FG Münster 8 K 2430/09 Verfassungswidrige Benachteiligung von eingetragenen Lebenspartnern bei der Grunderwerbsteuer

November 5, 2017

 

FG Münster 8 K 2430/09

Verfassungswidrige Benachteiligung von eingetragenen Lebenspartnern bei der Grunderwerbsteuer

 

Leitsatz

Es wird die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt, ob § 3 Nr. 4 GrEStG in der bis zur erfolgten Änderung durch das Steueränderungsgesetz 2010 vom 8. 12. 2010 geltenden Fassung insoweit gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt, als der Grundstückserwerb durch den Lebenspartner im Sinne des LPartG des Veräußerers von der Grunderwerbsteuer nicht befreit

 

Tatbestand

1              A. Gegenstand der Vorlage (Sachverhalt und Vortrag der Beteiligten)

 

2              I. Sachverhalt

 

3              Streitig ist, ob die aufgrund mit notarieller Urkunde vom 29.01.2009 vereinbarten Übertragungen von Miteigentumsanteilen an einer Eigentumswohnung sowie weitere Grundbesitzübertragungen Grunderwerbsteuer auslösen.

 

4              Die Kläger (Kl.) haben am 03.08.2002 vor dem Standesbeamten des Standesamtes D unter der Registernummer …/2002 eine Lebenspartnerschaft begründet und lebten bis zum Abschluss des notariellen Vertrages vom 29.01.2009 (UR-​Nr. …/2009 des Notars R in D) im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vor dem Notar in D war die Lebenspartnerschaft nicht aufgehoben; die Kl. lebten jedoch voneinander dauernd getrennt.

 

5              Die Kl. sind im Grundbuch von D Blatt … zu je ½ Anteil als Miteigentümer des 1/6 Miteigentumsanteil an dem Grundstück Gemarkung K, Flur …, Flurstück …, Gebäude- und Freifläche, Wohnen, … zur Größe von 885 qm, verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Haus Nr. … (sämtliche Räume) des Aufteilungsplanes, verbunden mit Sondernutzungsrechten an Terrasse und Gartenfläche, jeweils Nr. … und zusätzlich laufende Nr. …zu …, 1/42 Anteil an dem Grundstück Gemarkung K, Flur …, Flurstück …, Gebäude und Freifläche, ungenutzt, … zur Größe von 690 qm, sowie laufende Nr. …, Gemarkung K, Flur …, Flurstück …, Gebäude- und Freifläche, zu Verkehrsanlagen, …, zur Größe von 21 qm, eingetragen.

 

6              Das vorgenannte Eigentum ist u. a. in Abteilung III, laufende Nr. …, mit 182.600 EUR Grundschuld für den E, Sitz L, zu Lasten laufender Nr. 1 und 3 des Bestandsverzeichnisses, belastet. Die Valuta der Grundschuld betrug im Zeitpunkt des Abschlusses des notariellen Vertrages vom 29.01.2009 noch 154.253,03 EUR.

7              Die Kl. sind darüber hinaus im Grundbuch von D Blatt … zu je ½ Anteile als Eigentümer des Haus- und Grundbesitzes Gemarkung A, Flur …, Flurstück …, Hof- und Gebäudefläche, …, zur Größe von 1.356 qm, eingetragen. Auch dieses Eigentum ist in Abteilung III, laufende Nr. …, mit einer Grundschuld belastet. Die Grundschuld in Höhe von 93.000 EUR ist für den E, Sitz L, eingetragen. Ferner ist ein Neuantrag in Höhe von 20.800 EUR als weitere Grundschuld für den E, Sitz L, eingetragen.

 

8              Mit der notariellen Urkunde vom 29.01.2009 haben die Kl. eine trennungs- und nachpartnerschaftliche Folgevereinbarung dergestalt getroffen, dass der gesetzliche Güterstand mit sofortiger Wirkung aufgehoben wurde und sie den Güterstand der Gütertrennung gemäß § 1414 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vereinbarten. Zugleich trafen die Kl. Vereinbarungen über den Zugewinn. Die von den Kl. vereinbarte Regelung des Zugewinnausgleichs sieht vor, dass der Kl. zu 1) seinen halben Miteigentumsanteil an dem vorgenannten Wohnungseigentum auf den Kl. zu 2) überträgt. Die Übertragung erfolgte nach dem Willen der Vertragsparteien unentgeltlich mit Rücksicht auf die Gesamtregelung im Zusammenhang mit dem Ausgleich des Zugewinns unter Übernahme der Belastungen in Abteilung III, laufende Nr. 2. Die Übergabe des Grundbesitzes erfolgte mit Vertragsabschluss am 29.01.2009.

 

9              Der Kl. zu 2) verpflichtete sich in der vorgenannten Urkunde, seinen halben Miteigentumsanteil an dem Grundstück in D auf den Kl. zu 1) zu übertragen. Der Kl. zu 1) verpflichtete sich, die gemeinsamen Verbindlichkeiten der Vertragsparteien gegenüber Frau V, für welche die beiden als Gesamtschuldner haften und welche im Zeitpunkt des Abschlusses des notariellen Vertrages vom 29.01.2009 eine Forderung in Höhe von 8.000 EUR hatte, allein zu übernehmen. Der Übernehmer stellte den Übertragenden hinsichtlich dieser Verbindlichkeit im Innenverhältnis von der Zahlungspflicht frei. Ferner übernahm der Kl. zu 1) die in Abteilung III, laufende Nr. .., eingetragene Grundschuld in Höhe von 93.000 EUR sowie die neu einzutragende Grundschuld über 20.800 EUR. Die Valuta für die Grundschuld der nominal 93.000 EUR zugrunde liegenden Forderungen betrug im Zeitpunkt des Abschlusses des notariellen Kaufvertrages vom 29.01.2009 noch 73.537,40 EUR.

 

10            Der jeweilige Grundstückserwerber übernahm nach der notariellen Urkunde vom 29.01.2009 – vorbehaltlich der Genehmigung der Gläubiger – allein die durch die Grundschulden besicherten schuldrechtlichen Darlehen und stellte den Übertragenden im Innenverhältnis hiervon frei.

 

11            In der vorbezeichneten notariellen Urkunde verzichteten die Vertragsparteien auf nachpartnerschaftlichen Unterhalt. Hinsichtlich des Hausrates bestimmten die Kl., dass die im Zeitpunkt des Abschlusses des Notarvertrages im Besitz der jeweiligen Vertragsparteien befindlichen Haushaltsgeräte bei diesen verbleiben und in deren Alleineigentum übergehen.

 

12            Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Vertragsurkunde Bezug genommen.

 

13            Mit Bescheid vom 17.02.2009 setzte der Beklagte (Bekl.) gegen den Kl. zu 1) die Grunderwerbsteuer auf 1.811 EUR fest. Dabei ging der Bekl. davon aus, dass der streitige notarielle Vertrag einen Kaufvertrag darstelle. Als Bemessungsgrundlage sah der Bekl. die übernommenen Hypotheken und bestehen bleibenden Rechte in Höhe von 51.768 EUR an.

 

14            Ebenfalls am 17.02.2009 erließ der Bekl. gegen den Kl. zu 2) einen Grunderwerbsteuerbescheid, in dem die Grunderwerbsteuer auf 2.699 EUR festgesetzt wurde. Auch in diesem Bescheid sah der Bekl. den notariellen Vertrag vom 29.01.2009 als Kaufvertrag an. Die übernommenen Hypotheken und bestehen gebliebenen Rechte in Höhe von 77.126 EUR wertete der Bekl. als Bemessungsgrundlage für die Steuerfestsetzung.

 

15            Mit gesonderten Schreiben vom 06.03.2009, beim Bekl. am 12.03.2009 eingegangen, legten die Kl. gegen die jeweils an sie gerichteten Grunderwerbsteuerbescheide vom 17.02.2009 Einspruch ein.

 

16            Zur Begründung führten beide Kl. an, dass der Bekl. rechtlich unzutreffend den Notarvertrag vom 29.01.2009 als Kaufvertrag eingestuft habe. Der Vertrag sei ausdrücklich als trennungs- und nachpartnerschaftliche Folgevereinbarung bezeichnet. Im Rahmen dieses Vertrages sei unter Ziff. 1 der Güterstand der Parteien in Hinblick auf ein zukünftig beabsichtigtes Verfahren zur Aufhebung der Lebenspartnerschaft neu geregelt worden. Darüber hinaus enthalte Ziff. 2 des Vertrages eine Vereinbarung über den Zugewinnausgleich der Lebenspartnerschaft, im Rahmen derer eine wechselseitige Zuordnung des Liegenschaftsvermögens erfolgte. Lediglich in diesem Zusammenhang seien die zusätzlichen schuldrechtlichen Verpflichtungen von den Kl. jeweils übernommen worden (Tilgung der Forderung Dritter in gesamtschuldnerischer Verpflichtung der Lebenspartner). Die wechselseitigen Übertragungen der Miteigentumsanteile des Grundbesitzes dienten der Aufteilung des lebenspartnerschaftlichen Grundgütervermögens im Rahmen des Zugewinnausgleichs und seien als Auseinandersetzung der Miteigentumsgemeinschaften erfolgt. Der abgeschlossene notarielle Vertrag sei ein Vertrag eigener Art und nicht als Kaufvertrag oder Tauschvertrag zu qualifizieren. Bereits aus diesem Grunde bestünde keine Grunderwerbsteuerpflicht.

 

17            Darüber hinaus liege eine Ungleichbehandlung der Lebenspartnerschaft der Kl. zur ehelichen Lebensgemeinschaft vor, da der vorgenannte notarielle Vertrag auch als Trennungs- und Ehescheidungsfolgevereinbarung von Eheleuten hätte formuliert werden können. In diesem Falle wäre mit Sicherheit ein grunderwerbsteuerpflichtiger Tatbestand nicht anzunehmen gewesen. Sowohl die Ehe als auch die eingetragene Lebenspartnerschaft müssten insoweit gleichgestellt werden, wenn es darum gehe, die eheliche bzw. die lebenspartnerschaftliche Gütergemeinschaft auseinanderzusetzen. Es sei weder ein Sach- noch ein Rechtsgrund dafür erkennbar, warum die Auseinandersetzung des lebenspartnerschaftlichen Güterstandes abweichend von der Auseinandersetzung des Vermögens infolge von Trennung und Scheidung bei einer ehelichen Lebensgemeinschaft behandelt wird. Diese Ungleichbehandlung stelle eine Grundrechtsverletzung der Kl. dar.

 

18            Mit Einspruchsentscheidungen (EE) vom 16.06.2009 wies der Bekl. die Einsprüche der Kl. als unbegründet zurück.

 

19            Zur Begründung führte der Bekl. an, dass durch die Benennung der Urkunden-​Nr., des Datums der Urkunde und des beurkundenden Notars der besteuerte Lebenssachverhalt hinreichend bestimmt sei. Unerheblich für die Grunderwerbsteuer sei, wie die Vertragsparteien ihre Vereinbarungen bzgl. der Übertragung von Grundbesitz bezeichneten. Maßgeblich sei allein, ob ein grunderwerbsteuerlicher Tatbestand im Sinne des § 1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) vorliege. Im Streitfall sei ein Kauf von Miteigentumsanteilen erfolgt, der den Steuertatbestand des § 1 Abs. 5 GrEStG erfülle. Ein Tausch liege immer dann vor, wenn sich der Erwerber eines Grundstückes ausschließlich zu einer Gegenleistung verpflichte, die nicht als Kaufpreis im Sinne von § 433 Abs. 2 BGB zu werten sei. Als sonstige Leistung sei – wie im Streitfall – insbesondere die Übernahme von Grundschulden anzusehen.

 

20            Darüber hinaus wies der Bekl. darauf hin, dass nach dem geltendem Recht Lebenspartner bzw. deren Angehörige nicht nach den Regelungen des § 3 Nr. 3 bis 7 GrEStG (a. F.) begünstigt seien. In der vorliegenden Übertragungskonstellation käme zwar der Befreiungstatbestand des § 3 Nr. 5 GrEStG (a. F.) grundsätzlich in Betracht, wonach Grundstückserwerbe durch frühere Ehegatten im Sinne des bürgerlichen Rechts von der Grunderwerbsteuer befreit seien. Die Vorschrift sei aber nur bei Grundstückserwerben zwischen Ehegatten anwendbar. Da die Kl. keine Eheleute seien, greife diese Steuerbefreiungsvorschrift nicht ein. Erwerbe zwischen früheren Lebenspartnern würden von der Vorschrift nicht begünstigt, auch wenn diese nunmehr regelmäßig eine Vermögensauseinandersetzung nach der Aufhebung der Lebenspartnerschaft vorzunehmen haben.

 

21            Zwar seien durch die Einführung des „Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften“ vom 16.02.2001 die Lebensgemeinschaften zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern rechtlich anerkannt worden. Das Lebenspartnerschaftsgesetzergänzungsgesetz (LPartGErgG) habe vorgesehen, dass grunderwerbsteuerlich die Lebenspartner durch entsprechende Änderung der Steuerbefreiungstatbestände des § 3 Nr. 3 bis 7 GrEStG den Ehegatten gleichgestellt werden sollten. Diese im ursprünglichen Entwurf vorgesehenen steuerlichen Regelungen seien dem LPartGErgG zugewiesen. Das LPartGErgG sei jedoch nicht verabschiedet worden.

 

22            Am 15.07.2009 haben die Kl. Klage erhoben. Die Kl. verfolgen ihr Begehren wie im Rechtsbehelfsverfahren weiter.

 

23            II. Vortrag der Beteiligten im Finanzgerichtsverfahren

 

24            Die Klage des Kl. zu 2), die ursprünglich unter dem Az.: 8 K 2432/09 GrE anhängig war, wurde nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 19.08.2009 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung mit dem Verfahren mit dem Az.: 8 K 2430/09 GrE verbunden und wird darunter fortgeführt.

25            Der Vortrag der Beteiligten im Klageverfahren entspricht im Wesentlichen den ausgetauschten Argumenten im Rechtsbehelfsverfahren.

 

26            Darüber hinaus weisen die Kl. darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Beschluss vom 21.07.2010 (1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, juris) zum Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz entschieden habe, dass eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung der Lebenspartnerschaft mit Ehegatten vorliege. Nachdem das BVerfG die Vorschriften des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts als verfassungswidrig eingestuft habe, lägen mehr als nur ernsthafte Zweifel vor, dass auch im GrEStG die Ungleichbehandlung von Ehen und Lebenspartnerschaften mit Artikel 3 GG unvereinbar ist.

 

27            Die Kl. beantragen, die Bescheide vom 17.02.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen (EE) vom 16.06.2009 aufzuheben.

 

28            Der Bekl. beantragt, die Klagen abzuweisen.

 

29            Zur Begründung der Klageabweisungsanträge verweist der Bekl. auf den Wortlaut des Gesetzes. Zwar habe der Gesetzgeber im Jahressteuergesetz 2010 die Gleichbehandlung von eingetragenen Lebensgemeinschaften mit Ehen im GrEStG aufgenommen, allerdings seien die geänderten Normen des § 3 Nr. 3 bis 7 GrEStG erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem Tag der Verkündung des Änderungsgesetzes verwirklicht werden.

 

30            Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

 

 

 

Entscheidungsgründe

31            B. Entscheidung des Senates

 

32            Die Aussetzung des Verfahrens und die Vorlage an das BVerfG sind gemäß Art.  100 Abs. 1 Satz 1 GG i. V. m. § 80 Abs. 2 Satz 1 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (BVerfGG) geboten, da der Senat § 3 Nr. 4 GrEStG, in der bis zum 08.12.2010 geltenden Fassung, insoweit mit dem GG für unvereinbar hält, als die Grundstücksübertragungen zwischen eingetragenen Lebenspartnern nicht wie die Grundstücksübertragungen zwischen Ehegatten von der GrESt befreit sind.

 

33            I. Beurteilung am Maßstab des einfachen Rechts

 

34            Der Bekl. hat nach Maßgabe des einfachen Rechts zutreffend die von den Kl. vorgenommenen Grundstücksübertragungen der GrESt unterworfen.

 

35            1. Die von den Kl. vorgenommenen Grundstücksübertragungen lösen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG GrESt aus. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegt der GrESt ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstückes begründet. Ob vorliegend ein Kaufvertrag anzunehmen ist – so der Bekl. in der Begründung der Steuerfestsetzung – oder ein Vertrag sui generis (so die Auffassung der Kl.) vorliegt, ist für die GrESt unerheblich, solange dieses Rechtsgeschäft den Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstückes begründet. Ein solches Rechtsgeschäft liegt im Streitfall vor. Denn nach dem notariellen Vertrag vom 29.01.2009 können die Kl. – jeder für sich – den jeweils auf sie übertragenen halben Anteil am Grundstück beanspruchen.

 

36            Die angefochtenen Bescheide sind nicht nichtig. Schriftliche Steuerbescheide müssen nach § 119 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Danach muss der Regelungsinhalt dem Verwaltungsakt eindeutig entnommen werden können. Hierzu gehört u. a. die Bezeichnung der festgesetzten Steuer nach Art und Betrag (vgl. § 157 Abs. 1 S. 2 AO). Dieses Erfordernis verlangt die Angabe der einzelnen, durch die Verwirklichung eines bestimmten Steuertatbestandes (vgl. § 38 AO) jeweils ausgelösten Steuerschuld (vgl. BFH, Urteil vom 30.01.1980 II R 90/75, BFHE 130, 74, BStBl II 1980, 316, und vom 15.10.1980 II R 127/77, BFHE 131, 448, BStBl. II 1981, 84) und des besteuerten Lebenssachverhaltes. Zutreffend weist der Bekl. darauf hin, dass durch die Nennung des notariellen Vertrages nach Datum, Urkundenrollennummer und des beurkundenden Notars, der der Steuer unterworfene Lebenssachverhalt hinreichend bestimmt ist. Denn die Angabe des der Besteuerung unterworfenen Sachverhaltes ist bei der Grunderwerbsteuer (wie im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht) Regelungsinhalt i. S. d. § 119 Abs. 1 AO des Verwaltungsaktes (vgl. BFH, Urteil vom 06.06.2007 II R 17/06, BStBl. II 2008, 46 m. w. N. zur inhaltlichen Bestimmtheit eines Schenkungsteuerbescheides).

 

37            Aus diesem Grunde ist es unerheblich, dass der Bekl. in der EE davon ausging, es läge ein wechselseitiger Grundstückstauschvertrag im Sinne des § 1 Abs. 5 GrEStG vor. Hierbei handelt es sich lediglich um eine unrichtige Begründung der angefochtenen Verwaltungsakte. Nach § 1 Abs. 5 GrEStG unterliegt bei einem Tauschvertrag der Steuer sowohl die Vereinbarung über die Leistung des einen als auch die Vereinbarung über die Leistung des anderen Vertragsteils, wenn der Tauschvertrag für beide Vertragsteile den Anspruch auf Übereignung eines Grundstückes begründet. Bei einem wechselseitigen Grundstückstausch ist also jeder der beiden Vertragspartner zugleich als Käufer und Verkäufer anzusehen. Im Streitfall liegt jedoch kein Tauschvertrag im Sinne des § 1 Abs. 5 GrEStG vor, da die Gegenleistung für die Übertragung des hälftigen Grundstücksanteils nicht die Übertragung des anderen hälftigen Grundstücksanteils, sondern die Übernahme der Darlehensverbindlichkeiten ist. Es sind vorliegend – in einer Vertragsurkunde zusammengefasst – zwei Grundstückstauschverträge vereinbart worden. Der Tausch ist ein Verpflichtungsgeschäft, das deswegen kein Kauf ist, weil (wie hier) die Gegenleistung des Grundstückserwerbers nicht in der Zahlung des Kaufpreises, sondern in der Verschaffung anderer Gegenstände wie z. B. Sachen oder Rechte besteht. Auf den Tausch sind gem. § 480 BGB die Vorschriften über den Kauf entsprechend anzuwenden.

 

38            Da sowohl der wechselseitige Grundstückstauschvertrag (§ 1 Abs. 5 GrEStG) als auch der Grundstückskaufvertrag (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) der Grunderwerbsteuer unterliegt, hat der Bekl. den zugrunde gelegten Lebenssachverhalt zutreffend besteuert. Die fehlerhafte Begründung des Verwaltungsaktes führt nicht zu dessen Unrichtigkeit (vgl. Tipke, in: Tipke/Kruse, § 121 AO, Rn. 25; § 128 AO, Rn. 6).

 

39            Auch soweit der hälftige Anteil am Wohn- und Teileigentum übertragen wurde, unterfällt diese Übertragung der GrESt, da auch das Wohnungs- und Teileigentum als Grundstück im Sinne des bürgerlichen Rechts und somit als Grundstück nach § 2 GrEStG zu verstehen ist.

 

40            Die Höhe der festgesetzten GrESt ist nicht zu beanstanden. Die Höhe der festzusetzenden GrESt hängt von der Bemessungsgrundlage ab. Maßgebend ist hierbei nach § 8 Abs. 1 GrEStG der Wert der Gegenleistung. Die Gegenleistung kann auch in der schuldbefreienden Übernahme von Darlehensverpflichtungen liegen, die durch auf einem Grundstück ruhenden Grundschulden gesichert sind (vgl. BFH, Urteil vom 26.10.1994 II R 2/92, BFH/NV 1995, 638). Die Übernahme der auf dem Grundstück lastenden Grundschulden durch den Erwerber stellt daneben keine weitere Gegenleistung dar. Im vorliegenden Fall haben die Erwerber die Darlehensverpflichtungen – jedenfalls im Innenverhältnis – übernommen, die durch die Grundschulden abgesichert sind. Zutreffend ist der Bekl. davon ausgegangen, dass die Gegenleistung jeweils die Hälfte der noch vorhandenen Darlehensvaluta ist.

 

41            Bleibt der Wert der Gegenleistung des Übernehmers hinter dem Wert des überlassenen Grundstücks zurück, liegt eine gemischte Schenkung vor, wenn sich die Beteiligten der Freigiebigkeit bewusst gewesen sind (vgl. Schumann, in Handbuch Immobilienbesteuerung, G. II, RdNr. 12). Liegt Freigiebigkeit vor, dann fällt die Überlassung des die Gegenleistung übersteigenden Werts unter das Erbschaftsteuergesetz und ist gemäß § 3 Nr. 3 GrEStG von der GrESt befreit. GrESt entsteht nur in Höhe der Gegenleistung, da lediglich der entgeltliche Teil GrESt auslöst.

 

42            2. Entgegen der Auffassung der Beteiligten kommt im Streitfall die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 5 GrEStG (a. F.) nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift ist der Grundstückserwerb durch den früheren Ehegatten des Veräußerers im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung von der GrESt befreit. Im vorliegenden Fall ist – ungeachtet des Nichtvorliegens einer Ehe – die Vermögensauseinandersetzung, bei der Grundstücke übertragen wurden, nicht nach der Scheidung bzw. nach der mit einer Scheidung vergleichbaren Aufhebung der Lebenspartnerschaft erfolgt. Denn die Kl. waren im Zeitpunkt des Abschlusses des notariellen Vertrages vom 29.01.2009 noch eingetragene Lebenspartner, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt bereits getrennt lebten.

 

43            3. Im Streitfall kommt aber die Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 4 GrEStG in Betracht. Die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 4 GrEStG knüpft an die persönlichen Verhältnisse der an der Grundstücksübertragung beteiligten Personen zueinander an (vgl. Hofmann, § 3 GrEStG, Rn. 1; Franz, in: Pahlke/Franz, § 3 GrEStG, Rn. 2).

 

44            Durch das Jahressteuergesetz 2010 (BGBl. I 2010, 1768) hat der Gesetzgeber das GrEStG in der Fassung der Bekanntmachung vom 26.02.1997 (BGBl. I, 1997, 418, 1804), das zuletzt durch Art. 7 des Gesetzes vom 22.12.2009 (BGBl. I 2009, 3950) geändert worden ist, in Art. 29 Nr. 1 lit b dergestalt geändert, dass nach § 3 Nr. 4 GrEStG der Grundstückserwerb durch den Ehegatten oder den Lebenspartner des Veräußerers von der GrESt befreit ist. Zugleich bestimmt § 23 Abs. 9 GrEStG 2010, das § 3 Nr. 3 bis 7 GrEStG i. d. F. des Art. 29 des Jahressteuergesetzes 2010 erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden ist, die nach dem 13.12.2010 verwirklicht werden. Da die hier streitigen Grundstückserwerbe am 29.01.2009 vorgenommen wurden, mithin vor dem 14.12.2010 liegen, ist das Gesetz i. d. F. des GrEStG 1997 anzuwenden.

 

45            4. Auslegung

 

46            a) Wortauslegung

 

47            Eine Grunderwerbsteuerbefreiung für Erwerbe zwischen Lebenspartnern sieht das Gesetz in der für die Besteuerung maßgeblichen Fassung nicht vor. Der in Betracht kommende Steuerbefreiungstatbestand des § 3 Nr. 4 GrEStG (a. F.) sieht vor, dass der Grundstückserwerb durch den Ehegatten des Veräußerers von der Besteuerung ausgenommen ist. Mit dem Begriff „Ehegatten“ sind eindeutig die Partner einer Ehe im Sinne des bürgerlichen Rechts gemeint (vgl. BFH, Beschluss vom 27.10.1982, BFHE 137, 76, BStBl. II 83, 114). Unter einer „Ehe“ ist nur die rechtlich verbindliche Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau zu verstehen (vgl. BFH, Urteil vom 20.04.2004 VIII R 88/00, BFH/NV 2004, 1103, m.w.N.; die Verfassungsbeschwerde 2 BvR 1143/04 wurde durch Beschluss vom 12.01.2006 nicht zur Entscheidung angenommen). Gleichgeschlechtliche Lebenspartner, die eine Lebenspartnerschaft nach dem LPartG begründet haben, sind von dem Gesetzeswortlaut mithin nicht erfasst. Eine unmittelbare Anwendung der Regelung auf gleichgeschlechtliche Lebenspartner scheidet aus (vgl. Sack, in: Boruttau, § 3 GrEStG, Rn. 357a; Hofmann, § 3 GrEStG, Rn. 37; Franz, in: Pahlke/Franz, 3. Auflage, § 3 GrEStG, Rn. 213 f.).

 

48            b) Systematische Auslegung

 

49            Die Gesetzessystematik spricht weder für noch gegen die Anwendung der Norm auf Grundstücksübertragungen zwischen Lebenspartnern.

 

50            c) Historische Auslegung

 

51            Aus der geschichtlichen Entwicklung der Norm ist ersichtlich, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 4 GrEStG (a. F.) nicht auf Lebenspartner Anwendung finden sollte.

 

52            Die hier einschlägige Norm des Grunderwerbsteuergesetzes (§ 3 Nr. 4 GrEStG) hat sich entstehungsgeschichtlich wie folgt entwickelt:

 

53            Dieser Steuerbefreiungstatbestand fand Eingang in das Grunderwerbsteuergesetz im Jahre 1982, bei der grundlegenden Reform des GrEStG (GrEStG 1983, BGBl. I Nr. 52 vom 21.12.1982, 1770). Bis zum Erlass des GrEStG 1983 sah das GrEStG 1940 Steuerbefreiungen nur bei Grundstücksübertragungen vor, die bei Begründung (§ 3 Nr. 4 GrEStG 1940) oder Beendigung (§ 3 Nr. 5 GrEStG 1940) der ehelichen Gütergemeinschaft zwischen Ehegatten erfolgte.

 

54            Die Verabschiedung des GrEStG 1983, in dem erstmals § 3 Nr. 4 GrEStG vorsah, dass Grundstückserwerbe zwischen Ehegatten von der Grunderwerbsteuer befreit sind, geht zurück auf den Gesetzesantrag des Landes Niedersachsen vom 14.11.1980, Bundesratsdrucksache 585/80. Dieser Gesetzesantrag stimmte mit dem Initiativgesetzentwurf des Bundesrates überein, der in seiner 477. Sitzung vom 28.09.1979 beschlossen wurde. Dieser Entwurf wurde jedoch vom Deutschen Bundestag in der 8. Wahlperiode nicht mehr verabschiedet (vgl. Plenarprotokoll 494 vom 19.12.1980, 449 B-​C, 454 C-​D/Anlagen, Seite 19). Da das geplante Inkrafttreten des Gesetzes zum 01.01.1980 durch Zeitablauf obsolet wurde, beschloss der Bundesrat, den Gesetzesentwurf zwar einzubringen, jedoch den Zeitpunkt des Inkrafttretens jeweils offen zu lassen.

 

55            Die Einbringung erfolgte in geänderter Fassung (vgl. Gesetzentwurf Bundesrat vom 19.12.1980, BR-​Drucksache 585/80 + Beschluss). Die Verabschiedung des Gesetzes sollte der Zersplitterung des Grunderwerbsteuerrechts entgegenwirken und das Übermaß an Befreiungsvorschriften beseitigen (Gesetzesentwurf des Bundesrates vom 19.03.1981, Drucksache 09/251). Der Bundesrat gab an, dass etwa 80 % der Summe der Bemessungsgrundlagen von der Grunderwerbsteuer befreit seien. Die Vielzahl der Befreiungsvorschriften führe dazu, dass die Gleichmäßigkeit der Besteuerung kaum noch gewährleistet sei und zu Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der Grunderwerbsteuer geführt habe. Die Vielzahl der Befreiungsvorschriften erschwere darüber hinaus die Bearbeitung der Grunderwerbsteuerfälle und sei unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit der Verwaltung nicht zu vertreten. Ziel des Gesetzentwurfes war es, die von Land zu Land unterschiedlichen Rechtsvorschriften zu vereinheitlichen, das Übermaß an Steuerbefreiung zu beseitigen und dadurch das Grunderwerbsteuerrecht zu vereinfachen. Durch die Neuregelung sollten insgesamt 68 bundes- und landesrechtliche Gesetze und Verordnungen sowie 131 Einzelvorschriften aufgehoben bzw. für die Grunderwerbsteuer gegenstandlos werden. Nach der dritten Beratung erfolgte die Anrufung des Vermittlungsausschusses. Im zweiten Durchgang fand das Gesetz die erforderliche Zustimmung und wurde am 17.12.1982 im Bundesgesetzblatt I 1982 Nr. 52 vom 21.12.1982 auf Seite 1777 ff. verkündet. In der Gesetzesbegründung vom 19.03.1981 (vgl. BT-​Drucksache 09/251 Seite 17 f.) wird zu § 3 Nr. 4 GrEStG ausgeführt, dass nach bisherigem Recht – GrESt 1940 – nur die Begründung oder die Beendigung der ehelichen Gütergemeinschaft dazu führt, dass die in diesem Rahmen erfolgten Grundstücksübertragungen zwischen Ehegatten von der Besteuerung ausgenommen sind. Andererseits waren die Erwerber durch Personen, die mit dem Veräußerer in gerader Linie verwandt sind, uneingeschränkt von der Besteuerung ausgenommen (vgl. § 3 Nr. 6 GrEStG 1940). Diese Befreiung war seinerzeit damit begründet worden, dass für die Übertragung von Grundstücken in diesen Fällen familienrechtliche – vor allem erbrechtliche – Gesichtspunkte maßgebend sind. Diese Übertragungen fielen deshalb aus dem Rahmen der sonstigen Grundstücksumsätze heraus. Der Gesetzgeber sah es als eine Benachteiligung der Ehegatten gegenüber den Verwandten in gerader Linie an, wenn gerade familienrechtliche bzw. erbrechtliche Gesichtspunkte, die weitgehend auch für die Grundstücksübertragungen zwischen Ehegatten maßgebend seien, bei Ehegatten nicht berücksichtigt würden. Es sei vielfach versucht worden, die Steuerpflicht dadurch zu vermeiden, dass das Grundstück schenkungsweise auf den anderen Ehegatten oder zunächst auf einen gemeinschaftlichen Abkömmling und dann von diesem auf den anderen Elternteil übertragen wurde. Deshalb seien generell Grundstücksgeschäfte zwischen Ehegatten von der GrESt zu befreien.

 

56            Im Zuge der Gesetzesreform wurde die weitgehende Gleichstellung der Vermögenstransfers unter Ehegatten mit den Verwandten erreicht. Darüber hinaus sah der Gesetzgeber die Notwendigkeit einer Befreiungsvorschrift für gegeben an, für Fälle, in denen die Vermögensauseinandersetzung nach der Ehescheidung erfolgte und dabei Grundstücke übertragen wurden.

57            Weder die nachfolgenden Änderungen noch die Neufassung des GrEStG im Jahre 1997 (amtliche Neufassung des GrEStG vom 26.02.1997, BGBl. I, 419, berichtigt 1804) änderten die hier maßgebliche Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 4 GrEStG a. F.

 

58            Ursprünglich plante der Gesetzgeber, im Zuge der Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft die Lebenspartner (auch) bei der Grunderwerbsteuer wie Ehegatten zu behandeln. Aus anderen hier nicht erheblichen Gründen entschied der Gesetzgeber, die Änderungen von zustimmungsbedürftigen Regelungen im Zusammenhang mit der Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft in einem vom ursprünglichen Gesetzentwurf abgespaltenen Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetz (LPartErgG) zu regeln. Nach dem LPartErgG wären Grundstücksübertragungen zwischen Lebenspartnern grunderwerbsteuerfrei. Die Umsetzung des LPartErgG scheiterte jedoch an der fehlenden Zustimmung des Bundesrates (vgl. Bundestagsdrucksachen 14/4545, Seite 51; Bundestagsdrucksache 14/4875; 15/2477).

 

59            Erst durch Artikel 29 des Gesetzes vom 08.12.2010 (BGBl. I 2010, 1768) sieht § 3 Nr. 4 GrEStG die Steuerbefreiung von Grundstücksübertragungen zwischen Ehegatten und zwischen eingetragenen Lebenspartnern vor. Wie bereits ausgeführt, ist die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 4 GrEStG erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 13.12.2010 verwirklicht worden sind.

 

60            Aus der geschichtlichen Entwicklung der maßgeblichen Norm ist ersichtlich, dass die Steuerbefreiungsvorschrift nicht entstehungsgeschichtlich dahingehend ausgelegt werden kann, dass die Steuerbefreiung auch für die zur Entscheidung gestellten Grundstückserwerbe zwischen den Kl. gewährt werden kann.

 

61            d) Teleologische Auslegung

 

62            Der Sinn und Zweck des § 3 Nr. 4 GrEStG rechtfertigt keine Grunderwerbsteuerbefreiung im vorliegenden Fall. Bei der teleologischen Auslegung ist nach überwiegender Auffassung nicht auf den historischen Willen des Gesetzgebers abzustellen, sondern auf den objektiv in der Norm zum Ausdruck kommenden Zweck. § 3 Nr. 4 GrEStG bezweckt die Steuerfreistellung der Grundstückserwerbe, wenn zwischen Veräußerer und Erwerber eine Ehe besteht. Die Steuerfreistellung beseitigte die bis 1983 bestehende Ungleichbehandlung der Grundstückserwerbe zwischen Ehegatten gegenüber Grundstückserwerben zwischen Verwandten in gerader Linie, da familienrechtliche, insbesondere erbrechtliche Erwägungen bei solchen Grundstücksgeschäften eine gewichtige Rolle spielen. Zudem soll § 3 Nr. 4 GrEStG die Umgehung der Grunderwerbsteuerpflicht bei Grundstücksübertragungen durch Einschaltung von Verwandten in gerader Linie leer laufen lassen. Da gleichgeschlechtliche Partnerschaften keine gemeinsamen Abkömmlinge haben, ist zumindest der Zweck der Gleichstellung mit Verwandten in gerader Linie und ggf. vorzubeugender Umgehung der Steuerpflicht nicht dadurch erreichbar, das Lebenspartner ebenfalls von der Grunderwerbsteuer befreit werden.

 

63            Der Zweck der Norm kann sich jedoch im Laufe der Zeit geändert haben. Der Bundesgerichtshof geht im Urteil vom 29.01.1957 (Az.: 1 StR 333/56, BGHSt 10, 157) unter Bezugnahme auf RGSt 12, 371, davon aus, dass kein Gesetz in seinem Anwendungsbereich auf die vom Gesetzgeber ins Auge gefassten Fälle begrenzt ist, da „es […] nicht toter Buchstabe [ist], sondern lebendig sich entwickelnder Geist, der mit den Lebensverhältnissen fortschreiten und ihnen sinnvoll angepasst weitergelten will, solange dies nicht die Form sprengt, in die er gegossen ist“. Da gerade familienrechtliche Belange für die Steuerbefreiung von Bedeutung sind und auch eingetragene Lebenspartner in einer der Ehe angeglichenen Lebensform leben, aus denen sich familien- und erbrechtliche Implikationen ergeben, könnte § 3 Nr. 4 GrEStG dahin ausgelegt werden, dass die Befreiung auch für Lebenspartner in Betracht kommt. Eine solche am Sinn und Zweck der Norm ausgerichtete Auslegung kommt jedoch zur Überzeugung des vorlegenden Senats für den vorliegenden Fall nicht in Betracht. Die Befreiungsvorschrift knüpft allein an persönliche Merkmale an, die bei den Klägern nicht vorliegen. Trotz der inzwischen Platz greifenden Toleranz gegenüber gleichgeschlechtlichen Partnerschaften bestehen in der Gesellschaft Vorbehalte gegenüber Lebenspartnerschaften, die den vorlegenden Senat davon abhalten, im Wege der Gesetzesauslegung die eingetragene Lebenspartnerschaft Ehegatten gleichzustellen. Dabei darf nicht übersehen werden, dass in der Bundesrepublik Deutschland bis zum 10.06.1994 sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts gem. § 175 StGB strafbar war. Erst durch das 29. Strafrechtsänderungsgesetz vom 31. Mai 1994 wurde diese Vorschrift aufgehoben.

 

64            5. Analoge Anwendung des § 3 Nr. 4 GrEStG

 

65            a) Eine analoge Anwendung des § 3 Nr. 4 GrEStG 1997 auch auf Grundstücksübertragungen zwischen eingetragenen Lebenspartnern ist nicht möglich. Die analoge Anwendung einer Rechtsnorm setzt eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit voraus. Eine Gesetzeslücke liegt nur dann vor, wenn eine Regelung, gemessen an ihrem Zweck, unvollständig, d. h. ergänzungsbedürftig ist und wenn ihre Ergänzung nicht einer vom Gesetzgeber beabsichtigten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widerspricht. Davon zu unterscheiden ist ein sog. rechtspolitischer Fehler, der vorliegt, wenn sich eine gesetzliche Regelung zwar als rechtspolitisch verbesserungsbedürftig, aber – gemessen an dem mit ihr verfolgten Zweck – nicht als planwidrig, unvollständig und ergänzungsbedürftig erweist (vgl. Urteil des BFH vom 26.01.2006 III R 51/05, BFHE 212, 236, BStBl. II 2006, 515). Eine Auslegung gegen den Wortlaut kommt nur unter sehr engen Voraussetzungen in Betracht, wenn nämlich die auf den Wortlaut abgestellte Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führen würde (vgl. BFH-​Urteil vom 02.06.2005 III R 15/04, BFHE 210, 141, BStBl. II 2005, 828 m. w. N.). Im Streitfall fehlt es jedoch an einer planwidrigen Regelungslücke durch den Gesetzgeber. Der Gesetzgeber hat bewusst von einer Gleichstellung von Ehegatten und Partnern einer gleichgeschlechtlichen Gemeinschaft im Steuerrecht abgesehen. Der ursprünglich einheitliche Entwurf des LPartG wurde während des Gesetzgebungsverfahrens in zwei Gesetze aufgeteilt: zum Einen in das LPartG mit den Regelungen zur eingetragenen Lebenspartnerschaft zu den wesentlichen damit verbundenen Rechtsfolgen; zum Anderen in das Gesetz zur Ergänzung des LPartG und anderer Gesetze (Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetz – LPartErgG -). Dem LPartErgG hat der Bundesrat nicht zugestimmt (vgl. zur Entstehungsgeschichte ausführlich BVerfG-​Urteil in BVerfGE 105, 313).

 

66            b) Auch die Anwendung des § 3 Nr. 4 GrEStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2010 kommt im Streitfall nicht in Betracht, da diese GrESt-​Befreiung erst für Erwerbsvorgänge ab dem 14.12.2010 zu erfolgen hat, sofern die Grundstückserwerbe zwischen Lebenspartnern erfolgten. Dies ist in § 23 Abs. 9 GrEStG normiert.

 

67            Bei den Beratungen des Gesetzesentwurfes der Bundesregierung zum Jahressteuergesetz 2010 (BT-​Drucksachen 17/2249, 17/2823, 17/3449, 17/3549) kam im Änderungsantrag diverser Abgeordneter sowie der Fraktion Bündnis 90 Die Grünen (vgl. BT-​Drucksache 17/3469 vom 27.10.2010) zum Ausdruck, dass die unterschiedliche steuerliche Behandlung der verschieden- und gleichgeschlechtlichen Paare, die in einer Ehe bzw. in einer Lebenspartnerschaft leben, nach der Entscheidung des BVerfG vom 21.07.2010, a. a. O., gleichheitswidrig sei und diese Ungleichbehandlung allein mit der Begründung, der Gesetzgeber könne die Ehe begünstigen, nicht weiter aufrechterhalten werden könne.

 

68            In dem Bericht des Finanzausschusses zum Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drucksachen 17/2249, 17/2823 – vom 28.10.2010 – BT-​Drucksache 17/3549 – wurde die Problematik erörtert, ob die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 4 GrEStG n.F. auch für noch nicht bestandskräftige Steuerbescheide ab dem 01.08.2001 vorzunehmen sei.

 

69            Die Koalitionsfraktionen vertraten in diesem Zusammenhang die Auffassung, eine auch rückwirkende Gleichstellung im GrESt-​Recht sei nicht geboten, da man sich beim Erwerb eines Grundstücks – anders als im Erbfall – frei für oder gegen den Erwerb entscheiden könne. Die Erbschaftsteuer sei mit der GrESt nicht vergleichbar, der Grundstückserwerb disponibel, der Erbschaftsfall hingegen nicht. Es sei verfassungsrechtlich ausreichend, eine auf die Zukunft gerichtete Regelung zu treffen.

 

70            Wie bereits dargelegt, ist im Gesetzgebungsverfahren die Steuerbefreiung ausdrücklich nicht für noch offene Fälle normiert worden. Es wurde als ausreichend angesehen, die Steuerbefreiung erst ab dem 14.12.2010 für die GrESt anzunehmen, da die Grundstückserwerbe – anders als Erbanfälle – disponibel seien. Damit hat der Gesetzgeber deutlich zum Ausdruck gebracht, dass von § 3 Nr. 4 GrEStG 2010 sog. Altfälle (so wie der vorliegende Fall) gerade nicht erfasst werden.

 

71            II. Beurteilung des Streitfalls unter Berücksichtigung der Pflicht zur verfassungskonformen Auslegung und unter Beachtung der Möglichkeit zur abweichenden Steuerfestsetzung im Wege einer Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO

 

72            1. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 3 Nr. 4 GrEStG 1997 über dessen Wortlaut hinaus kommt nicht in Betracht.

 

73            Indem der Gesetzgeber ausdrücklich die Steuerbefreiung nur für Grundstückserwerbe zwischen Ehegatten von der GrESt anordnete, machte er zugleich deutlich, dass andere Erwerbe zwischen Nichtehegatten im Sinne des BGB an der Steuerbefreiung nicht partizipieren sollten. Die Vorschrift des § 3 Nr. 4 GrEStG a. F. verlangt, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt der Steuerverwirklichung eine nach dem deutschen Recht wirksame – nicht notwendigerweise nach deutschem Recht oder in Deutschland geschlossene – Ehe vorliegt (vgl. § 1310 BGB, Art. 13 f des Einführungsgesetzes zum BGB). Die Bedeutung der Worte „Ehe“ bzw. „Ehegatten“ sind eindeutig und keiner Auslegung zugänglich (vgl. BFH, Urteil vom 25.03.2001 II R 72/00, BFHE 194, 462, BStBl. II 2001, 610). Umgangssprachliches und juristisches Wortverständnis stimmen darin überein, dass mit Ehegatten nur die Partner einer Ehe im Sinne des BGB gemeint sind (vgl. BFH-​Beschluss vom 27.10.1982 II B 77/81, BFHE 137, 76, BStBl. II 1983, 114). Hat der Gesetzgeber eine eindeutige Entscheidung getroffen, darf der Richter diese nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern und durch eine judikative Lösung ersetzen (vgl. BVerfG, Urteil vom 03.04.1990 I BvR 1186/89, NJW 1990, 1593). Die Vorschrift des § 3 Nr. 4 GrEStG kann deshalb nicht – auch nicht durch verfassungskonforme Auslegung – auf Erwerbe von Partnern einer eingetragenen Lebenspartnerschaft ausgedehnt werden (vgl. Ramb, in NWB 8/2009, Praxisleitfaden, Lebenspartnerschaft im Steuerrecht, S. 560; Schumann, Handbuch Immobilienbesteuerung, G IV, RdNr. 33; Messner, DStR 2010, 1875 unter 3.2). Unter einer Ehe ist nur die rechtlich verbindliche Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau zu verstehen (vgl. Urteil des BFH vom 20.04.2004 VIII R 88/00, BFH/NV 2004, 1103 m. w. N.; die Verfassungsbeschwerde 2 BvR 1143/04 wurde durch Beschluss vom 12.01.2006 – nv – nicht zur Entscheidung angenommen).

 

74            Die verfassungskonforme Auslegung scheitert im vorliegenden Fall schon an dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers, die Gleichstellung der gleichgeschlechtlichen Lebenspartner mit der Ehe nicht rückwirkend zu erreichen.

 

75            Bei der Beurteilung der Vergleichbarkeit zwischen den vom Gesetz geregelten Sachverhalten und dem Vorliegenden kommt es auf die normative Vergleichbarkeit der Situation bei Ehegatten und bei Lebenspartnern an. Da die normative Vergleichbarkeit zwischen Ehen und Lebenspartnerschaften erst durch den Beschluss des BVerfG vom 07.07.2009 hergestellt worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.10.2010 – 2 C 10/09, juris), kommt vorliegend die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 4 GrEStG nicht zur Anwendung. Denn der hier maßgebliche Besteuerungszeitpunkt ist der 29.01.2009, mithin ein Zeitpunkt, bevor das BVerfG Ehen und Lebenspartnerschaften als vergleichbar ansah.

 

76            2. Eine abweichende Steuerfestsetzung wegen einer Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO kommt nicht in Betracht.

 

77            Das BVerfG hat eine Verfassungspflicht zum Billigkeitserlass festgestellt, wenn die Anwendung eines nicht zu beanstandenden Gesetzes in Einzelfällen zu einem ungewollten Überhang führen würde (vgl. BVerfG-​Beschluss vom 10.11.1998 II BvR 1220/93, BVerfGE 1999, 268; BStBl. II 1999, 193 m. w. N.).

 

78            Eine sachliche Unbilligkeit im Sinne des § 163 AO ist dann gegeben, wenn das nach dem Gesetz sich ergebende Ergebnis offensichtlich zu einem vom Gesetzgeber nicht gewollten Ergebnis führt (BFH-​Vorlagebeschluss vom 02.08.2006 XI R 30/03, BFHE 214, 406, BStBl. II 2006, 895 m. w. N.). Diese Möglichkeit besteht unabhängig von der Frage, ob im vorliegenden Festsetzungsverfahren eine Billigkeitsmaßnahme durchgeführt werden kann, nicht, da der Gesetzgeber bewusst und erkennbar die steuerbaren GrESt-​Vorgänge bis zum 13.12.2010 zwischen Partnern einer eingetragenen Lebenspartnerschaft nicht unbesteuert lassen wollte.

 

79            III. Rechtsprechung zu den Verfassungsfragen

 

80            1. Verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab

 

81            Die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen des § 3 Nr. 4 GrEStG 1997 ist anhand Art. 3 Abs. 1 GG zu überprüfen.

 

82            Die im Steuerrecht bestehende Freiheit des Gesetzgebers zur tatbestandlichen Bestimmung von Sachverhalten ausgehend von dem allgemeinen Gleichheitssatz ist durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit begrenzt (vgl. BVerfG-​Beschluss vom 21.07.2010 1 BvR 611/07 u. a., HFR 2010, 1225; BVerfG-​Beschluss vom 07.11.2001 1 BvR 10/02, BVerfGE 117, 1 m. w. N.).

 

83            2. Rechtsprechung des BVerfG

 

84            Das BVerfG hat in den Beschlüssen vom 07.07.2009 1 BvR 1164/07, BVerfGE 124, 199 und vom 21.07.2010 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, die Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft sowohl in der Hinterbliebenenversorgung durch VBL-​Satzung als auch im Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz für den Zeitraum vom 28.12.1996 bis zum 01.01.2009 als mit dem GG wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG für unvereinbar gehalten.

 

85            Im Beschluss vom 07.07.2009 1 BvR 1164/07, BVerfGE 124, 199 führte das BVerfG aus, dass eine Differenzierung zwischen Ehe und anderen Lebensformen nicht damit begründet werden kann, dass die Privilegierung der Ehe und die Benachteiligung anderer Lebensformen allein auf das Schutzgebot der Ehe gemäß Art. 6 Abs. 1 GG reduziert wird, sofern sowohl der von der Norm geregelte Lebenssachverhalt als auch die Ziele der Ehe mit den anderen Lebensformen vergleichbar sind. Der dem Gesetzgeber eingeräumte Entscheidungsspielraum im Bereich des Steuerrechts ist durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit beschränkt, mit der Folge, dass der Gesetzgeber die mit der Wahl des Steuergegenstandes einmal getroffene Belastungsentscheidung unter dem Gebot möglichst gleichmäßiger Belastung aller Steuerpflichtigen folgerichtig umzusetzen hat (vgl. BVerfG, Entscheidung vom 04.02.2009 1 BvL 8/05, BVerfGE 123, 1). Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (vgl. BVerfG vom 15.01.2001 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 29).

 

86            Das BVerfG hat darüber hinaus eine strenge Gleichheitsprüfung in den Fällen gefordert, in denen der Gesetzgeber eine mit der sexuellen Orientierung von Personen zusammenhängende Differenzierung vornimmt (vgl. BVerfG vom 07.07.2009 1 BvR 1164/07, BVerfGE 124, 199). Für die Schenkung- und Erbschaftsteuer hat das BVerfG keine erheblichen Gründe feststellen können, die die Schlechterstellung der eingetragenen Lebenspartner gegenüber den Ehegatten hätte rechtfertigen können. Das BVerfG arbeitete in seiner Entscheidung vom 21.07.2010 heraus, dass das erbschaftsteuerprägende Familienprinzip die Schlechterstellung von eingetragenen Lebenspartnern gegenüber den Ehegatten nicht zu rechtfertigen vermag. Denn sowohl die Ehe als auch die eingetragene Lebenspartnerschaft sind auf Dauer angelegt, rechtlich verfestigt und begründen eine gegenseitige Unterhalts- und Einstandspflicht (vgl. BVerfG vom 07.07.2009 1 BvR 1164/07, BVerfGE 124, 199).

 

87            Mit dem am 01.08.2001 in Kraft getretenen Gesetz über die eingetragene Lebenspartnerschaft (Lebenspartnerschaftsgesetz – LPartG -) vom 16.02.2001 (BGBl. I, S. 266) wurden die Begründung und die Aufhebung der eingetragenen Lebenspartnerschaft sowie die persönlichen und vermögensrechtlichen Rechtsbeziehungen der Lebenspartner geregelt. Nach § 2 LPartG sind die eingetragenen Lebenspartner einander zur Fürsorge und Unterstützung sowie zur gemeinsamen Lebensgestaltung verpflichtet und tragen für einander Verantwortung (vgl. § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB). Nach § 5 Satz 1 LPartG in der Fassung vom 16.02.2001 waren die Lebenspartner einander zu angemessenem Unterhalt verpflichtet. Ferner sah § 5 Satz 2 LPartG a. F. vor, dass die für Ehegatten maßgebenden Vorschriften zum Unterhalt entsprechend anzuwenden seien. Ferner regelte § 12 LPartG a. F. den Trennungsunterhalt. Dieser war dem Trennungsunterhalt der Ehegatten nachgebildet. Hiernach schuldete ein Lebenspartner Unterhalt, wenn der andere Lebenspartner nicht selbst für seinen Unterhalt sorgen konnte. Die Voraussetzungen für die Aufhebung der Lebenspartnerschaft ähneln den Voraussetzungen einer Scheidung.

 

88            Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 LPartG steht einem Lebenspartner ein gesetzliches Erbrecht zu, so wie es für Ehegatten nach § 1931 Abs. 1 Satz 1 BGB normiert ist. Außerdem hat ein Lebenspartner einen Pflichtteilsanspruch, der sich aus § 10 Abs. 1 Satz 1 LPartG ergibt und hinsichtlich dessen auf die Pflichtteilsvorschriften des BGB (§§ 2303 ff. BGB) mit der Maßgabe verwiesen wird, dass der Lebenspartner „wie ein Ehegatte zu behandeln“ ist. Der Einfluss der Ausgleichsgemeinschaft auf den Erbteil des Lebenspartners entsprach dem der Zugewinngemeinschaft unter Eheleuten nach § 1371 BGB, auf den § 6 Abs. 2 Satz 3 LPartG a. F. verwies. Die Lebenspartner betreffenden erbrechtlichen Regelungen unterscheiden sich im Übrigen nur in unwesentlichen Einzelheiten von den auf Ehegatten anwendbaren gesetzlichen Vorschriften (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.07.2010, 1 BvR 611/07 u. a. HFR 2010, 1225). Durch das Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts vom 15.12.2004 (BGBl. I, S. 3396), welches am 01.01.2005 in Kraft getreten ist, wurde das Recht der eingetragenen Lebenspartnerschaft weiter an das Eherecht angeglichen, wobei auf die Normen des BGB zur Ehe im weiten Umfang Bezug genommen wurde. Das Gesetz regelt die Übernahme des ehelichen Güterrechts, die weitergehende Angleichung des Unterhaltsrechts, die Anpassung der Aufhebungsvoraussetzung an das Scheidungsrecht, die Einführung der Stiefkindadoption und des Versorgungsausgleichs sowie die Einbeziehung der Lebenspartner in die Hinterbliebenenversorgung der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. dazu im Einzelnen BVerfG, 124, 199, RdNr. 206 ff.). Im zivilen Erbrecht stehen Lebenspartner Ehegatten nunmehr vollständig gleich, § 10 LPartG (Beschluss des BVerfG vom 21.07.2010, 1 BvR 611/07 u. a. HFR 2010, 1225).

 

89            Die Lebenspartnerschaft unterscheidet sich von der Ehe in ihrer Eignung, Ausgangspunkt der Generationenfolge zu sein, da aus der Beziehung gleichgeschlechtlicher Paare keine gemeinsamen Kinder hervorgehen können. Diesen Gesichtspunkt ließ das BVerfG nicht als ausreichenden Differenzierungsgrund für die Ungleichbehandlung von Ehegatten und Lebenspartnern im Schenkung- und Erbschaftsteuerrecht gelten, da dies nicht in der gesetzlichen Regelung hinreichend umgesetzt wurde. Denn die Privilegierung der Ehe in diesen Steuervorschriften sei nicht vom Vorhandensein gemeinsamer Kinder abhängig.

 

90            Die Beschlüsse des 1. Senates des BVerfG zur Ungleichbehandlung der Ehe und der eingetragenen Lebenspartnerschaft im Bereich des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes sowie der Hinterbliebenenversorgung stehen im Widerspruch zu zwei Kammerbeschlüssen des 2. Senates des BVerfG. Der 2. Senat des BVerfG hat in den Beschlüssen vom 20.09.2007 2 BvR 855/06, NJW 2008, 209 sowie im Beschluss vom 06.05.2008 2 BvR 1830/06, NJW 2008, 2335 ausdrücklich die Auffassung vertreten, Art. 6 Abs. 1 GG rechtfertige die Ungleichbehandlung hinsichtlich der Beschränkung des Familienzuschlages der 1. Stufe auf Angehörige einer Ehe.

 

91            3. Rechtsprechung des BFH

 

92            Die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 3 Nr. 4 GrEStG mit Blick auf eingetragene Lebenspartnerschaften hat der BFH bislang nicht entschieden. Er vertritt jedoch in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass es verfassungsrechtlich zulässig sei, Ehegatten gegenüber Lebenspartnern steuerlich zu privilegieren (vgl. zum Ehegattensplitting BFH, Urteil vom 26.01.2006 III R 51/05, BFHE 212, 236, BStBl. II 2006, 515, Verfassungsbeschwerde wird unter 2 BvR 909/06 geführt; Beschluss vom 14.12.2007 III B 25/07, BFH/NV 2008, 779).

 

93            4. Die Rechtsprechung der Finanzgerichte

 

94            Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen hat in seiner Entscheidung vom 06.01.2011 (Beschluss, 7 V 66/10, JURIS) die Auffassung vertreten, dass ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des noch bis zum Dezember 2010 geltenden § 3 Nr. 4 GrEStG bestehen. Es sah keine tragfähigen Rechtfertigungsgründe für die Ungleichbehandlung zwischen Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern. Insofern hat sich das Gericht den Ausführungen des 1. Senates des BVerfG in seinem Beschluss zur verfassungsrechtlich gebotenen Gleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnern und Ehegatten bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer vom 21.07.2010 (1 BvR 611/07 u. a.  HFR 2010, 1225) angeschlossen und übertrug die dortigen tragenden Gründe vollumfänglich auf die GrESt. Das Gericht sah die Entscheidungsgründe des BVerfG auf die gesamte Rechtsordnung, mithin auch auf das Steuerrecht in seiner Gesamtheit, also auch für das GrESt-​Recht für anwendbar.

 

95            Auch der vorlegende Senat des FG Münster hat im Beschluss vom 27.05.2010 8 V 52/10 GrE (DStRE 2011, 509) ausgeführt, dass möglicherweise die unterschiedliche Behandlung der Ehegatten und eingetragenen Lebenspartner bei der GrESt Anlass geben könnte, die Entscheidung des BVerfG einzuholen.

 

96            5. Auffassung zu dieser Verfassungsfrage in der Literatur

 

97            In der Literatur werden ernstliche Zweifel angemeldet, ob die Ungleichbehandlung von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern im GrESt-​Recht verfassungskonform ist (vgl. Wenzel, DStR 2009, 2403). In der gängigen Kommentarliteratur werden Bedenken formuliert, ob die Ungleichbehandlung zwischen Ehegatten und Lebenspartnern verfassungsrechtlichen Maßstäben genügt. Aus der rechtlichen Anerkennung und Regelungen der Lebenspartnerschaften könnte der Schluss gezogen werden, dass Art. 3 Abs. 1 GG auch eine steuerliche Privilegierung verlange (vgl. Sack, in: Boruttau, § 3 GrEStG, Rn. 357a; ablehnend Franz, in: Pahlke/Franz, 3. Auflage, § 3 GrEStG, Rn. 213).

 

98            In der neueren Kommentarliteratur wird davon ausgegangen, dass eine entsprechende Anwendung der Befreiungsvorschriften des § 3 GrEStG zumindest in den Fällen der Vermögensauseinandersetzung zugunsten der eingetragenen Lebenspartnerschaft auch ohne besondere Kodifizierung möglich ist (vgl. Franz, in: Pahlke, Franz, Komm. zum GrEStG, 4. Aufl., 2010, § 3 Rn. 214).

 

99            Nach der Entscheidung des BVerfG vom 21.07.2010 1 BvR 611/07 u. a., HFR 2010, 1225 vertritt Messner in DStR 2010, 1875 die Auffassung, dass nunmehr mehr als nur ernsthafte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Ungleichbehandlung zwischen Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern im GrESt-​Recht vorhanden sind. Roetteken kritisiert die Entscheidung des BVerfG vom 07.07.2009 1 BvR 1164/07, BVerfGE 124, 199. Das BVerfG verlasse die Bahn der bisherigen Auslegung von Art. 6 Abs. 1 GG und verkenne die Bedeutung dieses Grundrechts im Gesamtzusammenhang der Grundrechte. Art. 6 Abs. 1 GG lasse für die Angehörigen einer Ehe und einer Familie Sonderregelungen und Privilegierungen zu und begründe zugleich eine Rechtfertigung für Unterscheidungen im Verhältnis zu anderen Formen gemeinschaftlichen Zusammenlebens. Dies gelte unabhängig davon, ob dieses gemeinschaftliche Zusammenleben in gewissem Umfang rechtlich als spezieller Familienstand ausgestaltet ist. Er verweist in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des BVerfG vom 17.01.1957 (1 BvL 4/54, BVerfGE 6, 55, 76 f.), wonach die steuerliche Besserstellung von Angehörigen einer Familie im Verhältnis zu anderen Personen durch Art. 6 Abs. 1 GG gerechtfertigt sei. Es sei fragwürdig, wenn lediglich behauptet wird, dass die Besserstellung von Angehörigen einer Ehe im Verhältnis zu denen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft deren Benachteiligung bewirke. Hierfür fehle jeder Beleg. Die Parameter für die Gleichbehandlung könnten nicht allein aus Art. 3 Abs. 1 GG entnommen werden, sondern müssten unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Art. 6 Abs. 1 GG entwickelt werden (vgl. Roetteken, Anm. zur Entscheidung des BVerfG vom 07.07.2009, juris PR – ArbR 48/2009 Anm. 5).

 

100          IV. Rechtsauffassung des beschließenden Senates zur Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung

 

101          Nach der Überzeugung des vorlegenden Senates ist § 3 Nr. 4 i. d. F. des GrEStG 1997 nicht mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz vereinbar.

 

102          Prüfungsmaßstab ist, wie sich aus der Entscheidung des BVerfG vom 21.07.2010 1 BvR 611/07, u. a. HFR 2010, 1225 ergibt, der allgemeine Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG.

 

103          Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG gebietet es dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln und gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfG, Urteil vom 09.12.2008 2 BvL 1/07, NJW 2009, 48). Dabei ist die Ausprägung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal unterschiedlich. Es kommt neben dem Willkürverbot auch ein strenges Verhältnismäßigkeitserfordernis in Frage.

 

104          Art. 3 Abs. 1 GG ist jedenfalls dann verletzt, „wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlicher einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt“ (vgl. BVerfG-​Beschluss vom 04.12.2002 2 BvR 4098, 1735/00, BVerfGE 107, 27; BStBl. II 203, 534). Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Verboten ist daher ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird (vgl. BVerfGE vom 21.07.2010 1 BvR 611/07, u. a. HFR 2010, 1225, m. w. N.).

 

105          Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber nach ständiger verfassungsrechtlicher Rechtsprechung einen weitreichenden Entscheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstandes als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes (vgl. BVerfGE 93, 121 m. w. N.). Die Freiheit des Gesetzgebers im Steuerrecht wird durch zwei Leitlinien begrenzt, nämlich durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit (vgl. BVerfGE 116, 164; 117, 1; 121, 108). Grundsätzlich müssen Steuerpflichtige durch das Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleichmäßig besteuert werden (vgl. BVerfGE 110, 274; 117, 1; 121, 108).

 

106          Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG hat der Gesetzgeber die einmal getroffenen Belastungsentscheidungen durch die Wahl des Steuergegenstandes unter dem Gebot möglichst gleichmäßiger Belastung aller Steuerpflichtigen bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestandes folgerichtig umzusetzen (vgl. BVerfGE 110, 274; 117, 1; 121, 108). Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung bedürfen stets eines besonderen sachlichen Grundes (vgl. BVerfGE 99, 88; 107, 27; 117, 1; 120, 1). Sofern der Gesetzgeber eine Ungleichbehandlung vornimmt, deren Anknüpfungspunkt in der Person zu finden ist, unterliegt er regelmäßig einer strengen Bindung (vgl. BVerfGE 88, 87; 98, 365; 121, 317). Dabei kommt es hinsichtlich der Anforderung an die Rechtfertigungsgründe für die gesetzliche Differenzierung wesentlich darauf an, in welchem Maßstab sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (vgl. BVerfGE 105, 73; 106, 166; 112, 164). Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers geht dann besonders weit, wenn er Lebenssachverhalte verschieden behandelt und die Betroffenen sich durch eigenes Verhalten auf die unterschiedliche Regelung einstellen können (vgl. BVerfGE 55, 72).

 

107          Die aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Grenzen sind insbesondere dann überschritten, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfG-​Beschluss vom 21.07.2010 1 BvR 611/07 u. a., HFR 2010, 1225 m. w. N.).

 

108          Die Steuerfreistellung der tatbestandlichen GrESt-​Vorgänge ist nach § 3 Nr. 4 GrEStG allein an personenbezogene Kriterien gebunden. Hinreichend und notwendig ist es, dass der Erwerbsvorgang zwischen Ehegatten stattfindet. Ausgehend von der Gesetzesbegründung zu § 3 Nr. 4 GrEStG, wonach die familienrechtlichen Bindungen maßgeblich für die Einführung des Befreiungstatbestandes waren, hat der Gesetzgeber keine hinreichende Begründung vorgelegt, warum Lebenspartner an dieser steuerlichen Begünstigung nicht partizipieren können.

 

109          Das Familienprinzip ist der Grund für die Einführung des § 3 Nr. 4 GrEStG für Grundstücksübertragungen zwischen Ehegatten. Der Gesetzgeber hat bei der Einführung des § 3 Nr. 4 GrEStG erkannt, dass innerhalb einer Familie Grundstücksübertragungen deshalb erfolgen, weil die Familienmitglieder während der Ehe aus einem Topf wirtschaften. Bei der Entflechtung des gemeinsamen Wirtschaftens sind Grundstücksübertragungen nicht auszuschließen. Gerade beim Wechsel des Güterstandes sind die während eines Ehelebens erwirtschafteten Vermögenswerte von erheblicher Bedeutung. Das LPartG ist in vielen Bereichen der Ehe nachgebildet, was durch die zahlreichen Verweise auf die ehegesetzlichen Vorschriften nachgebildeten Regelungen zum Ausdruck kommt. Es bestehen keine ausreichenden Gründe, die Lebenspartnerschaft gegenüber der Ehe zu benachteiligen, obwohl beide Lebensformen vom Familienprinzip geprägt sind.

 

110          Das GG stellt in Art. 6 Abs. 1 GG Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Damit garantiert die Verfassung nicht nur das Institut der Ehe, sondern gebietet als verbindliche Wertentscheidung für den Gesamtbereich der Ehe und Familie einen besonderen Schutz durch die staatliche Ordnung (vgl. BVerfGE 6, 55; 55, 114; 105, 113). Daraus hat das BVerfG geschlossen, dass es Aufgabe des Gesetzgebers des Staates ist, alles zu unterlassen, was die Ehe beschädigt oder sonst beeinträchtigt und sie durch geeignete Maßnahmen zu fördern verpflichtet ist.

 

111          Wegen des verfassungsrechtlichen Schutzes der Ehe ist dem Gesetzgeber grundsätzlich nicht verwehrt, sie gegenüber anderen Lebensformen zu begünstigen (vgl. BVerfGE 6, 55; 105, 313). Die Befugnisse des Staates, in Erfüllung seiner grundgesetzlichen Schutzpflicht aus Art. 6 Abs. 1 GG für Ehe und Familie tätig zu werden, bleiben unberührt von der Frage, inwieweit Dritte etwaige Gleichbehandlungsansprüche geltend machen können (vgl. BVerfG-​Beschluss vom 21.07.2010  1 BvR 611/07 u. a., HFR 2010, 1225). Ob und inwieweit Dritte einen Anspruch auf Gleichbehandlung mit einer gesetzlichen oder tatsächlichen Förderung von Ehegatten erhalten, ist allein anhand von Art. 3 Abs. 1 GG zu entscheiden.

 

112          Die GrESt ist als Verkehrssteuer ausgestaltet. Der Gesetzgeber verfolgt mit der GrESt das Ziel, Grundstücksumsätze zu besteuern. Dementsprechend ist der Grundstücksumsatz, der unter das GrEStG fällt, von der Umsatzsteuer (USt) befreit. Der Grundstücksverkehr stellt sich beim Ehegatten nicht anders dar, als bei einem Lebenspartner. Eingetragene Lebenspartner leben wie Ehegatten in einer auf Dauer angelegten rechtlich verfestigten Partnerschaft. Da die GrESt-​Freistellung gerade die Familie in rechtlicher und erbrechtlicher Stellung von Ehegatten berücksichtigen wollte, besteht eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung der Grundstückserwerbe zwischen eingetragenen Lebenspartnern. Indem der Gesetzgeber die eingetragene Lebenspartnerschaft nicht nur eherechtlich, sondern auch erbschaftsrechtlich der Ehe angeglichen hat, besteht kein hinreichender Rechtfertigungsgrund (mehr), die eingetragene Lebenspartnerschaft anders zu behandeln als die Ehe. Der Streitfall macht deutlich, dass auch in der Lebenspartnerschaft beim Wechsel des Güterstandes erhebliche Vermögenswerte zwischen den Partner zu verteilen sind. Das GrEStG sah noch vor der Einführung des § 3 Nr. 4 GrEStG vor, dass Grundstückserwerbe im Rahmen von Güterstandsänderungen steuerfrei waren. Im Streitfall haben die Kläger ihren Güterstand neu geregelt und dabei die Grundstückserwerbe getätigt. Der Gesetzgeber hat für die eingetragene Lebenspartnerschaft dieselben Güterstände vorgesehen wie für die Ehe. Die vorliegend der Besteuerung unterworfenen Grundstücksübertragungen erfolgten zum Zwecke der Änderung des Güterstandes.

 

113          Soweit zur Rechtfertigung der auf Art. 6 Abs. 1 GG gestützten Bevorzugung von Ehegatten im Erbschaftsteuerrecht darauf verwiesen wird, dass die persönliche Lebensgemeinschaft zwischen Ehegatten von der gemeinsamen Teilhabe an den wirtschaftlichen Grundlagen und den gegenseitigen Unterhalts- und Beistandspflichten gekennzeichnet sei, gilt dies schon nach der geltenden Rechtslage in gleicher Weise auch für Lebenspartner (vgl. BVerfG-​Entscheidung vom 21.07.2010  1 BvR 611/07, 1 BvR 2464, HFR 2010, 1225).

 

114          Die Ungleichbehandlung ist auch nicht dadurch gerechtfertigt, dass nur aus einer Ehe gemeinsame Kinder hervorgehen können und der Gesetzgeber unter Anknüpfung an das Familienprinzip eine möglichst ungeschmälerte Erhaltung kleinerer und mittlerer Vermögen in der Generationenfolge bewahren möchte. Denn die Ausgestaltung des § 3 Nr. 4 GrEStG zeigt, dass die Steuerbefreiung bei Ehegatten allein schon deshalb in Betracht kommt, weil sie rechtswirksam die Ehe geschlossen haben. Auf das Vorhandensein von Kindern nimmt weder der Gesetzestext noch die Gesetzesbegründung Bezug. Das Gesetz differenziert nicht zwischen kinderlosen Ehen und solchen, aus denen Kinder hervorgegangen sind.

 

115          Indem der Gesetzgeber die Lebenspartnerschaft in § 3 Nr. 4 GrEStG nicht der Ehe gleichstellt, verletzt er das Gebot der Folgerichtigkeit. Diese Schranke des dem Gesetzgeber eingeräumten weiten Ermessens bei der Privilegierung im Steuerrecht hat der Gesetzgeber nicht beachtet. Denn mit der Schaffung der sog. eingetragenen Lebenspartnerschaft hat er neben der Ehe ein ehegleiches Institut geschaffen, das in seinen Rechten und Pflichten der Ehe nachgebildet und vergleichbar ist.

 

116          V. Entscheidungserheblichkeit der Vorlage

 

117          Die Gültigkeit des § 3 Nr. 4 GrEStG a. F. ist im Streitfall entscheidungserheblich (§ 80 Abs. 2 BVerfGG). Der Senat würde im Fall der Gültigkeit der in Frage gestellten Vorschrift zu einem anderen Ergebnis kommen als im Fall der Ungültigkeit. Die Klage wäre aus den vorgenannten Gründen als unbegründet abzuweisen, sofern § 3 Nr. 4 GrEStG a. F. gültig wäre. Denn der besteuerte Grundstückserwerb erfolgte nicht zwischen Ehegatten. Ferner erfolgte der Grundstückserwerb auch nicht nach dem 13.12.2010.

118          Ist § 3 Nr. 4 GrEStG a. F. wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig, muss der Senat zu einer anderen Entscheidung kommen. Ausgehend vom BVerfG-​Beschluss vom 21.07.2010 (1 BvR 611/07 u. a., HFR 2010, 1225) dürfte das BVerfG keine Fortgeltung der verfassungswidrigen Rechtslage anordnen. Denn eine befristete Fortgeltungsanordnung kommt nach der Rechtsprechung des BVerfG nur aus Gesichtspunkten einer geordneten Finanz- und Haushaltsplanung sowie dann in Frage, wenn die Verfassungsrechtslage bisher nicht hinreichend geklärt war und dem Gesetzgeber aus diesem Grund eine angemessene Frist zur Schaffung einer Neuregelung zu gewähren ist (vgl. BVerfGE 120, 125 m. w. N.). Eine Gefährdung der geordneten Finanz- und Haushaltsplanung durch die rückwirkende Besserstellung eingetragener Lebenspartner im GrEStG zum August 2001 kommt angesichts der zu erwartenden geringen Zahl der hiervon betroffenen Fälle offensichtlich nicht in Betracht. Die Bundesregierung geht selbst davon aus, dass durch die Gleichstellung der Lebenspartner im vollen Umfang bei der GrESt geringfügige, nicht bezifferbare Steuermindereinnahmen entstehen werden (vgl. Drucksache 17/2249, S. 65).

 

119          Wenn schon die Gleichstellung der Lebenspartner im vollen Umfang bei der GrESt nur geringfügig Steuermindereinnahmen erwarten lässt, dann ist die Gleichstellung der Lebenspartner mit den Ehegatten im GrEStG hinsichtlich § 3 Nr. 4 GrEStG für alle noch offenen Verfahren zwischen dem Jahr 2001 und dem Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 2010 kein Umstand, der Anlass geben könnte, eine geordnete Finanz- und Haushaltsplanung zu negieren.

 

120          Zwar betrifft das zur Entscheidung vorgelegte Recht Regelungen, die bereits außer Kraft getreten sind. Dies dürfte jedoch nicht dazu führen, dass dem Gesetzgeber eine angemessene Frist zur Schaffung einer Neuregelung zu gewähren ist. Denn der Gesetzgeber hat diese Neuregelung bereits beschlossen, allerdings zeitlich dergestalt beschränkt, dass nur Grundstücksübertragungen zwischen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern von der GrESt befreit sind, wenn diese nach dem 13.12.2010 erfolgen.

 

121          Sofern das BVerfG die Unvereinbarkeitserklärung als Folge der Verletzungen des Gleichheitssatzes ausspricht, darf die Norm im Umfang der festgestellten Unvereinbarkeit nicht mehr angewendet und laufende Verfahren müssen ausgesetzt werden (vgl. BVerfGE 73, 40; 105, 73). Das Verfahren müsste gemäß § 74 FGO ausgesetzt werden, bis der Gesetzgeber eine nicht gleichheitswidrige Regelung in den Steuerbefreiungsvorschriften erlässt. Auch dies wäre eine andere Entscheidung als im Falle der Gültigkeit des Gesetzes (vgl. BVerfG-​Beschluss in BVerfGE 117, 1, BStBl. II 2007, 192). Dabei kann es für die Entscheidungserheblichkeit keine Rolle spielen, dass das BVerfG im Falle einer Unvereinbarkeitserklärung die weitere Anwendung des bisherigen Rechts anordnen kann (vgl. BFH v. 02.03.2011 II R 23/10, DStR 2011, 808).

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