FG Münster, Urteil vom 18.12.2019 – 1 K 573/16 E

Dezember 15, 2020

FG Münster, Urteil vom 18.12.2019 – 1 K 573/16 E

Tenor

Der Bescheid über Einkommensteuer für 2011 vom 06.11.2013 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.01.2016 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leisten.
Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger in dem Streitjahr 2011 im Inland einen Wohnsitz (§ 8 AO) hatte und somit unbeschränkt steuerpflichtig war.

Die Kläger sind verheiratet und haben eine gemeinsame Tochter (geb. am xx.yy.1996).

Der Kläger war nach seiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität N-Stadt (Inland) zunächst Friedensfachkraft für den Zivilen Friedensdienst des A-Entwicklungsdienstes in Guatemala (10/2001 – 03/2007). Die Klägerin und die gemeinsame Tochter lebten in dieser Zeit mit dem Kläger in Guatemala.

Anschließend nahm der Kläger eine Tätigkeit als xxx bei xxx in Zypern (03/2007 – 07/2007) und dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) in Genf (09/2007) auf und wohnte an diesen Orten. Die Klägerin und die Tochter kehrten nach Deutschland zurück und lebten unter der Adresse C-Straße 1 in S-Stadt (Inland). Hierbei handelte es sich um eine 75m2 große Wohnung mit 3 Zimmern, Küche und Bad. Der Kläger lebte in dieser Wohnung in dem Zeitraum 08/2007 und 10/2007 – 12/2007.

Danach war der Kläger als xxx in Chile tätig (01/2008 – 09/2009) und wohnte in Santiago de Chile. Ab September 2009 lebte die Klägerin mit der Tochter unter der Adresse J-Straße 2 in S-Stadt (Inland). Hierbei handelte es sich um 62 m2 große Dachgeschoßwohnung mit 2 Zimmern (14 m2 und 27 m2 abzgl. Schrägen), Küche (16 m2 abzgl. Schrägen), Bad (7 m2) und Flur (10 m2).

Im Anschluss nahm der Kläger eine Tätigkeit als Friedensfachkraft im Zivilen Friedensdienst der H-Gesellschaft (H) auf (10/2009 – 10/2011) auf. Hierfür wohnte er nach einem Vorbereitungslehrgang in C-Stadt (Inland) in Nepal (12/2009 – 10/2011). In dem Zeitraum August 2010 bis November 2011 lebten die Klägerin und die gemeinsame Tochter bei dem Kläger in Nepal. Dort bewohnte die Familie ein 200 m2 großes Haus mit 5 Zimmern, Küche und 3 Bädern. Der Mietvertrag über die Wohnung in S-Stadt (Inland), J-Straße 2, bestand weiterhin.

Schließlich war der Kläger wieder für das IKRK tätig (ab 10/2011). Sein Einsatzgebiet war zunächst Libyen (wohnhaft in Tripolis) und später Kolumbien (ab 2013; wohnhaft in Bogotá). Der Tätigkeit in Libyen lag ein Anstellungsvertrag zugrunde, der ein monatliches Grundgehalt i. H. v. xxx CHF vorsah. Dies waren 80 % des Standard-Gehalts von yyy CHF, indexiert entsprechend des Landes des Wohnsitzes. Als Wohnsitz wurde angegeben: S-Stadt (Inland), Deutschland.

Im Streitjahr 2011 hielt sich der Kläger an insgesamt 29 Tagen im Inland auf:

Die Kläger reichten für 2011 eine Einkommensteuererklärung für die Klägerin als unbeschränkt Steuerpflichtige und eine Einkommensteuererklärung für den Kläger als beschränkt Steuerpflichtigen ein. Der Beklagte teilte hierzu mit, dass für die Kläger in 2011 eine unbeschränkte Steuerpflicht bestanden habe. Hinsichtlich des Arbeitsverhältnisses mit dem IKRK sei zu prüfen, ob steuerpflichtige Einkünfte vorliegen. Hierauf erwiderten die Kläger, dass der Kläger zwar mit seinen Einkünften aus der Tätigkeit für die H unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gewesen sei (§ 1 Abs. 2 Satz 1 EStG). Allerdings gelte dies nicht für die Einkünfte aus seiner Tätigkeit für das IKRK. Der Kläger sei diesbezüglich nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Er habe im Inland weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt. Außerdem lägen die Voraussetzungen für eine erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht (§ 1 Abs. 2 EStG) bei dieser Tätigkeit nicht mehr vor.

Der Beklagte führte eine Zusammenveranlagung im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht durch und erließ einen entsprechenden Einkommensteuerbescheid unter dem 06.11.2013. Zur Erläuterung führte er aus, dass die Kläger spätestens seit November 2011 unter der deutschen Anschrift (J-Straße 2) wohnhaft seien und dadurch eine unbeschränkte Einkommensteuerpflicht begründet werde. Die Einkünfte aus der Tätigkeit für das IKRK seien zu versteuern, da mit Libyen kein Doppelbesteuerungsabkommen existiere und keine Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 61 EStG (Entwicklungshelferleistungen) vorliege. Gegen diesen Einkommensteuerbescheid legten die Kläger Einspruch ein.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 25.01.2016 als unbegründet zurück. Zur Begründung stellte er seine Auffassung zur Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) dar und wies im Übrigen auf Folgendes hin:

Es sei nicht ungewöhnlich, dass sich eine Familie für die Dauer von Auslandseinsätzen auf eine kleinere Wohnung beschränke. Dies gelte erst recht, wenn die übrigen Familienmitglieder das im Ausland tätige Familienmitglied begleiten würden.

Die Auslandseinsätze seien zeitlich eng befristet gewesen. Vor diesem Hintergrund seien objektive Anhaltspunkte für eine endgültige Wohnsitzaufgabe bzw. Auflösung des gemeinsamen Wohnsitzes nicht feststellbar.

Der konkreten Angabe des inländischen Wohnsitzes in dem Arbeitsvertrag des Klägers komme evident maßgebliche Bedeutung zu.

Hiergegen haben die Kläger Klage erhoben. Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor, dass der Kläger seinen inländischen Wohnsitz (C-Str. 1, S-Stadt (Inland)) in 2009 durch den Umzug der Klägerin und der gemeinsamen Tochter aufgegeben habe. Er habe in der Wohnung, in der die Klägerin und die gemeinsame Tochter fortan lebten (J-Straße 2, S-Stadt (Inland)) keinen inländischen Wohnsitz begründet. Im Ergebnis sei er damit in dem Streitjahr nicht unbeschränkt steuerpflichtig. Der vorliegende Streitfall sei unter Beachtung des Beschlusses des Reichsfinanzhofs (RFH) vom 13.10.1938 IV B 1/38, RFHE 45, 76 zu entscheiden.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

den Bescheid über Einkommensteuer vom 06.11.2013 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.01.2016 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf die Einspruchsentscheidung und vertieft seinen bisherigen Vortrag. Ergänzend trägt er vor, dass ein Rückgriff auf die von den Klägern angeführte Entscheidung des RFH bei der gefestigten aktuellen BFH-Rechtsprechung nicht überzeuge. Im Übrigen verweist er insbesondere auf die BFH-Urteile vom 24.01.2001 I R 100/99, BFH/NV 2001, 1402 und 28.01.2004 I R 56/02, BFH/NV 2004, 917.

Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer gerichtlichen Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Gründe

Der Senat entscheidet gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung. Hierzu haben die Beteiligten ihr Einverständnis erklärt.

Die Klage ist begründet.

Der Bescheid für 2011 über Einkommensteuer vom 06.11.2013 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.01.2016 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Der Kläger hatte im Streitjahr 2011 im Inland keinen Wohnsitz (§ 8 AO).

Der Beklagte hat für die Kläger eine Zusammenveranlagung durchgeführt, obwohl die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt waren. Eine Zusammenveranlagung setzt unter anderem voraus, dass beide Ehegatten unbeschränkt einkommensteuerpflichtig im Sinne des § 1 Abs. 1 oder 2 oder § 1a EStG sind (§ 26 Abs. 1 Satz 1 EStG in der Fassung vom 08.10.2009). Im Streitfall ist einer der Ehegatten – der Kläger – nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig im Sinne dieser Vorschriften.

1. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG sind natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unbeschränkt steuerpflichtig.

Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland hatte. Vor diesem Hintergrund sieht der Senat keinen Anlass, dieser Tatbestandsvoraussetzung der unbeschränkten Steuerpflicht weiter nachzugehen. Im Übrigen hat der Kläger sich im Streitjahr lediglich an insgesamt 29 Tagen im Inland aufgehalten. Jedenfalls liegt hiernach kein von § 9 Satz 2 AO für einen gewöhnlichen Aufenthalt geforderter zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten vor. Im Übrigen dienten die Inlandsaufenthalte des Klägers in 2011 ausschließlich privaten Zwecken (Erholungsurlaube) i. S. v. § 9 Satz 3 AO.

Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen des § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG allein streitig, ob der Kläger im Inland einen Wohnsitz hatte. Dies ist nicht der Fall.

Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird (§ 8 AO).

§ 8 AO in seiner heutigen – und auch im Streitjahr geltenden – Fassung stimmt mit § 13 Abs. 1 des Steueranpassungsgesetzes vom 16.10.1934 überein. Aus der Gesetzgebungsgeschichte, die eine Objektivierung des Wohnsitzbegriffs beinhaltet, lässt sich schließen, dass es sich nicht auf Absicht des Steuerpflichtigen, eine Wohnung beizubehalten, sondern allein auf die – objektiven – Umstände ankommt, die darauf schließen lassen müssen, dass der Steuerpflichtige die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Darüber hinaus folgt aus der Übereinstimmung von § 8 AO und § 13 Abs. 1 des Steueranpassungsgesetzes vom 16.10.1934, dass die zu dieser Regelung entwickelten Grundsätze – abgesehen von Entscheidungen des Reichsfinanzhofs zur Reichsfluchtsteuer – prinzipiell in vollem Umfang auf das geltende Recht übertragbar sind (vgl. Musil in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 255. Lieferung 10.2019, § 8 AO Rz. 1 f.).

Im Allgemeinen besteht eine (widerlegbare) Vermutung, dass ein nicht dauernd getrennt lebender Ehegatte seinen Wohnsitz dort hat, wo sich seine Familie befindet. Ausnahmen hiervon sind möglich. Es kommt stets auf die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls an (BFH-Urteile vom 17.05.1995 I R 8/94, BFHE 178, 294; 30.08.1989 I R 215/85, BFHE 158, 118; 06.02.1985 I R 23/82, BFHE 143, 217 und 29.10.1959 IV 129/58 S, BFHE 70, 162; Drüen in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 158. Lieferung 10.2019, § 8 AO Tz. 7). Ein solcher Ausnahmefall ist hier gegeben.

Vorliegend haben die Kläger im September/Oktober 2009 ihre Wohnung in der C-Straße 1 in S-Stadt (Inland) aufgegeben. Streitentscheidend ist vor diesem Hintergrund, ob der mit bzw. nach Aufgabe dieser Wohnung erfolgte Umzug der Klägerin mit ihrer Tochter von dieser Wohnung in die Wohnung in der J-Straße 8 in S-Stadt (Inland) und die darauf folgende Nutzung dieser Wohnung dazu führen, dass der Kläger im Inland eine Wohnung innehatte, die er beibehalten und benutzen wollte, und dieser Zustand auch im Streitjahr 2011 fortdauerte.

Mithin ist der Streitfall nicht vergleichbar mit Fällen, in denen ein Steuerpflichtiger trotz eines Auslandsaufenthalts seinen bisherigen „Familienwohnsitz“ beibehält, da seine Familie weiterhin an dem bisherigen Wohnsitz wohnt. Der Streitfall betrifft vielmehr die Frage, ob ein inländischer Wohnsitz durch die Familie auch dann fortbesteht, wenn die Familie vor oder während des Auslandsaufenthalts in eine andere (inländische) Wohnung umzieht.

Zu der im Streitfall betroffenen Frage liegt jedenfalls eine Entscheidung des Reichsfinanzhofes vor. Dieser hat entscheiden, dass ein örtlich versetzter Offizier keinen (Familien-)Wohnsitz mehr am alten Dienstort hat, wenn er am neuen Dienstort nur für sich eine Wohnung genommen hat, seine bisherige Familienwohnung am bisherigen Dienstort aufgegeben und dort – am bisherigen Dienstort – eine kleinere – 2 ½ Zimmer große – Wohnung gemietet hat, die offenbar nur für seine Frau und seine Kinder bestimmt war, weil diese nicht mit an den Dienstort umgezogen sind (RFH-Beschluss zur Bürgersteuer 1938 vom 13.10.1938 IV B 1/38, RFHE 45, 76). Da diese Entscheidung nicht zur Reichsfluchtsteuer ergangen ist, bestehen grundsätzlich keine Bedenken, sie auch im Rahmen des heute geltenden Rechts zu berücksichtigen. Der Einwand des Beklagten – ein Rückgriff auf diese Entscheidung überzeuge bei der gefestigten aktuellen BFH-Rechtsprechung nicht – führt zu keinem anderen Ergebnis. Soweit ersichtlich hat der BFH die im Streitfall betroffene Rechtsfrage noch nicht bzw. jedenfalls nicht in einer der o. g. RFH-Entscheidung widersprechenden Art und Weise beantwortet. Auch der Beklagte benennt keine entgegenstehende BFH-Entscheidung. Er verweist pauschal auf die gefestigte aktuelle BFH-Rechtsprechung.

In der – aktuellen – steuerrechtlichen Literatur wird auf diese Entscheidung des Reichsfinanzhofs verwiesen. Musil stellt hierzu fest: „Keinen gemeinsamen Wohnsitz mit seiner Familie hat daher ein Ehegatte, der im Zusammenhang mit einer beruflichen Versetzung seine bisherige Familienwohnung aufgibt, eine nur auf den Rest der Familie zugeschnittene kleine Wohnung anmietet und selbst am Arbeitsort eine Wohnung bezieht“ (in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 255. Lieferung 10.2019, § 8 AO Rz. 38). Avvento vertritt die Auffassung, dass man die neue Wohnung als (Familien-)Wohnsitz auch des abwesenden Familienmitglieds ansehen müsse, sofern dieses Familienmitglied im Fall seiner Rückkehr ebenfalls in der Wohnung leben könnte. Dies sei nicht der Fall bei einer objektiv zu kleinen Wohnung (in: Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 1. Aufl. 1995, 149. Lieferung, § 8 Wohnsitz Rz. 31).

Tiede setzt für einen inländischen Familienwohnsitz voraus, dass die Wohnung auch für den nicht dauernd dort lebenden Familienangehörigen bestimmt ist und dieser die Wohnung ebenfalls als sein Heim betrachtet. Es müsse alles dafür sprechen, dass die Person bei sich bietender Gelegenheit in die Wohnung zurückkehren wird, um dort gemeinsam mit der Familie zu wohnen. Kehre der Steuerpflichtige bei objektiver Betrachtung stets nur zurück, um die Familie zu besuchen, so bestehe kein gemeinsamer Familienwohnsitz (in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 294. Lieferung 10.2019, § 1 EStG Anm. 65).

Vor diesem Hintergrund ist der Senat der aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung, dass der Kläger im Streitjahr keinen inländischen (Familien-)Wohnsitz unter der Adresse J-Straße 2 hatte.

a) Die Kläger haben ihren bis zum Umzug in die J-Straße 2 bestehenden Wohnsitz aufgegeben. Die von den Klägern bis dahin gemietete Wohnung in der C-Straße 1 in S-Stadt (Inland) diente der Familie als Wohnsitz. Trotz des Umstands, dass der Kläger in dieser Wohnung tatsächlich nur in dem Zeitraum 08/2007 und 10/2007 – 12/2007 lebte, handelte es sich – nach dem Vortrag der Kläger – um einen inländischen Wohnsitz im Sinne des § 8 AO.

b) Nach Aufgabe dieses (inländischen) Wohnsitzes haben die Kläger gemeinsam eine Wohnung angemietet, in der der Kläger im Fall seiner Rückkehr mit seiner Familie nicht dauerhaft gelebt hätte. Es handelte es sich um eine 62 m2 große Dachgeschoßwohnung mit 2 Zimmern (14 m2 und 27 m2 abzgl. Schrägen), Küche (16 m2 abzgl. Schrägen), Bad (7 m2) und Flur (10 m2). Nach den tatsächlichen Umständen des Streitfalls geht der Senat nicht davon aus, dass diese Wohnung als inländischer Familienwohnsitz diente bzw. im Falle der Rückkehr des Klägers dienen sollte. Vielmehr diente diese Wohnung – gerade im Vergleich zu der vorherigen Wohnung und dem zwischenzeitlich in Nepal bewohnten Haus – dazu, dass allein die Klägerin und ihre Tochter dort lebten. Der Kläger nutzte diese Wohnung ausschließlich, um seine Familie – in unregelmäßigen Abständen und im Urlaub – zu besuchen. Schließlich ist der Kläger auch tatsächlich nicht dauerhaft in diese Wohnung zurückkehrt.

c) Die vom Beklagten angeführten BFH-Urteile vom 24.01.2001 I R 100/99, BFH/NV 2001, 1402 und 28.01.2004 I R 56/02, BFH/NV 2004, 917 führen zu keinem anderen Ergebnis.

aa) Das BFH-Urteil vom 24.01.2001 I R 100/99, BFH/NV 2001, 1402 betraf einen Sachverhalt, in dem in Hongkong lebende Eheleute im Inland 2 Häuser besitzen. In dem einen Objekt diente den Eheleuten eine teilmöblierte und mit notwendigen Utensilien ausgestattete Wohnung bei ihren inländischen Aufenthalten als Unterkunft. Bei Abwesenheit der Eheleute wurde diese Wohnung von den Eltern des Klägers benutzt. In dem anderen Objekt nutzten die Eheleute eine 297 m2 große, mit teilweise kostbaren Möbeln eingerichtete Wohnung, die sich über drei Stockwerke erstreckte und zu der ein Garten sowie eine Garage gehörten. Während der Abwesenheit der Eheleute waren die Möbel mit Schutzbezügen überzogen. Eine Zugehfrau versorgte die Wohnung und bereitete sie auf vorherigen Telefonanruf für eine Nutzung vor.

Das Finanzgericht Baden-Württemberg entschied (Urteil vom 04.10.1999 12 K 69/97, EFG 2000, 72), dass (zumindest) die letztere Wohnung als inländischer Wohnsitz der Eheleute anzusehen sei. Diese Wohnung bestehe aus zum dauerhaften Wohnen geeigneten Räumlichkeiten. Sie stelle eine den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Eheleute entsprechende Bleibe dar. Für die Annahme eines Wohnsitzes i. S. d. § 8 AO sprachen nach Auffassung des Senats die Größe der Wohnung, die Häufigkeit, Dauer und Regelmäßigkeit der Aufenthalte in dieser Wohnung, die Anschaffungskosten der Wohnung und die Ausstattung der Wohnung.

Der BFH ging in seiner nachgehenden Entscheidung auf die diesbezüglichen Feststellungen des FG Baden-Württemberg nicht weiter ein. Sie seien nicht mit Revisionsrügen angegriffen worden und der BFH sei daher gemäß § 118 Abs. 2 FGO an sie gebunden.

Vor diesem Hintergrund ist für den Senat nicht ohne weiteres ersichtlich, welche Rückschlüsse aus dieser Entscheidung des BFH für den vorliegenden Streitfall gezogen werden sollen. Der entschiedene Sachverhalt unterscheidet sich wesentlich vom vorliegenden Streitfall und die Ausführungen des BFH betreffen nicht die vorliegend entscheidungserhebliche Frage.

bb) Das BFH-Urteil vom 28.01.2004 I R 56/02, BFH/NV 2004, 917 betraf einen Sachverhalt, in dem ein im Inland als Geschäftsführer einer italienischen Firma tätiger Ehemann eine möblierte und 59 m2 große 2-Zimmer-Wohnung angemietet hatte. Die Wohnung ließ von ihrer Ausstattung her die Unterbringung einer weiteren Person zu. Der Ehemann und seine mit dem gemeinsamen Sohn in Italien – am Hauptwohnsitz der Eheleute – lebende Ehefrau beantragten die Zusammenveranlagung in Deutschland. Die Ehefrau sei unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gewesen. Zur Begründung trugen sie vor, dass die Familie (Ehemann, Ehefrau, gemeinsamer Sohn) die Wohnung an 2 bis 3 Tagen im Monat und während der großen Ferien genutzt habe.

Das Finanzgericht Köln entschied (Urteil vom 27.06.2002 10 K 6348/97, EFG 2002. 1198), dass auch die Ehefrau einen inländischen Wohnsitz hatte.

Der BFH führte in seiner nachgehenden Entscheidung aus, dass die Feststellung des FG Köln, wonach die Eheleute einen inländischen Wohnsitz hatten, weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze verstoße. Sie stütze sich auf die nachgewiesenen und unbestrittenen Gesamtumstände des Streitfalls, insbesondere auf die Ausstattung der Wohnung, ihre Nutzbarkeit und die dokumentierte tatsächliche Nutzungsabsicht. Im Übrigen verwies der BFH auf vorhergehende Entscheidungen, nach denen es für das Innehaben einer Wohnung nicht erforderlich sei, dass sich der betreffende Steuerpflichtige während einer Mindestzahl von Tagen oder Wochen im Jahr tatsächlich in der Wohnung aufhalte. Für das Aufrechterhalten eines inländischen Wohnsitzes reichten auch unregelmäßige Aufenthalte aus.

Für den Senat ist auch hinsichtlich dieser Entscheidung nicht ohne weiteres ersichtlich, welche Auswirkungen auf den vorliegenden Streitfall bestehen sollen. Der inländische Wohnsitz des Klägers wird nicht mit dem Argument verneint, dass er sich an zu wenigen Tagen oder Wochen im Jahr tatsächlich im Inland aufgehalten habe. Entscheidungserheblich ist, dass der Kläger seinen Wohnsitz vor bzw. im Rahmen seiner Auslandstätigkeit aufgegeben hat und die von der Klägerin und der gemeinsamen Tochter bewohnte Wohnung ihm nicht als (Familien-)Wohnsitz zuzurechnen ist, da es sich nach der Überzeugung des Senats nicht um eine für die Familie – und somit auch für den Kläger -, sondern allein für die Klägerin und die Tochter bestimmte Wohnung handelte. Im Übrigen hat der Kläger sich nicht – wie in dem vom FG Köln und vom BFH entschiedenen Fall – regelmäßig an 2 bis 3 Tagen pro Monat und in den großen Ferien in der inländischen Wohnung aufgehalten, sondern an insgesamt nur 29 Tagen verteilt auf zwei kurze (2 – 3 Tage) und zwei längere (10 – 14 Tage) Aufenthalte.

d) Außerdem sprechen die zeitlich befristeten Auslandseinsätze des Klägers nicht gegen eine endgültige Wohnsitzaufgabe bzw. Auflösung des gemeinsamen inländischen Wohnsitzes. Vielmehr zeigen die (teilweise) nahtlos aneinander anknüpfenden Auslandsaufenthalte des Klägers, dass der Kläger über keinen inländischen Wohnsitz mehr verfügte und ein solcher auch nicht mehr nötig war. Die tatsächlichen Umstände zeigen, dass sich an eine Auslandstätigkeit eine weitere Auslandstätigkeit anschloss. Für den Senat liegt es vor diesem Hintergrund nicht nahe, dass der Kläger einen inländischen Wohnsitz für den Fall vorhielt, keinen weiteren Auslandseinsatz zu übernehmen.

Schließlich kommt – entgegen der Auffassung des Beklagten – der konkreten Angabe des inländischen Wohnsitzes in dem Arbeitsvertrag des Klägers unter Berücksichtigung der vorgenannten Umstände keine evident maßgebliche Bedeutung zu. Die Angabe eines inländischen Wohnsitzes in dem Arbeitsvertrag des Klägers dient lediglich dem Umstand, dass sein Gehalt für einen Wohnsitz in Deutschland indexiert wird. Hieraus lässt sich nicht schließen, dass der Kläger tatsächlich einen Wohnsitz im Inland hatte.

2. Gemäß § 1 Abs. 2 EStG sind auch deutsche Staatsangehörige unbeschränkt steuerpflichtig, die 1. im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben und 2. zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts in einem Dienstverhältnis stehen und dafür Arbeitslohn aus einer inländischen öffentlichen Kasse beziehen, sowie zu ihrem Haushalt gehörende Angehörige, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen oder keine Einkünfte oder nur Einkünfte beziehen, die ausschließlich im Inland einkommensteuerpflichtig sind. Dies gilt nur für natürliche Personen, die in dem Staat, in dem sie ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, lediglich in einem der beschränkten Einkommensteuerpflicht ähnlichen Umfang zu einer Steuer vom Einkommen herangezogen werden.

Der Kläger stand im Streitfall nicht zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts in einem Dienstverhältnis. Bei der H handelt es sich um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung und nicht um eine juristische Person des öffentlichen Rechts. Das IKRK ist nicht inländisch. Es hat seinen Sitz in Genf.

3. Eine Zusammenveranlagung gemäß § 26 EStG aufgrund einer fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht von EU- und EWR-Familienangehörigen gemäß § 1a EStG scheitert bereits an einem dahingehenden Antrag der Kläger, der gemäß § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG vorausgesetzt wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

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