Kündigung einer vermieteten Einliegerwohnung: Wirkung zugunsten des Erwerbers des Hausgrundstücks

Juni 30, 2020

AG Aschaffenburg, Urteil vom 22. März 2007 – 15 C 2582/06
Kündigung einer vermieteten Einliegerwohnung: Wirkung zugunsten des Erwerbers des Hausgrundstücks

Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt, die von ihr bewohnten Räume in der Einliegerwohnung des Anwesens B straße, K., bestehend aus zwei Zimmern, einer Kammer, einer Küche, einer Dusche/WC und einem Korridor zum 30.04.2007 zu räumen und an die Kläger herauszugeben.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtstreits tragen die Kläger 1/5, die Beklagte 4/5.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Bezüglich der Ziffer I (Räumung) kann die Beklagte die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1000 EUR, sofern nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Im Übrigen (hinsichtlich der Kosten) können beide Parteien die Vollstreckung jeweils abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V. Der Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 30.06.2007 bewilligt.
Tatbestand
Die Kläger begehren von der Beklagten die Räumung und Herausgabe der von dieser bewohnten Wohnung aufgrund einer Kündigung gemäß § 573 a BGB.
Mit schriftlichem Mietvertrag vom 15.03.1993 mietete die Beklagte von den Eheleuten C. und F. St ab dem 01.04.1993 Räume im Anwesen B straße in K an, wobei zuletzt eine Bruttomiete von 332,34 EUR geschuldet war. In § 2 Ziff. 2 des Mietvertrages war geregelt, dass die Kündigungsfrist 12 Monate beträgt, wenn seit der Überlassung des Wohnraumes 10 Jahre vergangen sind. Die Rechtsnachfolgerin der vormaligen Vermieter, deren Tochter K. S., kündigte das streitgegenständliche Mietverhältnis mit Schreiben vom 23.1.2006 zum 31.01.2007. Mit Kaufvertrag vom 15.05.2006 veräußerte Frau K. S. das streitgegenständliche Anwesen an die Kläger, wobei die Rechtsänderung am 18.07.2006 im Grundbuch eingetragen wurde. Mit Schreiben vom 15.06.2006 hatten die Kläger die Beklagte, darauf hingewiesen, dass sie in Kürze Eigentümer des Anwesens werden würden und die Kündigung zum 31.01.2007 wirksam bliebe. Die Kläger bauen das Anwesen seit dem Eigentumserwerb um und aus, weil sie das Anwesen selbst nutzen wollen und bewohnen das Ober- und das Dachgeschoss. Mit Schreiben vom 06.11.2006 widersprach die Beklagte der Kündigung. Am 25.12.2006 haben die Kläger eine weitere Kündigung wegen Eigenbedarfs erklärt. Auf diese Kündigung zum 30.09.2007 haben die Kläger den Räumungsanspruch vorsorglich ebenfalls gestützt.
Die Kläger tragen im Wesentlichen vor, dass die Kündigung gemäß § 573 a BGB wirksam sei. Es befänden sich keine drei Wohnungen in dem Anwesen. Die Räume im Dachgeschoss würden mit den übrigen Räumen des Anwesens außerhalb der Einliegerwohnung eine Wohneinheit bilden. Die Räume im Dachgeschoss und die Hauptwohnung würden eine einzige Maisonettewohnung darstellen, welche nur durch eine einzige abschließbare Wohnungstüre zu erreichen sei. Auch seien das Ober- und das Dachgeschoss durch eine Treppe innerhalb der Maisonettewohnung miteinander verbunden. Auch die Tatsache, dass die Voreigentümerin K. S. während des Laufs der Kündigungsfrist ausgezogen sei, ändere an der Wirksamkeit der Kündigung nichts. Im Rahmen des § 573 a BGB müsse ein Kündigungsinteresse gar nicht vorliegen. Rechtsmissbrauch sei hier nicht gegeben. Härtegründe lägen ebenfalls nicht vor.
Die Kläger beantragen,
die Beklagte zu verurteilen, die von ihr bewohnten Räume in der Einliegerwohnung des Anwesens B straße , in K., bestehend aus zwei Zimmern, einer Kammer, einer Küche, einer Dusche/WC und einem Korridor zum 31.01.2007 zu räumen und an die Kläger herauszugeben.
Die Beklagte beantragt,
Klageabweisung, hilfsweise die Fortsetzung des Mietverhältnisses gemäß § 574 BGB, hilfsweise ihr gemäß § 721 ZPO eine Räumungsfrist zu bewilligen.
Sie behauptet im Wesentlichen, dass sich in dem Gebäude drei Wohnungen befänden. Die dritte Wohnung sei hier die Dachgeschosswohnung, welche vollständig ausgebaut sei. Im Übrigen könnten die Kläger aus der Kündigung keine Rechte mehr herleiten, weil die Vorvermieterin, welche die streitgegenständliche Kündigung ausgesprochen hätte, während des Laufs der Kündigungsfrist ausgezogen sei. Unabhängig davon bestehe ein Fortsetzungsanspruch gemäß § 574 BGB, weil die Beklagte Arbeitslosengeld-II-Bezieherin sei.
Das Gericht hat die in der Sitzung vom 07.02.2007 von den Klägern zur Akte gereichte Lichtbilder der streitgegenständlichen Räumlichkeiten zum Gegenstand der Verhandlung gemacht und mit den Parteien in Augenschein genommen. Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen auf alle von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen.
Beide Parteien haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat auch in der Sache überwiegend Erfolg.
I. Die Klage ist zulässig.
1. Insbesondere haben die Kläger die Voraussetzungen des § 259 ZPO nachgewiesen. Die Kläger haben nämlich dargelegt, dass der Räumungsanspruch dem Grunde nach durch die erklärte Kündigung gemäß § 573 a BGB bereits entstanden ist und deshalb das Mietverhältnis zu einem bestimmten Zeitpunkt beendet sein wird (Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 259 Rn. 2). Die Kläger haben weiter auch nachgewiesen, dass eine nicht rechtzeitige Räumung zu besorgen ist, weil die Beklagte der Kündigung widersprochen und die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangt hat sowie durch Bestreiten des Vorliegens der Voraussetzungen des § 573 a BGB zu erkennen gegeben hat, dass sie nicht gewillt ist, fristgerecht zu räumen (Koch, in: Beierlein, Kinne, Koch, Stackmann, Zimmermann, Der Mietprozess, S. 33).
2. Soweit die Kläger mit Schriftsätzen vom 22.01.2007 und 15.03.2007 ihr Begehren auf künftige Räumung vorsorglich auch auf eine weiter ausgesprochene Eigenbedarfskündigung vom 25.12.2006 gestützt haben, liegt darin eine Klageänderung, deren Zulässigkeit sich nach § 263 ZPO bestimmt (Koch, in: Beierlein, Kinne, Koch, Stackmann, Zimmermann, Der Mietprozess, S. 50). Ob hier eine Sachdienlichkeit im Sinne dieser Vorschrift vorliegt, erscheint nach Auffassung des Gerichts sehr zweifelhaft, weil insoweit völlig neuer Prozessstoff vorgetragen wird. Im Ergebnis kann diese Frage jedoch offenbleiben, weil bereits die erklärte Kündigung gemäß § 573 a BGB das Räumungsverlangen überwiegend stützt (dazu sogleich).
II. Die Klage hat auch in der Sache überwiegend Erfolg. Allerdings beendet die erklärte Kündigung gemäß § 573 a BGB das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis nicht schon zum 31.01.2007, sondern erst zum 30.04.2007, sodass die Klage mit dieser Maßgabe im Übrigen abzuweisen war. Zum 30.04.2007 können die Kläger jedoch von der Beklagten die Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Räume aus § 546 Abs. 1 BGB verlangen.
1. Die formale Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Kündigung gemäß § 573 a Abs. 3 BGB sind vorliegend unproblematisch erfüllt, weil zweifelsfrei erkennbar ist, dass der Kündigende von dem Sonderkündigungsrecht des § 573 a BGB Gebrauch macht.
2. Nach Auffassung des Gerichts ist die Kündigung auch materiell wirksam und wird das Mietverhältnis zwischen den Parteien zum 30.04.2006 rechtswirksam beenden.
Gemäß § 573 a Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Vermieter ein Mietverhältnis über eine Wohnung in einem vom Vermieter selbst bewohnten Gebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen auch kündigen, ohne dass es eines berechtigten Interesses im Sinne des § 573 BGB bedarf.
a) Soweit zwischen den Parteien vorliegend streitig ist, ob sich in dem streitgegenständlichen Gebäude zwei oder drei Wohnungen befinden, haben die Kläger mit Vorlage der Lichtbilder der streitgegenständlichen Räumlichkeiten für das Gericht zweifelsfrei nachgewiesen, dass die Räumlichkeiten im Dachgeschoss des Anwesens keine selbständige Wohnung beinhalten. Unter einer Wohnung im Sinne des § 573 a BGB ist eine selbständige räumlich und wirtschaftlich abgegrenzte Wohneinheit zu verstehen, in der ein selbständiger Haushalt geführt werden kann, ohne dass die Mitbenutzung anderer Räume im Haus mehr als üblich erfolgt (AG Miesbach WuM 2003, 91 f.; Schmidt/Futterer, Mietrecht, 9. Aufl., § 573 a Rn. 21 ff.). Nach diesen Grundsätzen sind die Räume im Dachgeschoss vorliegend nicht als selbständige Wohnung anzusehen. Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass Gesichtspunkte wie vorhandene Küchen-, Wasser- und Stromanschlüsse oder auch die Tatsache, dass die Räumlichkeiten zumindest vorübergehend eigenständig bewohnt waren, grundsätzlich dafür sprechen, dass die Räumlichkeiten zur Führung eines eigenen Haushaltes geeignet sind und dies für eine abgeschlossene Wohnung spricht (Schmidt/Futterer, § 573 a Rn. 22 ff.). Auf der anderen Seite wird jedoch von der Beklagten verkannt, dass eine dritte Wohnung dann nicht vorliegt, wenn die Räumlichkeiten Teil der Vermieterwohnung sind (Schmidt/Futterer, § 573 a Rn. 28). Davon ist dann auszugehen, wenn die betreffenden Räumlichkeiten mit der Wohnung des Vermieters eine Einheit bilden, wobei dafür besonders spricht, dass sie mit Innentreppen verbunden sind (Schmidt/Futterer, § 573 a Rn. 28; LG Memmingen NJW-RR 1992, 523 f.). Dafür spricht nach Auffassung des Gerichts weiter, wenn nur eine abschließbare Wohnungstüre für sämtliche Räumlichkeiten vorliegt. Genauso verhält sich der Sachverhalt hier. Die Kläger haben vorgetragen, dass die Räume im Dachgeschoss mit der Hauptwohnung im Obergeschoss eine Wohneinheit in Form einer Maisonettewohnung bilden würden und sowohl die Räume im Ober- als auch diejenigen des Dachgeschosses nur über eine einzige abschließbare Wohnungstüre zugänglich seien. Weiter seien die Räume im Obergeschoss und diejenigen im Dachgeschoss durch eine Innentreppe innerhalb der Maisonettewohnung miteinander verbunden. Von der Richtigkeit dieses Vortrages hat sich das Gericht durch Inaugenscheinnahme der Lichtbilder der streitgegenständlichen Räumlichkeiten überzeugt. Vor allem aus dem Lichtbild in Reihe 1, 2. Spalte ergibt sich deutlich, dass nur eine gemeinsame abschließbare Wohnungstüre vorhanden ist und vom Obergeschoss aus eine Innentreppe zu den Räumlichkeiten im Dachgeschoss führt. Bei dieser Sachlage kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Dachgeschosswohnung eine dritte Wohnung im Gebäude ist, sodass sich aus diesem Gesichtspunkt keine Unwirksamkeit der Kündigung ergibt.
b) Soweit die Beklagte vorträgt, dass sich die Kläger auf die Kündigung nicht berufen könnten, weil die Vorvermieterin, welche die streitgegenständliche Kündigung ausgesprochen hat, während des Laufs der Kündigungsfrist ausgezogen ist und die Kläger deshalb ihre Rechte aus der Kündigung nicht mehr weiterverfolgen könnten, teil das Gericht diese Auffassung vorliegend nicht.
(1) Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass die ganz herrschende Meinung die Auffassung vertritt, dass der für die Vorschrift des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB anerkannte Grundsatz, dass das Kündigungsinteresse bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortbestehen muss, auch bei einer Kündigung gemäß § 573 a BGB gelte (etwa Schmidt/Futterer, § 573 a Rn. 19; OLG Karlsruhe NJW-RR 1994, 80, LG Duisburg NZM 2005, 216; LG Stuttgart WuM 2007, 75). Deshalb sei eine Kündigung nach § 573 a BGB unwirksam, wenn der Vermieter in der Absicht kündige, nach dem Auszug des Mieters die eigene Wohnung aufzugeben, um das Haus sodann freistehend verkaufen zu können (LG Stuttgart WuM 2007, 75). Ebenso könne der Vermieter seine Rechte aus einer Kündigung nach § 573 a nicht weiterverfolgen, wenn er nach Ausspruch der Kündigung den Entschluss zur Aufgabe der bisherigen Wohnung fasst (Schmidt/Futterer, § 573 a Rn. 19). In einem solchen Fall sei der Vermieter verpflichtet, den Mieter über die beabsichtigte Wohnungsaufgabe zu informieren und ihm einen Vertrag über die Aufhebung der Kündigungswirkungen anzubieten. Die Weiterverfolgung des Räumungsanspruchs verstoße sonst gegen Treu und Glauben bzw. sei rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 242 BGB (etwa LG Duisburg NZM 2005, 216).
(2) Das Gericht hält die unter Ziffer (1) beschriebene Auffassung der herrschenden Meinung bereits für nicht zutreffend. Jedenfalls unterscheidet sich der hier zu entscheidende Fall von den oben angesprochenen Konstellationen aber deutlich, sodass die aufgestellten Grundsätze auf den hiesigen Rechtstreit nicht übertragen werden können.
Für den Fall einer Eigenbedarfskündigung im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist es in der Tat allgemein anerkannt und dies auch zu Recht, dass ein Vermieter der nach Wegfall des Kündigungsinteresses seinen Räumungsanspruch weiterverfolgt, rechtsmissbräuchlich handelt (Schmidt/Futterer, § 573 Rn. 69). Mit einer Eigenbedarfskündigung, bei der ein Kündigungsinteresse, nämlich eben der Eigenbedarf, vorliegen muss, kann eine Kündigung nach dem Sonderkündigungsrecht des § 573 a BGB aber gerade nicht verglichen werden. Denn bereits nach dem Wortlaut dieser Vorschrift bedarf es für eine Kündigung nach § 573 a BGB doch gerade gar keines berechtigten Interesses. Dies ist in der Literatur und Rechtssprechung auch völlig unstreitig (etwa Schmidt/Futterer, § 573 a Rn. 1 f.; Staudinger/Rolfs, BGB, § 573 a Rn. 2). Es stellt sich deshalb die Frage, welches Kündigungsinteresse dann durch den Auszug des Kündigenden wegfallen soll. Man könnte insoweit allenfalls argumentieren, dass die Vorschrift des § 573 a BGB ausweislich der Gesetzesmaterialien den Zweck verfolgt, dem Vermieter, der sich wegen des engen Zusammenlebens der Parteien in einer besonderen Situation befindet, die Kündigung zu erleichtern, wenn das Mietverhältnis zerrüttet ist, und dieser Zweck nach einem Auszug und/oder Verkauf des Anwesens nicht mehr erreicht wird. Auch dies erscheint jedoch zumindest zweifelhaft, weil wiederum unstreitig ist, dass es für eine Kündigung nach § 573 a BGB gar nicht erforderlich ist, dass tatsächlich Spannungen im Mietverhältnis bestehen oder dieses tatsächlich zerrüttet ist (Schmidt/Futterer, § 573 a Rn. 2; Sonnenschein, NZM 2000, 1 f.).
Für den vorliegend zu entscheidenden Rechtstreit kann die Frage, ob die Auffassung der herrschenden Meinung im Grundsatz zutreffend ist oder nicht, im Ergebnis offenbleiben, weil sich der hiesige Fall von den diskutierten Konstellationen gerade unterscheidet. Die Voreigentümerin K. S. hat die hier streitgegenständliche Kündigung am 23.01.2006 ausgesprochen. Der Verkauf des Anwesens an die Kläger ist am 15.05.2006 erfolgt, die Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch am 18.07.2006. Im genannten Kaufvertrag wurde unter Ziff. VII ausdrücklich aufgenommen, dass das Mietverhältnis der Einliegerwohnung zum 31.01.2007 gekündigt sei. Ob die Voreigentümerin bereits zum Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung gewusst hat, dass sie das Anwesen im Mai 2006 oder aber überhaupt verkaufen will, ist hier ungeklärt, es dürfte aber einiges dafür sprechen. Bereits mit Schreiben vom 15.06.2006 haben die Kläger die Beklagte darauf hingewiesen, dass sie in Kürze Eigentümer des Anwesens werden und die Kündigung zum 31.01.2007 bestehen bleibe. Weiter steht fest, dass die Kläger hier das Anwesen im Obergeschoss und im Dachgeschoss seit dem Eigentumserwerb selbst bewohnen bzw. aus- und umbauen. Damit liegt hier unstreitig die Situation vor, dass die Kläger selbst jederzeit berechtigt wären, eine neuerliche Kündigung nach § 573 a BGB auszusprechen. Weiter hat die Beklagte bereits seit dem Schreiben vom 15.06.2006 genau gewusst, dass die Kläger sich ebenfalls auf die Kündigung gemäß § 573 a BGB berufen. In einer solchen Konstellation erscheint es dem Gericht für kaum vertretbar, der von der Vorvermieterin ausgesprochenen Kündigung wegen Rechtsmissbrauchs – worauf die herrschende Meinung ihre Ansicht stützt – die Wirksamkeit abzusprechen. Hier war die von der Vorvermieterin ausgesprochene Kündigung zumindest grundsätzlich wirksam, die Beklagte wusste, dass die neuen Eigentümer sich ebenfalls auf die Kündigung nach § 573 a BGB berufen haben und auch jederzeit berechtigt gewesen wären, nach dem Eigentumserwerb ihrerseits eine wirksame Kündigung nach § 573 a BGB auszusprechen. Dies von den Klägern zu verlangen ist nach Auffassung des Gerichts nichts anders als eine nutzlose Förmelei, welche lediglich dazu führt, dass sich die Kündigungsfrist für die Kläger verlängert. Jedenfalls vermag bei dieser Situation das Gericht Gründe für rechtsmissbräuchliches Verhalten nicht zu erkennen. Weiterhin ist vorliegend auch der Zweck der Vorschrift des § 573 a BGB, nämlich dem Vermieter von Einliegerwohnraum wegen des engen Zusammenlebens der Parteien, eine erleichterte Kündigungsmöglichkeit zuzugestehen, weiterhin berührt, weil hier der Sachverhalt – entgegen den unter Ziffer (1) genannten Konstellationen – so liegt, dass die Kläger die Obergeschoss- und Dachgeschossräume selbst bewohnen. Es geht damit nach Meinung des Gerichts hier auch nicht darum, dass hier die Voreigentümerin die Vorschrift des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB über die Verwertungskündigung umgangen hätte. Denn die Kläger hätten nach dem Eigentumserwerb ihrerseits sofort die Möglichkeit gehabt, dass Mietverhältnis wirksam nach § 573 a BGB zu kündigen. Im Ergebnis ist die hiesige Situation damit mit dem Fall vergleichbar, dass bei einer Eigenbedarfskündigung auch in der Person des Erwerbers Eigenbedarf gegeben ist oder fortbesteht. Für diesen Fall ist aber auch bei einem Verkauf des Anwesens während des Lauf der Kündigungsfrist gerade anerkannt, dass eine solche Eigenbedarfskündigung nicht nach Treu und Glauben oder wegen Rechtsmissbrauchs als unwirksam anzusehen ist (Staudinger/Emmerich, § 566 Rn. 46; OLG Hamm NJW-RR 1992, 1164). Auf den hiesigen Fall übertragen bedeutet dies, dass nach Veräußerung einer grundsätzlich wirksam gemäß § 573 a BGB gekündigten Einliegerwohnung, die Kündigung dann für den Erwerber wirksam bleibt, wenn dieser in dem maßgeblichen Gebäude selbst eine Wohnung bezieht (so ausdrücklich und zu Recht Staudinger/Rolfs, § 573 a Rn. 11 und Sonnenschein NZM 2000, 1, 4 mit Fußnote 54). Dieser auch von den Klägern vertretenen Auffassung schließt sich das Gericht ausdrücklich an.
Aus den vorgenannten Gründen können sich deshalb die Kläger auch weiterhin auf die wirksam erklärte Kündigung der Voreigentümerin berufen.
c) Die Kündigung der Voreigentümerin nach § 573 a BGB beendet das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis allerdings erst zum 30.04.2007. Denn ausweislich § 2 des zwischen den Parteien geschlossenen Mietvertrages vom 15.03.1993 beträgt die Kündigungsfrist 12 Monate, wenn seit der Überlassung des Wohnraumes 10 Jahre vergangen sind, was nach damaliger Gesetzeslage möglich war. Hier erfolgte die Überlassung am 01.04.1993, sodass grundsätzlich eine Kündigungsfrist von 12 Monaten bestand. Allerdings bestimmt § 573 a Abs. 1 Satz 2 BGB, dass sich die Kündigungsfrist bei einer Kündigung nach dieser Vorschrift um drei Monate verlängert, sodass vorliegend von einer Kündigungsfrist von 15 Monaten auszugehen ist. Fragen zur Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB (dazu Schmidt/Futterer, § 573 c Rn. 27 ff.) stellen sich nach Auffassung des Gerichts vorliegend nicht, weil es hier nicht um eine Mieterkündigung geht, für die die Schutzvorschrift des § 573 c Abs. 4 BGB zu beachten wäre, sondern um eine Vermieterkündigung, für die auch nach neuem Recht die Vereinbarung längerer Kündigungsfristen möglich ist (Schmidt/Futterer, § 573 c Rn. 21). Im Übrigen gebieten Vertrauensschutzgesichtspunkte für den Mieter, dass zulässig vereinbarte Kündigungsfristen in Altverträgen Fortgeltung beanspruchen. Gegebenenfalls nunmehr unzulässige/unwirksame Kündigungsfristen für Mieterkündigungen vermögen nach Auffassung des Gerichts nicht auf die Fristen für Vermieterkündigungen durchzuschlagen.
d) Aus den vorgenannten Gründen ist die Kündigung gemäß § 573 a BGB wirksam und wird das Mietverhältnis zwischen den Parteien zum 30.04.2006 beenden. Die Kläger handeln auch nicht rechtsmissbräuchlich, wenn sie diesen Räumungsanspruch weiterhin auf die von der Voreigentümerin erklärte Kündigung stützen.
III. Ein Fortsetzungsanspruch im Sinne des § 574 BGB ist von der Beklagten in keiner Weise hinreichend dargetan. Allein der Hinweis darauf, dass die Beklagte Arbeitslosengeld-II-Bezieherin sei, begründet keine unzumutbare Härte im Sinne des § 574 BGB, zumal die Beklagte hier 15 Monate Zeit hatte und noch hat, sich um angemessenen Ersatzwohnraum zu bemühen. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte weder dargelegt, geschweige denn bewiesen hat, dass sie sich bislang überhaupt um Ersatzwohnraum bemüht hat.
IV. Gleichwohl berücksichtigt das Gericht die Interessen der Beklagten, indem der Beklagten über den Beendigungszeitpunkt des 30.04.2006 hinaus eine Räumungsfrist bis zum 30.06.2006 gewährt wird. In dieser Zeit ist es bei gerichtsbekannt entspanntem Wohnungsmarkt im hiesigen Bereich auch für in finanziell beengten Verhältnissen lebende Mieter ohne weiteres möglich, Ersatzwohnraum zu angemessenen Bedingungen zu finden.
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, wobei das Gericht das Teilunterliegen der Kläger, was den Beendigungszeitpunkt des Mietverhältnisses betrifft, mit 1/5 bewertet hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt hinsichtlich des Räumungsanspruches aus den §§ 708 Nr. 7, 711 ZPO, im Übrigen aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Haben Sie Fragen? 

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.
© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.