Tatbestand:
Der Kläger ist der Sohn des mittlerweile verstorbenen Schenkers A.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 28. Dezember 2006 übertrug A dem Kläger unentgeltlich 24,5 % der Anteile an der B GmbH im Nennwert von 122.500 €. In dem Vertrag wurde außerdem geregelt, dass A die Schenkungsteuer tragen solle. Am 3. Januar 2007 übermittelte das Notariat dem Beklagten den Vertrag vom 28. Dezember 2006. Nach Abgabe einer Schenkungsteuererklärung durch A erließ der Beklagte diesem gegenüber unter dem 25. Oktober 2007, geändert unter dem 19. November 2007 und unter dem 29. Juli 2008 einen Schenkungsteuerbescheid über den Erwerb des Klägers aus der Schenkung vom 28. Dezember 2006, in dem er den Wert des Erwerbs zuletzt mit 938.795 € zuzüglich einer Vorschenkung von 200.000 € und unter Berücksichtigung eines Freibetrags für begünstigtes Betriebsvermögen erfasste und die Schenkungsteuer auf 99.550 € festsetzte. Der Wert des Erwerbs ohne übernommene Schenkungsteuer betrage entsprechend der Steuererklärung des Klägers 866.075 €. A bezahlte die festgesetzte Schenkungsteuer in voller Höhe.
Darüber hinaus übertrug A dem Kläger mit notariell beurkundetem Vertrag vom 20. November 2007 unentgeltlich weitere 12,94 % der Anteile an der B GmbH im Nennwert von 64.700 €. Anfallende Schenkungsteuer trage der Kläger selbst. Der Vertrag vom 20. November 2007 wurde dem Beklagten durch das Notariat am 23. November 2007 übermittelt. Eine Schenkungsteuererklärung forderte der Beklagte zunächst nicht an und zog zunächst auch sonst keine steuerlichen Folgen aus diesem Sachverhalt.
In der Folgezeit kam es zu Rechtsstreitigkeiten zwischen A und dem Kläger. A versuchte, die an den Kläger übertragenen Anteile an der B GmbH wegen groben Undanks und aufgrund vertraglicher Regelungen zurückzuerhalten. Zur Beendigung der Streitigkeiten schlossen u.a. der Kläger und A unter dem 1./2. Juli 2009 einen schiedsgerichtlichen Vergleich. Die Gesellschafterversammlung der B GmbH beschloss darin eine disquotale Gewinnausschüttung an den Kläger in Höhe von 1.250.000 € für den Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2008. Der Kläger trat daraufhin sämtliche von ihm gehaltenen Anteile an der B GmbH „zum Zwecke und in Erfüllung seiner gesetzlichen Rückabwicklungspflichten aus den Verträgen vom 28. Dezember 2006 und 20. November 2007“ an A ab. Im Rahmen der Gewinnausschüttung wurden Kapitalertragsteuer in Höhe von 312.500 € und Solidaritätszuschlag in Höhe von 17.187,50 € einbehalten.
Am 29. Dezember 2009 informierte A den Beklagten über die Schiedsvereinbarung und beantragte die Aufhebung des Bescheids vom 29. Juli 2008. Unter dem 26. April 2013 hob der Beklagte den Schenkungsteuerbescheid gegen A vom 29. Juli 2008 auf und erstattete diesem die von ihm gezahlte Schenkungsteuer. Außerdem forderte er den Kläger zur Abgabe einer Schenkungsteuererklärung auf.
Der Kläger trug hiergegen vor, er sei zur Abgabe einer Steuererklärung nicht verpflichtet. Bei dem vorliegend in Rede stehenden § 29 Abs. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) handele es sich nur um eine Wertermittlungsvorschrift, die keinen selbständigen Erwerb begründen könne. Die ursprüngliche Steuerschuld sei als Gesamtschuld durch Zahlung des A erloschen. Dazu sei insbesondere auf das Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – zum Az. II R 19/10 zum umgekehrten Fall zu verweisen. Hinsichtlich der Schenkung vom 28. Dezember 2006 sei die Aufhebung des Bescheids damit fehlerhaft gewesen mit der Folge, dass der Beklagte durch die Aufhebung abschließend auf die Besteuerung verzichtet habe. Schließlich sei im Hinblick auf beide Schenkungen Verjährung mit Ablauf des Jahres 2011 eingetreten.
Der Beklagte trat dem mit der Begründung entgegen, dass es sich bei Nutzungsbesteuerung um einen selbständigen Erwerbstatbestand handele. Die Steuerpflicht trete an die Stelle der erloschenen Steuer. Von jedem der beiden Beteiligten könne die Erklärungsabgabe verlangt werden, es sei aber unwahrscheinlich, dass der Schenker jetzt noch die Steuer bezahlen werde. Er setzte mit Bescheiden jeweils vom 11. Dezember 2013 gegenüber dem Kläger als Nießbraucher der Erwerbe aus den Schenkungen vom 28. Dezember 2006 und vom 20. November 2007 Schenkungsteuer fest. Dabei setzte er den Erwerb aus der Schenkung vom 28. Dezember 2006 mit 817.975 € (1.250.000 € x 0,65438 (122.500 € / 187.200 €)) und vom 20. November 2007 mit 432.025 € (1.250.000 € x 0,34562 (64.700 € / 187.200 €)) an.
Der Kläger legte hiergegen Einsprüche ein und trug ergänzend vor, dass eine Doppelbelastung mit Einkommensteuer und Schenkungsteuer vorliege. Im Rahmen der Verjährung komme die Annahme eines rückwirkenden Ereignisses nur ausnahmsweise beim Erlass von Erstbescheiden in Betracht. Eine Ausnahme sei hier nicht gegeben. Auch sei die Bewertung nicht anhand der tatsächlich zugeflossenen Erträge (ex tunc), sondern anhand der zur Zeit der Schenkung zu erwartenden durchschnittlichen Erträge (ex nunc) vorzunehmen. Insbesondere stelle die tatsächlich erfolgte Gewinnausschüttung gerade einen Ausgleich für die Arbeitsleistung des Klägers dar und spiegele nicht den ganz allgemein zu erwartenden Wert bei Nutzung der Anteile wider. Darüber hinaus sei die disquotale Ausschüttung auch im Zusammenhang mit der Zustimmung zur Rückabwicklung erfolgt. Weiterhin seien Bewertungsabschläge zu berücksichtigen. Eine eigene Ermittlung des Werts sei ihm mangels Zugriffs auf Unterlagen der Gesellschaft nicht möglich. Schließlich bitte er um Berücksichtigung von Rechts- und Beratungskosten in Höhe von 274.505,49 €, die er bis zur Rückabwicklung im Nießbrauchszeitraum zur Verteidigung der Vermögenswerte und zur Verhandlung des Vergleichs aufgewandt habe. Zwar sei eine Aufteilung zwischen den Aufwendungen betreffend die Rückabwicklung der Schenkung und die Erlangung / Sicherung der Dividenden nicht möglich. Im Hinblick auf die Höhe der Dividenden entfalle aber der größere Teil auf den Nießbrauch. Schon die Berücksichtigung von 50 % der Aufwendungen führe zu einer erheblichen Reduzierung der Schenkungsteuer.
Der Beklagte kündigte an, Berichtigungsbescheide im Hinblick auf die Höhe der Erwerbe zu erlassen, woraufhin der Kläger mitteilte, dass sich an seiner bisherigen Ansicht nichts geändert habe, dem vom Beklagten gewählten Bewertungsansatz aber für dieses Einspruchsverfahren zustimme. Der Beklagte änderte daraufhin unter dem 8. Januar 2015 den Bescheid über den Erwerb aus der Schenkung vom 28. Dezember 2006 und setzte den Wert des Erwerbs mit 108.701 € an und die Schenkungsteuer auf 11.957 € abzüglich eines Anrechnungsbetrags für Vorschenkungen von 33 € auf 11.924 € fest. Außerdem änderte er unter dem 9. Januar 2015 den Bescheid über den Erwerb aus der Schenkung vom 20. November 2007 und setzte den Wert des Erwerbs mit 35.301 € an und die Schenkungsteuer auf 15.840 € abzüglich eines Anrechnungsbetrags für Vorschenkungen von 11.990 € auf 3.850 € fest. Bei der Wertermittlung seien die gesamten Gewinnausschüttungen an den Kläger für die Jahre 2007 bis Mitte 2009 in Höhe von 2.539.956 €, also bei 2,5 Jahren ein Jahreswert von 1.015.982 €, davon 664.839 € für die erste und 351.143 € für die zweite Schenkung zu berücksichtigen. Der Höchstbetrag des Jahreswerts sei aber auf den Wert der GmbH-Anteile zur Zeit der Übertragung am 28. Dezember 2006 von 866.075 € / 18,6 x 2,3345 (Vervielfältiger für 2,5 Jahre) = 108.701 € und aus Vereinfachungsgründen auch für die Anteilsübertragung vom 20. November 2007 auf den entsprechenden Wert vom 28. Dezember 2006 von 457.429 € / 18,6 x 1,4355 (Vervielfältiger für 1,5 Jahre) = 35.301 € begrenzt.
Der Kläger legte hiergegen erneut Einsprüche ein, begründete diese insbesondere mit den weiterhin nicht berücksichtigten Rechts- und Beratungskosten und reichte hierzu Unterlagen ein.
Der Beklagte wies die Einsprüche mit Entscheidungen vom 18. November 2015 als unbegründet zurück. Er verwies auf seine Stellungnahmen im bisherigen Verfahren und führte ergänzend aus, dass die Festsetzungsverjährung bei rückwirkenden Ereignissen erst mit Ablauf des Jahres des rückwirkenden Ereignisses beginne und vorliegend erst mit Ablauf des Jahres 2013 ende. Das gelte auch beim erstmaligen Erlass von Steuerbescheiden. Anders als der Kläger meine, sei im Rahmen der Bewertung eine Rückwärtsbetrachtung vorzunehmen mit der Folge, dass die Höhe des Jahresertrags bekannt und nicht mehr ungewiss sei. Die Rechts- und Beratungskosten seien nicht abzugsfähig, da die Schenkungen rückabgewickelt worden seien und die Kosten damit nicht mehr im Zusammenhang mit einem Erwerb stünden.
Mit seiner Klage trägt der Kläger ergänzend vor, dass hinsichtlich des Vorgangs vom 20. November 2007 Festsetzungsverjährung eingetreten sei, da der Beklagte zunächst keine Steuererklärung angefordert habe. Die Rechts- und Beratungskosten seien im Zusammenhang mit der Erlangung und Sicherung des Erwerbs entstanden.
Der Kläger beantragt,
1. den Schenkungsteuerbescheid des Beklagten über den Erwerb aus der Schenkung des A vom 28. Dezember 2006 vom 8. Januar 2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. November 2015 aufzuheben,
2. den Schenkungsteuerbescheid des Beklagten über den Erwerb aus der Schenkung des A vom 20. November 2007 vom 9. Januar 2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. November 2015 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt ergänzend vor, dass das vom Kläger zitierte BFH-Urteil nicht einschlägig sei, da die Schenkung im Rahmen dessen tatsächlich nicht rückabgewickelt worden sei. Außerdem spreche gegen eine Einordnung als reine Wertermittlungsvorschrift die Problematik der Gesamtschuldnerauswahl, wenn der Schenker die Steuer nach Rückabwicklung nicht mehr übernehme. Für beide Vorgänge sei für den Beginn der Festsetzungsfrist das rückwirkende Ereignis maßgeblich, von dem er erst im Februar 2010 erfahren habe.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat Erfolg.
Sie ist zulässig und begründet.
Die Festsetzung der Schenkungsteuer gegenüber dem Kläger mit Bescheid vom 8. Januar 2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. November 2015 über seinen Erwerb aus der Schenkung des A vom 28. Dezember 2006 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1, 1. HS der Finanzgerichtsordnung – FGO).
Für die Festsetzung der Schenkungsteuer gegenüber dem Kläger gibt es keine Rechtsgrundlage mehr. Denn mit der Zahlung der Schenkungsteuer durch A ist die Steuer auch gegenüber dem Kläger erloschen und lebte mit der Aufhebung des gegenüber A erlassenen Schenkungsteuerbescheids und der Erstattung des ursprünglich gezahlten Betrags dem Kläger gegenüber nicht wieder auf.
Die Erfüllung durch einen Gesamtschuldner wirkt nach § 44 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) auch für die übrigen Schuldner. Andere Tatsachen wirken gemäß § 44 Abs. 2 Satz 3 AO nur für und gegen den Gesamtschuldner, in dessen Person sie eintreten. Entrichtet der Bedachte die ihm gegenüber festgesetzte Schenkungsteuer in vollem Umfang, so erlischt diese gemäß § 47 i.V.m. § 44 Abs. 2 Satz 1 AO auch mit Wirkung gegenüber dem Schenker. Sie kann daher diesem gegenüber nicht mehr festgesetzt werden (BFH, Urteil vom 29. Februar 2012 – II R 19/10, BFHE 237, 188, BStBl II 2012, 489 m.w.N.).
Das gilt auch für den vorliegenden umgekehrten Fall. Denn als Schenker und Erwerber sind A und der Kläger beide Steuerschuldner gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG. Sie sind auch Gesamtschuldner nach § 44 Abs. 1 Satz 1 AO, weil sie nebeneinander dieselbe Leistung aus dem Steuerschuldverhältnis schulden. Mit Zahlung der zunächst ihm gegenüber festgesetzten Schenkungsteuer durch A ist die Steuer auch dem Kläger gegenüber erloschen.
Es führt auch zu keinem anderen Ergebnis, dass der Beklagte den Bescheid über den Erwerb aus der Schenkung vom 28. Dezember 2006 aufgehoben und den von A gezahlten Betrag an diesen erstattet hat.
Denn nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs handelt es sich um Tatsachen, die nicht in der Person des Schenkers eintreten und daher gemäß § 44 Abs. 2 Satz 3 AO nicht für und gegen diesen wirken, wenn die Steuer später dem Bedachten zurückgezahlt wird, weil etwa einem Einspruch oder einer Klage stattgegeben oder aus anderen Gründen ein Änderungsbescheid zugunsten des Bedachten erlassen wird. Die durch Zahlung gegenüber dem Schenker erloschene Steuer lebt in solchen Fällen diesem gegenüber nicht wieder auf und kann daher ihm gegenüber auch nicht festgesetzt werden. Dabei ist nicht die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Erstattung der Steuer an den Bedachten entscheidend, sondern dass die Erstattung und die dieser zugrunde liegende finanzbehördliche oder gerichtliche Entscheidung keine Tatsachen sind, die in der Person des Schenkers eintreten, und daher ihm gegenüber nach § 44 Abs. 2 Satz 3 AO keine Wirkung entfalten. Auch führt es zu keinem anderen Ergebnis, wenn der Schenker durch sein Verhalten zu der vollständigen oder teilweisen Rückzahlung der Steuer beigetragen hat. Die entscheidenden Tatsachen, nämlich die Rückzahlung der Steuer an den Bedachten und der Erlass der der Rückzahlung zugrunde liegenden finanzbehördlichen oder gerichtlichen Entscheidung gegenüber dem Bedachten, treten nämlich auch in diesem Fall nicht in der Person des Schenkers ein (zum Ganzen m.zahlr.w.N. BFH, Urteil vom 29. Februar 2012 – II R 19/10, BFHE 237, 188, BStBl II 2012, 489; aktuell und dem folgend Finanzgericht – FG – Münster, FG Münster, Urteil vom 26. Februar 2015 – 3 K 823/13 Erb, EFG 2015, 1287).
So liegt es auch im vorliegenden umgekehrten Fall, in dem der Bescheid gegenüber dem Schenker A aufgehoben und die von ihm gezahlte Schenkungsteuer an diesen erstattet worden ist. Denn die Erstattung und die der Erstattung zugrunde liegende Aufhebung des Schenkungsteuerbescheids gegenüber A sind nach § 44 Abs. 2 Satz 3 AO andere Tatsachen, die in der Person des A eintreten und für diesen wirken, nicht aber Tatsachen, die in der Person des Klägers eintreten und für diesen wirken. Unerheblich ist nach der Rechtsprechung dabei auch, dass der Kläger durch den Abschluss der Schiedsvereinbarung mit A gleichsam zur Rückzahlung beigetragen hat.
Daran ändert auch nichts, dass es sich vorliegend um einen Fall des § 29 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 ErbStG handelt, in dem aufgrund der Schiedsvereinbarung vom 1./.2. Juli 2009 die im Jahr 2006 übertragenen Anteile wieder zurückübertragen wurden und der Kläger nunmehr für den Zeitraum, für dem ihm die Nutzungen zugestanden haben, wie ein Nießbraucher zu behandeln ist. Denn § 29 Abs. 2 ErbStG beinhaltet keinen neuen Erwerbstatbestand, sondern führt lediglich dazu, dass die ursprünglich entstandene Steuer nicht in voller Höhe erlischt (Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, Urteil vom 09. Oktober 2008 – 3 K 111/06, EFG 2009, 40; Knobel, in Viskorf u.a., ErbStG, § 29 Rn. 54; Jülicher, in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 29 Rn. 122; a.A. Meincke, ErbStG, § 29 Rn. 3; Weinmann, in Moench, ErbStG, § 29 Rn. 24). Für diese dogmatische Einordnung spricht der Wortlaut des § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, der ein Erlöschen nur vorsieht, „soweit“ ein Geschenk herausgegeben werden musste, in Verbindung mit dem Wortlaut des § 29 Abs. 2 ErbStG, der eine Behandlung wie ein Nießbraucher für den Zeitraum vorsieht, für den ihm die Nutzungen „zugestanden haben“. Dementsprechend kommt es nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift darauf an, dass dem Erwerber von der ursprünglichen Bereicherung noch ein Teil verblieben ist (Knobel, in Viskorf u.a., ErbStG, § 29 Rn. 54). Auch die Gesetzesbegründung stellt darauf ab, dass der Erwerber bereichert „bleibt“. Der Vorschrift kommt nur eine klarstellende Funktion zu (BR-Drs. 140/72, S. 75, zum damaligen § 27 ErbStG; dazu Jülicher, in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 29 Rn. 122). Schließlich spricht die Systematik des Gesetzes gegen einen selbständigen Erwerbstatbestand, da § 29 Abs. 2 ErbStG dem Abschnitt 4: „Steuerfestsetzung und Erhebung“, nicht aber dem Abschnitt 1: „Steuerpflicht“ mit den Erwerbstatbeständen des ErbStG zugeordnet ist. Anders als der Beklagte meint, können Folgeprobleme im Zusammenhang mit der Gesamtschuldnerauswahl bei später fehlender Übernahme der Schenkungsteuer durch den Schenker nicht über die dogmatische Einordnung der Vorschrift entscheiden.
Auch die Festsetzung der Schenkungsteuer gegenüber dem Kläger mit Bescheid vom 9. Januar 2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. November 2015 über seinen Erwerb aus der Schenkung des A vom 20. November 2007 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1, 1. HS der Finanzgerichtsordnung – FGO).
Die Steuerfestsetzung ist gemäß § 169 Abs. 1 Satz 1 AO nicht mehr zulässig, da die Festsetzungsfrist zum Zeitpunkt des erstmaligen Erlasses des Steuerbescheides vom 11. Dezember 2013 bereits abgelaufen war.
Die Festsetzungsfrist für die Schenkungsteuer aus der Anteilsübertragung vom 20. November 2007 begann gemäß § 170 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 2 AO mit Ablauf des Jahres 2007, da die Schenkungsteuer gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG mit der Ausführung der Schenkung am 20. November 2007 entstanden und dem Beklagten am 23. November 2007 der Übertragungsvertrag durch das zuständige Notariat übermittelt worden ist. Die Festsetzungsfrist endete gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO vier Jahre später mit Ablauf des Jahres 2011.
Anders als der Beklagte meint, findet im vorliegenden Fall nicht die Verjährungsvorschrift des § 175 Abs. 1 Satz 2 AO Anwendung, wonach bei Vorliegen eines rückwirkenden Ereignisses die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem das Ereignis eintritt, beginnt.
Zwar spricht sich der Bundesfinanzhof grundsätzlich für die Anwendung der Korrekturvorschrift des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO auch in den Fällen des erstmaligen Erlasses von Steuerbescheiden aus (BFH, Urteil vom 19. August 2003 – VIII R 67/02, BFHE 203, 309, BStBl II 2004, 107; BFH, Urteil vom 16. Juni 2015 – IX R 30/14, BFHE 250, 305). Allerdings musste er noch nicht die Frage beantworten, ob das auch gilt, wenn die reguläre Festsetzungsfrist für den Erlass des Erstbescheides bereits abgelaufen ist und sich die weitergehende Frage stellt, ob auch § 175 Abs. 1 Satz 2 AO beim erstmaligen Erlass eines Steuerbescheides anwendbar sein kann. Hiergegen spricht der Sinn und Zweck des § 175 Abs. 1 Satz 2 AO, der eine Umsetzung der durch die Rückwirkung ausgelösten Korrekturpflicht ermöglichen soll (dazu Knobel, in Viskorf u.a., ErbStG, § 29 Rn. 67; von Groll, in Hübschmann /Hepp/Spitaler, AO, § 175 Rn. 410). Es soll also nur die Anpassungsmöglichkeit bei Eintreten eines rückwirkenden Ereignisses geschützt werden, das durchaus auch einige Zeit nach Ablauf der regulären Festsetzungsfrist noch eintreten kann. Nicht aber sollen Versäumnisse des Beklagten im Hinblick auf den Erlass von Erstbescheiden innerhalb der für sie geltenden regulären Festsetzungsfristen ausgeglichen werden. Dem entsprechend wird in der Literatur vertreten, dass § 175 Abs. 1 Satz 2 AO auf Erstbescheide nur dann anwendbar ist, wenn aufgrund des rückwirkenden Ereignisses der Besteuerungstatbestand erst verwirklicht wird (dazu Rüsken, in Klein, AO, § 175 Rn. 51).
Letzteres ist hier nicht gegeben. Beim vorliegenden Fall der Rückabwicklung einer Schenkung mit der Folge einer Besteuerung als Nießbraucher im Sinne des § 29 Abs. 2 ErbStG handelt es sich, wie bereits ausgeführt, nicht um einen selbständigen Erwerbstatbestand, sondern lediglich um eine nur teilweise Korrektur der Festsetzung der schon am 20. November 2009 entstandenen Schenkungsteuer. Die schon am 20. November 2009 entstandene Schenkungsteuer hätte der Beklagte innerhalb der ihm zur Verfügung stehenden Frist festsetzen müssen. Die neue Frist des § 175 Abs. 1 Satz 2 AO hätte dann nur die Anpassung des schon erlassenen Steuerbescheides außerhalb der regulären Festsetzungsfrist aufgrund der Rückabwicklung der Schenkung ermöglicht.
Die Rechtswidrigkeit des Bescheids des Beklagten vom 9. Januar 2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. November 2015 über den Erwerb aus der Schenkung des A vom 20. November 2007 ergibt sich auch daraus, dass die vom Kläger geltend gemachten Rechts- und Beratungskosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1, § 1 Abs. 2 ErbStG zum Abzug zuzulassen sind.
Nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG sind als Nachlassverbindlichkeiten u.a. abzugsfähig, Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen. Der Begriff der Erwerbskosten i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG ist dabei grundsätzlich weit auszulegen. Für eine unterschiedliche Behandlung von Nachlassregelungskosten und Erwerbserlangungskosten sind keine sachlichen Gründe erkennbar. Ein unmittelbarer Zusammenhang der Kosten mit dem Erwerb liegt vor, wenn sie dafür aufgewendet werden, dass der Erwerber seine Rechtsstellung erlangt. In zeitlicher Hinsicht können die Kosten vor dem Erbfall entstanden sein, müssen es aber nicht. Entstehen die Kosten nach dem Erbfall, ist es ausreichend, wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang mit der Erlangung oder Sicherung der Erbenstellung vorliegt. Kosten, die dem letztlich bestimmten Erben infolge eines Rechtsstreits um die Erbenstellung entstehen, hängen regelmäßig unmittelbar mit der Erlangung des Erwerbs zusammen. Denn ohne die Erbenstellung ist auch ein Erwerb nach § 1922 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ausgeschlossen (zum Ganzen BFH, Urteil vom 15. Juni 2016 – II R 24/15, BFHE 254, 60 m.w.N.).
Gleiches muss auch für den vorliegenden Fall der Schenkung unter Lebenden gelten. Denn die Vorschriften über Erwerbe von Todes wegen gelten, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch für Schenkungen unter Lebenden (§ 1 Abs. 2 ErbStG). Bei der Besteuerung von Schenkungen unter Lebenden gelten über den Wortlaut des Gesetzes hinaus alle Bestimmungen des ErbStG, sofern sie nicht Sachverhalte betreffen, die allein bei Erwerben von Todes wegen vorkommen. § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG behandelt zwar im Wesentlichen nur Fallgruppen von Nachlassverbindlichkeiten; was es aber nicht ausschließt, dass auch im Fall der Schenkung entsprechende bereicherungsmindernde Umstände eintreten können. So hat der Bundesfinanzhof anerkannt, dass bei einer Schenkung der Erwerbsaufwand des Beschenkten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG abzugsfähig ist (vgl. BFH-Urteil vom 20. Dezember 2000 II R 42/99, BFHE 194, 435, BStBl II 2001, 454; BFH, Urteil vom 08. Oktober 2003 – II R 46/01, BFHE 204, 299, BStBl II 2004, 234). Insofern sind auch Prozesskosten zur Erlangung und Sicherung der Schenkung berücksichtigungsfähig (Jüptner, in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG, 5. Aufl. 2014, § 10 Rn. 224; allgemeiner Schuck, in Viskorf u.a., § 10 Rn. 129: Beratungskosten i.Z.m. Schenkungen sind abzugsfähig; Gebel, in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 7 Rn. 213: Folgekosten einer Schenkung sind abzugsfähig).
Die geltend gemachten Rechts- und Beratungskosten dienten unmittelbar der Sicherung der bisherigen Rechtsposition des Klägers sowie dem Erhalt der hiermit verbundenen Nutzungen. Denn der Kläger hat diese aufgewandt, um sich gegen die von A geforderte Rückübertragung der Anteile zu verteidigen und zumindest die Gewinnausschüttungen im Zeitraum der Inhaberschaft der schenkweise übertragenen Anteile zu be- bzw. erhalten.
Die Bestimmung des R E 7.4 Abs. 4 i.V.m. Anhang E 6 der Erbschaftsteuer-Richtlinien 2013 (ErbStRL), wonach Kosten im Vorfeld einer Schenkung nicht zum Abzug zugelassen sein sollen, weil ein unmittelbarer Zusammenhang mit dem schenkweise zugewendeten Vermögen nicht bestehe, ist insofern nicht einschlägig. Hierfür spricht insbesondere auch, dass der Senat von nur einem einheitlichen Steuerentstehungstatbestand ausgeht, zu dem stets ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Sicherung der Schenkung in ursprünglicher Form und dem Erhalt der Schenkung nach Rückabwicklung angenommen werden kann. Im Übrigen binden Verwaltungsvorschriften die Gerichte nicht wie gesetzliche Regelungen (BVerwG, Urteil vom 26. April 1979 – 3 C 111.79 –, BVerwGE 58, 45; BFH, Urteil vom 12. April 1983 – VII R 4/80, Juris).
Auch § 10 Abs. 6 Satz 1 ErbStG ist, anders als der Beklagte meint, nicht einschlägig. Hiernach sind Schulden und Lasten, soweit sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Vermögensgegenständen stehen, die nicht der Besteuerung nach diesem Gesetz unterliegen, nicht abzugsfähig. Das ist vorliegend nicht der Fall, da die ursprüngliche Schenkung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, später in Gestalt der Nutzungen nach § 29 Abs. 2 ErbStG steuerbar ist. Auch § 10 Abs. 6 Satz 4 ErbStG kommt nicht zur Anwendung, da der vorliegende Bescheid vom 9. Januar 2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. November 2015 keine Steuerbefreiung nach § 13a ErbStG mehr enthält.
Bei Berücksichtigung der Rechts- und Beratungskosten verbleibt dem Kläger keine Bereicherung im Sinne des § 29 Abs. 2 ErbStG. Denn bei Aufteilung der Kosten nach dem Verhältnis der Anteile zueinander ergibt sich für die Schenkung vom 20. November 2007 ein Abzugsbetrag von 94.874,49 € (64.700 / 187.200 x 274.505,49 €). Bei einem zuletzt angesetzten Erwerb von 35.301 € für die Schenkung vom 20. November 2007 reduziert sich der Wert des Erwerbs auf 0 €.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 Abs. 3, 155 Satz 1 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
Die Revision war zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO vorliegen.