Haftung des GmbH-Geschäftsführers

Juni 27, 2020

OLG Koblenz, Urteil vom 23. Dezember 2014 – 3 U 1544/13
Haftung des GmbH-Geschäftsführers: Verteilung der Darlegungs- und Beweislast bei Schadensersatzanspruch der Gesellschaft; Ermessensausübung des Geschäftsführers und gerichtliche Überprüfung bei unternehmerischen Entscheidungen; Sorgfaltspflichtverletzung bei Erbringung von Anzahlungen ohne Absicherung durch Bürgschaften
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz – Einzelrichter – vom 13. November 2013 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Klage gegen die Beklagten zu 1) und 2) wird abgewiesen.
2. Der Beklagte zu 3) wird verurteilt, an den Kläger 38.617,13 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. August 2010 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage gegen den Beklagten zu 3) abgewiesen.
Die weitergehende Berufung des Beklagten zu 3) wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und 2) voll und die des Beklagten zu 3) zu 73/100. Der Beklagte zu 3) trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 27/100. Im Übrigen tragen der Beklagte zu 3) und der Kläger ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Von den Gerichtskosten beider Instanzen tragen der Kläger 89/100 und der Beklagte zu 3) 11/100.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der jeweiligen Gegenseite in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn letztere nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Gründe
A.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der …[A] GmbH (im Folgenden: Schuldnerin). Er nimmt die Beklagten wegen Verletzung ihrer Pflichten als Geschäftsführer der Schuldnerin auf Schadensersatz in Anspruch. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Koblenz am 27. Oktober 2009 eröffnet (21 IN 173/09, GA 11).
Die Schuldnerin wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 22. Januar 2004 unter der Firma „…[B] GmbH“ mit Sitz in …[Z] errichtet (Ur.-Nr. 111/2004 Notar …[C], …[Y]). Das Stammkapital betrug 25.000,00 €. Unternehmensgegenstand war die Vermietung, Leasing und der Handel von und mit Kraftfahrzeugen. Gesellschafter waren die Beklagten zu 1) und 2) mit einem Geschäftsanteil von je 12.250,00 € sowie …[D] mit einem Geschäftsanteil von 500,00 €. Zu den ersten Geschäftsführern wurden die Beklagten zu 1) und 2) bestellt. Mit Geschäftsanteilsabtretungsvertrag vom 22. Januar 2004 teilte …[D] seinen Geschäftsanteil in zwei Geschäftsanteile von je 250,00 € und übertrug diese an die Beklagten zu 1) und 2) (Ur.-Nr. 113/2004, Notar …[C], …[Y], GA 457 ff.). In einer Gesellschafterversammlung vom 21. Februar 2008 erfolgte die Abberufung der Beklagten zu 1) und 2) als Geschäftsführer und die Bestellung des Beklagten zu 3) zum neuen Geschäftsführer (UR.-Nr. 252/2008, Notar …[E]). Die Eintragung in das Handelsregister erfolgte am 4. März 2008. Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 21. Mai 2008 wurde der Sitz der Gesellschaft von …[Z] nach …[X] verlegt (Ur.-Nr. 871/2008, Notar …[E]). Durch Geschäftsanteilsabtretungsvertrag vom selben Tag übertrugen die Beklagten zu 1) und 2) ihre Geschäftsanteile in Höhe von jeweils 12.250,00 € und 250,00 € auf den Beklagten zu 3) (Ur.-Nr. 873/2008, Notar …[E]). Die Gesellschafterversammlung beschloss am 6. Juni 2008 die Änderung der Firma in die „…[A] GmbH“ (Ur.-Nr. 992/2008, Notar …[E]).
Die Schuldnerin unterhielt vom 20. April 2007 bis zum 29. November 2007 Geschäftsbeziehungen zu der …[F] GmbH in …[W] (nachfolgend: …[F]). Das Geschäftsmodell der …[F] bestand darin, Kfz-Käufer zu werben, indem ihnen Rabatte von ca. 30% des Bruttolistenpreises versprochen wurden. Nachdem die Endabnehmer im Internet ein Fahrzeug ausgewählt hatten, schlossen sie über Vermittler mit der …[F] einen Kaufvertrag. Gleichzeitig verpflichteten sich die Endabnehmer zu Anzahlungen in Höhe von 30 % bis 40 % des Listenpreises sowie zur Zahlung von Monatsraten und einer Schlusszahlung. Die …[F] bot die Kraftfahrzeuge über ihre Vertriebsorganisation, die Firma …[G] GmbH (nachfolgend: …[G]) an. Geschäftsführer der …[G] war …[H]. Die …[G] wiederum schaltete zum Vertrieb und zur Kundenbetreuung weitere unabhängige Vermittler ein, darunter auch die Schuldnerin. Am 20. April 2007 kam es zum Abschluss eines entsprechenden Vertriebspartnervertrages mit der Schuldnerin (K3, GA 123 ff). Mit Schreiben vom 29. November 2007 kündigte die Schuldnerin, vertreten durch den Beklagten zu 1), den Vertriebspartnervertrag fristlos mit der Begründung, die unzuverlässige Lieferpolitik sowie das unseriöse Geschäftsgebaren der …[F] zwinge zu diesem Schritt (K 15, GA 134). Die Schuldnerin sehe sich nicht in der Lage, unter den gegebenen Umständen weiterhin für die …[G] und die …[F] tätig zu werden. Hintergrund der Kündigung war, dass eine Vielzahl von Kunden ihre Anzahlungen verloren hatten.
Im November 2007 trat die Schuldnerin auf Vermittlung des …[H] sodann in Geschäftsbeziehungen zu der …[J] GmbH (nachfolgend: …[J]). Die …[J] wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 13. Dezember 2007 gegründet und am 28. Dezember 2007 in das Handelsregister eingetragen. Auch die …[J] bot der Schuldnerin Nachlässe von 30% auf den Bruttolistenpreis hochwertiger Fahrzeuge an. Gegenstand der Angebote war die Lieferung auf Ziel, zumeist sechs Monate. Die Schuldnerin wurde hier nicht als Vermittlerin tätig, sondern schloss mit ihren Endkunden Kaufverträge ab und ließ sich von diesen Anzahlungen auf die Kaufpreise leisten. Die Fahrzeuge kaufte sie anschließend von der …[J] und verpflichtete sich bei Kaufvertragsschluss zu einer Anzahlung in Höhe von 30 bis 50% des Brutto-Listenpreises. Die Lieferung der Fahrzeuge sollte nach sechs Monaten erfolgen. Die Anzahlungen leistete die Schuldnerin zunächst aus den zuvor von den Endkunden vereinnahmten Anzahlungen, später auch aus eigenen Mitteln, um die Abwicklung der Verträge zu fördern. Der Restkaufpreis sollte bei Fahrzeugauslieferung von der …[J] an die Schuldnerin bzw. die Endkunden fällig werden. Die …[J] konnte in der Folge ihren Lieferverpflichtungen nicht nachkommen. Am 16. Mai 2008 wurde Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der …[J] gestellt. Das Insolvenzverfahren wurde am 9. Juli 2008 (Amtsgericht Pinneberg 71 IN 171/08) eröffnet.
In der Zeit vom 28. November 2007 bis zum 6. Februar 2008 schloss die Schuldnerin, vertreten durch die Beklagten zu 1) und 2) als Geschäftsführer, mehrere Kaufverträge mit der …[J] und leistete Anzahlungen in Höhe von insgesamt 160.751,99 €. In der Zeit vom 3. März 2008 bis zum 2. Mai 2008 schloss die Schuldnerin, vertreten durch den Beklagten zu 3) als Geschäftsführer, weitere Kaufverträge und zahlte hierfür bzw. für Kaufverträge, die bereits zwischen dem 28. November 2007 und dem 6. Februar 2008 abgeschlossen worden waren, insgesamt 73.106,00 € an.
Infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der …[J] verlor die Schuldnerin sämtliche Anzahlungen. Lieferungen von Fahrzeugen oder Rückerstattungen der Anzahlungen erfolgten nicht.
Die Schuldnerin unterhielt Geschäftskonten bei der …sparkasse …[V], Konto-Nr. 80088677 (im Folgenden: …[K]) und bei der …[L]bank …[U] eG Konto-Nr. 7312120 (im Folgenden: …[L]) die Guthaben zum 6. Juni 2008 von 21.133,30 € bzw. zum 30. Mai 2008 von 4.500,00 € aufwiesen. Die Schuldnerin erhielt am 16. September 2008 und 18. November 2008 Umsatzsteuererstattungen in Höhe von 16.840,22 € und 4.116,22 €, die auf das Konto bei der …[L]bank …[U] eG überwiesen wurden. Die Guthaben in Gesamthöhe von 46.589,74 € wurden in der Folgezeit von dem Beklagte zu 3) als Geschäftsführer der Schuldnerin verbraucht.
Der Kläger hat vorgetragen,
die an die …[J] geleisteten Anzahlungen seien ohne jede Absicherung und daher nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes erfolgt. Die Schuldnerin sei bereits ab dem 28. November 2007 überschuldet gewesen. Spätestens mit Stellung des Insolvenzantrages der …[J] am 16. Mai 2008 habe auch Zahlungsunfähigkeit bestanden. Soweit die Anzahlungen mit Kenntnis und Zustimmung der Gesellschafter der Schuldnerin erfolgt seien, werde jeglicher Erlass, Verzicht und oder sonstige Verfügung, Vereinbarung oder tatsächliche Verhandlung in Bezug auf Ansprüche der Schuldnerin, insbesondere Schadensersatzansprüche, die zu einem Entfallen bzw. einer Verringerung der Haftung der Beklagten gegenüber der Schuldnerin führen könnten, angefochten.
Der Kläger hat beantragt,
1) die Beklagten zu 1) und 2) zu verurteilen, an ihn 160.751,99 € als Gesamtschuldner zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit dem 6. April 2010 zu zahlen,
2) den Beklagten zu 3) zu verurteilen, an ihn 119.695,74 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit dem 7. April 2010 zu zahlen,
3. festzustellen, dass sein Anspruch aus den Klageanträgen zu 1) und 2) auch aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung resultiere.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben vorgetragen,
der Beklagte zu 1) habe sich vor Aufnahme der Geschäftsbeziehungen bei der Hausbank, der …[L]bank …[Y], über die …[J] erkundigt (Beweis: Zeugnis des Sachbearbeiters …[M]). Er habe sichergehen wollen, dass die Leistung von Anzahlungen vor der Lieferung der bestellten Kraftfahrzeuge zu verantworten sei. Er habe die Mitteilung erhalten, dass über die …[J] nichts Nachteiliges bekannt sei. Sie, die Beklagten zu 1) und 2), hätten daher auf die Zuverlässigkeit der …[J] vertraut. Ein Schaden sei der Schuldnerin durch die Weiterleitung der Anzahlungen der Kunden nicht entstanden, da diese kein Gesellschaftsvermögen gewesen und ihr Verlust daher ausschließlich zu Lasten der Kunden gegangen sei. Die Eingehung sämtlicher Geschäfte sei in Kenntnis und mit Zustimmung aller Gesellschafter erfolgt.
Das Landgericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 14. September 2014 über die Behauptungen des Klägers, die Schuldnerin sei bereits ab dem 28. November 2007 überschuldet und jedenfalls seit dem 16. Mai 2008 zahlungsunfähig gewesen, durch Einholung eines Gutachtens der Sachverständigen Dipl.-Kauffrau …[N] (GA 242).
Es hat die Beklagten zu 1) und 2) verurteilt, an den Kläger 160.751,99 € als Gesamtschuldner zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins p.a. seit dem 6. April 2010 zu zahlen. Den Beklagte zu 3) hat es verurteilt, an den Kläger 119.695,74 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit dem 7. April 2010 zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Dem Kläger stehe ein Anspruch aus § 43 Abs. 2 GmbHG auf Schadensersatz gegen die Beklagten zu 1) und 2) in Höhe von 160.751,99 € und gegen den Beklagten zu 3) in Höhe von 73.106,00 € zu. Die in entsprechender Höhe geleisteten Anzahlungen seien mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes nicht vereinbar gewesen. Die bei der Hausbank eingeholte Auskunft sei unzureichend gewesen. Sie lasse einen Sorgfaltspflichtverstoß nicht entfallen. Die Beklagten zu 1) und 2) hätten für die Schuldnerin die erste Anzahlung an die …[J] am 28. November 2007 geleistet und damit zu einem Zeitpunkt als die …[J] noch nicht einmal gegründet und Handelsregister eingetragen gewesen sei. Weitergehende Erkundigungen über Rechtsform, Stammkapital und Handelsregistereintragung seien aber erforderlich gewesen, weil schon der Vertriebspartnervertrag zur …[G] wegen unzuverlässiger Lieferpolitik und unseriösem Geschäftsgebaren der …[F] am 29. November 2007 fristlos gekündigt worden sei. Das Geschäftsmodell der …[F] sei demjenigen der …[J] vergleichbar und sogar noch mit geringeren Risiken behaftet gewesen, weil Kaufverträge nur vermittelt, aber nicht selbst abgeschlossen worden seien. Zudem sei die Vertragsbeziehung zu der …[J] auf Empfehlung des …[H] zustande gekommen, der bereits als Geschäftsführer der …[G] im Zusammenhang mit der gescheiterten Vertragsbeziehung zur …[F] tätig geworden sei. Dies hätte die Beklagten zu 1) und 2) veranlassen müssen, weitere Erkundigungen zur Bonität und Tragfähigkeit des Geschäftsmodells der …[J] einzuholen oder von der Geschäftsbeziehung gänzlich Abstand zu nehmen, zumal die Geschäftsbeziehung ein erhebliches und im Falle des Scheiterns für die Schuldnerin existenzbedrohendes finanzielles Volumen beinhaltet habe. Es habe aufgrund der mit …[F] und …[G] gemachten Erfahrungen auf der Hand gelegen, dass die Gewährung von Preisnachlässen in Höhe von 30% auf den Bruttolistenpreis, bei Anzahlungen von 30% und Lieferung erst sechs Monate später, hochspekulativ sei und nicht als seriöses Geschäftsmodell habe angesehen werden könne. Es dränge sich einem durchschnittlichen ordentlichen Geschäftsmann der Verdacht auf, dass es sich um ein Schneeballsystem handeln müsse. Das Verhalten des Beklagten zu 3) stelle sich ebenfalls als grob fahrlässig dar.
Dem Kläger stehe gegen den Beklagten zu 3) darüber hinaus gemäß § 64 Satz 1 1. Alt. GmbHG ein Anspruch auf Zahlung weiterer 46.589,74 € zu. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe der Kläger die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zum 16. Mai 2008 nachgewiesen und die Vornahme der Zahlungen im Einzelnen unter Vorlage aller Kontoauszüge dargelegt. Dass die Zahlungen nach Insolvenzreife ausnahmsweise mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar gewesen wären, habe der Beklagte zu 3) nicht dargetan.
Der Feststellungsantrag sei unbegründet, weil sich das Verhalten der Beklagten zwar als grob fahrlässig, aber noch nicht als bedingt vorsätzlich darstelle. Es sei den Beklagten nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu widerlegen, dass sie letztlich auf das Gelingen der Geschäfte vertraut hätten.
Hiergegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung.
Sie tragen nunmehr vor,
das Landgericht habe nicht berücksichtigt, dass vor der Aufnahme der Geschäftsbeziehungen zu der …[J] eine Auskunft bei der Hausbank eingeholt worden sei. Man habe sich auch ein eigenes Bild von der Leistungsfähigkeit der …[J] machen können, weil Probekäufe erfolgreich durchgeführt worden seien. Eine Haftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG scheide aus, weil alle maßgeblichen Organe der GmbH die Geschäfte nicht nur gebilligt, sondern aufgrund einer unternehmerischen Entscheidung den gemeinsamen Entschluss getroffen hätten, dieses Geschäftsmodell zu verwirklichen. Der Beklagte zu 3) habe nach der Übernahme der Geschäftsführertätigkeit am 4. März 2008 in Übereinstimmung mit den Gesellschaftern gehandelt. Das Landgericht habe den Beklagten zu 3) auch zu Unrecht zur Zahlung von 46.589,74 € wegen Verstoßes gegen § 64 Abs. 1 GmbHG verurteilt.
Die Beklagten beantragen nunmehr,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat den Feststellungsantrag mit seiner Anschlussberufung weiter verfolgt, diese aber nach Hinweis im Termin am 4. Juni 2014 zurückgenommen (GA 433, 435). Er beantragt zuletzt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Landgerichts für richtig.
Der Senat hat die Beklagten zu 1) und 3) angehört. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsprotokolle vom 3. Juni 2014 (GA 433 ff) und 14. Oktober 2014 (GA 502 ff) Bezug genommen. Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angegriffenen Urteil sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).
B.
Die Berufungen sind zulässig. Sie haben hinsichtlich der Beklagten zu 1) und 2) vollen Erfolg und hinsichtlich des Beklagten zu 3) zum überwiegenden Teil Erfolg.
I. Berufung der Beklagten zu 1) und 2):
Dem Kläger steht gegen die Beklagten zu 1) und 2) ein Schadensersatzanspruch wegen der an die …[J] geleisteten Anzahlungen in Höhe von 160.751,99 € weder aus § 43 Abs. 2 GmbHG (1.) noch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB (2.) zu. Zwar ist den Beklagten zu 1) und 2) ein Pflichtenverstoß anzulasten, allerdings scheidet ein Anspruch aus, weil sie zum Zeitpunkt der pflichtwidrigen Handlungen alleinige Gesellschafter der Schuldnerin waren und daher gegenüber der Schuldnerin bzw. dem Insolvenzverwalter nicht haften.
1. Nach § 43 Abs. 1 GmbHG haben Geschäftsführer in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns anzuwenden. Verletzen sie diese Pflicht, so haften sie gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG der Gesellschaft gegenüber solidarisch für den entstandenen Schaden.
Eine GmbH bzw. nach deren Insolvenz der Insolvenzverwalter trifft im Rechtsstreit um Schadensersatzansprüche gegen ihren Geschäftsführer gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG – entsprechend den Grundsätzen zu §§ 93 Abs. 2 AktG, 34 Abs. 2 GenG – die Darlegungs- und Beweislast (nur) dafür, dass und inwieweit ihr durch ein Verhalten des Geschäftsführers in dessen Pflichtenkreis ein Schaden erwachsen ist, wobei ihr die Erleichterungen des § 287 ZPO zugutekommen können. Hingegen hat der Geschäftsführer darzulegen und zu beweisen, dass er seinen Sorgfaltspflichten gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG nachgekommen ist oder ihn kein Verschulden trifft, oder dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Alternativverhalten eingetreten wäre (BGH, Urteil vom 04. November 2002 – II ZR 224/00 –, BGHZ 152, 280 ff).
Geht es wie hier um unternehmerische Entscheidungen, steht den Geschäftsführern im Rahmen des Unternehmensgegenstandes grundsätzlich ein haftungsfreier Handlungsspielraum (unternehmerisches Ermessen) zu. Das bewusste Eingehen geschäftlicher Risiken, das eine unternehmerische Tätigkeit wesentlich prägt, umfasst grundsätzlich auch Fehleinschätzungen (BGH, Urteil vom 21. April 1997, II ZR 175/95 – BGHZ 135, 244, 253). Schlägt ein Geschäft fehl und wird hierdurch die Gesellschaft geschädigt, dann ist eine Haftung aus § 43 GmbHG, der gerade keine Haftung für wirtschaftlichen Misserfolg begründet, ausgeschlossen, soweit die Geschäftsführer ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt haben. Andererseits ist eine fehlerhafte Ausübung unternehmerischen Ermessens dann anzunehmen, wenn aus der ex ante-Perspektive das Handeln des Geschäftsführers hinsichtlich der eingeholten Informationen als Entscheidungsgrundlage unvertretbar erscheint (vgl. Baumbach/ Hueck-Zöllner-Noack, GmbHG, Kommentar, 2013, § 43 Rn. 22 m.w.N). Eine gerichtliche Überprüfung unternehmerischen Handelns findet daher nur dahin statt, ob dem Geschäftsführer in der jeweiligen Situation ein Ermessensspielraum zugestanden hat und dieses Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt worden ist. Damit muss das Gericht unabhängig von später gewonnenen Erkenntnissen urteilen und darf nicht als „nachträglicher Besserwisser“ erscheinen (vgl. Baumbach/Hueck-Zöllner-Noack, aaO, § 43 Rn. 22 a).
Danach ergibt sich im Streitfall Folgendes:
a) Der Kläger hat dargelegt, dass der Schuldnerin durch die von den Beklagten zu 1) und 2) im Rahmen ihrer Geschäftsführertätigkeit in der Zeit vom 28.November 2007 bis 6. Februar 2008 an die …[J] geleisteten Anzahlungen auf die Kaufverträge ein Schaden entstanden ist. Der Schaden besteht darin, dass die Schuldnerin in Erfüllung der mit der …[J] geschlossenen Kaufverträge Anzahlungen ohne Gegenleistung und Sicherheiten geleistet hat, die nach der Insolvenz der …[J] verloren sind.
b) Demgegenüber haben die Beklagten zu 1) und 2) schon nicht darzulegen vermocht, dass sie ihren Sorgfaltspflichten gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG nachgekommen sind oder sie kein Verschulden trifft, oder dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Alternativverhalten eingetreten wäre.
aa) Der Beklagte zu 1) hat im Rahmen seiner Anhörung am 14. Oktober 2014 angegeben der Vertriebspartnervertrag mit der …[G] sei durch ihn gemäß Schreiben vom 29. November 2007 (K15, GA134) gekündigt worden, weil Liefertermine nicht eingehalten und z. T. überhaupt keine Fahrzeuge mehr geliefert worden seien. Ansprechpartner sei der Geschäftsführer der …[G], Herr …[H], gewesen. Der Kontakt zu der …[J] sei über den Beklagten zu 3) zustande gekommen, der zwar seinerzeit noch kein Geschäftsführer und Gesellschafter der GmbH, allerdings ein Mitarbeiter gewesen sei, der mitgedacht habe.Der Beklagte zu 3) hat bei seiner ersten Anhörung am 3. Juni 2014 angegeben, dass der Kontakt zu der …[J] über Herrn …[H] zustande gekommen sei. Bei seiner zweiten Anhörung am 14. Oktober 2014 hat er ausgeführt, der Kontakt gehe auf einen Herrn …[P] zurück, wobei sich die Herren …[H] und …[P] gekannt hätten. Der Beklagte zu 1) hat weiter angegeben, bevor es zu der Vereinbarung mit der …[J] gekommen sei, habe er versucht deren Background zu beleuchten. Dazu habe er eine Auskunft seiner Hausbank eingeholt, die positiv gewesen sei. Bei seinen Recherchen im Internet sei er auf positive Kundenrezensionen gestoßen: Er sei deshalb davon ausgegangen sei, dass mit der …[J] alles in Ordnung sei. Auf Vorhalt, dass die …[J] erst am 13.12.2007 als GmbH gegründet und am 28.12.2007 in das Handelsregister eingetragen worden ist, während Zahlungen der Schuldnerin bereits seit Ende November 2007 geleistet worden sind, hat er angegeben, dass er hieran keine konkreten Erinnerungen mehr habe. Er habe damals nicht geargwöhnt, dass das Geschäftsmodell nicht funktionieren könne. Es möge sein, dass beispielsweise ein BMW X 5 mit einem Listenpreis von 72.000 € an die Kunden der Schuldnerin für 51.000 € verkauft worden sei und die Schuldnerin an die …[J], die ihrerseits noch etwas habe verdienen wollen, nur 46.000 € gezahlt habe. Darin sehe er auch heute noch kein Problem, da nach wie Fahrzeuge mit einem Nachlass von 30 bis 40 % angeboten würden, z.B. bei VW-Händlern oder in ADAC Heften. Er habe sich keine Gedanken über eine Absicherung der Anzahlungen an die …[J], etwa über Bankbürgschaften, gemacht. Die ersten Geschäfte mit der …[J] seien auch reibungslos abgelaufen.
Der Beklagte zu 2) ist zu den beiden Terminen, zu denen sein persönliches Erscheinen angeordnet war, nicht erschienen.
bb) Die Einlassung vermag die Beklagten zu 1) und 2) nicht zu entlasten. Bei dem mit der …[J] getätigten Geschäftsmodell handelte es sich um ein Risikogeschäft, das selbst unter Berücksichtigung eines aus ex-ante Sicht erlaubten Risikos mit den Gepflogenheiten eines ordentlichen Kaufmanns nicht zu vereinbaren war. Ein Verhalten ist jedenfalls dann nicht mehr mit den Gepflogenheiten eines ordentlichen Kaufmanns zu vereinbaren, wenn es sich als grob fahrlässiger Pflicht- bzw. Obliegenheitsverstoß darstellt (vgl. Baumbach/Hueck-Zöllner-Noack, aaO, § 43 Rn. 5). So liegt der Fall hier. Die ohne entsprechende Absicherungen, sei es durch Vertragserfüllungs- oder Avalbürgschaften, geleisteten Anzahlungen entsprachen nicht den Gepflogenheiten eines ordentlichen Kaufmanns. Die Schuldnerin hatte zudem bereits zuvor negative Erfahrungen mit der …[F] gemacht, die zu einer fristlosen Kündigung geführt haben. Das mit der …[J] geübte Geschäftsmodell barg zudem deutlich größere Risiken für die Schuldnerin als dasjenige mit der …[F]. Denn anders als nach dem Vertriebspartnervertrag mit der …[G], bei der die Schuldnerin lediglich Vermittlerin war, trat sie im Rahmen der Geschäftsbeziehung mit der …[J] selbst als Käuferin mit erheblichen Vorleistungspflichten auf. Mit der Geschäftsbeziehung ging angesichts der Höhe der geleisteten Anzahlungen ein erhebliches und im Falle des Scheiterns für die Schuldnerin existenzbedrohendes Risiko einher. Beleg dafür ist, dass die Sachverständige eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin seit dem 16. Mai 2008 angenommen hat, nachdem die …[J] am selben Tag Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen gestellt hat. Besondere Vorsicht war auch deshalb geboten, weil die Geschäftsbeziehung zu der …[J] letztlich unter Beteiligung des Geschäftsführers der …[G], …[H], zustande kam, der bereits am Scheitern des Geschäftsmodells mit der …[G] bzw. …[F] involviert war. Die Beklagten zu 1) und 2) haben die ersten Anzahlungen darüber hinaus bereits am 28. November 2007 erbracht, zu einem Zeitpunkt als sich die spätere …[J] GmbH noch nicht einmal gegründet war. Die Gründung erfolgte erst durch Gesellschaftervertrag vom 13. Dezember 2007 und die Eintragung in das Handelsregister am 28. Dezember 2007.
Der Senat vertritt auch die Auffassung, dass das Geschäftsmodell mit den außergewöhnlich hohen Preisnachlässen für die Kunden und den angedachten hohen Gewinnspannen für die Schuldnerin und die …[J] von vornherein zum Scheitern verurteilt war und dies auch von den Beklagten zu 1) und 2) hätte erkannt werden können. Der Bundesverband Freier Kfz-Händler, dem die Schuldnerin nicht angehörte, hatte bereits in einer Presseerklärung vom 3. August 2007 (Anlage K17, GA 137) auf die Risiken entsprechender Geschäftsmodelle aufmerksam gemacht und intensiv davor gewarnt. Der Beklagte zu 1) hat bei seiner Anhörung eingeräumt, dass er, wenn ihm die Umstände damals bekannt gewesen wären, weiter recherchiert hätte, ob der Geschäftspartner seriös war. Im Zweifelsfalle hätte er die Hände von dem Geschäft gelassen. Soweit die Beklagten mit Schriftsatz vom 4. November 2014 (GA 511) unter Vorlage eines Artikels aus Spiegel online vom 22. August 2013 darauf hinweisen, dass nach einem ADAC–Test Preisnachlässe bis zu 30 % „durchaus nicht utopisch sein müssten“, verfängt dies nicht. Diese Preisnachlässe betreffen Auslaufmodelle oder Fahrzeuge mit Absatzschwierigkeiten. Im Rahmen der Geschäftsbeziehung mit der …[J] ging es aber durchweg um stark nachgefragte Fahrzeuge der gehobene Preisklasse (Porsche, Mercedes Benz, BMW etc.). Auf die Aufstellung im Tatbestand des angefochtenen Urteils (Seiten 4 und 5) wird verwiesen.
Unter diesen Umständen war die bei der Hausbank eingeholte Auskunft über die …[J] ebenso wenig ausreichend wie die von dem Beklagten zu 1) geschilderten Internetrecherchen zu Kundenrezensionen über die …[J]. Bei der …[J] handelte es sich um ein im Zeitpunkt der Anzahlungen noch sehr junges Unternehmen, über dessen Bonität und Seriosität der Hausbank der Schuldnerin noch keine belastbaren Erkenntnisse vorliegen konnten. Der Einwand, man habe sich von der Leistungsfähigkeit der …[J] ein eigenes Bild machen können, indem man erfolgreich Probekäufe durchgeführt habe, verfängt ebenfalls nicht. Es ist einem Schneeballsystem immanent, dass die ersten Geschäfte erfolgreich verlaufen, bis das System mangels nachhaltiger Tragfähigkeit zusammenbricht. Folgerichtig ist die …[J] bereits ein halbes Jahr nach ihrer Gründung insolvent geworden.
c) Eine Haftung der Beklagten zu 1) und 2) scheidet gleichwohl aus, weil sie zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Zahlungen an die …[J] in der Zeit vom 28. November 2007 bis 6. Februar 2008 die alleinigen Gesellschafter und Geschäftsführer der Schuldnerin waren, nachdem ihnen bereits am Tag der Gründung der Schuldnerin die Geschäftsanteile des ursprünglichen Minderheitsgesellschafters …[B] übertragen worden waren.
Die alleinigen Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH schulden dieser aber grundsätzlich weder wegen Treuepflichtverletzung noch unter dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung Schadensersatz, wenn sie einvernehmlich handelnd Vermögen entziehen, das zur Deckung des Stammkapitals nicht benötigt wird (BGH, Urteil vom 21. Juni 1999 – II ZR 47/98 – BGHZ 142, 92 ff. Juris Rn. 11; Baumbach/Hueck-Zöllner-Noack, aaO, Rn. 33). Denn § 43 Abs. 2 GmbHG will von seinem Schutzzweck das Vermögen der Gesellschaft und nicht der Gläubiger der Gesellschaft bzw. hier der Kunden der Schuldnerin schützen (vgl. Baumbach/Hueck-Zöllner-Noack, aaO, § 43 Rn. 1, 15). Dieser Grundsatz findet zwar dort seine Grenze, wo durch diese Handlung eine Liquiditäts- oder Existenzgefährdung der GmbH herbeigeführt wird (so wohl BGH, Urteil vom 21. Juni 1999, aaO, Juris Rn. 10; Urteil vom 24. August 1988 – 3 StR 232/88 – BGHSt 35, 333 ff . = NJW 1989, 112 f.; Juris Rn. 19). Der Eingriff muss sich aber auf gezielten, betriebsfremden Zwecken dienenden Vermögensentzug beziehen (BGH, Urteil vom 16. Juli 2007 – II ZR – 3/04 – BGHZ 173, 246), Managementfehler genügen nicht (BGH, Urteil vom 13. Dezember 2004 – II ZR 256/02 – ZIP 2005, 250, 252; OLG Köln, Urteil vom 13. April 2006 – 7 U 71/05 – ZIP 2007, 28; MüKoGmbHG/Liebscher § 13 Anh Rn 561; Weller ZIP 2007, 1681, 1685 jew.m.w.N). Ein solcher Eingriff vermag der Senat im Streitfall nicht festzustellen.
2. Die Beklagten zu 1) und 2) haften auch nicht gemäß §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB wegen Untreue. Ihnen oblag zwar eine Treuepflicht gegenüber der Schuldnerin (wistra 93,143; 301). Nach den getroffenen Feststellungen liegt ihnen auch ein pflichtwidriges Handeln zur Last. Allerdings vermag der Senat nicht festzustellen, dass die Pflichtverletzung mit dem erforderlichen Vorsatz begangen worden ist. Überdies scheidet eine Haftung aus den unter B. I. 1. c) genannten Gründen aus.
II. Berufung des Beklagten zu 3):
Dem Kläger steht gegen den Beklagten zu 3) wegen der an die …[J] in Höhe von 73.106,00 € geleisteten Anzahlungen ein Schadensersatzanspruch weder aus § 43 Abs. 2 GmbHG (1.) noch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB (2.) zu. Zwar hat auch der Beklagten zu 3) seine Obliegenheiten verletzt. Gleichwohl haftet er nicht, weil er zum Zeitpunkt seiner pflichtwidrigen Handlungen zwar nicht alleiniger Gesellschafter der Schuldnerin war, aber auf Weisung und im Einvernehmen mit den Gesellschaftern handelte. Wegen des Verbrauchs der auf den beiden Konten der Schuldnerin vorhandenen Gelder kann der Kläger von dem Beklagten zu 3) aus § 64 GmbHG einen Betrag in Höhe von 38.617,13 € beanspruchen (3.)
1. Nach Maßgabe der unter B. I. 1. dargelegten Grundsätzen gilt für einen Anspruch aus § 43 Abs. 2 GmbHG hinsichtlich des Beklagten zu 3) folgendes.
a) Der Kläger hat dargetan, dass der Schuldnerin durch die von dem Beklagten zu 3) im Rahmen seiner Geschäftsführertätigkeit in der Zeit vom 3. März 2008 bis 2. Mai 2008 an die …[J] geleisteten Anzahlungen auf die Kaufverträge ein Schaden entstanden ist. Der Schaden besteht darin, dass die Schuldnerin in Erfüllung der mit der …[J] geschlossenen Kaufverträge Anzahlungen in Höhe von 73.106,00 € ohne Gegenleistung und Sicherheiten geleistet hat, die nach der Insolvenz der …[J] verloren sind.
b) Der Beklagte zu 3) hat nicht dargelegt, dass er seinen Sorgfaltspflichten gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG nachgekommen ist oder ihn kein Verschulden trifft, oder dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Alternativverhalten eingetreten wäre.
aa) Er hat sich bei seinen Anhörungen dahin eingelassen, dass es sich seiner Kenntnis entziehe, wie das Geschäftsmodell mit der …[J] mit einem Nachlass von 30 % für die Kunden sowie Gewinnspannen für die Schuldnerin und die …[J] habe funktionieren solle. Allerdings seien zum damaligen Zeitpunkt Kundenrabatte von bis zu 30 % für Kraftfahrzeuge aus dem EU-Ausland durchaus üblich gewesen. Zu dem Wechsel der Geschäftsbeziehung von der …[F] zu der …[J] sei es gekommen, weil die …[F] die vermittelten Kraftfahrzeuge nicht mehr ausgeliefert habe. Es habe nichts dagegen gesprochen, Geschäftsbeziehungen zu der …[J] aufzunehmen. Eine Auskunft bei der Hausbank habe nichts Negatives ergeben. Von Absicherungen der an die …[J] geleisteten Anzahlungen, z. B. über Avalbürgschaften oder Vertragserfüllungsbürgschaften, habe man aus Kostengründen angesehen. Der Grund des Ausscheidens der Beklagten zu 1) und 2) als Gesellschafter sei ein Bericht in Frontal 21 im April 2008 gewesen. Es habe seinerzeit ein Ausschließlichkeitsvertrag mit Skoda bestanden. Skoda habe der Schuldnerin wegen des Berichts Druck gemacht und verlangt, dass eine räumliche Trennung der beiden Firmen vorgenommen werde. Er habe dann im Mai 2008 die Geschäftsanteile der Beklagten zu 1) und 2) übernommen und sich in …[X] niedergelassen. Dort habe er ein kleines Büro unterhalten. Es sei beabsichtigt gewesen, den Standort in …[X] auszubauen. Leider habe Skoda den Ausschließlichkeitsvertrag später dann doch gekündigt.
bb) Diese Einlassung ist zu einer Entlastung nicht geeignet. Insoweit kann zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die Ausführungen unter B. I. 1. b) bb) Bezug genommen werden. Sie gelten gleichermaßen für den Beklagten zu 3), der bereits vor der Übernahme der Geschäftsführung bei der Schuldnerin als Autoverkäufer tätig war und dem alle maßgebenden Umstände bekannt waren. Aus den von dem Kläger vorgelegten Kaufverträgen der Schuldnerin mit Kunden und der Schuldnerin mit der …[J] (K 7 – 10, GA 91 ff bzgl. BMW X 5, 3,0 d, 6-Gang Automatic bzw. Mercedes Benz ML 320 CDi 4 Matic) ergibt sich, dass der Beklagte zu 3) als Verkäufer der Schuldnerin tätig war und die Fahrzeuge anschließend für die Schuldnerin bei der …[J] bestellte. Nach den Angaben des Beklagten zu 1) kam der Kontakt zu der …[J] sogar über den Beklagten zu 3) zustande, der „ein Mitarbeiter gewesen sei, der mitgedacht habe“. Den Beklagten zu 3) vermag im Rahmen der Pflichtwidrigkeitsprüfung nicht zu entlasten, dass er nach der Abberufung der Beklagten zu 1) und 2) als Geschäftsführer nur deren zuvor getätigte Geschäfte weitergeführt hat. Als neu bestelltem Geschäftsführer oblag ihm eine eigenständige und fortwährende Prüfungspflicht, der er nicht nachgekommen ist. Auch er hat dem Senat bei seiner Anhörung nicht nachvollziehbar vermitteln können, wie das Geschäftsmodell der …[J] funktionieren sollte.Die Leistung weiterer Zahlungen durch den Beklagten zu 3) an die …[J] stellte sich danach als grob fahrlässiges Verhalten dar und war mit den Gepflogenheiten eines ordentlichen Kaufmanns nicht zu vereinbaren.
c) Dennoch scheidet eine Schadensersatzverpflichtung des Beklagten zu 3) aus.
Wie unter B. I. 1. C. ausgeführt, schulden die Gesellschafter einer GmbH nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dieser grundsätzlich weder wegen Treuepflichtverletzung noch unter dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung Schadensersatz, wenn sie ihr einvernehmlich handelnd Vermögen entziehen, das zur Deckung des Stammkapitals nicht benötigt wird. Deshalb scheidet eine Haftung der Beklagten zu 1) und 2) aus. Unter diesen Voraussetzungen haftet aber auch der Geschäftsführer, der eine Weisung der Gesellschafter befolgt, nicht nach § 43 Abs. 2 GmbHG (BGH, Urteil vom 21. Juni 1999 – II ZR 47/98 – BGHZ 142, 92 ff. Juris Rn. 11; Urteil vom 10. Mai 1993 – II ZR 279/91 – BGHZ 122, 333, 336 m.w.N. = NJW 1993, 1922 ff.; vgl. auch Urteil vom 28. September 1992 – II ZR 279/91 – BGHZ 119, 257, 262 = NJW 1993, 193 f.). Nicht anderes kann aber gelten, wenn, wie im Streitfall, der neue Geschäftsführer ein von den geschäftsführenden Gesellschaftern praktiziertes Geschäftsmodell übernimmt und mit deren offenbaren Willen, Interesse und Einverständnis fortführt. Denn auch insoweit gilt, dass § 43 Abs. 2 GmbHG von seinem Schutzzweck das Vermögen der Gesellschaft und nicht der Gläubiger der Gesellschaft bzw. hier der Kunden der Schuldnerin schützen will. Ebenso wenig wie bei den Beklagten zu 1) und 2) kann auch bei dem Beklagten zu 3) nicht festgestellt werden, dass es bei den Zahlungen an die …[J] um einen gezielten und betriebsfremden Zwecken dienenden Vermögensentzug handelte.
d) Die von dem Kläger auf § 134 InsO gestützte Anfechtung geht ins Leere (Schriftsätze vom 26. Juli 2011 und 26. August 20011 (GA 225 ff, GA 235 ff.). Soweit der Beklagte zu 3) die Geschäfte mit der …[J] in der bisherigen Art und Weise mit Willen und im Interesse und Einverständnis der Beklagten zu 1) und 2) fortgeführt hat, liegt darin kein Verzicht der Gesellschaft auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Beklagten zu 3), welcher der Anfechtung unterliegen würde. Im Übrigen fehlt es für eine Anfechtung nach § 134 InsO an einer unentgeltlichen Leistung der Schuldnerin.
2. Der Beklagten zu 3) haftet auch nicht gemäß §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB. Ihm oblag zwar eine Treuepflicht gegenüber der Schuldnerin (wistra 93,143; 301). Auch hat er pflichtwidrig gehandelt. Es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass er die Pflichtverletzung mit dem erforderlichen Vorsatz begangen hat. Zudem scheidet seine Haftung aus den unter B. II. 1. c) genannten Gründen aus.
3. Dem Kläger steht gegen den Beklagten zu 3) allerdings ein Anspruch gemäß § 64 GmbHG in Höhe eines Betrages von 38.617,13 € für die von ihm im Zeitraum von Ende Mai bis November 2008 vereinnahmten und verbrauchten Beträge zu.
a) Nach § 64 sind die Geschäftsführer der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden. Dies gilt nicht von Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind.
Bei der Frage, ob Zahlungen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind, ist zu berücksichtigen, dass Schutzzweck des § 64 GmbHG die Erhaltung der Masse im Interesse der Gläubigergemeinschaft ist, anders als bei § 43 Abs. 2 GmbH, der das Vermögen der Gesellschaft schützen soll.
Der Anspruch setzt ein Verschulden des Geschäftsführers voraus, wobei hinsichtlich sämtlicher anspruchsbegründender Tatsachen Fahrlässigkeit genügt (BGH ZIP 2012, 1174; 2007, 1265; Baumbach/Hueck-Haas aaO § 64 Rn. 84, 126 m.w.N). Hierfür spricht auch der Blick auf § 15 a Abs. 5 InsO, der die Insolvenzverschleppung (strafrechtlich) als Fahrlässigkeitsdelikt ausgestaltet. Deshalb ist eine positive Kenntnis hinsichtlich der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung nicht erforderlich. Es genügt für den subjektiven Tatbestand die Erkennbarkeit der Insolvenzreife (BGH, Urteil vom 19. Juni 2012 – II ZR 243/11 – ZIP 2012, 1557). Fahrlässigkeitsmaßstab ist dabei die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns, ohne Rücksicht auf die individuellen Fähigkeiten des Geschäftsführers. Hat der Geschäftsführer nicht die notwendige Fach- und Sachkunde, muss er externen Rat in Anspruch nehmen. Ein Geschäftsführer handelt stets zumindest fahrlässig, wenn er seine Pflicht zur wirtschaftlichen Selbstkontrolle verletzt.
Im Rahmen der Haftung nach § 64 Abs. 1 GmbHG hat der Insolvenzverwalter das Vorliegen der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit im Zeitpunkt der Zahlung darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen (Baumbach/Hueck-Haas, aaO, § 64 Rn. 89; BGH, Urteil vom 5. November 2011 – II ZR 262/06 – NJW-RR 2008, 495; Urteil vom 6. Juni 1994 – II ZR 292/91 – BGHZ 126,181, 200 = NJW 1994, 2220 ff. = WM 1994, 1428 ff., Juris Rn. 33). Ferner hat er die Zahlungen nach Höhe und Empfänger aufzuschlüsseln. Es ist dann Sache des Geschäftsführers, darzulegen und zu beweisen, dass die Zahlungen nicht zu einer oder nur geringeren Benachteiligung der Gesamtheit geführt haben (Baumbach/Hueck-Haas, aaO, Rn. 93; OLG Celle, Urteil vom 18.05.1994 – 9 U 64/93 – NJW-RR 1995, 558). Liegt eine Auszahlung nach Eintritt der Überschuldung bzw. Zahlungsunfähigkeit vor, werden eine Pflichtwidrigkeit der Zahlung sowie das Verschulden vermutet. Will sich der Geschäftsführer entlasten, hat er darzulegen, dass und wie er sich um die finanzielle Situation der Gesellschaft gekümmert hat bzw. aus welchen Gründen er die Insolvenzreife der Gesellschaft nicht erkennen konnte oder dass die Zahlungen mit den Grundsätzen eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar waren (BGH, Urteil vom 14. Mai 2007 – II ZR 48/06 – ZIP 2007, 1265 f. = NJW 2007, 660 ff. = ZInsO 2007, 660 ff., Juris Rn. 15).
Nach diesen Grundsätzen ergibt sich Folgendes:
b) Der Kläger ist seiner Darlegungs- und Beweislast nachgekommen.
Er hat dargelegt und nach Einholung des Gutachtens der Sachverständigen Dipl.-Kauffrau …[N] auch bewiesen, dass die Zahlungsunfähigkeit und die Überschuldung der Schuldnerin am 16. Mai 2008 eingetreten waren. Spätestens zu diesem Zeitpunkt, so die Sachverständige, sei die Fortführungsprognose der Schuldnerin negativ gewesen. Hierin zeige sich die Abhängigkeit der wirtschaftlichen und finanziellen Lage der Schuldnerin von der …[J] bzw. dem von der …[J] praktizierten Geschäftsmodell. Spätestens bei Insolvenzantragstellung der …[J] sei von der vollständigen bzw. überwiegenden Wertlosigkeit der aus den geleisteten Anzahlungen resultierenden Forderungen gegenüber der …[J] auszugehen, so dass am 16. Mai 2008 erneut die Überschuldung der Schuldnerin vorgelegen habe. Spätestens bei Insolvenzantragstellung der …[J] hätte die Schuldnerin zur Erfüllung der Verpflichtung gegenüber ihren Kunden ersatzweise Fahrzeuge beschaffen bzw. die erhaltenen Anzahlungen an die Kunden zurückzahlen müssen. Hierzu sei sie jedoch weder im Mai 2008 noch im Juni 2008 in der Lage gewesen.
Der Kläger hat außerdem mit Schriftsatz vom 21. Juni 2011 Auszüge der Geschäftskonten bei der …[K] und bei der …[L] vorgelegt, aus denen sich die Auszahlungen im Einzelnen nebst Erläuterungen/Verwendungszweck ergeben (GA 198 ff.; Anlage K 21, GA 201 ff.; K 22, GA 205 ff.). Den Kopien der Auszüge lassen sich auch die „Anfangsbestände“ von 21.133,30 € am 6. Juni 2008 (…[K]) und von 4.500 € am 30. Mai 2008 (…[L]) entnehmen („Kontoauszug 8, Blatt 1“, GA 201 bzw. „Auszug 1, Blatt 1“, GA 205). Den Kopien der Auszüge des Geschäftskontos bei der …[L] kann zudem entnommen werden, dass am 16. September 2008 und 18. November 2008 Umsatzsteuerrückerstattungen in Höhe von 16.840,22 € und 4.116,22 € gebucht worden sind (GA 210 und 215). Insgesamt errechnet sich damit der von dem Kläger geltend gemachte Betrag von 46.589,74 € (21.133,30 € + 4.500,00 € + 16.840,22 € + 4.116,22 €).
c) Es war danach Sache des Beklagten zu 3) die Verschuldensvermutung zu widerlegen (aa)) und vorzutragen und darzulegen, dass die Zahlungen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbar sind. (bb)).
aa) Die Verschuldensvermutung hat der Beklagte zu 3) jedenfalls für den Zeitraum nach dem 30. Juni 2014 nicht zu widerlegen vermocht.
Er hat sich bei seinen Anhörungen dahin eingelassen, dass es zum Abbruch der Geschäftsbeziehungen zu der …[J] Anfang Mai 2008 gekommen sei, weil die …[J] ihre Liefertermine nicht mehr einhalten habe. Sie, die Beklagten, seien dann zu dem Entschluss gekommen, die Geschäftsbeziehung zu beenden. Selbstverständlich sei nachgefragt und versucht worden, dass die Liefertermine eingehalten werden. Zu einem späteren Zeitpunkt habe man erfolglos die Anzahlungen zurück verlangt. Es sei auch versucht worden, telefonische Auskünfte in der Nachbarschaft der …[J] zu erhalten. Dabei sei gesagt worden, dass der oder die Geschäftsführer weg seien. Er, der Beklagte zu 3), sei sich zu diesem Zeitpunkt und auch in der Folge nicht darüber bewusst gewesen, dass ihn als Geschäftsführer einer GmbH bestimmte Pflichten nach der Insolvenzordnung und dem GmbH-Gesetz treffen, insbesondere wenn er eine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft feststelle. Den Zeitpunkt wann es erstmals zu Lieferschwierigkeiten gekommen sei, könne er aus der Erinnerung heraus nicht angeben.
Danach hat der Beklagte zu 3) den unter B. II. 3. a) dargelegten Sorgfaltsmaßstab eines Geschäftsführers nicht genügt. Er hat sich zwar darum bemüht, dass die …[J] ihren Lieferverpflichtungen nachkommt bzw. die Anzahlungen zurückerstattet. Allerdings hat er nach dem Abbruch der Geschäftsbeziehungen zu der …[J] Anfang Mai 2008 nicht die damit einhergehenden und von der Sachverständigen aufgezeigten Folgen für die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Schuldnerin erkannt und die daraus abzuleitenden Schlüsse für sein Handeln als Geschäftsführer gezogen. Es musste ihm gerade vor dem Hintergrund der mit der …[F] gemachten Erfahrungen bewusst sein, dass nach der Beendigung der Geschäftsbeziehung zu der …[J] die Gefahr bestand, dass die Forderungen gegenüber der …[J] wertlos waren und die Schuldnerin die Verpflichtung gegenüber ihren Kunden nicht einhalten konnte. Sofern er die Situation nicht selbst überschauen konnte, war er verpflichtet externen Rat einzuholen. Auch oblag es ihm, sich nach dem Schicksal der …[J] zu erkundigen, etwa ob ein Insolvenzantrag vorlag, ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt war oder gar das Insolvenzverfahren eröffnet war. Wäre er dieser Verpflichtung nachgekommen, hätte er in Erfahrung gebracht, dass die …[J] am 16. Mai 2008 einen Eigenantrag auf Insolvenzeröffnung gestellt hatte, mit den daraus für die Schuldnerin abzuleitenden Konsequenzen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass den Geschäftsführer einer GmbH nach § 15 a InsO die Pflicht trifft, nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Insolvenzreife einen Insolvenzeröffnungsantrag zu stellen. Nach Ablauf dieser Frist, mithin ab dem 6. Juni 2008 sind grundsätzlich auch rein betriebserhaltende Zahlungen nicht mehr zulässig, da der Geschäftsführer seine Entscheidung zur Fortführung nicht über die Insolvenzantragsfrist hinaus an Stelle des an sich zuständigen (vorläufigen) Insolvenzverwalters setzen darf. Darauf hat der Kläger im Schriftsatz vom 26. August 2014 zu Recht hingewiesen (GA 478 ff). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass auch bei Inanspruchnahme externen Rats eine gewisse Zeit einzuräumen ist, um die Auswirkungen der beendeten Geschäftsbeziehungen zu der …[J] in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung für die Schuldnerin zu bewerten. Der Senat ist der Ansicht, dass eine solche Überprüfung bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns jedenfalls bis Ende des Monats Juni ergeben hätte, dass der Insolvenzantrag der …[J] die Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der Schuldnerin zur Folge hatte.
bb) Das die Zahlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbar sind, hat der Beklagte zu 3) nur im Umfang von 7.972,61 € nachgewiesen.
(1.) Er hat die Auffassung vertreten, ohne Einsicht in die bei dem Kläger befindlichen Geschäftsunterlagen nicht näher vortragen zu können. Bei seiner Anhörung hat er angegeben, dass er sich nach der Übernahme der Geschäftsführung und der Geschäftsanteile in …[X] niedergelassen und ein kleines Büro unterhalten habe. Der Senat hat in seinem Beschluss vom 24. Juni 2014 (GA 445, 449) darauf hingewiesen, dass es ihm angesichts des überschaubaren Wirkungskreises des Beklagten zu 3) bei seiner Tätigkeit in …[X] möglich sein dürfte, konkret und unter Beweisantritt darzulegen, welche Tätigkeiten er für die Schuldnerin entfaltet hat, für was er die auf den Kontoauszügen ausgewiesenen Zahlungen verwendet hat und warum die Zahlungen erforderlich waren. Ihm ist Gelegenheit gegeben worden, seinen Vortrag bis zum 22. Juli 2014 zu ergänzen. Falls ihm dies in Teilbereichen wegen fehlender Unterlagen nicht möglich sei oder er zum Nachweis seiner Darlegungen die im Besitz des Klägers befindlichen Unterlagen benötige, bestehe Gelegenheit, konkret anzugeben, welche Belege und Unterlagen (Kundenkarteien, Geschäftsunterlagen etc.) er von dem Kläger für welchen Zahlungsvorgang benötige. Der Beklagte zu 3) hat seinen Sachvortrag sodann ergänzt. Angaben dazu, welche im Besitz des Klägers befindlichen Unterlagen er benötige, hat er nicht gemacht.
(2.) Die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns ist ebenso wie im Rahmen des § 43 Abs. 2 GmbHG nicht nur als Verschuldens-, sondern als Pflichtenmaßstab zu verstehen (Baumbach-Hueck-Haas, aaO, § 64 Rn. 71; Baumbach-Hueck-Zöllner-Noack, aaO, § 43 Rn. 8). Der Geschäftsführer hat den Standard zu beachten, der von einer Person in der verantwortlichen leitenden Stellung des Verwalters fremder Vermögensinteressen erwartet werden kann. Der Maßstab der anzuwendenden Sorgfalt folgt nicht aus dem Gesellschaftszweck, sondern aus dem Gläubigerinteresse (Baumbach-Hueck-Haas, aaO, § 64 Rn. 72; BGH, Urteil vom 8. Januar 2001 – II ZR 88/89 – BGHZ 146, 264, 274 = NJW 2001, 1280 ff.). Die Vorschrift ist eng auszulegen. Entscheidend ist, ob die Zahlung im wohlverstandenen Interesse der Gläubiger liegt (Baumbach-Hueck-Haas, aaO, § 64 Rn. 72). Dies wird angenommen, wenn aus ex-ante-Sicht die Zahlung mehr Vor- als Nachteile für die Gläubigergesamtheit verspricht. Die Sorgfalt, die der Geschäftsführer einer GmbH zu beachten hat, ist zu bemessen an der Sorgfalt eines selbständigen, treuhänderischen Verwalters fremder Vermögensinteressen in verantwortlicher leitender Position (OLG Brandenburg, Urteil vom 21. Februar 2001 – 7 U 88/97 – NZG 2001, 756, Juris Rn. 71 m.w.N.).
(3.) Danach sind folgende bis zum 30. Juni 2008 getätigten Abbuchungen nicht zu beanstanden:
– Konto …[K] über 3.059,25 € vom 9. Juni 2008 und über 4.000,00 € vom 10. Juni 2008 (K 21, S. 2, GA 202)
Der Beklagte zu 3) führt hierzu, von dem Kläger in seinem Schriftsatz vom 26. August 2014 (GA 478 ff.) nicht bestritten aus, dass es sich um die Rückzahlung der Anzahlungen näher bezeichneter Kunden gehandelt habe, nachdem diese von ihren Verträgen berechtigter Weise zurückgetreten seien. Da die Zahlungen vor dem 30. Juni 2008 erfolgten ist dem Beklagten zu 3) kein Verschuldensvorwurf zu machen.
– Konto …[K] Online-Überweisung vom am 13. und 16. Juni 2008 über 300,00 € und 259,00 € (K 21, GA 202)
Der Beklagte hat dargelegt, dass die Abbuchungen für Aufwendungen für Bürobedarf erfolgten. Die Voraussetzungen nach § 64 S. 2 GmbHG liegen vor.
– Konto …[K] Kartenzahlung …[Q] vom 17. Juni 2008 in Höhe von 47,98 € (K 21, GA 202) und vom 24. Juni 2008 über 48,43 € (K 21, GA 203)
Diese Positionen sind von dem Kläger nicht angegriffen worden, so dass der Entlastungsbeweis nach § 64 S. 2 GmbHG geführt ist.
– Konto …[K] Abbuchungen und Kartenzahlungen für Tanken, insgesamt 240,45 € (K 21, GA 485)
– vom 7. Juni 2008 …[R] 83,61 €;
– vom 9. Juni 2008 …[R] 71,90 €;
– vom 14. Juni 2008 …[X] 84,84 €
– Kontoführungsgebühren insgesamt 17,50 €.
– …[K] vom 27. Juni 2008 7,60 € (Anlage K 21);
– …[L] vom 30. Mai 2008, 4,90 € (K 22, GA 483);
– Bankcard …[L] vom 19. Juni 2008 5, 00 € (K 22, GA 484)
Gesamt: 7.972,61 €
(4.) Demgegenüber sind die folgenden Abbuchungen nicht von § 64 S. 2 GmbHG gedeckt:
-Konto …[K] und …[L] Abbuchungen und Kartenzahlungen für Tanken
– …[L] vom 23. Juli 2008 … 73,14 € (K 22, GA 486);
– …[L] vom 7. Juli 2008 … 83,61 € (K 22, GA 485);
– …[L] vom 23. Juli 2008 … 73,14 € (K 22, GA 487);
– …[L] vom 28. Juli 2008 Tankbeleg 45,80 € (K 21. GA 209, 487);
– …[K] vom 30. Juli 2008 … 72,74 € (K 21, GA 202);
– …[L] vom 8. September 2008 … 77,61 € (K 22, GA 488);
– …[L] vom 29. September 2008 … 78,39 € (K 22, GA 489);
– …[L] vom 6. Oktober 2008 …-Tankstelle …[X] 51,90 € (K 22, GA 489);
– …[L] vom 9. Oktober 2008 Benzin von Konto 73,31 € (K 22, GA 489);
– …[L] vom 22. Oktober 2008 … 87,66 € (K 22, GA 490);
– …[L] vom 3. November 2008 … 57,24 € (K 22, GA 490);
– …[L] vom 3. November 2008 … 85,44 € (K 22, GA 490);
– …[K] vom 10. November 2008 … 63,32 €;
– …[L] vom 12. November 2008 … 74,92 € (K 22, GA 492);
– …[L] vom 17. November 2008 Diesel 64,23 €,
Kontoführungsgebühren …[L]
– vom 1. August 2008 5,22 € (K 22, GA 209, 484);
– vom 30. September 2008 5,62 € (K 22, GA 211, 489);
– vom 31. Oktober 2008 4,96 € (K 22, GA 491);
– vom 6. November 2008 5,15 € (K 22, GA 491);
– vom 4. Dezember 2008 6,65 € (K 22, GA 492);
– vom 4. Dezember 2008 6,62 € (K 22, GA 492);
– Konto …[L] vom 14. Juli 2008 in Höhe von 235,62 € (K 22, GA 208, 486) Kosten der Steuerberatung …[S] GmbH
Die Abbuchung kann nicht in Ansatz gebracht werden, da sie nach dem 30. Juni 2008 erfolgte. Es wäre Sache des (vorläufigen) Insolvenzverwalters gewesen, zu prüfen, ob Zahlungen an die Steuerberatung …[S] GmbH erfolgen durften.
– Konto …[L] Kosten für anwaltliche Tätigkeit Rechtsanwalt … in Höhe von 900,00 € (17. Juni 2008 500,00 €, K 22, GA 206, GA 481 und 23. Oktober 2008 400,00 €, K 22, GA 212, 490);
Diese Kosten betrafen Vorschusszahlungen für den Rechtsstreit betreffend eine Schadensersatzforderung der Kundin …[T] gegen die Beklagten in dem Rechtsstreit 9 O 293/09, Landgericht Koblenz. Die Zahlung des Betrages von 400,00 € erfolgte nach dem 30. Juni 2008 und ist nicht mehr gedeckt. Im Übrigen handelte es sich um ein Verfahren, das gegen die Beklagten persönlich und nicht gegen die Schuldnerin, geführt wurde, so dass bereits aus diesem Grund Rechtsanwaltskosten nicht aus dem Vermögen der Schuldnerin bedient werden konnten.
– Konto …[K] Online-Überweisung vom 6. Juni 2008 über 10.000,00 € an …[B] GmbH
Der Beklagte zu 3) hat hierzu ausgeführt, dass es um einen der Schuldnerin zustehenden Betrag gehandelt habe. Die Zahlung sei nur teilweise rekonstruierbar. Der Beklagte zu 3) hat diese Zahlung nicht plausibel erklären können. Der Kläger wendet zu Recht ein, dass es sich um eine Überweisung vom Konto der …[K] auf das Konto der …[L] gehandelt habe. Es ist damit nur eine Verschiebung des Geldes von einem Konto der Schuldnerin auf ein anderes Konto erfolgt. Dies ist durch die Kopie des Kontoauszugs der …[L] vom 12. Juni 2008 belegt (K 22, GA 484). Der Beklagte zu 3) hat von diesem Konto Beträge abgehoben, so dass ihm der Entlastungsbeweis nach § 64 S. 2 GmbHG nicht gelingt.
– Konto …[K] Sammelüberweisung vom 17. Juni 2008 in Höhe von 510,09 €
Der Beklagte zu 3) hat nicht nachvollziehbar dargelegt, wofür die Sammelüberweisung vom 17. Juni 2008 in Höhe von 510,09 € bestimmt war. Er meint, der Hefter mit den Auslagenbelegen müsse hierüber Aufschluss geben. Hier hätte der Beklagte zu 3) konkret den Kläger auffordern müssen, den genau zu bezeichnenden Ausgabenordner vorzulegen, damit ggf. nach § 421 ff. ZPO seitens des Senats eine Beweisanordnung hätte ergehen können.
Danach hat der Beklagte zu 3) lediglich in Höhe eines Betrages von 7.972,61 € nachgewiesen, dass die Zahlungen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind. Er haftet daher in Höhe eines Betrags von insgesamt 38.617,13 €.
4. Zinsen stehen dem Kläger nur als Prozesszinsen gemäß § 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB zu; Rechtshängigkeit trat am 11. August 2010 ein (GA 52). Einen früheren Verzugszeitpunkt hat der Kläger nicht dargelegt.
C.
I. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 100 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO (vgl. Zöller/Herget, ZPO; 30. Auflage 2014, § 100 Rn. 5 ff. Baumbachsche Formel). Entgegen der Auffassung des Klägers findet § 97 Abs. 2 ZPO keine Anwendung. Das Obsiegen bzw. teilweise Obsiegen der Beklagten beruht nicht auf neuem Vortrag der Beklagten in der Berufung, sondern auf der unstreitigen Tatsache, dass zum Zeitpunkt der Zahlungen an die …[J] die Beklagten zu 1) und 2) alleinige Gesellschafter der Schuldnerin waren. Dies ergibt sich bereits aus dem eigenen Gutachten des Klägers vom 20. Oktober 2009 in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin (unter B., III., 2., 1. Absatz), das die gerichtliche Sachverständige ihrem Gutachten beigefügt hat. Danach hat der Minderheitsgesellschafter …[B] bereits am Tage der Gründung der Schuldnerin am 22. Januar 2004 seine Geschäftsanteile nach Aufteilung an die Beklagten zu 1) und 2) übertragen, so dass diese fortan Alleingesellschafter waren.
II. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
III. Die Revision wird nicht zugelassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, § 543 ZPO.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird bis zum 3. Juni 2014 auf 336.537,28 € (Berufung Beklagte zu 1. und 2. 160.751,99 € + Berufung Beklagter zu 3. 119.695,74 € + Anschlussberufung des Klägers 56.089,55 €) und für die Zeit nach der Rücknahme des Feststellungsantrages am 4. Juni 2014 auf 280.446,73 € festgesetzt. Der Senat bemisst den Streitwert für die Anträge festzustellen, dass die angemeldeten Forderungen auch auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruhen, mit 20 % der jeweiligen Zahlungsbeträge (vgl. Senatsbeschluss vom 21. November 2014 – 3 U 1176/14; Versäumnisurteil vom 10. Juni 2014 – 3 U 150/14 j. m. w. N.). Im Streitfall ist der Feststellungsantrag daher mit 56.089,55 € zu bewerten (160.751,99 € + 119.695,74 € = 280.446,73 € x 20 %).
V. Der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren wird daher abweichend von der Streitwertfestsetzung des Landgerichts, das die Feststellungsanträge mit 20.000,00 € bewertet hat, bis zum 17. März 2011 auf 280.477,73 € und für die Zeit danach auf 336.537,28 € festgesetzt.

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