K… der Fall. Nach unwidersprochen gebliebenem Vorbringen des Beklagten gehörte Rechtsanwalt K… auch bei Unterzeichnung und Einreichung der Berufungsschrift als angestellter Anwalt der vom Beklagten mandatierten Rechtsanwaltskanzlei G… an und zählte damit zum Kreis der Prozessbevollmächtigten. Sein Handeln als Mitglied der Rechtsanwaltskanzlei G… hat Rechtsanwalt K… durch Verwendung des Plurals („namens und in Vollmacht unseres Mandaten legen wir … Berufung ein“) auch hinreichend zum Ausdruck gebracht (vgl. dazu BGH, Beschluss v. 28.07.2005 – III ZB 56/05, NJW 2005, 3415). Seine Unterschrift hat Rechtsanwalt K… ohne weiteren Zusatz geleistet und damit seinen Willen deutlich gemacht, dass er die Verantwortung für den Schriftsatz übernimmt.

Die von der Klägerin herangezogene Entscheidung des OLG Köln (Urteil v. 10.05.2011 – 19 U 116/10, zit. nach juris.de) steht dieser Beurteilung nicht entgegen. In dem vom OLG Köln entschiedenen Fall war die Berufungsschrift durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet worden, der erkennbar nicht der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten angehörte und es war unklar geblieben, ob der unterzeichnende Rechtsanwalt den Inhalt der Berufungsschrift verantworten wollte oder bloßer Erklärungsbote sein sollte. Eine solche Unklarheit besteht vorliegend nicht.

b) Selbst wenn Rechtsanwalt K… zum Zeitpunkt der Unterzeichnung und Einreichung der Berufungsschrift noch nicht angestellter Anwalt der Rechtsanwaltskanzlei G… gewesen und deshalb durch die vom Beklagten der Anwaltskanzlei erteilte Vollmacht nicht bevollmächtigt gewesen sein sollte, stünde dies der Zulässigkeit der Berufung nicht entgegen.

Einerseits ermächtigt die der Rechtsanwaltskanzlei G… vom Beklagten am 28.06.2017 erteilte schriftliche Vollmacht – die mit der Berufungsschrift in beglaubigter Abschrift eingereicht wurde – zur Übertragung der Vollmacht auf andere (Untervollmacht). Zudem wäre ein etwaiger Vollmachtsmangel dadurch geheilt, dass Rechtsanwalt G… durch seine Vertretung des Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Prozessführung Rechtsanwalts K… namens der vertreten Partei gemäß § 89 Abs. 2 ZPO mit Rückwirkung genehmigt hat (vgl. dazu BGHZ 128, 280; BGH, Beschluss v. 30.10.2013 – V ZB 9/13, NJW 2014, 1242 m.w.N.).

2) Die Berufung des Beklagten hat in der Sache Erfolg. Das die Klage abweisende Versäumnisurteil des Landgerichts ist mit der Maßgabe aufrecht zu erhalten, dass die Klage als unzulässig abgewiesen ist.

Die Klage ist unzulässig, weil die Klägerin im Prozess nicht durch das zuständige Gesellschaftsorgan und damit nicht ordnungsgemäß vertreten ist, §§ 52 Abs. 1 GmbHG, § 112 AktG i.V.m. § 51 ZPO. Der Vertretungsmangel ist von Amts wegen zu berücksichtigten (vgl. BGH, Urteil v. 24.11.2003 – II ZR 127/01, GmbHR 2004, 259).

Die Klage ist von der Klägerin, vertreten durch ihren Liquidator, erhoben worden, der ihre Vertretung vor Gericht auch wahrgenommen hat. Gesetzlicher Vertreter der Klägerin ist jedoch gemäß § 52 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 112 AktG ihr bestellter Aufsichtsrat.

2.1) Der Aufsichtsrat der Klägerin ist ein fakultativer Aufsichtsrat i.S.v. § 52 GmbHG. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Bestellung eines Aufsichtsrats besteht für die Klägerin nicht, denn die Klägerin hat weder mehr als 500 Arbeitnehmer (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG), noch handelt es sich bei der Klägerin um eine externe Kapitalverwaltungsgesellschaft (§ 18 Abs. 2 Satz 1 KAGB). Eine GmbH kann in ihrer Satzung einen Aufsichtsrat vorsehen. Die Satzung der Klägerin sieht in §§ 6, 8 einen Aufsichtsrat vor.

2.2) Gemäß § 52 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 112 AktG vertritt der fakultative Aufsichtsrat einer GmbH die Gesellschaft in einem Rechtsstreit mit einem Geschäftsführer, soweit nicht im Gesellschaftsvertrag ein anderes bestimmt ist (vgl. BGH, Urteil v. 24.11.2003 a.a.O.; Urteil v. 21.06.1999 – II ZR 27/98, GmbHR 1999, 1140; Urteil v. 05.03.1990 – II ZR 86/89, GmbHR 1990, 297). Eine gemäß § 52 Abs. 1 GmbHG mögliche, von der grundsätzlichen Vertretungszuständigkeit entsprechend § 112 AktG abweichende Regelung zur Vertretung der Gesellschaft gegenüber einem Geschäftsführer bestimmt die Satzung der Klägerin nicht.

2.3) Die Vertretung der GmbH durch den Aufsichtsrat gilt auch für den hier vorliegenden Fall eines Prozesses der Gesellschaft gegen einen ausgeschiedenen (ehemaligen) Geschäftsführer (vgl. BGH, Urteil v. 24.11.2003 a.a.O.; Urteil v. 21.06.1999 a.a.O., Urteil v. 05.03.1990 a.a.O.). Eine Beschränkung auf im Amt befindliche Geschäftsführer widerspräche dem gesetzlichen Zweck der nach § 52 GmbHG entsprechend anzuwendenden Vorschrift des § 112 AktG, eine unbefangene Vertretung der Gesellschaft sicherzustellen, die von sachfremden Erwägungen unbeeinflusst ist und sachdienliche Gesellschaftsbelange wahrt. Die ausschließliche Befugnis des Aufsichtsrates, die Gesellschaft im Verfahren mit ehemaligen Geschäftsführern zu vertreten, stellt darüber hinaus die Rechtsklarheit und Kontinuität der Vertretung der Gesellschaft sicher (vgl. BGH, Urteil v. 05.02.1990 a.a.O.).

2.4) Der Umstand, dass sich die Klägerin in der Liquidation befindet und als Liquidator nicht der bis zur Liquidation bestellte Geschäftsführer, sondern eine Dritte Person bestellt worden ist, steht der in § 51 Abs. 1 GmbHG angeordneten entsprechenden Anwendung von § 112 AktG nicht entgegen.

a) Der Eintritt der Abwicklung berührt den Bestand des nach der Satzung bestehenden Aufsichtsrates nicht. Die aufgelöste Gesellschaft besteht bis zu ihrer Beendigung (§ 74 GmbHG) als juristische Person fort. Funktion von Gesellschafterversammlung und Aufsichtsrat bleiben während der Auflösung unverändert (vgl. Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 60 Rn. 9). Die Vorschrift des § 112 AktG gilt im Liquidationsstadium bis zur Beendigung der Gesellschaft fort (vgl. MünchKommAktG/Habersack, 5. Aufl. § 112 Rn. 6).

b) Der von der Klägerin herangezogenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14.12.1961 (II ZR 97/59, BGHZ 36,207) lässt sich nicht entnehmen, dass für den vorliegenden Rechtsstreit von einer ordnungsgemäßen Vertretung durch den Liquidator auszugehen ist.

Die zitierte Entscheidung hatte die Klage eines GmbH-Gesellschafters gegen die Gesellschaft auf Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses der Gesellschafterversammlung über die Auflösung der Gesellschaft zum Gegenstand. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass gesetzlicher Vertreter in diesem Fall der Liquidator und nicht zugleich der Aufsichtsrat (§ 199 AktG a.F.) ist. Die für die Vertretung der Gesellschaft gegenüber Mitgliedern der Geschäftsführung gemäß § 52 Abs. 1 GmbH i.V.m. § 112 AktG bestehende ausschließliche Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrats, wie sie hier zu beurteilen ist, war nicht Gegenstand der Entscheidung.

2.5) Soweit die Klägerin darauf verweist, dass § 52 Abs. 1 GmbHG die entsprechende Anwendung der Vorschrift des § 268 Abs. 2 Satz 2 AktG nicht anordnet, widerlegt dies die Anwendbarkeit der Vertretungsregel des § 112 AktG auf die GmbH im Stadium der Liquidation ebenfalls nicht. § 268 Abs. 2 Satz 2 AktG ordnet an, dass die Abwickler der Aktiengesellschaft – wie der Vorstand – der Überwachung des Aufsichtsrates unterliegen. Vorliegend geht es jedoch nicht um die Überwachung der Abwicklungsgeschäfte des Liquidators, sondern um die Frage der Vertretung der Gesellschaft im Prozess gegen ihren früheren Geschäftsführer.

2.6) Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin ist die Vertretungsbefugnis des nach der Satzung vorgesehenen Aufsichtsrates schließlich nicht deshalb entfallen, weil die Amtszeit der bestellten Aufsichtsratsmitglieder im Jahr 2009 geendet und die Gesellschafterversammlung Aufsichtsratsmitglieder danach nicht erneut bestellt hat.

Die Gesellschafterversammlung hat eine Änderung der Satzung gerichtet auf Abschaffung des fakultativen Aufsichtsrats weder bei Ablauf der Amtszeit der bestellten Aufsichtsratsmitglieder, noch bei der Beschlussfassung über die Liquidation oder sonst später beschlossen. Nach ihrer unverändert gültigen Satzung ist die Klägerin im Prozess gegen den Beklagten mithin nicht ordnungsgemäß vertreten.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Anlass zur Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO besteht nicht. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Ebensowenig erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Der Senat sieht sich in den entscheidungserheblichen Rechtsfragen in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

Die Festsetzung der Streitwertes für das Berufungsverfahren erfolgt nach §§ 47 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG.

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