Hessischer VGH, Beschluss vom 04.02.2021 – 8 B 215/21.N

Februar 10, 2021

Hessischer VGH, Beschluss vom 04.02.2021 – 8 B 215/21.N

Tenor

Der Antrag, § 6 Abs. 2 der Corona- Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO vorläufig außer Vollzug zu setzen, wird abgelehnt.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auf 10.000 Euro festgesetzt.
Gründe

I.

Randnummer1Der Antragsteller begehrt den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO zur vorläufigen Außerkraftsetzung der Bestimmungen für körpernahe Dienst- und Handwerksleistungen, hier: Friseurbetriebe, in der Corona- Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung (CoKoBeV), die er im Wege der Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO angreift (Hess. VGH – 8 C 216/21.N -).

Randnummer2Die in der Hauptsache angegriffenen Bestimmungen in der aktuellen Fassung der 26. Verordnung zur Anpassung der Verordnung zur Bekämpfung des Corona-Virus vom 1. Februar 2021, veröffentlicht im Gesetz- und Verordnungsblatt vom 2. Februar 2021 (GVBl. S. 38), haben den folgenden Wortlaut:

§ 6

Dienstleistungen

(1) Die Erbringung von Dienst- und Beratungsleistungen einschließlich Handwerkstätigkeiten soll möglichst ohne unmittelbaren persönlichen körperlichen Kontakt erfolgen. Die Empfehlungen des Robert Koch-Instituts zur Hygiene, insbesondere zu Kontakten und Einhaltung des Sicherheitsabstandes, sind einzuhalten.

(2) Dienstleistungsbetriebe im Bereich der Körperpflege wie Frisörbetriebe, Kosmetikstudios, Massagepraxen, Nagelstudios, Tattoo-Studios und ähnliche Betriebe sind geschlossen. Hiervon nicht erfasst sind medizinisch notwendige Behandlungen wie Physio-, Ergo- und Logotherapien, Podologie und medizinische Fußpflege.

(3) Die Betreiber von Betrieben und Einrichtungen nach Abs. 2 Satz 2 haben sicherzustellen, dass Name, Anschrift und Telefonnummer der Kundinnen und Kunden ausschließlich zur Ermöglichung der Kontaktnachverfolgung von Infektionen erfasst werden; sie haben die Daten für die Dauer eines Monats ab Beginn des Besuchs geschützt vor Einsichtnahme durch Dritte für die zuständigen Behörden vorzuhalten und auf Anforderung an diese zu übermitteln sowie unverzüglich nach Ablauf der Frist sicher und datenschutzkonform zu löschen oder zu vernichten; die Bestimmungen der Art. 13, 15, 18 und 20 der Datenschutz-Grundverordnung finden keine Anwendung; die Kundinnen und Kunden sind über diese Beschränkung zu informieren.

§ 10

Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Diese Verordnung tritt am 1. Dezember 2020 in Kraft. Sie tritt mit Ablauf des 14. Februar 2021 außer Kraft.

Randnummer3Durch die aktuelle Fassung hat die angegriffene Regelung keine inhaltliche Änderung erfahren.

Randnummer4Der Antragsteller ist Inhaber des Friseursalons „…“ in Seeheim-Jugenheim. Aufgrund der angegriffenen Regelung ist sein Salon seit dem 16. Dezember 2020 geschlossen.

Randnummer5Zur Begründung seines am 28. Januar 2021 beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof eingegangenen Antrages trägt er vor, die angegriffenen Regelungen der Verordnung seien rechtswidrig und verletzten den Antragsteller in seinen Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG sowie Art. 3 Abs. 1 GG. Die ergriffenen Maßnahmen würden weiter gegen das Bestimmtheitsgebot und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen. Unklar bleibe bei der angegriffenen Regelung, ob auch der mobile Dienst erfasst werde. Weiter genüge die Begründung nicht den Anforderungen des § 28a Abs. 5 Satz 1 IfSG. Der Antragsteller habe besondere Auflagen und Schutzmaßnahmen in seinem Gewerbe ergriffen. Zudem sei der Antragsgegner seiner Evaluierungspflicht nicht nachgekommen. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Antragsbegründung des vorliegenden Verfahrens sowie des Normenkontrollantrages.

Randnummer6Der Antragsteller beantragt,

die 25. Verordnung zur Anpassung der Verordnung zur Bekämpfung des Coronavirus vom 20. Januar 2021 in Verbindung mit der Corona-Quarantäneverordnung vom 26. November 2020 und der Corona-Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung vom 26. November 2020, jeweils zuletzt geändert durch Verordnung vom 7. Januar 2021, durch Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO bis zur Entscheidung über den Normenkontrollantrag des Antragstellers insoweit außer Vollzug zu setzen, soweit dadurch in § 6 Abs. 2 der Corona-Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung vom 26. November 2020 die Schließung von Dienstleistungsbetrieben von Friseuren angeordnet ist.

Randnummer7Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Randnummer8Soweit der Antrag überhaupt zulässig sei, begegne die angegriffene Bestimmung keinen rechtlichen Zweifeln, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO dringend geboten erscheinen ließen. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Antragserwiderung vom 3. Februar 2021.

II.

Randnummer9Der Senat entscheidet über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO in der Besetzung von drei Richtern (§ 9 Abs. 3 Satz 1 erster Halbsatz VwGO i. V. m § 17 Abs. 2 des Hessischen Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung (HessAGVwGO)).

Randnummer10Der Antrag ist zulässig (dazu A.), aber unbegründet. Die aktuelle Fassung der angegriffenen Verordnung lässt die vorläufige Außervollzugsetzung der Bestimmung des § 6 Abs. 2 der CoKoBeV nicht dringend geboten erscheinen (dazu B.).

Randnummer11A. Der Antrag ist zulässig.

Randnummer12I. Der Antrag ist statthaft, weil die Corona- Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung in der Fassung vom 3. Februar 2021 als im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift i. S. d. § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. § 15 HessAGVwGO statthafter Gegenstand einer Normenkontrolle vor dem Oberverwaltungsgericht sein kann.

Randnummer13II. Der Antragsteller ist antragsbefugt. Er kann geltend machen, unmittelbar durch § 6 Abs. 2 CoKoBeV in seinem Recht auf freie Berufsausübung im Rahmen seiner Tätigkeit als Inhaber eines Friseurbetriebs verletzt zu sein. Im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens findet grundsätzlich eine umfassende Prüfung statt. Bei Normen, die i. S. d. § 139 BGB teilbar sind, ist die verwaltungsgerichtliche Kontrolle allerdings auf den Teil des Normgefüges beschränkt, auf den sich die geltend gemachte Rechtsverletzung bezieht. Das hat zur Folge, dass ein darüberhinausgehender Normenkontrollantrag jedenfalls insoweit unzulässig ist, als er den Antragsteller nicht berührende Normteile erfasst, die schon aufgrund vorläufiger Prüfung offensichtlich und damit auch für den Antragsteller erkennbar unter Berücksichtigung der Ziele des Normgebers eigenständig lebensfähig und damit abtrennbar sind (vgl. hierzu Wysk/Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 47 Rn. 58). So liegt der Fall hier. Auch einer um die angegriffenen Bestimmungen reduzierten CoKoBeV käme ein eigenständiger Regelungsgehalt zu.

Randnummer14III. Der Antrag ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist in der Hauptsache der Antrag nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO binnen der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellt worden.

Randnummer15B. Der Eilantrag hat in der Sache keinen Erfolg.

Randnummer16Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen nicht vor. Die angegriffene Regelung erweist sich aufgrund der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung weder als offensichtlich rechtswidrig (I.), noch erfordert eine – bei (unterstellt) offenen Erfolgsaussichten eines Normenkontrollhauptsacheverfahrens vorzunehmende – Folgenabwägung die Außervollzugsetzung der Regelung (II.).

Randnummer17I. Die angegriffene Regelung erweist sich bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht als offensichtlich rechtswidrig.

Randnummer181. Die Verordnung zur Beschränkung von sozialen Kontakten und des Betriebs von Einrichtungen und von Angeboten aufgrund der Corona-Pandemie (Corona- Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung (CoKoBeV)) vom 7. Mai 2020 in der Fassung vom 1. Februar 2021 wurde durch die 26. Verordnung zur Anpassung der Verordnungen geändert und im Gesetz- und Verordnungsblatt des Landes Hessen am 2. Februar 2021 bekannt gemacht (GVBl. I S. 38) und ist am 3. Februar 2021 in Kraft getreten.

Randnummer192. Die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache ergibt, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich hinsichtlich § 6 Abs. 2 der CoKoBeV unbegründet sein dürfte.

Randnummer20a) Wie der Senat bereits in anderen Entscheidungen über Normenkontrolleilverfahren betreffend den ersten Lockdown gegen die Vierte Verordnung zur Bekämpfung des Corona-Virus festgestellt hat, ist die Verordnungsermächtigung in § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen – Infektionsschutzgesetz (IfSG) – in der zum Entscheidungszeitpunkt maßgeblichen Fassung, die sie durch das „Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ vom 27. März 2020 (BGBl. 2020 I S. 587 ff.; BT-Drucks 19/18111) erhalten hat, jedenfalls im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht zu beanstanden. Die Verordnungsermächtigung verletzt insbesondere weder das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG noch den Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG und die Bestimmungen der Corona- Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung finden in § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 eine hinreichende gesetzliche Grundlage (Hess. VGH, Beschlüsse vom 7. April 2020 – 8 B 892/20.N – und vom 8. April 2020 – 8 B 910/20.N, 8 B 913/20.N -, juris; zuletzt Hess. VGH vom 28. Oktober 2020 – 8 B 1831/20.N -).

Randnummer21b) Angesichts der nunmehr seit ca. zehn Monaten andauernden Pandemiesituation hat der Gesetzgeber zwischenzeitlich mit dem Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen und der Einführung des § 28a IfSG, der die Vorschrift des § 28 Abs. 1 IfSG konkretisiert, ergänzende Regelungen vorgenommen.

Randnummer22Die angegriffene Regelung findet in §§ 32 Abs. 1, 28 Abs. 1 Satz 1 und 2, 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG ihre Verordnungsermächtigung, so dass die im Hinblick auf § 28 IfSG als Verordnungsermächtigung der Vorgängerfassung geführte Diskussion vorliegend ohne Belang ist.

Randnummer23Auch die derzeitige Verordnungsermächtigung verletzt insbesondere weder das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG noch den Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG und die Bestimmungen der Corona- Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung finden in § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 eine hinreichende gesetzliche Grundlage (st. Rspr. des Senats; ebenso Bay. VGH, Beschluss vom 8. Dezember 2020 – Az.: 20 NE 20.2461 – juris Rn. 22ff.).

Randnummer24Ebenfalls wurde der Begründungsanforderung des § 28a Abs. 5 Satz 1 IfSG genüge getan. Diese Verpflichtung führt dazu, „die wesentlichen Entscheidungsgründe für die getroffenen Maßnahmen transparent zu machen und dient damit insbesondere der Verfahrensrationalität wie auch die Legitimationssicherung. Sie gewährleistet als prozedurale Anforderung den Grundrechtsschutz durch Verfahren“. Insbesondere muss die Begründung nach dem Willen des Gesetzgebers eine Erläuterung dazu enthalten, „in welcher Weise die Schutzmaßnahmen im Rahmen eines Gesamtkonzepts der Infektionsbekämpfung dienen“. Nicht erforderlich ist indes eine „empirische und umfassende Erläuterung“. Die Begründung muss auch nicht zusammen mit der Verordnung selbst veröffentlicht werden, es genügt vielmehr eine zeitnahe Veröffentlichung nach Erlass der Rechtsverordnung (zu allem BeckOK InfSchR/Johann/Gabriel, 3. Ed. 1.1.2021, IfSG § 28a Rn. 44 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 19/24334, 81). Die vorliegende angegriffene Rechtsverordnung wurde mit einer Begründung versehen (GVBl. I 2020, S. 870), genauso wie die jeweilige zeitlich befristete Verlängerung der Maßnahmen (GVBl. I 2021, S. 4, 31).

Randnummer25Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG sind mit Blick auf die andauernde Pandemielage wegen des neuartigen Coronavirus erfüllt (vgl. dazu ausführlich OVG Lüneburg, Beschluss vom 06.11.2020 – 13 MN 411/20 – juris, Rn. 26-34), weshalb die zuständigen Stellen zum Erlass notwendiger Schutzmaßnahmen verpflichtet sind. Notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG sind nach § 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG die Schließung oder Beschränkung von Betrieben, Gewerben, Einzel- oder Großhandel. Auch eine epidemische Lage von nationaler Tragweite im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG wurde durch den Deutschen Bundestag festgestellt. Diese Feststellung hat der Bundestag am 25. März 2020 getroffen und mehrfach aktuell bestätigt.

Randnummer26c) Soweit der Antragsteller vorträgt, der Verordnungsgeber sei seiner Evaluierungspflicht nicht in hinreichendem Maße nachgekommen und eine Auseinandersetzung mit konkret zu erwartenden sog. Kollateralschäden habe nicht stattgefunden, so ist das nicht zutreffend. Nach § 28a Abs. 6 Satz 2 IfSG sind bei Entscheidungen über Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Corona-Virus-Krankheit-2019 (COVID-19) soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen auf den Einzelnen und die Allgemeinheit einzubeziehen und zu berücksichtigen, soweit dies mit dem Ziel einer wirksamen Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) vereinbar ist. Dieser Verpflichtung ist der Verordnungsgeber nachgekommen, denn zur Begründung der weiteren Einschränkungen führt er aus (GVBl. I S. 870):

„Die Landesregierung ist sich dessen bewusst, welche erheblichen und erneuten Einschränkungen dies für viele Menschen und Betreiber der betroffenen Einrichtungen und Betriebe bedeutet. Würden aber keine oder weniger einschneidende Maßnahmen getroffen, würde sich das Infektionsgeschehen weiter verschärfen. Dies würde zu einer starken Belastung des Gesundheitssystems sowie zu einer Zunahme von schweren Krankheitsverläufen und Todesfällen in der Bevölkerung führen, wie dies auch in anderen Staaten zu sehen war und ist. Damit stehen die Maßnahmen auch nicht außer Verhältnis zu den mit ihnen verbundenen Grundrechtseingriffen.

Von zentraler Bedeutung für die Angemessenheit der Maßnahmen ist dabei die zeitliche Befristung. Hinzu kommt, dass die von den Einschränkungen betroffenen Unternehmen, Betriebe, Selbständige, Vereine und Einrichtungen unter bestimmten Voraussetzungen weiter finanzielle Hilfen erhalten sollen.“

Randnummer27Hierzu wurde im Januar 2021 die Überbrückungshilfe III erweitert und aufgestockt (https://www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de/UBH/Redaktion/DE/Textsamm-lungen/ueberbrueckungshilfe-lll.html). An einer Abarbeitung und Auszahlung von Unterstützungsleistungen wird gearbeitet, dass es bei der Umsetzung zu Verzögerungen kommt, hat auf die ordnungsgemäß vorgenommene Evaluierung keinen Einfluss.

Randnummer28d) Soweit der Antragsteller rügt, dass die angegriffene Regelung nicht eindeutig formuliert und zu unbestimmt sei, da nicht eindeutig zu erkennen sei, ob nur Friseurläden zu schließen hätten oder auch der mobile Dienst für körpernahe Dienstleistungen untersagt werde, so geht er damit fehl.

Randnummer29Der Verordnungsgeber hat eindeutig festgelegt, dass entsprechende Dienstleistungsbetriebe geschlossen sind. Abgestellt wurde gerade nicht auf Einrichtungen oder Ladenlokale. Unter Dienstleistungsbetriebe fällt nicht nur die Ausübung in einem Ladengeschäft, sondern auch die Ausübung mittels eines mobilen Services.

Randnummer30e) Der mit der angegriffenen Regelung in § 6 Abs. 2 CoKoBeV vorgenommene Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der betroffenen Bürger ist bei summarischer Prüfung mit höherrangigem Recht – insbesondere mit Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG – noch vereinbar.

Randnummer31aa) Die mit der Verordnung angeordneten Schließungen für Betriebe, die körpernahe Dienst- und Handwerksleistungen erbringen, beinhalten für einen nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung, nämlich sämtliche Betreiber von Betrieben für körpernahe Dienst- und Handwerksleistungen, wie Friseur, Kosmetik, Nagelstudio, Fußpflege, Tattoo, einen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsausübungsfreiheit. Dieser ist jedoch durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt und insbesondere verhältnismäßig.

Randnummer32(1) Der Eingriff erfolgt zu einem legitimen Zweck, nämlich dem Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und insbesondere einer Verhinderung der Überlastung des Gesundheitssystems.

Randnummer33(2) Die Maßnahme dürfte auch geeignet und notwendig sein, um dieses Ziel zu erreichen. Denn Betriebe für körpernahe Dienst- und Handwerksleistungen, hier Friseurbetriebe, bieten Kontaktmöglichkeiten mit wechselnden Kunden und Gästen, die sich in den Betrieben einfinden, die ohne diesen Anlass nicht zustande kämen. Dabei kann gerade eine Leistung des Friseurhandwerks eine längere Zeitdauer und damit Verweildauer im Betrieb in Anspruch nehmen. Zudem werden die Kontaktmöglichkeiten auf dem Weg zu den Betrieben und die Attraktivität des öffentlichen Raums bei geschlossenen Betrieben reduziert. Es steht außer Zweifel, dass Zusammenkünfte in geschlossenen Räumen mit einer Anzahl regelmäßig ansonsten nicht zusammentreffender Personen und längerer Verweildauer ein signifikant erhöhtes Infektionsrisiko mit sich bringen. So sollen nach den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts, dem nach § 4 IfSG als nationale Behörde zur Vorbeugung übertragbarer Krankheiten sowie zur frühzeitigen Erkennung und Verhinderung der Weiterverbreitung von Infektionen eine besondere Rolle zukommt, Menschenansammlungen – besonders in Innenräumen – gemieden werden (Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019, Stand: 03.02.2021, S.2). Die hohen bundesweiten Fallzahlen werden verursacht durch zumeist diffuse Geschehen (Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019, Stand: 03.02.2021, S.1). Laut der aktuellen Risikobewertung des RKI könne nur in wenigen Fällen das Infektionsumfeld ermittelt werden. Dies mildert den Erkenntniswert der zahlenmäßig festgestellten Infektionsumfelder ganz erheblich. Das RKI hat seine Risikobewertung am 3. Februar 2021 aktualisiert und schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland weiterhin insgesamt als sehr hoch ein. Die Dynamik der Verbreitung einiger neuer Varianten sei besorgniserregend, diese seien inzwischen auch in Deutschland nachgewiesen. Aus diesem Grund ist es weiterhin notwendig, dass sich die gesamte Bevölkerung für den Infektionsschutz engagiert. Hierbei entwickelte sich die Zahl der täglichen Neuinfektionen (Quelle: Robert-Koch-Institut) nach einem starken Anstieg Anfang Dezember 2020 mit einem Höchstzuwachs von 33.777 (Stand: 18.12.2020), einem Rückgang während der Feiertage und einem erneuten Anstieg in der ersten Januarwoche nun zu einem Sinken der Fallzahlen. Aktuell liegt die Zahl der täglichen Neuinfektionen bei 14.211 (Stand: 04.02.2021). Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit Covid-19 liegt bei 786 (Stand: 04.02.2021). Es ist insoweit nicht ersichtlich, dass der Verordnungsgeber bei der durchgeführten (s.o.) verfassungsrechtlich gebotenen Evaluierung der in der Corona- Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung enthaltenen Schutzmaßnahmen von nicht mehr vertretbaren Tatsachen oder Annahmen ausgegangen wäre und die Grenzen der ihm zuzugestehenden Einschätzungsprärogative überschritten hätte. Jedenfalls sieht der Senat keine Anhaltspunkte für eine willkürliche oder nicht mit dem Ziel der Erhaltung eines leistungsstarken Gesundheitssystems zu vereinbarenden Änderung der CoKoBeV, insbesondere in Anbetracht der erst langsam sinkenden Infektionszahlen.

Randnummer34(3) Die Regelung erscheint bei der im Eilverfahren erforderlichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung auch angemessen, d. h. verhältnismäßig im engeren Sinne. Auf der einen Seite werden die Folgen der Schließung für den Antragsteller durch die Gewährung von Wirtschaftshilfen abgemildert. Auf der anderen Seite rechtfertigt der Gesundheitsschutz, insbesondere das Ziel der Verlangsamung der Ausbreitung der hoch infektiösen Viruserkrankung, in der gegenwärtigen Situation einschneidende Maßnahmen wie sie der Antragsgegner vorliegend getroffen hat. Diese wurden vom Verordnungsgeber befristet bis zum 14. Februar 2021 vorgenommen. Hinzu kommt, dass die angegriffene Regelung Teil eines aktuell sehr dynamischen Prozesses ist, bei dem die getroffenen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr nahezu täglich neu überdacht und angepasst werden. So ist auch die Verordnung vom 14. Dezember 2020 mit In-Kraft-Treten ab 16. Dezember 2020, mit der die Schließung der Friseurbetriebe angeordnet wurde, (vorerst) nur bis zum 14. Februar 2021 befristet, um die Konsequenzen beurteilen und weitere Schritte erwägen und umsetzen zu können. Angesichts des überschaubaren Geltungszeitraums der Verordnung und der dem Antragsteller eingeräumten Möglichkeit zur Beantragung von Wirtschaftshilfen haben seine Interessen gegenüber überwiegenden öffentlichen Interessen zurückzustehen. Denn die angeordnete Maßnahme ist zur Gewährleistung der Gesundheit der Bevölkerung, einem auch mit Blick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG überragend wichtigen Gemeinwohlbelang (vgl. BVerfG, Urteil vom 30. Juli 2008 – 1 BvR 3262/07 u.a. -, juris Rn. 119 m. w. N.), derzeit erneut notwendig.

Randnummer35bb) Die streitgegenständliche Regelung steht ferner auch mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz in Einklang. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Das daraus folgende Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt für ungleiche Belastungen ebenso wie für ungleiche Begünstigungen. Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch sachliche Gründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 2019 – 1 BvL 1/18, 1 BvL 4/18, 1 BvR 1595/18 -, juris Rn. 94).

Randnummer36

Randnummer37

Danach erscheint es seuchenrechtlich geboten und damit sachlich gerechtfertigt, Betriebe für körpernahe Dienst- und Handwerksleistungen, hier Friseurbetriebe, derzeit geschlossen zu halten. Friseurleistungen sind vergleichbar mit anderen körpernahen Dienstleistungen. Die vom Antragsgegner vorgenommene unterschiedliche Behandlung gegenüber anderen Betrieben und Handwerksbetrieben erscheint nicht evident unsachlich. Für das Infektionsgeschehen von Relevanz ist die Einschränkung bzw. Verhinderung der relevanten sozialen Kontakte. Anders als im Einzelhandel kann bei körpernahen Dienstleistungen das Abstandsgebot typischerweise nicht eingehalten werden. Dies gilt auch im Vergleich zu anderen Handwerksbetrieben. Aus diesem Grund wurden inzwischen sämtliche Betriebe für körpernahe Dienstleistungen geschlossen, so auch Frisörbetriebe. Eine Ausnahme bilden hierbei die körpernahen Dienstleistungen, die medizinisch indiziert sind. Seitens des Verordnungsgebers wurde hier differenziert zwischen Dienstleistungen, die rein oder überwiegend ästhetische Aspekte haben und solchen, die medizinisch notwendig sind. Diese Unterscheidung erscheint nicht evident unsachlich (ebenso OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 19.01.2021 – 3 MR 1/21 – juris Rn. 46; OVG Thüringen, Beschluss vom 28.01.2021 – 3 EN 22/21 – juris Rn. 59).

cc) Da bereits die spezielleren Grundrechte nicht durchgreifen, gilt dies erst Recht für Art. 14 GG.Randnummer38II. Eine bei (unterstellt) offenem Ausgang des Verfahrens vorzunehmende Folgenabwägung käme zu keinem anderen Ergebnis.

Randnummer39Die Abwägung zwischen dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers und dem öffentlichen Vollziehungsinteresse erfordert die Betrachtung der Folgen, die einträten, wenn die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes versagt würde, das Verfahren in der Hauptsache hingegen Erfolg hätte. Diese Auswirkungen sind zu vergleichen mit den Nachteilen, die entstünden, wenn die streitgegenständliche Regelung außer Vollzug gesetzt würde, dem Rechtsbehelf in der Hauptsache aber der Erfolg zu versagen wäre. Bei dieser Abwägung ist in Rechnung zu stellen, ob dem Antragsteller unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung eine Hauptsacheentscheidung nicht mehr in der Lage wäre. Droht im Falle der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung von Grundrechten, die durch eine dem Antrag stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnte, ist diesem Umstand ein hohes Gewicht beizumessen, dem nur der Schutz herausragend wichtiger Rechtsgüter entgegengesetzt werden kann. Bei dieser Interessenabwägung ist jeweils die Richtigkeit des Vorbringens desjenigen als wahr zu unterstellen, dessen Position gerade betrachtet wird, soweit das jeweilige Vorbringen ausreichend substantiiert und die Unrichtigkeit nicht ohne weiteres erkennbar ist (vgl. Schleswig-Holsteinisches OVG, Beschluss vom 13. September 1991 – 4 M 125/91 -, zit. nach juris Rn. 13 f. m. w. N.).

Randnummer40Nach Auffassung des Senats muss hier das grundrechtlich geschützte Interesse des Antragstellers an einer Öffnung zurückstehen. Insoweit überwiegt – wie bereits ausgeführt – das auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gestützte öffentliche Interesse am Schutz von Leib und Leben der Bevölkerung vor der weiteren Ausbreitung der hochansteckenden Viruskrankheit und insbesondere am Schutz der Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens in Deutschland und des in medizinischen Einrichtungen wie Krankenhäusern und Arztpraxen tätigen Personals vor einer weiteren Überlastung. Die Gewährleistung der trotz der derzeit herrschenden Corona-Pandemie bestmöglichen Krankenversorgung stellt ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut dar, für dessen Schutz der Staat von Verfassungswegen auch im Hinblick auf das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG zu sorgen hat (vgl. ebenso BVerfG, Beschl. vom 11. November 2020 – 1 BvR 2530/20 – juris, Rn. 12ff.; Hess. VGH, Beschluss vom 3. April 2020 – 2 B 925/20 – m. w. N.). Dabei ist aktuell weiter eine hohe Zahl an Todesfällen im Zusammenhang mit Covid-19 zu beobachten und es wird daher appelliert, dass sich die gesamte Bevölkerung für den Infektionsschutz engagiert (vgl. Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019, Stand: 03.02.2021). Bei der Abwägung der Interessen ist zudem zu berücksichtigen, dass die bestehenden Hilfsprogramme durch zusätzliche außerordentliche Wirtschaftshilfen ergänzt wurden (insgesamt: bundesfinanzministerium.de – Corona-Hilfen; aktuell: www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de). Bei einer Abwägung der dem Antragsteller drohenden Nachteile als Folgen eines zeitlich eng befristeten Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) mit dem staatlichen Auftrag der Bereitstellung eines effektiven Gesundheitssystems zur Gewährleistung des Grundrechts behandlungsbedürftiger, teilweise lebensbedrohlich erkrankender Personen aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG setzt sich der Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit durch (so im Ergebnis auch BVerfG, Beschluss vom 10. April 2020 – 1 BvQ 28/20 – juris; Staatsgerichtshof des Landes Hessen, Beschluss vom 6. Januar 2021 – P.St. 2768 – juris Rn. 125).

Randnummer41III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Randnummer42Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 2 Satz 1, 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2, 63 Abs. 2 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Dabei legt der Senat nach seiner ständigen Praxis in Normenkontrollverfahren für die Bemessung des Interesses des Antragstellers an der Aufhebung der streitgegenständlichen Regelung in § 6 Abs. 2 Satz 1 der CoKoBeV mangels näherer Angaben zum wirtschaftlichen Schaden den doppelten Auffangwert zu Grunde. Dieser Betrag ist im Hinblick auf das Begehren einer die Hauptsache vorwegnehmenden Eilentscheidung nicht zu halbieren (vgl. Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, u.a. abgedruckt bei Kopp/Schenke, VwGO, 26. Auflage, 2020, Anhang zu § 164 Rdnr. 14).

Randnummer43Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).

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