Erbvertrag: Ergänzende Vertragsauslegung

Mai 11, 2020

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06. Dezember 2011 – I-3 Wx 261/11
Erbvertrag: Ergänzende Vertragsauslegung im Hinblick auf die Erbeinsetzung eines später geistig behindert gewordenen Sohns
Für die Annahme einer durch ergänzende Auslegung des Erbvertrags zu schließenden Lücke dahin, dass die Vertragsschließenden bei Kenntnis der späteren Entwicklung (hier: geistige Behinderung des gemeinsamen Sohnes) anders testiert, nämlich den Sohn nicht uneingeschränkt als Erben eingesetzt hätten, ist kein Raum, solange der Erbvertrag nicht andeutet, in welcher Weise er angepasst oder eine andere Form der letztwilligen Verfügung gewählt worden wäre.
vorgehend AG Mönchengladbach-Rheydt, 15. Juni 2011, 12 VI 168/89, Beschluss

Tenor
Das Rechtsmittel der Beteiligten wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Wert des Beschwerdegegenstandes: 100.000,- Euro.
Gründe
I.
Die am 09. März 1989 verstorbene Erblasserin war in erster Ehe mit dem vorverstorbenen F. U. verheiratet. Der gemeinsame Sohn, K. A. U., verstarb 1945 ledig und kinderlos. In zweiter Ehe war die Erblasserin mit dem 1944 verstorbenen F. H. G. verheiratet. Aus dieser Ehe ist der am 06. September 1931 geborene, im Jahr 2011 ledig und kinderlos verstorbene A. F. G. hervorgegangen. F. G. stand unter Betreuung und war nicht testierfähig; weitere Kinder hatte die Erblasserin nicht.
Die Erblasserin und ihr Ehemann F. H. G. schlossen am 22. Oktober 1940 einen notariellen Erbvertrag (12 IV 159/89, NA 8), in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. Als Erben des Überlebenden setzten sie den Sohn der Erblasserin aus erster Ehe, K. U., den gemeinsamen Sohn F. G. und alle etwaigen weiteren gemeinsamen Kindern zu gleichen Teilen ein. Anstelle verstorbener Kinder sollten deren Abkömmlinge treten. Einen ausdrücklichen Änderungsvorbehalt nahmen sie nicht in den Erbvertrag auf.
Am 26. Juli 1988 errichtete die Erblasserin ein notarielles Testament (12 IV 159/89, NA 18), in dem sie ihren Sohn F. G. als ihren nicht befreiten Vorerben einsetzte. Nacherben nach dem Tod ihres Sohnes sollten hiernach ihr Neffe (verstorben 1999) und dessen Ehefrau, die Beteiligte, werden, für den Fall des Vorversterbens eines der Nacherben im Zeitpunkt des Eintritts der Nacherbfolge der Überlebende der Nacherben alleine.
Am 26. Juli 1989 wurde nach der Anhörung der Beteiligten, die nicht Stellung nahm, ein Erbschein erteilt, wonach F. G. Alleinerbe geworden ist.
Die Beteiligte macht geltend, der Erbvertrag vom 22. Oktober 1940 sei nicht bindend gewesen; das Testament der Erblasserin aus dem Jahr 1988 sei wirksam; mit dem Tod des Vorerben aus dem Testament vom 26. Juli 1988, F. G., am 19. Februar 2011 sei sie alleinige Nacherbin geworden.
Der Erbvertrag enthalte eine Regelungslücke für den Fall, dass das einzig verbleibende Kind testierunfähig sei und keine Abkömmlinge habe. Es bedürfe daher einer ergänzenden Auslegung. Die Eheleute – hätten sie diesen Umstand bedacht – würden einen einseitigen Rücktritts- oder Änderungsvorbehalt aufgenommen haben. Dies ergebe sich aus daraus, dass die Erblasserin das gesamte Vermögen in die Ehe eingebracht habe, ihr Ehemann dagegen vermögenslos gewesen sei. Es sei den Eheleuten gerade darauf angekommen, die Kinder abzusichern. Da sämtliche im Erbvertrag Bedachten bereits verstorben seien und es keine lebenden Abkömmlinge gebe, könne kein Recht mehr beeinträchtigt werden und sei das Testament vom 26. Juli 1988 wirksam.
Die Beteiligte hat beantragt,
ihr einen Erbschein, wonach sie Alleinerbin nach der Erblasserin geworden ist, zu erteilen, mit dem Vermerk, dass der Nacherbfall infolge des Todes des Vorerben F. G. am 19. Februar 2011 eingetreten ist.
Das Amtsgericht – Nachlassgericht – hat mit Beschluss vom 15. Juni 2011 den Erbscheinsantrag der Beteiligten zurückgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt,
gemäß § 2359 BGB sei der Erbschein nur zu erteilen, wenn das Nachlassgericht – wie hier nicht der Fall – die zur Begründung des Antrags erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Gemäß § 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB sei eine nach einem Erbvertrag getroffene Verfügung von Todes wegen unwirksam, soweit sie das Recht des vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigen würde, es sei denn, dass der Erblasser sich die abweichende Verfügung im Erbvertrag vorbehalten habe [vgl. Palandt-Weidlich, BGB, 70. Auflage 2011, § 2289 Rn. 4].
Der zwischen der Erblasserin und Herrn F. H. G. am 22. Oktober 1940 geschlossene notarielle Erbvertrag sei bindend. Die Erblasserin habe nicht wirksam durch notarielles Testament vom 26. Juli 1988 abweichend testieren können. Der Erbvertrag sei nicht dahin auszulegen, dass ein Änderungs-/Rücktrittsvorbehalt von den Vertragsparteien gewollt war (1.). Das Testament beeinträchtige das Recht des vertragsgemäß Bedachten. Die Bindungswirkung sei auch nicht nachträglich durch den Tod des F. G. entfallen (2.):
1.
Es sei zulässig, dass sich der/die Erblasser im Erbvertrag ausdrücklich oder stillschweigend das Recht vorbehalten, in einem bestimmten Rahmen über seinen Nachlass einseitig und anders als im Vertrag vorgesehen zu testieren [BGH NJW 1982, 441; Palandt-Weidlich, a.a.O., § 2289 Rn. 8]. Einen ausdrücklichen Vorbehalt hätten die Parteien nicht vereinbart. Ein Änderungsvorbehalt könne auch durch Auslegung des Erbvertrages festgestellt werden. Voraussetzung sei jedoch, dass der Erbvertrag hierfür irgendeinen Anhalt biete. Der Vorbehalt müsse in den bei Vertragsabschluss abgegebenen beurkundeten Erklärungen zumindest derart zum Ausdruck kommen, dass er ihnen im Wege der Auslegung entnommen werden könne [OLG Köln NJW-RR 1994, 651; BGHZ 26, 204, 210]. Dies sei hier nicht der Fall. Dem Erbvertrag sei in keiner Weise der Wille der Vertragsparteien zu entnehmen, dass der Überlebende für den Fall, dass ein Kind nicht testierfähig sei, bzw. alle Kinder und Abkömmlinge vorverstorben seien, den Erbvertrag einseitig ändern dürfe. Die Bindungswirkung des § 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB könne auch nicht allein im Hinblick auf die (vermeintlichen) Interessen der Vertragsparteien relativiert werden, bloß weil der Vertrag eine Regelungslücke enthalte. Hierfür finde sich im Gesetz kein Anhalt [OLG Köln a. a. O]. Die Beteiligte könne demnach mit dem Argument, es entspräche dem Interesse der Erblasserin und ihres vorverstorbenen Ehemannes, das Derjenige erben solle, der sich um die Kinder gekümmert habe, nicht gehört werden.
2.
Das Testament vom 26. Juli 1988 beeinträchtige die Rechte des F. G.. Er werde durch das Testament vom Alleinerben zum Vorerben zurückgestuft. Die Herabstufung eines durch Erbvertrag eingesetzten Erben zum Vorerben beinhalte eine Beeinträchtigung im Sinne von § 2289 BGB [OLG Hamm NJW 1974, 1774; Palandt-Weidlich, a.a.O., § 2289 Rn. 5]. Der Vollerbe werde durch die Anordnung der Nacherbschaft in seiner Verfügungsgewalt beschränkt. Zwar könne grundsätzlich ein nachfolgendes Testament durch den Tod aller im Erbvertrag Bedachten nachträglich wirksam werden, wenn eine Beeinträchtigung der dort Bedachten nicht mehr denkbar ist [Palandt-Weidlich, a.a.O., § 2289 Rn. 6], dies aber nur solange die Testierende noch lebe und der Erbfall noch nicht eingetreten sei. F. G. sei aber gerade nicht vor der Erblasserin verstorben, sondern er sei bereits Alleinerbe nach der Erblasserin gewesen; ihm sei ein entsprechender Erbschein erteilt worden. Das nachträgliche Wirksamwerden des Testaments widerspräche in diesem Fall der Systematik des Erbrechts.
Es könne auch dahinstehen, ob F. G. der Änderung zugestimmt hat bzw. ob er dies rechtwirksam gekonnt haben würde. Die formlose Zustimmung eines vertragsmäßig Bedachten genüge nämlich nicht, um einer späteren Verfügung von Todes wegen Wirkung zu verleihen [OLG Hamm NJW 1974, 1774; OLG Köln a.a.O.].
Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Beteiligten, mit der sie im Wesentlichen geltend macht, sie und ihr verstorbener Ehemann hätten in Erfüllung eines der Erblasserin gegebenen Versprechens, sie zu Nacherben zu machen, deren Sohn F. G., der praktisch im benachbarten Haus gewohnt habe, gepflegt und sich um ihn gekümmert. Einen Änderungsvorbehalt hätten die Eheleute seinerzeit in dem unter Kriegsumständen und großem Zeitdruck abgeschlossenen Erbvertrag nicht aufgenommen. Bei Abfassung des Erbvertrages sei die geistige Entwicklung des Sohnes F. nicht vorhersehbar gewesen. Dieser sei mit seiner Zurückstufung durch das Testament aus 1988 einverstanden gewesen, habe dies indes wegen Testierunfähigkeit nicht beurkunden lassen können.
Die Beteiligte beantragt,
unter Änderung des angefochtenen Beschlusses das Amtsgericht – Nachlassgericht – anzuweisen, ihr einen Alleinerbin nach der Erblasserin zu erteilen;
den am 26. Juli 1989 zu Aktenzeichen 12 VI 168/89 erteilten Erbschein des Amtsgerichts Mönchengladbach-Rheydt zugunsten des inzwischen verstorbenen F. G., geboren am 06. September 1931, verstorben am 19. Februar 2011 einzuziehen,
hilfsweise das Amtsgericht – Nachassgericht – zur Einziehung anzuweisen.
Das Amtsgericht hat am 29. September 2011 der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akte dem Senat vorgelegt.
Zur Begründung hat das Nachlassgericht ausgeführt
die Beteiligte sei nicht Erbin nach der Erblasserin geworden, denn das notarielle Testament vom 26. Juli 1988 sei gemäß § 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam. Die Parteien des Erbvertrages hätten keinen Änderungsvorbehalt vereinbart; die Regelung des notariellen Testamentes vom 26. Juli 1988 benachteilige den vertragsmäßig Bedachten.
a)
Soweit die Beteiligte eine Lücke im Erbvertrag vom 22. Oktober 1940 erblicke, die im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung dahin geschlossen werden solle, dass sich die Erblasserin einen entsprechenden Änderungsvorbehalt vorbehalten haben würde, wenn sie zum Zeitpunkt des Abschlusses des Erbvertrages hätte absehen können, dass ihr einziger Abkömmling, F. G., an einer geistigen Behinderung leiden würde, führe auch dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Denn der Erbvertrag biete keinen Anhalt dafür, dass die Parteien eine entsprechende Vereinbarung getroffen haben würden.
b)
Soweit die Beteiligte darauf abstelle, die Regelungen des notariellen Testamentes seien mit Tod des Begünstigen des Erbvertrages, des F. G., am 19. Februar 2011 wieder aufgelebt, da hierdurch die Benachteiligung des Begünstigten weggefallen sei, lasse sich den zitierten Fundstellen ein solcher Schluss – zumindest mit dieser Klarheit – nicht entnehmen. Vielmehr sei für die Klärung der Frage, ob eine spätere letztwillige Verfügung eine Beeinträchtigung der erbvertraglich gesicherten Position enthält, auf den Zeitpunkt des Erbfalls – hier der Erblasserin – abzustellen [vgl. OLG München, Urt. v. 26.03.2008, Az. 15 U 4547/07, zit. Juris m.w.N.; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 04.03.1999, Az. 3 W 29/99, zit. nach Juris zu § 2289 Abs. 1 S. 1 BGB]. Bei Eintritt des Erbfalles habe der Begünstigte des Erbvertrages, F. G., noch gelebt. Zu diesem Zeitpunkt sei der Begünstige, der nach den Regelungen des Erbvertrages Vollerbe der Erblasserin geworden sei, durch das notarielle Testament vom 26. Juli 1988 benachteiligt gewesen. Denn F. G. sei in dem Testament lediglich zum beschränkten Vorerben berufen worden.
Ein Wirksamwerden der belastenden letztwilligen Verfügung sei nur bis zum Zeitpunkt des Eintritts des Erbfalles möglich. Daran treffe auch der Umstand, dass ein Erblasser durch den Erbvertrag nicht in seiner Testierfähigkeit beschränkt, sondern nur in seiner Testierfreiheit eingeschränkt sei, keine Änderung [vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 13.07.1989, Az. 3 W 74/89, zit. nach Juris, Rn. 12 und 13 m.w.N.].
Das Abstellen auf den Zeitpunkt des Eintritt des Erbfalles sei – entgegen der Position der Beteiligten – auch nicht systemwidrig, sondern entspreche gerade der Systematik des Erbrechts. Denn würde – wie die Beteiligte unterstelle – ein Wegfall des ursprünglich Benachteiligten zu einem Wiederaufleben der benachteiligenden Regelung führen, könnten durch die Änderung der Erbsituation nicht oder nur schwer auflösbare Probleme durch die Notwendigkeit der Entflechtung der Vermögensmassen entstehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
1.
Das gemäß §§ 38, 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, 64 Abs. 1 und 2 FamFG als Beschwerde zulässige Rechtsmittel der Beteiligten ist nach der vom Nachlassgericht ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz FamFG dem Senat zur Entscheidung angefallen.
2.
In der Sache ist das Rechtsmittel unbegründet.
a)
Das Nachlassgericht hat dem Erben auf Antrag ein Zeugnis über sein Erbrecht zu erteilen, § 2353 BGB. Der Erbschein bezeugt demnach das Erbrecht zur Zeit des Erbfalles (Palandt-Weidlich, BGB 70. Auflage 2011 § 2353 Rdz. 2). Der Erbschein ist nur zu erteilen, wenn das Nachlassgericht die zur Begründung des Antrags erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet, § 2359 BGB.
b)
Ohne Erfolg wendet sich die Beteiligte gegen die Entscheidung des Nachlassgerichts, ihr den beantragten Erbschein nach der Erblasserin zu versagen.
Die Beteiligte ist nicht aufgrund des notariellen Testaments der Erblasserin vom 26. Juli 1988 Alleinerbin nach ihr geworden; der Erbvertrag vom 22. Oktober 1940 steht entgegen.
aa)
Die Rechtsposition des Erblassers verändert sich durch die erbrechtliche Bindung, die sich aus der vertraglichen Natur des Erbvertrages ergibt (Palandt-Weidlich, BGB 70. Auflage § 1941 Rdz. 5), dahin, dass der Erblasser mit dem Erbvertrag von seiner Testierfähigkeit konkret Gebrauch macht und hieran grundsätzlich nichts mehr ohne Mitwirkung des Vertragspartners ändern kann. Eine einem Erbvertrag nachfolgende letztwillige Verfügung ist – außer im Falle der Rücktrittsberechtigung (§ 2297 BGB) – unwirksam, soweit sie das Recht des vertragsmäßig Bedachten beinträchtigen würde, § 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Die im Erbvertrag nur einseitig getroffenen Anordnungen nehmen dagegen als solche nicht an der Bindungswirkung teil (§ 2299 BGB). Der Erblasser kann sie daher jederzeit, wie beim Testament, frei widerrufen (§ 2299 Abs. 2 BGB; Palandt-Weidlich, a.a.O., § 2289 Rdz. 1).
Ob eine vertragsmäßige (§ 2278 BGB) oder einseitige Verfügung vorliegt, ist im Zweifel durch Auslegung zu ermitteln (Palandt-Weidlich, a.a.O., § 2299 Rdz. 1).
bb)
Hiernach ist das Amtsgericht zu Recht zu der Annahme gelangt, dass es sich bei der Erbeinsetzung des Kindes aus der gemeinsamen Ehe F. G. nicht um eine einseitige, sondern um eine vertragsmäßige Verfügung handelt. Den vertragsschließenden Ehegatten kam es nämlich erkennbar darauf an, dass sämtliche Kinder, neben dem gemeinsamen Kind F. G. auch eventuelle künftige eheliche Kinder sowie das Kind der Erblasserin aus deren früherer Ehe, K. U., zu gleichen Teilen bedacht werden, weshalb davon auszugehen ist, dass der Ehemann der Erblasserin seine das Kind der Erblasserin begünstigende Verfügung nicht getroffen haben würde, wenn die Erblasserin nicht ihrerseits das gemeinsame Kind F. G. bedacht hätte.
c)
Ohne Beanstandung hat das Amtsgericht auch angenommen, dass durch die „Herabstufung“ des F. G. zum Vorerben durch das spätere notarielle Testament vom 26. Juli 1988 das Recht des vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigt würde, mit der Folge, dass die Verfügung vom 26. Juli 1988 insoweit unwirksam ist, § 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Hierbei hat das Amtsgericht zu Recht und mit zutreffender Begründung darauf abgestellt, dass die Beeinträchtigung zur Zeit des Erbfalles vorliegen muss und die spätere Entwicklung, nämlich ein Fortfall der Beeinträchtigung infolge Todes des beeinträchtigten Vertragserben F. G. (19. Februar 2011) außer Betracht zu bleiben hat.
Hiernach hat das Amtsgericht – Nachlassgericht – das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung des von der Beteiligten nachgesuchten Erbscheins zu Recht verneint und ist das hiergegen gerichtete Rechtsmittel der Beteiligten zu 1 zurückzuweisen.
d)
aa)
Eine im Erbvertrag vom 22. Oktober 1940 vorhandene, im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung dahin zu schließende Lücke, dass sich die Erblasserin eine Änderung vorbehalten hätte, wenn sie zum Zeitpunkt des Abschlusses des Erbvertrages hätte absehen können, dass ihr einziger Abkömmling, F. G., geistig behindert sein würde, hat das Amtsgericht zu Recht nicht angenommen.
Es mag unterstellt werden, dass die Erblasserin und ihr Ehemann diese Entwicklung nicht bedacht haben, der Erbvertrag insoweit als lückenhaft anzusehen ist und prinzipiell einer ergänzenden Vertragsauslegung zugänglich wäre (vgl. OLG Schleswig FamRZ 2010, 1178).
bb)
Bei der Ermittlung des hypothetischen Erblasserwillens ist der real feststellbare subjektive Wille zu Ende zu denken, also zu erforschen, was der Erblasser geregelt hätte, wenn er von der ergänzungsfähigen Lücke gewusst hätte. Auszugehen ist von den persönlichen Einstellungen des Erblassers, selbst von irrationalen. Dabei kommt es allein auf den Zeitpunkt der Errichtung an. Spätere Willensänderungen dürfen dabei nicht berücksichtigt werden. Einen neuen Entschluss kann der Erblasser nur durch Errichtung einer neuen oder Abänderung einer bestehenden Verfügung verwirklichen (Litzenburger in BeckOK Bamberger/Roth, BGB Stand: 01.03.2011 § 2084 Rn 42).
Bei der ergänzenden Auslegung von Erbverträgen kommt es jedoch nicht allein auf den hypothetischen Willen des Erblassers an, sondern gemäß § 157 BGB auf den übereinstimmenden hypothetischen Wille beider Beteiligten bzw. Vertragspartner, auch dann, wenn nur ein Vertragsteil vertragsmäßig bindend verfügt hat (Für gemeinschaftliches Testament KG OLGZ 1966, 506; BayObLGZ 1962, 142; für Erbvertrag BGH FamRZ 1983, 380). In beiden Fällen ist von der übereinstimmenden Zielsetzung beider Beteiligter auszugehen (Litzenburger, a.a.O. Rn 42a).
cc)
Es mag unterstellt werden, dass die Partner des Erbvertrages bei Kenntnis der Entwicklung seinerzeit anders testiert, also nicht den gemeinsamen Sohn F. uneingeschränkt als Erben eingesetzt hätten. Allein finden sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, insbesondere keine Andeutung im Erbvertrag (vgl. hierzu Senatsbeschluss – I – 3 Wx 193/11 – vom 23.08.2011, BeckRS 2011, 23314) dahin, in welcher Weise der Erbvertrag angepasst oder eine andere Form der letztwilligen Verfügung gewählt worden wäre. Im Besonderen lässt sich der Wille der Erbvertragspartner nicht im Wege ergänzender Auslegung dahin fortschreiben, dass diese eine Gestaltung gewählt hätten, die der Erblasserin die Freiheit gewährt haben würde, zugunsten der Beteiligten wirksam – weil nicht durch letztwillige Verfügung gebunden – zu testieren. Dass die Erblasserin 48 Jahre später zugunsten der Beteiligten testiert hat, kann für den Willen bei Abfassung des Erbvertrages nicht einmal indiziell herangezogen werden.
3.
Eine Entscheidung über einen Einziehungsantrag der Beteiligten hinsichtlich des am 26. Juli 1989 zu Aktenzeichen 12 VI 168/89 erteilten Erbscheins des Amtsgerichts Mönchengladbach-Rheydt zugunsten des inzwischen verstorbenen F. G., geboren am 06. September 1931, verstorben am 19. Februar 2011, ist dem Senat im Beschwerdeverfahren nicht angefallen.
III.
Die Verpflichtung der Beteiligten, die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten zu tragen, ergibt sich aus § 84 FamFG.
Die Wertfestsetzung findet ihre Grundlage in §§ 131 Abs. 4, 30 Abs. 1 KostO i. V. m. § 107 analog.

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