Hessischer VGH, Urteil vom 10.09.2019 – 23 C 2649/16

August 2, 2021

Hessischer VGH, Urteil vom 10.09.2019 – 23 C 2649/16

Ist die Dreimonatsfrist des § 142 Abs. 2 Satz 2 FlurbG zur Klageerhebung ohne Durchführung des Vorverfahrens verstrichen, so steht die Ausschlussfrist nach dem Grundsatz von Treu und Glauben der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen, wenn das Verhalten der Behörde den Beteiligten von einer fristgerechten Klageerhebung abgehalten hat.

Zum Eigentum an Gewässerbetten 3. Ordnung, die grundbuchrechtlich nicht erfasst sind.

Tenor
Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen. Das Verfahren ist gebührenpflichtig. Zur Abgeltung der dem Gericht entstandenen baren Auslagen wird ein Pauschsatz von 155r € erhoben.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung abwenden, falls nicht zuvor der Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand
Die Kläger sind Eigentümer der Grundstücke Gemarkung Hornbach, Flur A…, Flurstücke …/B… und …/C… mit Grundstücksflächen von 485 m2 und 1790 m2 Zwischen diesen Grundstücksflächen verläuft das Gewässer Hornbach.

Mit Flurbereinigungsbeschluss vom 7. Dezember 1967 hat die obere Flurbereinigungsbehörde (das damalige Landeskulturamt Hessen) die Flurbereinigung für die gesamte Gemarkung Hornbach einschließlich der Ortslage und des Waldes mit einer Größe von insgesamt 250,67 ha angeordnet. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das vorhandene Wege- und Grabennetz unzureichend, schlecht ausgebaut sei und zum größten Teil in der gesamten Anlage geändert und neu gestaltet werden müsse. Nur durch die Anlage eines zweckentsprechenden und gut ausgebauten Wegenetzes ließen sich betriebswirtschaftliche Voraussetzungen schaffen, die für die Führung eines modernen, motorisierten und mechanisierten Betriebes unbedingt notwendig seien.

Mit dem 1. Änderungsbeschluss vom 25. Juli 1990 wurden weitere Grundstücke in das Flurbereinigungsverfahren einbezogen und andere aus dem Verfahren ausgeschlossen. Das Flurbereinigungsgebiet umfasste nunmehr eine Größe von 269 ha. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass neben der Verbesserung des Wege- und Gewässernetzes sowohl durch Neugestaltung und Ausbau, als auch durch die Regelung der rechtlichen Verhältnisse, Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege gefördert, Maßnahmen im Eigeninteresse der Betriebe durchgeführt und sonstige gemeinschaftliche und öffentliche Anlage gefördert werden sollten, die geeignet seien, die Produktions- und Arbeitsbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft und die Grundlagen der Wirtschaftsbetriebe zu verbessern.

Mit der 2. Änderung des Flurbereinigungsbeschlusses vom 8. Juni 2004 wurde das Flurbereinigungsgebiet auf 350 ha vergrößert. Einbezogen wurden nunmehr auch Grundstücke der Gemarkung Reisen und Ober-Mumbach. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass nur durch ortsteilübergreifende Maßnahmen die Erhaltung und Sicherung der Kulturlandschaft und Bewirtschaftung optimal realisiert werden könnten.

Durch den 3. Änderungsbeschluss vom 23. November 2009 wurden schließlich verschiedene Grundstücke hinzugezogen und weitere aus dem Verfahrensgebiet ausgeschlossen, so dass das Gebiet insgesamt eine Fläche von 351,19 ha umfasst.

Nach dem am 28. Oktober 2004 gemäß § 41 Abs. 4 FlurbG genehmigten Wege- und Gewässerplan mit landschaftspflegerischem Begleitplan sind die Hauptgewässer zu parzellieren und einschließlich von Uferrandstreifen in das Eigentum der Gemeinde zu überführen (Nummer 3.1.2.2 des Wege- und Gewässerplans – Gewässer -). Im Zuge des Verfahrens sollte nach Nummer 3.3.1.1 des Wege- und Gewässerplans der Hornbach (Nr. 400) neu vermessen und erstmalig parzelliert werden. Diese Zielsetzung wurde mit der 1. Änderung zum Wege- und Gewässerplan vom 28. Juni 2012 aufgegeben. Zur Begründung wird ausgeführt, dass seitens der Gemeinde Birkenau, der Bewirtschafter und der Eigentümer an den Gewässern keine Notwendigkeit gesehen werde, die Gewässer neu zu parzellieren und dabei Uferstreifen bzw. Uferrandstreifen in das Eigentum der Gemeinde zu überführen. Die Regelungen der Fachgesetze würden als ausreichend betrachtet. Daher werde die im Plan nach § 41 FlurbG ursprünglich formulierte Zielsetzung der Parzellierung der Gewässer aufgegeben, und soweit es sinnvoll sei, würden die Hauptgewässer als Nutzungsart im Kataster nachgewiesen. Da die Parzellierung der Gewässer im Verzeichnis der Festsetzungen nicht enthalten sei, erübrige sich eine Aufhebung. Im nachrichtlichen Verzeichnis der 1. Änderung zum Wege- und Gewässerplan ist der Hornbach (Nr. 400) gleichwohl handschriftlich unter Nummer 2 – vorhandene Anlagen, die in öffentliches Eigentum überführt werden – gelistet.

Im Zuge des Flurbereinigungsverfahrens wurde der Hornbach vermessen, wobei das neu parzellierte Grundstück zwischen den Flurstücken …/B… und …/C… eine Größe von insgesamt 108 m2 aufweist. Die neu geschaffene Parzelle wurde der Gemeinde zugewiesen, während die beide Grundstücke mit den Flurstücks-Nrn. D… und E… (neu) wieder den Klägern mit kleineren Grenzkorrekturen in alter Lage zugeteilt wurden. Mit Schreiben vom 16. November 2010 wurde den Klägern mitgeteilt, dass für Mehr- und Minderausweisungen im Rahmen der Landabfindung von Amts wegen ein Geldausgleich erfolgen solle, der saldiert 30,- € betrage, nachdem die Kläger sich mit den Veränderungen an ihren Grundstücken nicht einverstanden erklärt hätten.

Die vorläufige Besitzeinweisung erfolgte am 17. Dezember 2010.

Im Anhörungstermin zur Bekanntgabe des Flurbereinigungsplans (§ 59 FlurbG) am 26. März 2015 (nicht, wie aus Blatt 2 des Verwaltungsvorgangs folgt, am 26. März 2011) haben die Kläger Widerspruch gegen den Plan erhoben. Der Widerspruch richtet sich gegen den Verlust an Fläche des Gewässers Hornbach.

Zu dem Termin über die Verhandlung zur Überprüfung und Entscheidung zum Widerspruch vor der Spruchstelle für Flurbereinigung beim Hessischen Landesamt für Bodenmanagement und Geoinformation am 29. Oktober 2015 wurde allein der Kläger zu 1. am 13. Oktober 2015 mit dem Hinweis geladen, dass für die Ehefrau und Miteigentümerin der Grundstücke keine Vollmacht vorliege. Mit gemeinsamen Schreiben der Eheleute vom 19. Oktober 2015- bei der Spruchstelle am 22. Oktober 2015 eingegangen – haben diese darauf hingewiesen, dass der Widerspruch in beider Namen erhoben worden sei und deshalb darum gebeten, in der Widerspruchsakte den Widerspruch beider Grundstückseigentümer zu vermerken. Im Termin selbst wies der Kläger zu 1. zur weiteren Begründung des Widerspruchs auf sein Schreiben an die Mitglieder der Gemeindevertretung Birkenau vom Dezember 2012 (Bl. 183 f. der Akte 8002 B – SP Allgemein) und schlug im Übrigen vor, eine Parzellierung des Gewässers durchzuführen, jedoch auf einen Eigentümerwechsel hinsichtlich dieser Flächen zu verzichten. Ausweislich der Niederschrift zum Fortsetzungstermin am 22. Juli 2016 hielt der Kläger zu 1. an dem erhobenen Widerspruch fest.

Die Spruchstelle für Flurbereinigung beim Hessischen Landesamt für Bodenmanagement und Geoinformation hat den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. September 2016 zurückgewiesen. Zur Begründung wird ausgeführt, durch den angefochtenen Flurbereinigungsplan werde der Widerspruchsführer nicht in seinen Rechten verletzt. Der Flurbereinigungsplan sei formell und materiell rechtmäßig. Insbesondere entspreche die Parzellierung und Überführung des Hornbachs in Gemeindeeigentum den Aufgaben der Flurbereinigung nach § 37 FlurbG, da im Zuge der Flurbereinigung die rechtlichen Verhältnisse zu ordnen und die öffentlichen Interessen zu wahren seien. Im Hinblick auf das überragend wichtige Gut „Wasser“ sei es geboten, zumindest die Hauptvorfluter – also auch den Hornbach – als gemeinschaftliche Anlage eindeutig rechtlich zu regeln und in Gemeindeeigentum zu überführen. Hinter diesen öffentlichen Belangen hätten private Interessen zurückzutreten. Unerheblich sei in diesem Zusammenhang, dass diese Zielsetzung des Flurbereinigungsverfahrens im textlichen Teil des Wege- und Gewässerplans geändert und die Parzellierung der Gewässer grundsätzlich aufgegeben worden sei und nur noch die Hauptgewässer als Nutzungsart nachgewiesen werden sollten, soweit dies sinnvoll erscheine. Da es sich bei dem Hornbach um einen Hauptvorfluter handele, sei die Parzellierung sinnvoll und geboten. Soweit die Verletzung des Eigentumsrechts aus Art. 14 GG gerügt werde, sei auf den Anspruch auf Landabfindung zu verweisen. Durch die wertgleiche Abfindung sei der Eingriff in das Eigentum mit Art. 14 GG vereinbar. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger zu 1. ausweislich der Postzustellungsurkunde am 1. Oktober 2016 zugestellt.

Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 28. Oktober 2016 – bei dem Flurbereinigungsgericht beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof eingegangen am selben Tag – haben die Kläger Klage erhoben. Zur Begründung wird ausgeführt, die Klage sei zulässig, denn die Verwirklichung und Umsetzung des Flurbereinigungsplans verletze sie in ihren Eigentumsrechten an dem durch Art. 14 GG geschützten Grundeigentum. Die kataster- und grundbuchmäßige Erfassung der in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke habe bisher keine Wasserflächen enthalten. Die nachträgliche Erfassung von Wasserflächen im Flurbereinigungsverfahren sei weder geboten noch sei diese zusätzliche Erfassung von Wasserflächen formal wirksam erfolgt. Sie stehe im Übrigen auch in keinem Zusammenhang mit den Zielen des Flurbereinigungsverfahrens, denn die Parzellierung und eigentumsrechtliche Zuweisung des Bachlaufs an die Gemeinde Birkenau verfolge keine Verbesserung des vorhandenen Wege- und Grabennetzes. Die gesetzlich normierten Ziele des Flurbereinigungsverfahrens würden vielmehr in das Gegenteil verkehrt, indem die beiden Grundstücke nunmehr unter gesonderter Ausweisung der Wasserfläche des Hornbachs in drei Parzellen aufgeteilt werden sollten und zwischen den im Eigentum der Grundstückseigentümer verbleibenden beiden neuen Grundstücksparzellen eine diese Parzellen trennende, im fremden Eigentum stehende Parzelle gebildet werde, die auch der Schaffung eines direkten Zugangs zwischen den in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke verhindere. Zwar werde hier nicht ein einheitliches Grundstück zertrennt wie im Parallelverfahren, die Neuparzellierung und Eigentumsübertragung führe aber zu einer neuen Grenzsituation die bewirke, dass die neu gebildete, im Eigentum der Gemeinde stehende Parzelle den direkten Zugang zwischen den beiden Grundstücken verhindere bzw. in starkem Maße einschränke. Eine einheitliche Betrachtungsweise beider Grundstücke als Gesamtfläche sei nicht mehr möglich und werde im Falle eines Verkaufs einen potenziellen Käufer auch davon abhalten, das auf der gegenüberliegenden Bachseite liegende Freizeitgrundstück zu erwerben. Auch werde die Erschließung erschwert, da eine Zuwegung nur über die Wegeparzelle Flurstück 82 bestehe, was einen erheblichen Mehraufwand zur Pflege des Grundstücks verursache. Darüber hinaus leide das Zustandekommen des Flurbereinigungsplans an einem formalen Mangel, soweit der Hornbach entgegen der textlichen Festsetzungen im nachrichtlichen Verzeichnis der 1. Änderung zum Wege- und Gewässerplan handschriftlich als Anlage aufgelistet worden sei. Soweit schließlich in der Begründung des Widerspruchsbescheids ausgeführt werde, die Parzellierung und Überführung des Hornbachs in Gemeindeeigentum entspreche den Aufgaben der Flurbereinigung nach § 37 FlurbG, sei diese Begründung unzutreffend und liegen neben der Sache. Die Parzellierung des Hornbachs diene weder dem Wohl der Allgemeinheit noch bestehe eine Notwendigkeit im Hinblick auf die Neuaufteilung der Feldmark, um zersplitterte oder unwirtschaftlich geformte Grundstücke nach neuzeitlichen betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zusammenzufassen, durch welche die Grundlage der Wirtschaftsbetriebe verbessert, der Arbeitsaufwand vermindert und die Bewirtschaftung erleichtert würden. Im Übrigen habe der Kläger zu 1. während der gesamten Laufzeit des Flurbereinigungsverfahrens bereits darauf hin gewiesen, dass die Wasserfläche nach den gesetzlichen Vorgaben ohnehin dem Eigentum der Gemeinde Birkenau zugeordnet sei, so dass von dieser Flurbereinigungsmaßnahme allein die Interessen der Eigentümer betroffen und verletzt seien, auf deren Grundstücken der Hornbach ganz oder teilweise verlaufe. Vor diesem Hintergrund lasse die Entscheidung der Flurbereinigungsbehörde im Rahmen des bisherigen Verfahrensgangs und des Widerspruchsverfahrens sachliche Abwägungs- und Ermessenskriterien vermissen.

Schließlich sei der vorgesehene Wertausgleich untersetzt und entspreche nicht dem tatsächlichen Verkehrswert der betroffenen Grundstücke.

Die Kläger beantragen,

den Flurbereinigungsplan des Flurbereinigungsverfahrens Birkenau Hornbach II des Amtes für Bodenmanagement Heppenheim und den Widerspruchsbescheid der Spruchstelle für Flurbereinigung beim Hessischen Landesamt für Bodenmanagement und Geoinformation vom 27. September 2016 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Als Stellungnahme zur Klage nimmt er Bezug auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid, da neue Tatsachen nicht ersichtlich seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen (ein Ordner und zwei Hefter), die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gemacht wurden.

Gründe
Die fristgerecht erhobene Klage ist auch im Übrigen zulässig. Sie ist als Anfechtungsklage gegen den Flurbereinigungsplan statthaft, denn der Flurbereinigungsplan ist eine Allgemeinverfügung im Sinne von § 35 Satz 2 Hessisches Verwaltungsverfahrensgesetz – HVwVfG -; er fast eine Vielzahl von einzelnen Verwaltungsakten, die gegen eine Vielzahl von Beteiligten ergehen, zusammen (BVerwG, Beschluss vom 3. Februar 1960 – BverwG 1 CB 135.59 -, RdL 1960, 189 = RzF 5 zu § 44 IV; Wingerter/Mayr, Flurbereinigungsgesetz, 10. Aufl. 2018, § 58 Rn. 2).

Des Weiteren ist auch das Vorverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden. Widersprüche gegen den bekanntgegebenen Flurbereinigungsplan sind gemäß § 59 Abs. 2 FlurbG von den Beteiligten zur Vermeidung des Ausschlusses in einem Anhörungstermin vorzubringen. Ausweislich der Niederschrift über den Anhörungstermin gemäß § 59 FlurbG haben unter anderem die Kläger – also die Eheleute F… – im Termin am 26. März 2015 Widerspruch erhoben, und zwar der Kläger zu 1. auch im Namen der Klägerin zu 2., was er durch seine Unterschrift dokumentiert hat. Unabhängig von der Frage, ob in Fällen, in denen Ehepartner in einem Flurbereinigungsverfahren als Miteigentümer auftreten, davon auszugehen ist, dass ein Ehegatte auch ohne ausdrückliche Erklärung als Vertreter für den anderen gehandelt hat (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 22. Oktober 2014 – 13 A 13.1853 -, RdL 2015, 133 = Juris), sind auch die Voraussetzungen des Vollmachtsnachweises nach § 123 Abs. 1 FlurbG erfüllt. Denn auf den Hinweis der Spruchstelle für Flurbereinigung beim Hessischen Landesamt für Bodenmanagement und Geoinformation vom 9. Oktober 2015 haben die Kläger mit Schreiben vom 19. Oktober 2015 – bei der Behörde am 22. Oktober 2015 eingegangen – schriftliche Vollmacht eingereicht.

Dass die Spruchstelle für Flurbereinigung beim Hessischen Landesamt für Bodenmanagement und Geoinformation gleichwohl lediglich über den Widerspruch des Klägers zu 1. entschieden hat, steht der Zulässigkeit der Klage auch der Klägerin zu 2. nicht entgegen. Gemäß § 142 Abs. 2 FlurbG ist in den Fällen des § 59 Abs. 2 FlurbG die Klage ohne ein Vorverfahren zulässig, wenn über einen Widerspruch innerhalb einer Frist von einem Jahr sachlich nicht entschieden worden ist. Die Erhebung der Klage ist in diesen Fällen nur bis zum Ablauf von weiteren 3 Monaten seit Ablauf der Frist nach Satz 1 zulässig. Zwar liegt im vorliegenden Fall zwischen der Erhebung des Widerspruchs im Anhörungstermin vom 26. März 2015 und der Klageerhebung am 28. Oktober 2016 ein Zeitraum von einem Jahr, 7 Monaten und 2 Tagen, so dass die Ausschlussfrist des § 142 Abs. 2 Satz 2 FlurbG grundsätzlich Wirkung entfaltet, da in Fällen einer gesetzlichen Ausschlussfrist auch die Wiedereinsetzungsregelung nach § 60 VwGO keine Anwendung findet (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. Mai 2011 – 7 S 2337/10 -, RdL 2012, 240 = Juris). Der Unzulässigkeit der Klage steht jedoch der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn ein Beteiligter durch das Verhalten der Behörde davon abgehalten wird, fristgerecht zu klagen, wenn etwa die Ausgangs- oder Widerspruchsbehörde den Eindruck erweckt, der Erlass eines Änderungs- oder Widerspruchsbescheids stehe noch aus (Wingerter/Mayr, a.a.O., § 142 Rn. 16a mit umfangreichen Rechtsprechungsnachweisen). Erstmalig mit der Zustellung der Ladung zum Erörterungstermin vor der Spruchstelle für Flurbereinigung – dem Hessischen Landesamt für Bodenmanagement und Geoinformation – am 13. Oktober 2015 erhielten die Widerspruchsführer die Information, dass die Widerspruchsbehörde davon ausgeht, die Klägerin zu 2. habe keinen Widerspruch erhoben. Bis zu diesem Zeitpunkt konnten die Kläger davon ausgehen, dass der Flurbereinigungsbehörde Widersprüche beider Miteigentümer der verfahrensgegenständlichen Grundstücke Vorlagen. Dementsprechend begannen die Fristen des § 142 Abs. 2 FlurbG erst ab dem Zeitpunkt der Zustellung der Ladung zu laufen. Die Jahresfrist des § 142 Abs. 2 Satz 1 FlurbG endete vor diesem Hintergrund am Donnerstag den 13. Oktober 2016, so dass die Klageerhebung am 28. Oktober 2016 innerhalb der 3-monatigen Ausschlussfrist des § 142 Abs. 2 Satz 2 FlurbG erfolgte.

Die gegen den Flurbereinigungsplan gerichtete Anfechtungsklage ist jedoch nicht begründet. Denn der angefochtene Verwaltungsakt in Form der Allgemeinverfügung ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.

Der Flurbereinigungsplan leidet zunächst nicht an formellen Mängeln. Der Flurbereinigungsplan ist von der zuständigen Flurbereinigungsbehörde – dem Amt für Bodenmanagement Heppenheim – erlassen und gemäß § 58 Abs. 3 FlurbG von der oberen Flurbereinigungsbehörde – dem Hessischen Landesamt für Bodenmanagement und Geoinformation – am 19. Januar 2015 genehmigt worden. Am 24. und 25. März 2015 hat die Flurbereinigungsbehörde den Flurbereinigungsplan durch Offenlegung bekanntgemacht und am 26. März 2015 hat sie den Anhörungstermin über den Inhalt des Flurbereinigungsplans gemäß § 59 Abs. 2 FlurbG durchgeführt. Soweit der Bevollmächtigte der Kläger einen formellen Mangel darin erblickt, dass das Gewässer Hornbach entgegen der textlichen Festsetzungen im nachrichtlichen Verzeichnis der 1. Änderung zum Wege- und Gewässerplan handschriftlich als Anlage aufgelistet worden ist, kommt in diesem Zusammenhang ein Verfahrensfehler beim Zustandekommen des Flurbereinigungsplans nicht in Betracht und es führt auch inhaltlich nicht zur Rechtswidrigkeit dieses Planes. Zwar ist der Wege- und Gewässerplan mit landschaftspflegerischem Begleitplan gemäß § 58 Abs. 1 Satz 2 FlurbG in den Flurbereinigungsplan aufzunehmen, und da der Plan nach § 41 Abs. 5 FlurbG von einzelnen Teilnehmern nicht selbstständig angefochten werden kann, können deshalb Rügen dagegen auch im Verfahren zur Überprüfung des Flurbereinigungsplans vorgebracht werden (BVerwG, Beschluss vom 18. März 1985 – 5 B 75.83 -, RzF 6 zu § 41 V, und Urteil vom 6. Februar 1986 – 5 C 40.84 BVerwGE 74, 1 = RdL 1988, 131; Wingerter/Mayr, a.a.O., § 41 Rn. 36). Nach dem Wege- und Gewässerplan vom 6. September 2004 – am 28. Oktober 2004 durch die obere Flurbereinigungsbehörde genehmigt – war beabsichtigt, die Hauptgewässer zu parzellieren und in das Eigentum der Gemeinde zu überführen, wobei unter anderem Uferrandstreifen geschaffen werden sollten und die Flurbereinigungsbehörde davon ausging, dass die Ufer Bestandteile der anliegenden Grundstücke sind (Nummer 3.1.2.2 des Plans). Mit der 1. Änderung zum Wege- und Gewässerplan, aufgestellt am 28. Juni 2012 und am 18. Januar 2013 von der oberen Flurbereinigungsbehörde genehmigt, hat die Flurbereinigungsbehörde gemäß Nummer 4.1 des Plans die Neuparzellierung unter Überführung von Uferstreifen bzw. Uferrandstreifen in das Eigentum der Gemeinde aufgegeben, da – nach dem Widerstand insbesondere der Gemeinde – die Regelungen der Fachgesetze als ausreichend betrachtet wurden. Im Übrigen wird dazu weiter ausgeführt, dass die Parzellierung der Gewässer im Verzeichnis der Festsetzungen nicht enthalten sei, so dass eine Aufhebung daher nicht erforderlich sei. Vor diesem Hintergrund kann die Rüge des Bevollmächtigten der Kläger die Rechtmäßigkeit des Flurbereinigungsplans nicht in Zweifel ziehen, da der Wege- und Gewässerplan keine Festsetzungen enthält, die geeignet sind, Rechte der Kläger zu verletzen. Denn die Aufnahme des Hornbachs in das nachrichtliche Verzeichnis über vorhandene Anlagen, die in öffentliches Eigentum überführt werden, hat keine konstitutive Wirkung, sondern lediglich deklaratorische Bedeutung, da – worauf später näher einzugehen ist – das Gewässerbett des Hornbachs als Gewässer 3. Ordnung gemäß § 3 Abs. 2 in Verbindung mit § 2 Nr. 3 Hessisches Wassergesetz – HWG – kraft Gesetzes bereits im Eigentum der Gemeinde stand.

Der Flurbereinigungsplan ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden. Nach § 44 Abs. 1 FlurbG kann jeder Teilnehmer eine wertgleiche Abfindung in Land beanspruchen. Das Gebot wertgleicher Abfindung für Einlagegrundstücke ist oberster Grundsatz des Flurbereinigungsverfahrens. Es verlangt, dass der Wert der gesamten Neuzuteilung unter Berücksichtigung der Abzüge für Folgeeinrichtungen dem Wert der Gesamteinlage entspricht. Des Weiteren ist das über den Gleichwertigkeitsgrundsatz der Abfindung hinausgehende Abwägungsgebot nach § 44 Abs. 2 Hs. 2 FlurbG zu beachten.

Dieses auf die planerische Gestaltung der Landabfindung bezogene Abwägungsgebot hat neben den die Gleichwertigkeit konkretisierenden Gestaltungsrichtlinien nach § 44 Abs. 3 bis 5 FlurbG auch die Wünsche der Teilnehmer (§ 57 FlurbG) und die Schutzrechte des § 45 FlurbG in die Abwägung einzubeziehen. Das Flurbereinigungsgesetz hat aber mit § 44 Abs. 2 die Berücksichtigung und damit die gerichtliche Kontrolle – abgesehen von der unbeschränkt möglichen Willkürkontrolle – auf die betriebswirtschaftlichen Umstände beschränkt. Handelt es sich bei diesen Umständen um Faktoren, die nicht bereits für die Gleichwertigkeit der Abfindung bestimmend sind, können sie nur dann abwägungsrelevant sein, wenn es sich um konkretisierte und verfestigte betriebliche Strukturen bzw. Perspektiven handelt (BVerwG, Urteil vom 23. August 2006 – 10 C 4.05 -, a.a.O., Juris Rn. 26). Danach hat kein Teilnehmer einen Anspruch darauf, Grundstücke mit bestimmten Eigenschaften zu fordern oder Grundstücke mit Mängeln zurückzuweisen oder einen Anspruch auf bestimmte Einzelmaßnahmen, insbesondere nicht auf unverändert wieder zugewiesene Einlageflurstücke, sondern lediglich darauf, dass sich die bisherige Nutzbarkeit nicht verschlechtert. Erst recht kann niemand verlangen, dass bestimmte Maßnahmen zu Gunsten anderer Teilnehmer unterbleiben oder deren Abfindung geändert wird (Wingerter/Mayr, a.a.O., § 44 Rn. 41).

Eine Verletzung der die Gleichwertigkeit konkretisierenden Gestaltungsrichtlinien liegt nicht vor. Soweit der Bevollmächtigte der Kläger in diesem Zusammenhang darauf hinweist, dass durch die Ausweisung der Wasserfläche zwischen den im Eigentum der Grundstückseigentümer verbleibenden beiden neuen Grundstücksparzellen (D… und E…) eine die Parzellen trennende, im fremden Eigentum stehende Parzelle gebildet werde, die auch der Schaffung eines direkten Zugangs zwischen den im Eigentum der Kläger stehenden Grundstücke verhindere, kommt eine Verletzung klägerischer Rechte durch die rein deklaratorische Parzellierung der Gewässerfläche nicht in Betracht. Zum einen ändert die Neuparzellierung der Wasserfläche des Hornbachs – wie bereits oben erwähnt wurde – nichts an den bestehenden Eigentumsverhältnissen. Denn gemäß § 3 Abs. 2 in Verbindung mit § 2 Nr. 3 HWG steht das Gewässerbett des Hornbachs als Gewässer 3. Ordnung im Eigentum der Gemeinde, so dass die zwei Grundstücke der Kläger auch ohne die Parzellierung dieses Gewässerabschnitts bereits durch fremdes Eigentum getrennt sind. Zwar bleiben nach § 3 Abs. 3 HWG u.a. bestehende Eigentumsrechte anderer unberührt. Allein aus dem Umstand, dass das Gewässerbett des Hornbachs auf den im Grundbuch zu Gunsten der Kläger eingetragenen Altflurstücken …/B… und …/C… verläuft, und Eigentumsverhältnisse der Gemeinde am Gewässerbett grundbuchrechtlich nicht dokumentiert sind, lässt keine Rückschlüsse auf ein Eigentum der Kläger an diesen Flächen zu; davon gehen die Kläger im Übrigen auch selbst nicht aus. Denn nach § 3 Abs. 2 Grundbuchordnung – GBO – handelt es sich bei dem Gewässerbett um ein so genanntes buchungsfreies Grundstück. Die in § 3 Abs. 2 GBO genannten Grundstücke – also auch die dort genannten Wasserläufe – erhalten ein Grundbuchblatt nur auf Antrag des Eigentümers oder eines sonstigen Berechtigten.

§ 3 Abs. 3 HWG lässt lediglich die vor Inkrafttreten des Hessischen Wassergesetzes bestehende privatrechtliche Zuordnung des Eigentums zu einem Rechtssubjekt unberührt. Die Auslegung dieser privatrechtlichen Zuordnung hat sich wiederum am Maßstab des Art. 65 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch – EGBGB – zu orientieren. Danach bleiben mit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches im Jahr 1900 die landesgesetzlichen Vorschriften, welche dem Wasserrecht angehören, mit Einschluss (…), unberührt. Nach Maßgabe des Art. 65 EGBGB wird der Bereich, der dem Begriff des Wasserrechts zuzuordnen ist, vom Recht der unbeweglichen Sachen des BGB abgegrenzt. Das Wasserrecht in diesem Sinne umfasst den öffentlich-rechtlichen Gewässerbegriff (vgl. dazu Bickel, Kommentar zum Hessischen Wassergesetz, Vor § 4 Rn. 6). Dementsprechend ist die Beantwortung der Frage nach dem Gewässereigentum an den gesetzlichen Maßstäben des Großherzogtums Hessen zu beantworten, da die Gemeinde Hornbach in der Zeit vor Inkrafttreten des BGB zum Territorium des Großherzogtums Hessen gehörte. Nach Art. 282 des Gesetzes die Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuches betreffend, vom 17. Juli 1899 (GrHzgl. RegBl. 1899 Nr. 24, S. 133), wurde das Gesetz, die Bäche und die nicht ständig fließenden Gewässer betreffend, vom 30. Juli 1887 dahingehend geändert, „dass das Bett eines Baches im Eigentum des Inhabers der Gemarkung steht, in welcher es gelegen ist“. Durch diese Bestimmung werden etwa entgegenstehende ältere Privatrechte nicht berührt (vgl. dazu auch Bickel, a.a.O., § 5 Rn. 4). Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der hier im Streit stehende Gewässerbereich bereits damals in der Ortslage – also der Gemarkung Hornbach – lag, so dass Eigentümer des Gewässerbettes bereits damals die Gemeinde war. Bestehende (noch) ältere Privatrechte im Sinne des § 3 Abs. 3 HWG sind von den Klägern nicht geltend gemacht worden.

Zum anderen ist auch der Erschließungsanspruch aus § 44 Abs. 3 Satz 3 1. Hs. FlurbG nicht verletzt. Denn die Kläger sind im Wesentlichen flächengleich mit ihren Einlagegrundstücken abgefunden worden, wobei das Flurstück …/B… (E… neu) durch die Wegeparzelle …/.F… (Ortsstraße) und das Flurstück …/C… (D… neu) durch die Wegeparzelle …/G… erschlossen wurde und sich an dieser Erschließungssituation nichts geändert hat. Insoweit geht auch der Vortrag des Bevollmächtigten der Kläger fehl, der direkte Zugang zwischen den beiden Grundstücken werde durch die neugebildete Parzelle verhindert bzw. in starkem Maße eingeschränkt.

Schließlich ergeben sich vor dem Hintergrund der oben dargestellten tatsächlichen Eigentumsverhältnisse auch keine Bedenken gegen die Gleichwertigkeit der Abfindung, da den Klägern die Einlageflächen der Flurstücke …/B… und …/C… erneut zugeteilt worden sind und die Mehr- und Minderausweisung im Ergebnis hinsichtlich der parzellierten Gewässerfläche zu einem Wertausgleich für Flächen führt, die bereits zuvor nicht im Eigentum der Kläger standen.

Die Neuparzellierung der Gewässerbetten steht im Übrigen auch im Einklang mit den Zwecken der Flurbereinigung, denn nach § 37 Abs. 1 Satz 4 FlurbG ist es auch Aufgabe eines solchen Verfahrens, die rechtlichen Verhältnisse zu ordnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 147 Abs. 1 FlurbG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO und § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO in entsprechender Anwendung sowie § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,- € festgesetzt.

Gründe:

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz – GKG -.

Dieser Beschluss ist gemäß § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.

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