FG München, Urteil vom 08.07.2015 – 4 K 2738/14

Dezember 8, 2020

FG München, Urteil vom 08.07.2015 – 4 K 2738/14

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Tatbestand

Die Beteiligten streiten über das Bestehen der Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer Auskunft über einen grunderwerbsteuerrechtlichen Sachverhalt.

Mit Urkunde des Notars … vom 7. Oktober 2009 (URNr. …) verkaufte die zwischenzeitlich am 28. Juni 2010 verstorbene M, damals vertreten durch ihren Betreuer A das ihr gehörende Grünlandgrundstück in L mit der Flurnummer … an J aus L zu einem Kaufpreis von 6.000 €. Durch Grunderwerbsteuerbescheid vom 9. Februar 2010 setzte der Beklagte auf der Grundlage der notariell beurkundeten Gegenleistung die Grunderwerbsteuer gegenüber dem Erwerber fest. Mit Schreiben vom 29. September 2011 wandte sich der Kläger erstmals mit dem Ersuchen an den Beklagten, ihm darüber Auskunft zu geben, ob außer dem vereinbarten Kaufpreis noch weitere Gegenleistungen beim Beklagten angegeben oder steuerrechtlich erfasst worden wären. Im Laufe der weiteren Korrespondenz zwischen den Beteiligten erklärte der Kläger, Gesamtrechtsnachfolger der M geworden zu sein und legte einen Erbschein des Amtsgerichts K vom 9. Februar 2011 beim Beklagten vor, der ihn als Miterben zu einem Erbteil von 1/6 neben weiteren insgesamt 11 Miterben auswies. Dabei wiederholte er sein Auskunftsersuchen unter Bezugnahme auf seine Erbenstellung nach M und verlangte vom Beklagten außerdem die Übersendung einer Abschrift des Grunderwerbsteuerbescheides. Dies lehnte der Beklagte mit dem mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid vom 21. Februar 2014 ab. In seiner Begründung verwies der Beklagte darauf, dass die Grunderwerbsteuerschuld noch zu Lebzeiten der M vom Erwerber vollständig bezahlt worden war, deswegen kein Gesamtschuldverhältnis mehr bestünde und die Auskunft wegen des Steuergeheimnisses nicht erteilt werden könnte. Der Einspruch des Klägers mit Schreiben vom 19. März 2014, dessen Eingang beim Beklagten mit Frühleerungsstempel für den 21. März 2014 versehen wurde, blieb in der Sache erfolglos und wurde durch Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 18. September 2014 als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2014 erhobene, und zwei Tage später bei Gericht eingegangene Klage, die der Kläger wie folgt begründet:

Aus rechtsstaatlichen Erwägungen wäre es nicht tragbar, wenn der Beklagte eine etwaige Handlung zum Nachteil des dem Betreuer der M anvertrauten Vermögens und zum Vorteil des Betreuers decken würde. Im Übrigen ergebe sich sein Auskunftsanspruch als Steuerschuldner – unabhängig von den übrigen Steuerschuldnern – allein schon aus der Vorschrift des § 155 der Abgabenordnung (AO), die eine Sondervorschrift zur Regelung des Steuergeheimnisses darstelle.

Der Kläger beantragt,den Beklagten dazu zu verpflichten,1. Auskunft zu erteilen über die gesamte erhobene Grunderwerbsteuer aus dem Erwerbsvorgang, der sich aus dem Kaufvertrag zu URNr. … des Notars … ergibt und2. ihm eine nachträgliche Abschrift des Grunderwerbsteuerbescheides zu übersenden.Der Beklagte beantragt,die Klage abzuweisen.

Nach seiner Ansicht stehe dem Auskunftsverlangen des Klägers das Steuergeheimnis entgegen. Eine Befugnis des Beklagten zur Offenbarung der steuerrechtlichen Verhältnisse bestehe jedenfalls nicht nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 und 2 AO. Da die Grunderwerbsteuer bereits bezahlt ist, diene die Auskunft keinem Besteuerungsverfahren mehr und sei auch nicht kraft einer gesetzlichen Norm erlaubt. Die Offenbarung steuerrechtlicher Verhältnisse ist zwar bei Zustimmung des Betroffenen erlaubt (§ 30 Abs. 4 Nr. 3 AO) und im Fall einer gesamtschuldnerischen steuerlichen Verpflichtung sei grundsätzlich jeder einzelne Gesamtschuldner auch betroffen, weil er den gesamten Betrag schulde. Infolge der Bezahlung der Grunderwerbsteuerschuld sei das Gesamtschuldverhältnis jedoch erloschen und der Kläger allein nicht mehr auskunftsberechtigt. Ohne Durchbrechung des Steuergeheimnisses könne die Auskunft an den Kläger nur erteilt werden, wenn die Zustimmung aller Miterben der Verkäuferin vorlägen, was jedoch nicht der Fall ist. Die weiteren Alternativen der abschließenden Regelung der Durchbrechung des Steuergeheimnisses nach § 30 Abs. 4 Nr. 4 und 5 AO lägen ersichtlich nicht vor.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend schriftsätzlich mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 105 Abs. 3 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die den Kläger betreffende Behördenakte Bezug genommen.
Gründe

1.) Die Klage ist auf Erteilung einer Auskunft sowie auf Übersendung der Abschrift eines Steuerbescheids gerichtet. Da dies eine dem Antrag des Klägers stattgebende Verwaltungsentscheidung des Beklagten voraussetzt, handelt es sich um eine Verpflichtungsklage (§ 40 Abs. 1, 2. Alt. FGO). Die Klage ist fristgerecht erhoben und auch im Übrigen zulässig.

2.) Die Klage ist jedoch unbegründet.

a) Die Erteilung einer Auskunft aus den Behördenakten in einem konkreten Besteuerungsverfahren sowie die Ausreichung einer Abschrift des Steuerbescheides ist eine besondere Form der Akteneinsicht. Im abgabenrechtlichen Verwaltungsverfahren besteht – im Gegensatz etwa zu anderen Verfahrensordnungen wie z.B. nach § 29 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes bzw. der entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder – jedoch kein Anspruch der am Besteuerungsverfahren im Sinne des § 78 AO Beteiligten auf Einsicht in die Behördenakten. Ein solcher Anspruch ergibt sich auch nicht aus der Vorschrift über die Gewährung rechtlichen Gehörs nach § 91 Abs. 1 AO (vgl. für viele: Bundesfinanzhof -BFH- Beschluss vom 4. Juni 2003 VII B 138/01, BFHE 202, 231, BStBl II 2003, 790). Gleichwohl ist in ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung anerkannt, dass dem während eines Verwaltungsverfahrens um Akteneinsicht nachsuchenden Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter ein Anspruch auf eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung der Finanzbehörde zusteht, weil diese nicht gehindert ist, in Einzelfällen Akteneinsicht zu gewähren (vgl. BFH Beschluss vom 26. Mai 1995 VI B 91/94, BFH/NV 1995, 1004). Dies entspricht auch der Rechtsansicht der Finanzverwaltung (vgl. Nr. 4 des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung zu § 91 AO 1977). Maßgebend für die Art und Weise der Ermessensanwendung (vgl. § 5 AO) ist im Falle eines geltend gemachten Anspruches auf Gewährung von Akteneinsicht im steuerlichen Verwaltungsverfahren der vom Gesetzgeber gesteckte Ermessensrahmen. Danach kommt die Einsichtnahme in die Akten lediglich im Hinblick auf die Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 91 AO) gegenüber den am Besteuerungsverfahren Beteiligten im Sinne des § 78 AO in Bezug auf ein laufendes Verwaltungs- oder Steuerermittlungsverfahren in Betracht (vgl. BFH Beschluss vom 4. Juni 2003 a.a.O.). Die gerichtliche Kontrolle finanzbehördlicher Ermessensentscheidungen ist dabei eingeschränkt. Abgesehen von einem Gesetzesverstoß prüft das Gericht vor allem, ob die Finanzbehörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 102 Satz 1 FGO).

b) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall hat die Klage keinen Erfolg. Der Beklagte hat den Antrag des Klägers auf Erteilung der Auskunft sowie Übersendung einer Abschrift des Grunderwerbsteuerbescheids ermessensfehlerfrei abgelehnt. Der streitgegenständliche Ablehnungsbescheid vom 21. Februar 2014 ist nicht rechtswidrig und der Beklagte hat dabei sein Verwaltungsermessen weder fehlerhaft gebraucht noch überschritten.

aa) Der Kläger hat in Bezug auf das grunderwerbsteuerrechtliche Besteuerungsverfahren im Zusammenhang mit dem Erwerbsvorgang aufgrund der notariellen Urkunde vom 7. Oktober 2009 schon keine hinreichende Rechtsstellung als Beteiligter im Sinne des § 78 AO. Zwar ist der Kläger als Antragsteller Beteiligter im finanzbehördlichen Verwaltungsverfahren über den hier streitgegenständlichen Antrag auf Erteilung der Auskunft und der Bescheidabschrift (§ 78 Nr. 1 AO). Der Kläger ist jedoch nicht Beteiligter in Bezug auf das grunderwerbsteuerrechtliche Besteuerungsverfahren, über das er Auskunft begehrt. An dem Verfahren über die Festsetzung der Grunderwerbsteuer für den hier in Rede stehenden Erwerbsvorgang ist in erster Linie der Erwerber des Grundstücks beteiligt gewesen, gegen den sich der Grunderwerbsteuerbescheid gerichtet hat (§ 78 Nr. 2 AO). M als die Verkäuferin des Grundstücks im Rechtssinne, deren Miterbe der Kläger unstreitig geworden ist, ist aufgrund des § 13 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) neben dem Erwerber materiell-rechtlich Steuerschuldnerin gewesen. Zwischen ihr und dem Erwerber hat somit (materiell-rechtlich) ein Gesamtschuldverhältnis im Sinne des § 44 Abs. 1 AO bestanden. Da der Erwerber die kraft Grunderwerbsteuerbescheides von ihm geforderte Steuerschuld unstreitig beglichen hat, ist jedoch eine Inanspruchnahme der Verkäuferin des Grundstückes aus ihrer Gesamtschuld durch Erlass eines entsprechenden Grunderwerbsteuerbescheides unterblieben. Allein die materiell-rechtliche Stellung der Verkäuferin des Grundstücks als Gesamtschuldnerin hat noch nicht zu ihrer verfahrensrechtlichen Beteiligten im Besteuerungsverfahren geführt. Derjenige Gesamtschuldner, der nur potentiell durch Steuerbescheid in Anspruch genommen werden kann, wird allein deswegen noch nicht zum verfahrensrechtlichen Beteiligten. Beteiligter im Sinne des § 78 AO kann jedoch nur derjenige sein, der auch in formeller Hinsicht, d.h. durch einen Rechtsakt, beteiligt worden ist. Gegen M hat sich zu keinem Zeitpunkt ein formelles Besteuerungsverfahren gerichtet. Demzufolge hat auch der Kläger trotz seiner Rechtsstellung als deren Miterbe ungeachtet aller weiteren Voraussetzungen keine formalrechtliche Stellung als Beteiligter erhalten können. In diesem Zusammenhang sei nur darauf hingewiesen, dass selbst ein formalrechtlich Beteiligter im Sinne des § 78 AO keinen Auskunftsanspruch gegen die Finanzbehörde hat, wenn dessen Erfüllung lediglich der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche gegen andere Miterben oder dritte Personen dienen soll (vgl. etwa BFH Urteil vom 23. Februar 2010 VII R 19/09, BFHE 228, 139, BStBl II 2010, 729 und Beschluss vom 28. Dezember 2006 VII B 44/03, BFH/NV 2007, 853).

bb) Ein Anspruch des Klägers ergibt sich entgegen seiner Rechtsansicht auch nicht aus übergeordneten rechtsstaatlichen Erwägungen oder aus Treu und Glauben. Sollte der Kläger mit seiner Antragsbegründung zum Ausdruck bringen wollen, dass in Bezug auf den Grundstückserwerb nicht die tatsächlich erbrachte Gegenleistung notariell beurkundet worden sei und deswegen der Straftatbestand der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) erfüllt sein könnte, begründet auch dies keinen Auskunftsanspruch. Die Durchführung des Besteuerungsverfahrens ebenso wie eines etwaigen steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens obliegt allein den Finanzbehörden bzw. den Strafverfolgungsbehörden. Soweit der Kläger auf die Möglichkeit des Straftatbestandes der Untreue (§ 266 des Strafgesetzbuches) in Bezug auf die Person des Betreuers der M hinweist, obliegt ein Ermittlungsverfahren allein den Strafverfolgungsbehörden. Es bleibt dem Kläger in diesem Zusammenhang unbenommen, Strafanzeige zu stellen, falls ihm dementsprechende Anhaltspunkte hierfür vorliegen. Da für den Kläger schon keine Grundlage für einen Auskunftsanspruch ersichtlich ist, kommt es darauf, unter welchen Voraussetzungen der Beklagte ausnahmsweise unter Durchbrechung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 Abs. 4 AO befugt sein könnte, steuerrechtliche Verhältnisse zu offenbaren, nicht mehr an.

3.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

4.) Die Entscheidung ergeht gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung.

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