Fortwirkung des Zustimmungsverlangens zugunsten des Grundstückserwerbers

Juni 30, 2020

LG Kassel, Urteil vom 03. November 1994 – 1 S 434/94

Mieterhöhung: Fortwirkung des Zustimmungsverlangens zugunsten des Grundstückserwerbers

Gründe

Die Berufung der Beklagten ist entgegen der Auffassung der Kläger statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes (§511a Abs. 1 ZPO) nicht nach dem Gebührenstreitwert im Sinne von § 16 GKG zu berechnen ist, sondern vielmehr gemäß § 9 ZPO mit dem 31/2fachen Jahresbetrag der streitigen Mieterhöhung. Die Berufung ist ferner form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, mithin zulässig. In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg.
Die Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung ist zulässig und in dem vom AG (Kassel) ausgeurteilten Umfang begründet (§ 2 MHG). Streitig ist im zweiten Rechtszug nur noch die Rechtsfrage, ob die durch das Mieterhöhungsverlangen der früheren Eigentümer und Vermieter v. 29. 6. 1993 begründete Rechtsposition gemäß § 571 BGB auf die Kläger als spätere Erwerber der Wohnung übergegangen ist, so daß diese – wie geschehen – im eigenen Namen den Zustimmungsanspruch gerichtlich geltend machen können. Diese Rechtsfrage wird von der Kammer bejaht:
Daß ein Anspruch auf Zustimmung zu einer Mieterhöhung (§2 MHG) zu den Rechten „aus dem Mietverhältnis“ (vgl. § 571 BGB) zu zählen ist, kann nicht zweifelhaft sein, weil insoweit – da es um die Veränderung der Hauptleistungspflicht des Mieters geht – der Kernbereich eines Mietverhältnisses angesprochen ist. Hierzu steht auch nicht der Hinweis der Beklagten in Widerspruch, daß der Zustimmungsanspruch an den Bestand des Mietverhältnisses geknüpft sei und daher nicht selbständig abgetreten werden könne. Denn gerade daß der Anspruch untrennbar mit dem Bestand des Mietverhältnisses verknüpft ist, unterstreicht mit Deutlichkeit, daß es insoweit um einen Anspruch „aus dem Mietverhältnis“ geht. Die Frage der Abtretbarkeit eines solchen Anspruchs stellt sich im übrigen im vorliegenden Fall nicht, da die Kläger ihren Anspruch nicht etwa aus abgetretenem Recht herleiten bzw. vor dem Eigentumsübergang auf sie unter Hinweis auf eine Abtretung des vorherigen Vermieters den Anspruch geltend gemacht haben, wogegen in der Tat rechtliche Bedenken bestanden hätten (zu den insoweit denkbaren Konstellationen vgl. Schultz in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 2. Aufl., Kapitel IIIA Rn. 361-364a). Vorliegend ist vielmehr der Fall zu beurteilen, daß die früheren (seinerzeit dazu auch berechtigten) Vermieter den Erhöhungsanspruch schriftlich geltend gemacht haben (§ 2 Abs. 2 MHG), und daß danach, und zwar noch während des Laufs der Zustimmungsfrist (§ 2 Abs. 3 Satz 1 MHG), ein Eigentümerwechsel – mithin eine Veräußerung im Sinne von § 571 Abs. 1 BGB – eingetreten ist. Dabei wäre es unpräzise, die Frage, welche Rechtsfolgen diese Veräußerung hatte, darauf zu richten, ob die Kläger durch den Erwerb der Wohnung in das Recht eingetreten sind, von den Beklagten eine Mieterhöhung zu verlangen. Denn dieses Recht haben die Kläger quasi originär erworben, soweit in dem Zeitpunkt, in dem sie gemäß § 571 BGB Vermieter wurden, die in § 2 Abs. 1 MHG genannten materiellen Voraussetzungen für eine Mieterhöhung erfüllt waren. Maßgeblich ist daher vielmehr die Rechtsfrage, ob die Kläger in die Rechtsposition eingetreten sind, die sich aus der schriftlichen Geltendmachung des Erhöhungsanspruches (§ 2 Abs. 2 MHG) durch die früheren Vermieter als formelle Voraussetzung für die Zustimmungspflicht des Mieters sowie für die Klagbarkeit des Zustimmungsanspruchs (vgl. § 2 Abs. 3 MHG) ergab.
Insoweit ist die Kammer der Auffassung, daß die formell wirksame Geltendmachung des Erhöhungsverlangens durch den ursprünglichen Vermieter zugunsten des danach in das Mietverhältnis eintretenden Erwerbers fortwirkt (ebenso:Emmerich-Sonnenschein, Miete, 6. Aufl., § 2 MHGRn. 21; Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., III 637; vgl. auch Schultz, a. a. O., Rn. 365). Denn da ein formell wirksames Erhöhungsverlangen im Sinne des § 2 Abs. 2 MHG Voraussetzung für die Zustimmungspflicht des Mieters sowie für die Zulässigkeit der Klage auf Erteilung der Zustimmung ist, wirkt sich ein vom früheren Vermieter ausgesprochenes Erhöhungsverlangen im Falle eines Eigentumswechsels während der Zustimmungsfrist (§ 2 Abs. 3 Satz 1 MHG) auf die Rechtsbeziehungen innerhalb des Mietverhältnisses auch noch für die Zeit aus, in welcher der Erwerber aufgrund seines Eintritts in das Mietverhältnis Vermieter geworden ist. Da § 571 BGB von dem Grundsatz ausgeht, daß ein Mietverhältnis in dem rechtlichen Zustand, in dem es sich zur Zeit der Veräußerung befindet, auf den Erwerber übergehen soll, läßt sich kein Argument dafür finden, warum hinsichtlich der Rechtswirkungen eines vor dem Eigentumswechsel formell geltend gemachten Mieterhöhungsverlangens etwas anderes gelten sollte.
Der Hinweis der Beklagten, es sei dieselbe rechtliche Beurteilung geboten wie bei einem (vor dem Eigentumswechsel entstandenen) Kündigungsrecht des veräußernden Vermieters, geht insoweit jedenfalls dann fehl, wenn – wie hier – vor dem Eigentumswechsel ein Anspruch auf Zustimmung zu einer Mieterhöhung nicht nur nach den materiellen Voraussetzungen in § 2 Abs. 1 MHG bestand, sondern darüber hinaus vom bisherigen Vermieter auch bereits durch Geltendmachung in der durch § 2 Abs. 2 MHG vorgeschriebenen Form ausgeübt worden war. Dabei ist nämlich zu bedenken, daß für den Fall der Kündigung anerkannt ist, daß bei einer vom veräußernden Vermieter bereits ausgesprochenen Kündigung der Erwerber grundsätzlich gemäß § 571 BGB in die durch diese Kündigung begründeten Vermieterrechte eintritt, also u. a. Inhaber des Rückgabeanspruchs nach § 556 Abs. 1 BGB wird sowie im Falle unterbliebener Rückgabe eine Nutzungsentschädigung nach § 557 Abs. 1 BGB verlangen kann (vgl. OLG Hamm, RE v. 21. 7. 1992, NJW-RR 1992, 1164 = RES § 564b BGB Nr. 54 (= WM 1992, 460), m. w. N.). Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn die Kündigung auf mit der Person des bisherigen Vermieters untrennbar zusammenhängende Gründe (etwa Eigenbedarf) gestützt war (dazu näher: OLG Hamm a. a. O.).
Die Wirkungen eines noch vom veräußernden Vermieter gemäß § 2 Abs. 2 MHG geltend gemachten Mieterhöhungsverlangens lassen sich nach Auffassung der Kammer nicht anders beurteilen. Ein Mieterhöhungsverlangen steht zwar einer unmittelbar rechtsgestaltenden Kündigungserklärung nicht völlig gleich, hat aber doch vergleichbare Wirkungen insoweit, als – wie ausgeführt – die vom Vermieter vorzunehmende schriftliche Geltendmachung des Erhöhungsanspruches eine Voraussetzung für dessen Durchsetzung bzw. Klagbarkeit ist, da hierfür das Vorliegen der materiellen Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 Abs.1 MHG allein nicht ausreicht. Auch zieht die schriftliche Geltendmachung des Erhöhungsverlangens insoweit unmittelbare Rechtsfolgen nach sich, als sie die Zustimmungsfrist nach § 2 Abs. 3 Satz 1 MHG in Lauf setzt. Die genannten Gesichtspunkte sprechen daher dafür, daß die Wirkungen der noch vom veräußernden Vermieter abgegebenen Willenserklärung – ebenso wie grundsätzlich im Falle einer bereits ausgesprochenen Kündigung – nach dem Eigentumsübergang vom Erwerber geltend gemacht werden können.
Dem können die Beklagten auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, ein Mieterhöhungsverlangen habe einen „höchstpersönlichen Charakter“. Die dem Vermieter durch das MHG eröffnete Möglichkeit, eine Anpassung des Mietzinses zu verlangen, dient lediglich dazu, bei längerfristigen Mietverhältnissen die wirtschaftliche Ausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung auf Dauer erhalten zu können. Das Recht, eine Mieterhöhung zu verlangen, ist dementsprechend nach § 2 Abs. 1 MHG ausschließlich an objektive Kriterien geknüpft (Miete seit mindestens 1 Jahr unverändert; keine Überschreitung der ortsüblichen Vergleichsmiete; Einhaltung der sogenannten Kappungsgrenze). Auch das Erhöhungsverlangen als solches ist lediglich objektiven Wirksamkeitsvoraussetzungen unterworfen (schriftliche Geltendmachung sowie Begründung nach näherer Maßgabe von § 2 Abs. 2 MHG). Von einem „höchstpersönlichen Charakter“ eines Mieterhöhungsverlangens kann daher keine Rede sein. Deshalb besteht auch keine Vergleichbarkeit mit dem Fall einer vom früheren Vermieter etwa wegen Eigenbedarfs ausgesprochenen Kündigung, bei der es dem Erwerber verwehrt sein kann, sich auf die Kündigungswirkungen zu berufen, soweit das geltend gemachte Erlangungsinteresse in seiner eigenen Person nicht erfüllt ist (vgl. dazu OLG Hamm, a. a. O.).
Zu berücksichtigen ist schließlich, daß § 571 BGB eine reine Mieterschutzvorschrift darstellt und daher durchgehend in diesem Licht gesehen und ausgelegt werden muß (vgl. OLG Karlsruhe, RES § 571 BGB Nr. 3 = RES Band V, Seite 80ff., 82 (= WM 1985, 77)). Ein Vermieterwechsel soll also dem Mieter nicht schaden, ihm aber andererseits auch nicht nützen (OLG Hamm, a. a. O., Seite 1165 (=WM a. a. O.)). Auch von daher lassen sich keine Argumente dafür finden, warum die Wirkungen eines noch vom Veräußerer formell wirksam geltend gemachten Erhöhungsverlangens dem Erwerber nicht gemäß § 571 BGB zugute kommen sollten. Anderenfalls würde nämlich der Mieter begünstigt, wenn in den Lauf der wirksam in Gang gesetzten Zustimmungsfrist nach § 2 Abs. 3 Satz 1 MHG ein Eigentümerwechsel fällt, denn die Mieterhöhung wäre zumindest nur mit zeitlicher Verzögerung durchsetzbar, falls – wie die Beklagten meinen – eine Neuvornahme des Erhöhungsverlangens durch den Erwerber erforderlich wäre. Die Auffassung der Beklagten würde also dazu führen, daß dem Mieter – zumindest für einen gewissen Zeitraum – wirtschaftliche Vorteile entstünden, welche er ohne den Eigentumswechsel nicht gehabt hätte. Ein solches Ergebnis ist aber gerade nicht Zweck der Vorschrift in § 571 BGB, welche den Mieter lediglich vor Nachteilen eines Eigentümerwechsels schützen soll.
Schließlich führt die von der Kammer vertretene Rechtsauffassung entgegen den von den Beklagten in der mündlichen Verhandlung geäußerten Bedenken auch nicht dazu, daß der Mieter doppelt (nämlich sowohl durch den früheren Vermieter als auch durch den Erwerber) gerichtlich in Anspruch genommen werden könnte. Ist – wie im vorliegenden Fall – noch während der Zustimmungsfrist nach § 2 Abs. 3 Satz 1 MHG und vor Klageerhebung der Eigentümerwechsel mit den sich daraus nach § 571 BGB ergebenden Wirkungen eingetreten, so stünde einer Klage des früheren Vermieters auf Zustimmung zur Mieterhöhung sowohl der Einwand fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als auch – in materieller Hinsicht – das Fehlen der Aktivlegitimation entgegen. Tritt dagegen der Eigentümerwechsel erst ein, nachdem der bisherige Vermieter bereits Klage erhoben hat, so stünde die Rechtshängigkeit dieser Klage der Zulässigkeit einer (weiteren) Klage des Erwerbers entgegen (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Ohne Zustimmung des Mieters könnte der Erwerber nicht einmal den bereits rechtshängigen Prozeß als Hauptpartei anstelle des bisherigen Vermieters übernehmen (§ 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Vielmehr wäre, falls der Mieter einem Parteiwechsel nicht zustimmt, der Prozeß von dem bisherigen Vermieter weiterzuführen, wobei dieser allerdings seinen Klageantrag in der Sache dahingehend umstellen müßte, daß die Zustimmung zu der Mieterhöhung dem neuen Vermieter gegenüber zu erteilen ist, weil ansonsten die Klage als unbegründet abzuweisen wäre (vgl. Zöller, ZPO, 18. Aufl., § 265 Rn. 8). Aus alledem folgt, daß die hier vertretene Auffassung zur Anwendbarkeit des § 571 BGB im Falle eines noch von dem früheren Vermieter wirksam geltend gemachten Erhöhungsverlangens auch zu keinen prozeßrechtlichen Nachteilen für den Mieter führt.

Haben Sie Fragen? 

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.
© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.