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Die Revision ist zulässig. Die Revisionsbegründung entspricht den Anforderungen des § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a der Finanzgerichtsordnung (FGO). |
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1. Nach § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a FGO muss die Revisionsbegründung die bestimmte Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt. Es muss eindeutig erkennbar sein, welche Norm verletzt sein soll. Ferner muss der Revisionskläger die Gründe tatsächlicher und rechtlicher Art angeben, die nach seiner Auffassung das erstinstanzliche Urteil als unrichtig erscheinen lassen. Er muss sich mit den tragenden Gründen des finanzgerichtlichen Urteils auseinandersetzen und darlegen, weshalb er diese für unrichtig hält (Senatsurteil vom 16. März 2000 III R 21/99, BFHE 192, 169, 172, BStBl II 2000, 700, 702; Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 14. April 2016 VI R 13/14, BFHE 253, 384, BStBl II 2016, 778). |
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2. Entgegen der Rechtsansicht des FA genügt die Revisionsschrift diesen Anforderungen. Hierbei ist es unschädlich, dass der Kläger mit seinen materiell-rechtlichen Einwendungen gegen das FG-Urteil die seiner Ansicht nach verletzte Rechtsnorm nicht ausdrücklich als solche bezeichnet hat, da es genügt, wenn aus der Revisionsbegründung erkennbar ist, welche Rechtsnorm der Revisionskläger für verletzt hält (BFH-Urteil in BFHE 253, 384, BStBl II 2016, 778). Dies ist hier der Fall. Aus den Ausführungen des Klägers geht hervor, dass das FG § 227 der Abgabenordnung (AO) verletzt haben soll, weil es die bei den Projektgesellschaften angefallene Gewerbesteuer bei der Ermittlung seiner steuerlichen Gesamtsteuerbelastung außer Betracht gelassen habe. Darüber hinaus hat sich der Kläger auch in ausreichendem Maße mit den tragenden Gründen des angefochtenen Urteils auseinandergesetzt und dargetan, weshalb er diese Gründe für rechtsfehlerhaft hält. |
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Die Revision ist unbegründet und wird nach § 126 Abs. 4 FGO zurückgewiesen. Denn das FG hat zwar zu Unrecht die Ermessensausübung des FA bei der Entscheidung über den Erlassantrag nicht beanstandet. Aber es hat im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen, weil angesichts einer Ermessensreduzierung auf Null eine andere Entscheidung als eine Klageabweisung nicht in Betracht kam. |
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1. Die Sachurteilsvoraussetzung eines abgeschlossenen Vorverfahrens, das grundsätzlich gemäß § 44 FGO dem Klageverfahren vorausgehen muss, ist im Streitfall erfüllt. Zwar hat das FA vor der Einspruchsentscheidung keinen Bescheid erlassen, durch den es den Erlassantrag des Klägers insoweit abgelehnt hat, als er die Jahre 1989 bis 1993 betrifft. Vielmehr betrifft der Ablehnungsbescheid vom 12. Dezember 2007 die Jahre nach 1993. Eine Entscheidung über einen Erlass der für die Jahre 1989 bis 1993 festgesetzten Einkommensteuer sowie des Solidaritätszuschlags hat das FA zunächst ausdrücklich abgelehnt. Für diese Jahre hat es erstmals in der Einspruchsentscheidung vom 18. Oktober 2011 eine (ablehnende) Verwaltungsentscheidung getroffen. Dennoch war es im Streitfall nicht notwendig, ein weiteres Rechtsbehelfsverfahren durchzuführen. Denn es ist eine Einspruchsentscheidung ergangen, die vom Kläger als Beschwertem in zulässiger Weise durch Klage angefochten werden konnte (vgl. BFH-Beschlüsse vom 4. Juli 2013 X B 91/13, BFH/NV 2013, 1540, Rz 21, und vom 29. Januar 2016 X B 93/15, BFH/NV 2016, 776, Rz 23; Gräber/Levedag, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 44 Rz 16). |
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2. Das FG hat im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen. Die Ermessensausübung durch das FA war zwar nicht zutreffend, allerdings kam wegen einer Ermessensreduzierung auf Null eine andere Entscheidung als die Ablehnung des Erlassantrags nicht in Betracht. Wegen dieser Ermessensreduzierung auf Null machen es die fehlerhaften Ermessenserwägungen des FA, welche das FG nicht beanstandet hat, nicht erforderlich, das angefochtene Urteil aufzuheben (s. Senatsurteile vom 9. Februar 2009 III R 37/07, BFHE 224, 290, BStBl II 2009, 928, m.w.N., sowie vom 3. Juli 2014 III R 41/12, BFHE 247, 125). |
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a) Nach § 227 AO können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden. Der Zweck der §§ 163, 227 AO liegt darin, sachlichen und persönlichen Besonderheiten des Einzelfalles, die der Gesetzgeber in der Besteuerungsnorm nicht berücksichtigt hat, durch eine nicht den Steuerbescheid selbst ändernde Korrektur des Steuerbetrages insoweit Rechnung zu tragen, als sie die steuerliche Belastung als unbillig erscheinen lassen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 20. September 2012 IV R 29/10, BFHE 238, 518, BStBl II 2013, 505, und vom 17. April 2013 X R 6/11, BFH/NV 2013, 1537; Beschluss des Bundesverfassungsgerichts –BVerfG– vom 11. Mai 2015 1 BvR 741/14, Deutsches Steuerrecht –DStR– 2015, 2237). Die Entscheidung des FA über den Erlass von Steuern ist eine Ermessensentscheidung, so dass sich die gerichtliche Überprüfung gemäß § 102 FGO darauf zu beschränken hat, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (z.B. BFH-Urteil vom 4. Juni 2014 I R 21/13, BFHE 246, 130, BStBl II 2015, 293). |
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b) Die Unbilligkeit kann in der Sache liegen oder ihren Grund in der wirtschaftlichen Lage des Steuerpflichtigen haben (z.B. BFH-Urteil vom 14. Juli 2010 X R 34/08, BFHE 229, 502, BStBl II 2010, 916). In der wirtschaftlichen Situation des Steuerpflichtigen liegende (persönliche) Billigkeitsgründe hat der Kläger trotz Aufforderung nicht substantiiert gegenüber dem FA geltend gemacht, so dass dieses seine Prüfung zu Recht auf sachliche Billigkeitsgründe beschränkt hat. |
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c) Anlass für einen Billigkeitserlass aus sachlichen Gründen kann eine Übermaßbesteuerung sein, so wie sie der Kläger im Streitfall geltend macht (s. BFH-Urteil in BFHE 246, 130, BStBl II 2015, 293, Rz 18, m.w.N.). |
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Nach der Rechtsprechung des BVerfG fällt die Steuerbelastung in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie nach Art. 14 des Grundgesetzes –GG– (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 31. Mai 1990 2 BvL 12, 13/88, 2 BvR 1436/87, BVerfGE 82, 159, 190; vom 22. Juni 1995 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, 137, und vom 18. Januar 2006 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97, 117). Die steuerliche Belastung auch höherer Einkommen darf für den Regelfall nicht so weit gehen, dass der wirtschaftliche Erfolg grundlegend beeinträchtigt wird und damit nicht mehr angemessen zum Ausdruck kommt. Allerdings lässt sich aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 GG keine allgemein verbindliche, absolute Belastungsobergrenze in der Nähe einer hälftigen Teilung ableiten (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 115, 97, 114). Die frühere Rechtsprechung des BVerfG zum sog. Halbteilungsgrundsatz (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 93, 121, 138), auf die sich der Kläger noch gegenüber dem FA berufen hatte, ist damit überholt (s. Blümich/Ratschow, § 2 EStG Rz 19). |
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Bezogen auf die Gewerbesteuer kann ein Erlassgrund anzunehmen sein, wenn diese bei einer über mehrere Jahre andauernden Verlustperiode nicht aus dem Ertrag des Unternehmens, sondern aus dessen Substanz geleistet werden muss und dies im Zusammenwirken mit anderen Steuerarten zu existenzgefährdenden oder existenzvernichtenden Härten führt (BFH-Urteil in BFHE 246, 130, BStBl II 2015, 293, Rz 18, m.w.N.). |
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d) Wird –wie im Streitfall– eine Übermaßbesteuerung durch eine Kumulation von Einkommen- und Gewerbesteuer geltend gemacht, so hat das FA bei der Entscheidung über einen Erlassantrag nicht nur die Belastung durch die Gewerbesteuer einzubeziehen, für welche der (Einzel-)Unternehmer selbst Steuerschuldner ist (§ 5 Abs. 1 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes –GewStG–), sondern auch die (anteilige) Gewerbesteuer, die auf der Ebene von Personengesellschaften entstanden ist, an denen der Unternehmer beteiligt ist und für welche die jeweilige Personengesellschaft gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG Steuerschuldnerin ist (s. BFH-Beschluss vom 15. März 2005 IV B 91/04, BFHE 209, 128, BStBl II 2005, 647). |
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Dies hat das FA nicht beachtet; es hat in der Einspruchsentscheidung vom 18. Oktober 2011 ausgeführt, dass es nicht zulässig sei, bei der Prüfung einer Übermaßbesteuerung die Gewerbesteuer auf der persönlichen Ebene mit der Gewerbesteuerbelastung auf der Ebene von Personengesellschaften zusammenzufassen. |
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e) Die fehlerhafte Ermessensausübung durch das FA führt allerdings nicht dazu, dass das angefochtene Urteil des FG deshalb aufzuheben wäre. Denn auch bei einer fehlerfreien Ermessensausübung hätte das FA zu dem Ergebnis kommen müssen, dass der Erlassantrag des Klägers abzulehnen war. |
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aa) Die Ermessensausübung des FA war nicht deshalb zu beanstanden, weil dieses über den Erlassantrag vom 19. Januar 2006, der sich ursprünglich auf die Jahre 1989 bis 2004 bezogen hatte, nur hinsichtlich der Streitjahre 1989 bis 1993 entschied. Es war sachgerecht, die Streitjahre, in denen der Kläger noch zusammen mit seiner früheren Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt wurde, nicht mit den Folgejahren, in denen eine Einzelveranlagung erfolgte, zusammenzufassen. Darüber hinaus stand die Steuerbelastung in den Folgejahren aufgrund anhängiger Einspruchsverfahren noch nicht fest. |
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bb) Die vom Kläger geltend gemachte „übermäßige“ Belastung mit Gewerbesteuer ist, wie aus seinem Vorbringen im Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren hervorgeht, zum großen Teil darauf zurückzuführen, dass die negativen Ergebnisse aus Betrieben, die von einzelnen Personengesellschaften, an denen der Kläger unmittelbar oder mittelbar beteiligt war, unterhalten wurden, für Zwecke der Gewerbesteuer nicht mit den positiven Erträgen aus den Betrieben anderer solcher Gesellschaften verrechnet werden konnten. Die Unzulässigkeit einer gewerbesteuerrechtlichen Saldierung von positiven und negativen Ergebnissen mehrerer Betriebe i.S. des § 2 Abs. 1 GewStG ist eine Folge des Objektsteuercharakters der Gewerbesteuer. Dieser besagt, dass die Steuer an das Objekt „Gewerbebetrieb“ anknüpft, losgelöst von den Beziehungen zu einem dahinter stehenden Rechtsträger (vgl. BVerfG-Beschluss vom 13. Mai 1969 1 BvR 25/65, BVerfGE 26, 1, 9). Die Verfassungskonformität der Gewerbesteuer als Objektsteuer wird trotz zahlreicher dagegen vorgebrachter Bedenken vom BVerfG nicht in Frage gestellt (BVerfG-Beschlüsse vom 15. Januar 2008 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1, 27, und vom 15. Februar 2016 1 BvL 8/12, BStBl II 2016, 557). Wegen der Eigenschaft der Gewerbesteuer als ertragsorientierter Objektsteuer kann es danach zu Abweichungen vom Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit kommen, welches zwar das Einkommensteuerrecht prägt, nach der Rechtsprechung des BVerfG aber bei der Gewerbesteuer allenfalls eingeschränkt gilt (vgl. BFH-Urteil vom 20. September 2012 IV R 36/10, BFHE 238, 429, BStBl II 2013, 498, Rz 30, und BVerfG-Beschluss in BStBl II 2016, 557, Rz 33, m.w.N.). So können Hinzurechnungen nach § 8 GewStG, die Ausdruck der Gewerbesteuer als „ertragsorientierte Objektsteuer“ sind, sogar zu einer –verfassungsrechtlich zulässigen– Substanzbesteuerung führen (s. BFH-Urteil vom 4. Juni 2014 I R 70/12, BFHE 246, 67, BStBl II 2015, 289, Rz 21). |
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cc) Die Belastung des Klägers mit Gewerbesteuer, die auf dem Fehlen einer Verlustverrechnungsmöglichkeit beruht, ist kein Grund, sie durch den Erlass von Einkommensteuer jedenfalls teilweise zu kompensieren. Denn Billigkeitsmaßnahmen dürfen nicht die einem gesetzlichen Steuertatbestand innewohnende Wertung des Gesetzgebers generell durchbrechen oder korrigieren. Sie können nur einem ungewollten Überhang des gesetzlichen Steuertatbestandes abhelfen (BVerfG-Beschlüsse vom 5. April 1978 1 BvR 117/73, BVerfGE 48, 102, 113, und in DStR 2015, 2237; BFH-Urteil vom 22. Oktober 2014 II R 4/14, BFHE 247, 170, BStBl II 2015, 237, Rz 15); ein derartiger Fall liegt hier allerdings nicht vor. Es widerspräche den Wertungen des Gesetzgebers, der die Gewerbesteuer als ertragsorientierte Objektsteuer ausgestaltet hat, wenn die Folgen, die sich aus einer isolierten gewerbesteuerrechtlichen Betrachtung von Betrieben ergeben (§ 2 Abs. 1 GewStG), durch Erlassmaßnahmen zu beseitigen oder abzumildern wären. |
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 1, § 135 Abs. 2 FGO. |
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