LAG Hamm, Beschluss vom 23.04.2012 – 10 TaBV 19/12

Juli 5, 2020

LAG Hamm, Beschluss vom 23.04.2012 – 10 TaBV 19/12

Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 10.02.2012 – 3 BV 3/12 – abgeändert.

Zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle bei der Arbeitgeberin mit dem Regelungsgegenstand „Festlegung der zeitlichen Lage des Ausgleichs der bis zum 05.07.2011 aufgelaufenen Stundenguthaben der Redakteure“ und „Festlegung der zeitlichen Lage des Pieper-Dienstes“ wird der Richter S1 bestellt.

Die Zahl der Beisitzer wird für jede Seite auf 2 festgelegt.
Gründe

Die Beteiligten streiten über die Einrichtung einer Einigungsstelle.

Die Arbeitgeberin verlegt in H1 eine Tageszeitung. Bei ihr sind ca. 60 Arbeitnehmer beschäftigt.

Antragsteller des vorliegenden Verfahrens ist der im Betrieb der Arbeitgeberin aus fünf Mitgliedern bestehende Betriebsrat. Bis zum Jahre 1990 wurde die Arbeitszeit der Mitglieder der Redaktion der von der Arbeitgeberin herausgegebenen Tageszeitung in ganzen Tagen erfasst. Die tarifliche Verkürzung der Arbeitszeit der Redakteure auf 38,5 Stunden wurde seinerzeit pauschal durch freie Tage ausgeglichen.

Ab dem Jahre 1990 erfolgte eine minutengenaue Zeiterfassung. Zeiten wurden monatsweise saldiert und bei entsprechender Gelegenheit ausgeglichen.

Etwa seit dem Jahr 2002 erfolgte aufgrund einer angespannten Wettbewerbssituation für die Redakteure ein Ausgleich für geleistete Mehrarbeit nicht mehr.

Auch im Zusammenhang mit den inzwischen in der Vergangenheit aufgelaufenen Stundenkontingenten für die Redakteure kam es im Jahre 2011 zwischen Betriebsrat und Arbeitgeberin zu Verhandlungen über die Verteilung der Arbeitszeit im Betrieb der Arbeitgeberin, die im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens unter dem Vorsitz des Richters S1 zu einer Betriebsvereinbarung vom 05.07.2011 (Bl. 8 ff. d.A.) führten. In dieser Betriebsvereinbarung wurde die Verteilung der künftigen Arbeitszeit geregelt und die Führung eines zentralen Arbeitszeitkontos eingeführt. Das maximale Stundenguthaben für jeden Mitarbeiter im Bereich der Redaktion wurde nach Ziffer 5.3 der Betriebsvereinbarung auf 70, die maximale Stundenschuld auf 30 Stunden festgelegt. Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der Betriebsvereinbarung vom 05.07.2011 (Bl. 8 ff. d.A.) Bezug genommen.

Eine Regelung betreffend die in der Vergangenheit angefallenen Mehrarbeitsstunden der Redakteure wurde im Einigungsstellenverfahren nicht getroffen.

Nachdem weitere Gespräche über die Behandlung der in der Zeit vor dem 05.07.2011 angefallenen Stunden gescheitert waren, machen nunmehr zwölf Redakteure in arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren beim Arbeitsgericht Bielefeld den Ausgleich in Freizeit, hilfsweise die Abgeltung von in der Zeit von 2007 bis 2011 angefallenen Überstunden geltend.

Zwischen den Betriebsparteien besteht des Weiteren Streit über die Einrichtung eines sog. „Pieper-Dienstes“. Sinn dieses Dienstes ist es, bei konkreten, nicht absehbaren Ereignissen, über die in der Tageszeitung berichtet werden soll, einen Bereitschaftsdienst einzurichten. Dabei soll ein Redakteur oder eine Redakteurin einen sog. „Polizei-Pieper“ erhalten, der mit der Kreisleitstelle des Kreises G1 verbunden ist und Alarm auslöst, wenn im Kreisgebiet ein Unfall, ein Brand oder ein vergleichbares Ereignis mit Einsatz der Polizei und Rettungskräften eintritt.

Mit Schreiben vom 29.12.2011 (Bl. 16 ff. d.A.) wies der Betriebsrat darauf hin, dass seit Abschluss der Betriebsvereinbarung vom 05.07.2011 in mehreren Verhandlungen zwischen den Betriebsparteien weder hinsichtlich des Ausgleichs der vor dem 05.07.2011 erworbenen Arbeitszeitguthaben noch hinsichtlich des sog. „Pieper-Dienstes“ eine Einigung habe erzielt werden können; aus diesem Grunde würden die Verhandlungen für gescheitert erklärt und die Einigungsstelle angerufen.

Diesem Begehren widersprach die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 10.01.2012 (Bl. 18 ff. d.A.).

Mit dem am 17.01.2012 beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren machte der Betriebsrat daraufhin die Einrichtung einer Einigungsstelle geltend.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die einzurichtende Einigungsstelle sei sowohl hinsichtlich der Festlegung des zeitlichen Lage des Ausgleichs der bis zum 05.07.2011 aufgelaufenen Überstundenwie auch hinsichtlich der Festlegung der zeitlichen Lage des „Pieper-Dienstes“ nicht offensichtlich unzuständig. Es handele sich in beiden Fällen um die Verteilung bzw. der Lage der regelmäßigen Arbeitszeit gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG.

Die Betriebsvereinbarung vom 05.07.2011 stehe dem Begehren des Betriebsrates nicht entgegen, da diese lediglich die zeitliche Lage der Arbeitszeit für die Zukunft regele, nicht jedoch für die Vergangenheit.

Auch für die Frage des „Pieper-Dienstes“ bestehe ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Insoweit bestehe zwischen den Betriebsparteien Streit insbesondere im Hinblick darauf, wie die Zuordnung der einzelnen Mitarbeiter zu dem „Pieper-Dienst“ erfolgen solle.

Mit dem Vorsitz der Einigungsstelle sei der Richter S1 zu betrauen, der über langjährige Erfahrungen bei der Durchführung von Einigungsstellen verfüge und auch im Betrieb der Arbeitgeberin bereits eine Einigungsstelle geleitet habe, die zu der Betriebsvereinbarung vom 05.07.2011 geführt habe. Die Einigungsstelle sei mit zwei Beisitzern zu besetzen.

Der Betriebsrat hat beantragt:

Richter S1 wird zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle zur Entscheidung über die Festlegung der zeitlichen Lage des Ausgleichs der bis zum 05.07.2011 aufgelaufenen Stundenguthaben der Redakteure sowie über die Festlegung der zeitlichen Lage des „Pieper-Dienstes“ bestellt.

Die Zahl der Beisitzer wird für jede Seite auf 2 festgelegt.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Anträge abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Einigungsstelle sei hinsichtlich beider Regelungskomplexe offensichtlich unzuständig. Hinsichtlich der vermeintlichen Stundenguthaben der Redakteure gehe es lediglich um individualrechtliche Ansprüche auf Ausgleich von Überstunden, die dem Grunde und der Höhe nach streitig seien. Der allein bestehende individualrechtliche Bezug werde durch die in den Urteilsverfahren hilfsweise gestellten Ansprüchen auf Zahlung einer entsprechenden Mehrarbeitsvergütung für geleistete Stunden belegt.

Auch für den sog. „Pieper-Dienst“ sei die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig. Rechte des Betriebsrates seien gar nicht berührt, weil die Planungen in Bezug auf den „Pieper-Dienst“ noch gar nicht abgeschlossenen seien. Es sei noch die Grundfrage zu entscheiden, ob überhaupt ein „Pieper-Dienst“, der alle Redakteure betreffe, eingeführt werden solle.

Im Übrigen sei ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG deshalb von vornherein eingeschränkt, weil gerade die Frage der Einführung des „Pieper-Dienstes“ dem Tendenzschutz des § 118 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG unterliege. Gerade im Bereich der aktuellen Berichterstattung betreffe die zeitnahe Berichterstattung über aktuelle Ereignisse die Tendenz des Unternehmens. Die betroffenen Redakteure seien insoweit Tendenzträger.

Durch Beschluss vom 10.02.2012 hat das Arbeitsgericht die Anträge des Betriebsrates abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die begehrte Einigungsstelle sei für beide Regelungskomplexe offensichtlich unzuständig. Im Hinblick auf die Mehrarbeitsstunden der Redakteure fehle es offensichtlich an einem kollektiven Bezug. Es gehe allein um die individualrechtliche Frage, ob einzelne Redakteure – sei es durch Stundenausgleich oder durch finanzielle Abgeltung – einen Anspruch auf Ausgleich für die in der Vergangenheit angefallenen Mehrarbeitsstunden hätten. Diese Streitfragen seien allein in den anhängigen Urteilsverfahren zu klären, zumal streitig sei, ob und in welchem Umfang überhaupt Mehrarbeitsstunden angefallen und nicht möglicherweise verfallen seien. Die Frage, ob und inwieweit ein Ausgleich in Natur zu erfolgen habe, könne in der Einigungsstelle nur dann beantwortet werden, wenn feststehe, dass überhaupt Stunden in Natur ausgeglichen werden könnten und müssten. Dies sei aber individualrechtlich zu klären. Auch hinsichtlich der Festlegung der zeitlichen Lage des „Pieper-Dienstes“ sei die begehrte Einigungsstelle offensichtlich unzuständig. Schon das Rechtsschutzbedürfnis für die Einrichtung einer Einigungsstelle sei zweifelhaft, weil nicht erkennbar sei, ob und inwieweit Verhandlungen zwischen den Betriebsparteien geführt worden seien. Im Übrigen stehe dem Betriebsrat unter Berücksichtigung des Tendenzschutzes gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht nicht zu. Die Vergabe eines Piepers und die Regelung der entsprechenden Mehrarbeit von Redakteuren beträfen gerade im Kern die aktuelle Berichterstattung und deshalb einen Kernbereich der Tätigkeit der Arbeitgeberin als Tendenzunternehmen. Die betroffenen Redakteure seien Tendenzträger. Die Arbeitgeberin könne zur Gewährleistung der freien Berichterstattung über aktuelle Fragen allein bestimmen, ob und mit welchen Redakteuren sie gegebenenfalls einen „Pieper-Dienst“ einführen wolle. Insoweit sei das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates eingeschränkt.

Gegen den dem Betriebsrat am 17.02.2012 zugestellten Beschluss, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat der Betriebsrat am 27.02.2012 Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese zugleich begründet.

Der Betriebsrat ist nach wie vor der Auffassung, die einzurichtende Einigungsstelle sei für beide Regelungskomplexe nicht offensichtlich unzuständig.

Dies gelte zunächst für den Ausgleich der aufgelaufenen Stundenguthaben für die von der Arbeitgeberin beschäftigten Redakteure. Die Tatsache, dass die Arbeitgeberin bestreite, dass entsprechende Stundenguthaben aufgelaufen seien, stehe der Einsetzung der Einigungsstelle nicht entgegen. Die Existenz der Stundenkontingente, über deren Verteilung der Betriebsrat mitbestimmen wolle, sei zwar tatbestandliche Voraussetzung für die Ausübung des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG. Im Einigungsstellenbesetzungsverfahren nach § 98 ArbGG sei jedoch allein zu prüfen, ob nach dem Vorbringen des jeweiligen Antragstellers das Vorliegen eines Mitbestimmungsrechtes zumindest denkbar seien. Soweit dies der Fall sei, sei die Einigungsstelle einzusetzen, sie habe in eigener Kompetenz zu prüfen, ob und welcher Sachvortrag zutreffend sei. Ob und welche individualrechtlichen Ansprüche bestünden, sei auch in anderen Fällen für eine Entscheidung über die Einsetzung einer Einigungsstelle ohne Belang. Die Einigungsstelle könne tätig werden, ohne dass der Umfang der Stundenguthaben im Einzelnen feststehe, wenn sie denn der Auffassung sei, dass noch auszugleichende Stundenguthaben überhaupt bestünden.

Auch für den einzurichtenden „Pieper-Dienst“ sei die Einigungsstelle nicht offensichtlich unzuständig. Selbst das Arbeitsgericht weise in der angefochtenen Entscheidung darauf hin, dass das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG nicht grundsätzlich ausgeschlossen sei. Die Einführung des „Pieper-Dienstes“ könne selbst unter Tendenzgesichtspunkten mitbestimmungsfrei erfolgen. Dies gelte auch hinsichtlich des Umfangs der Zeiten, die aufgewandt werden müssten, solange sich diese aus den objektiven Notwendigkeiten einer Berichterstattung außerhalb der üblichen Arbeitszeit der Redakteure ergäben. Der Betriebsrat verlange eben keine Regelung, die eine aktuelle Berichterstattung ernsthaft gefährde oder unmöglich mache. Keinesfalls tendenzbezogen sei die Frage, welcher Mitarbeiter den Pieper mit sich führe und wie die Zeiten, die dann als ungeplante Arbeitszeiten anfielen, anschließend wieder auszugleichen seien. Ziel der Mitbestimmung des Betriebsrats sei die gleichmäßige Verteilung der Belastung, die sich aus dem „Pieper-Dienst“ ergebe. Dabei seien auch individuelle Besonderheiten, wie etwa der Wohnsitz eines Mitarbeiters, dessen familiäre Situation etc. zu berücksichtigen. Dies berühre den Tendenzschutz nicht.

Den „Pieper-Dienst“ gebe es auch bereits seit Jahren, er werde nicht neu eingeführt. Zurzeit bediene den „Pieper-Dienst“ fast ausschließlich der Lokalleiter, Herr G2, der mit dieser Situation zunehmend äußerst unzufrieden sei. Auch insoweit handele es sich nicht um einen rein individualrechtlichen Vorgang, der keine kollektiven Berührungspunkte hätte.

Der Betriebsrat beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 10.02.2012 – 3 BV 3/12 – den Richter S1 zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle zur Entscheidung über die Festlegung der zeitlichen Lage des Ausgleichs der bis zum 05.07.2011 aufgelaufenen Stundenguthaben der Redakteure sowie über die Festlegung des zeitlichen Lage des „Pieper-Dienstes“ zu bestellen und

die Zahl der Beisitzer für jede Seite auf zwei festzulegen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss und nach wie vor der Auffassung, die vom Betriebsrat begehrte Einigungsstelle sei offensichtlich unzuständig. Ob einzelne Redakteure einen Anspruch auf Ausgleich oder Abgeltung von in der Vergangenheit aufgelaufenen Überstunden hätten, sei ausschließlich eine individualrechtliche Fragestellung. Ein kollektiver Bezug sei insoweit nicht erkennbar. Arbeitszeitkonten existierten erst aufgrund der Betriebsvereinbarung vom 05.07.2011.

Auch hinsichtlich des „Pieper-Dienstes“ sei die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig. Zu Recht sei das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass die Arbeitgeberin den Tendenzschutz nach § 118 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG für sich in Anspruch nehmen könne. Dass die konkrete Regelung über den „Pieper-Dienst“ unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung zu erfolgen habe, verstehe sich von selbst. Dazu bedürfe es keiner Einigungsstelle.

Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Die zulässige Beschwerde des Betriebsrates ist begründet.

Entgegen der Rechtsauffassung der Arbeitgeberin war die vom Betriebsrat begehrte Einigungsstelle unter dem Vorsitz des Richter S1 einzurichten und die Zahl der Beisitzer für jede Seite auf zwei festzulegen. Die Einigungsstelle ist nämlich für die Regelungsgegenstände „Festlegung der zeitlichen Lage des Ausgleichs der bis zum 05.07.2011 aufgelaufenen Stundenguthaben der Redakteure“ sowie „Festlegung der zeitlichen Lage des ‚Pieper-Dienstes‘“ nicht offensichtlich unzuständig.

I. Gemäß § 98 Abs. 1 Satz 1 ArbGG kann ein Antrag auf Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden und auf Festsetzung der Zahl der Beisitzer wegen fehlender Zuständigkeit der Einigungsstelle nur dann zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Offensichtlich unzuständig ist die Einigungsstelle, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in der fraglichen Angelegenheit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Frage kommt und sich die beizulegende Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erkennbar nicht unter einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand des Betriebsverfassungsgesetzes subsumieren lässt (vgl. statt aller: LAG Hamm 07.07.2003 – 10 TaBV 92/03 – NZA-RR 2003, 637; LAG Köln 14.01.2004 – 8 TaBV 72/03 – AP BetrVG 1972 § 106 Nr. 18; LAG Hamm 09.08.2004 – 10 TaBV 81/04 – AP ArbGG 1979 § 98 Nr. 14 = LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 43 m.w.N.).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze konnte der Antrag des Betriebsrats auf Einrichtung der Einigungsstelle nicht abgewiesen werden. Die Einigungsstelle ist sowohl für die Regelungsgegenstände „Festlegung der zeitlichen Lage des Ausgleichs der bis zum 05.07.2011 aufgelaufenen Stundenguthaben der Redakteure“ wie auch für die „Festlegung der zeitlichen Lage des ‚Pieper-Dienstes‘“ nicht offensichtlich unzuständig.

1. Die offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle ergibt sich nicht schon daraus, dass die Beteiligten nicht über die streitigen Regelungsgegenstände verhandelt hätten. Ein Rechtsschutzbedürfnis des Betriebsrats kann insoweit nicht verneint werden.

Nach Sinn und Zweck des gerichtlichen Bestellungsverfahrens nach § 98 ArbGG, den Betriebsparteien im Konfliktfall möglichst zügig und ohne weitere Verzögerung durch eine der Betriebsparteien eine Einigungsstelle zur Seite zu stellen, ist die Einigungsstelle nicht offensichtlich unzuständig, wenn eine der Betriebsparteien aufgrund des bisherigen Verhaltens der anderen Partei die weitere Führung von Verhandlungen für aussichtslos hält, das Scheitern der Verhandlungen erklärt und die Einigungsstelle anruft. Ist der Regelungsgegenstand hinreichend bekannt, liegt es in der Hand jeder Seite, frei zu entscheiden, wann sie die Errichtung einer Einigungsstelle mit gerichtlicher Hilfe für notwendig erachtet. Hält ein Betriebspartner weitere Verhandlungen aufgrund des bisherigen Verhaltens der Gegenseite für aussichtslos und ruft er das Arbeitsgericht zur Einsetzung einer Einigungsstelle nach § 98 ArbGG an, so ist diese auch nicht deswegen offensichtlich unzuständig, weil der Verhandlungsanspruch nach § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG noch nicht oder noch nicht vollständig erfüllt worden ist; andernfalls hätte es die verhandlungsunwillige Seite in der Hand, die Einsetzung einer Einigungsstelle längere Zeit zu blockieren (LAG Baden-Württemberg 16.10.1991 – 12 TaBV 10/91 – LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 21; LAG Niedersachsen 07.12.1998 – 1 TaBV 74/95 – LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 35; LAG Hamm 09.08.2004 – 10 TaBV 81/04 – AP ArbGG 1979 § 98 Nr. 14 = LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 41; Fitting/Engels/ Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 26. Aufl., § 74 Rn. 9 a; GK/Kreutz, BetrVG, 9. Aufl., § 74 Rn. 28 m.w.N; a.A. noch: LAG Schleswig-Holstein, 17.11.1988 – 6 TaBV 30/88 – LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 13).

Nach diesen Grundsätzen kann eine offensichtliche Unzuständigkeit der begehrten Einigungsstelle im vorliegenden Verfahren nicht angenommen werden. Zwischen den Beteiligten haben über die streitigen Regelungsgegenstände ausreichende Verhandlungen stattgefunden. Das ergibt sich aus dem unstreitigen Sachverhalt und dem vorgerichtlichen Schriftverkehr.

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass sie bereits im vorhergehenden Einigungsstellenverfahren, das mit der Betriebsvereinbarung vom 05.07.2011 sein Ende gefunden hat, Verhandlungen über einen Ausgleich der in der Vergangenheit aufgelaufenen Stundenguthaben der Redakteure stattgefunden haben. Die Parteien haben lediglich in dem vorangegangenen Einigungsstellenverfahren hierüber keine Einigung erzielen können. Aus diesem Grunde verhält sich die Betriebsvereinbarung vom 05.07.2011 nicht darüber, wie mit den Mehrarbeitsstunden aus der Vergangenheit umgegangen werden soll. Dass auch hinsichtlich des sog. „Pieper-Dienstes“ in der Vergangenheit Verhandlungen mit dem Betriebsrat stattgefunden haben, stellt die Arbeitgeberin nicht in Abrede. Die Gespräche mit den Beteiligten sind lediglich deshalb gescheitert, weil die Arbeitgeberin ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates in beiden Angelegenheiten leugnete. Auch einer Bitte des Betriebsrats um Zustimmung zur Einrichtung einer Einigungsstelle hat die Arbeitgeberin nicht entsprochen. Wenn der Betriebsrat unter diesen Umständen die Verhandlungen für gescheitert erklärt und die Einrichtung einer Einigungsstelle mit gerichtlicher Hilfe für notwendig erachtet hat, ist dies nicht zu beanstanden, sondern nachvollziehbar. Die Arbeitgeberin ist nicht berechtigt, durch ihre Verhandlungsunwilligkeit die Einsetzung einer Einigungsstelle länger zu blockieren. Auch im Anhörungstermin vor der Beschwerdekammer war die Arbeitgeberin nicht bereit, im Vergleichswege zur Einsetzung einer Einigungsstelle zu gelangen.

2. Die Einigungsstelle ist auch nicht deshalb offensichtlich unzuständig, weil Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats offensichtlich nicht in Betracht kommen. Für beide Regelungsgegenstände, für die der Betriebsrat die Einrichtung einer Einigungsstelle verlangte, kommen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2, 3 BetrVG in Betracht.

a) Dies gilt zunächst für den Regelungsgegenstand „Festlegung der zeitlichen Lage des Ausgleichs der bis zum 05.07.2011 aufgelaufenen Stundenguthaben der Redakteure“.

Nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG hat der Betriebsrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, mitzubestimmen bei Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie bei der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage. Mitbestimmungspflichtig ist nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG auch die vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit.

Richtig ist zwar, dass in der Betriebsvereinbarung vom 05.07.2011 die Verteilung der Arbeitszeit auch für die Redakteure der Arbeitgeberin durch Einrichtung eines Arbeitszeitkontos geregelt ist. Diese Regelung erfasst jedoch lediglich die Arbeitszeit der Redakteure für die Zeit ab 05.07.2011. In der Betriebsvereinbarung vom 05.07.2011 ist nicht geregelt worden, wie mit etwaigen Mehrarbeitsstunden aus der Vergangenheit umgegangen und ein Ausgleich hierfür geschaffen werden sollte.

Auch wenn insoweit die betroffenen Mitarbeiter inzwischen individualrechtlich Klage auf Ausgleich und hilfsweise Abgeltung von Überstunden bzw. Mehrarbeitsstunden erhoben haben, die in der Zeit zwischen 2007 und 2011 im Einzelnen angefallen sind, und insoweit individualrechtliche Streitigkeiten zwischen den betroffenen Redakteuren und der Arbeitgeberin beim Arbeitsgericht anhängig sind, ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Festlegung der zeitlichen Lage des Ausgleichs der bis zum 05.07.2011 aufgelaufenen Stundenguthaben der Redakteure nicht ausgeschlossen. Stellt sich nämlich in den beim Arbeitsgericht Bielefeld anhängigen Klageverfahren der einzelnen Redakteure gegen die Arbeitgeberin heraus, dass für einzelne Überstunden/Mehrarbeitsstunden ein Ausgleich in Freizeit gewährt werden muss, muss die zeitliche Lage dieses Ausgleichs festgelegt werden. Diese Festlegung ist nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Die Frage, ob und zu welchen Zeitpunkten arbeitsfreie Tage oder Stunden gewährt werden sollen, unterliegt dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates. Ein Mitbestimmungsrecht besteht auch bei der Festlegung der zeitlichen Lage eines Ersatzruhetages als Ausgleich für eine vorangegangene Beschäftigung (LAG Köln 24.09.1998 – 10 TaBV 57/97 – NZA-RR 1999, 194; Fitting, aaO, 26. Aufl., § 87 Rn. 109, 111 m.w.N.).

Auch ein kollektiver Bezug kann bei der Festlegung der zeitlichen Lage des Ausgleichs der bis zum 05.07.2011 ausgelaufenen Stundenguthaben der Redakteure entgegen der Rechtsauffassung der Arbeitgeberin und der auch vom Arbeitsgericht vertretenen Rechtsansicht nicht verneint werden. Zwar erstreckt sich das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG nur auf kollektive Regelungen. Dagegen unterliegt die individuelle Arbeitsvertragsgestaltung, die mit Rücksicht auf die besonderen Umstände des einzelnen Verhältnisses getroffen wird, die keine Auswirkungen auf andere Arbeitsplätze hat und bei der kein innerer Zusammenhang zur Arbeitsvertragsgestaltung anderer Arbeitnehmer besteht, nicht der Mitbestimmung (BAG 03.12.1991 – GS 2/90 – AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 51; BAG 16.07.1991 – 1 ABR 69/90 – AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 44; BAG 14.06.1994 – 1 ABR 63/93 – AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 69; BAG 29.02.2000 – 1 ABR 4/99 – AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 105; BAG 16.03.2004 – 9 AZR 323/03 – AP TzBfG § 8 Nr. 10; BAG 10.10.2006 – 1 ABR 68/05 – AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 68 [Rn. 30]; BAG 24.04.2007 – 1 ABR 47/06 – AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 124 [Rn. 19]; Fitting, aaO, § 87 Rn. 100, 14 ff.; Däubler/ Kittner/Klebe, BetrVG, 12. Aufl., § 87 Rn. 16; Wiese/GK-BetrVG, 9. Aufl., § 87 Rn. 15 ff.; Raab, ZfA 2001, 31, 42, 49 m.w.N.). Ein kollektiver Tatbestand liegt dann nicht vor, wenn es um die Gestaltung eines bestimmten Arbeitsverhältnisses geht und nur den einzelnen Arbeitnehmer betreffende Umstände die Maßnahme des Arbeitgebers veranlassen. Ein Arbeitgeber darf daher abweichend von einer Betriebsvereinbarung mit einem Arbeitnehmer einen späteren Arbeitsbeginn vereinbaren, wenn es um dessen besondere Bedürfnisse oder Wünsche geht und keine allgemeinen Interessen der Arbeitnehmer berührt werden. Kollektive allgemeine Interessen sind aber dann betroffen, wenn es sich um Maßnahmen handelt, die sich abstrakt auf den ganzen Betrieb oder eine Gruppe von Arbeitnehmern oder einen Arbeitsplatz beziehen.

So liegt der vorliegende Fall. Die zwischen den Beteiligten streitige Frage über die Festlegung der zeitlichen Lage des Ausgleichs der bis zum 05.07.2011 aufgelaufenen Stundenguthaben der Redakteure hat kollektiven Bezug. Muss ein Freizeitausgleich der in der Vergangenheit aufgelaufenen Stundenguthaben der Redakteure gewährt werden, muss die zeitliche Lage dieses Ausgleichs festgelegt werden. Diese Festlegung der zeitlichen Lage eines Freizeitausgleichs, so er denn gewährt werden muss, ist nicht allein durch die besonderen Umstände des einzelnen individuellen Arbeitsverhältnisses bedingt, es besteht vielmehr ein innerer Zusammenhang zwischen der Lage der Arbeitszeit anderer Redakteure und der zeitlichen Lage des zu gewährenden Freizeitausgleichs. Muss auch nur für einen Redakteur ein Freizeitausgleich für die in der Vergangenheit ausgelaufenen Stundenguthaben gewährt werden, sind die kollektiven Interessen der übrigen Redakteure des Betriebes der Arbeitgeberin berührt. Insoweit muss nämlich entschieden werden, wann ein derartiger Freizeitausgleich gewährt wird und zu wessen Lasten dies geht. Diese Regelungsprobleme bestehen unabhängig von der Person und den individuellen Wünschen eines einzelnen Redakteurs.

Die Arbeitgeberin kann sich auch nicht darauf berufen, dass in den Individual-Rechtsstreitigkeiten zwischen ihr und ihren Redakteuren streitig ist, ob und in welchem Umfang überhaupt Mehrarbeitsstunden angefallen sind und Stundenguthaben der Redakteure bestehen oder ob diese möglicherweise verfallen sind. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates hinsichtlich der Festlegung der zeitlichen Lage eines etwaigen Freizeitausgleichs der Redakteure aus der Vergangenheit wäre nur dann ausgeschlossen, wenn keinem der klagenden Redakteure irgendein Ausgleich der in der Vergangenheit aufgelaufenen Stundenguthaben mehr zusteht. Das steht aber zurzeit nicht fest, so dass die einzurichtende Einigungsstelle nicht offensichtlich unzuständig ist. Die Einigungsstelle ist nur dann nicht zu bestellen, wenn an ihrer Unzuständigkeit keine ernsthaften rechtlichen Zweifel möglich sind. Tatsachenfeststellungen sind im Einigungsstellenbesetzungsverfahren auf eine Schlüssigkeitsprüfung beschränkt, in die der unstreitige Vortrag der Beteiligten sowie die streitigen Tatsachenbehauptungen des Antragstellers einzubeziehen sind. Es besteht im Einigungsstellenbesetzungsverfahren kein Raum für die Durchführung einer Beweisaufnahme. Beweisbedürftige Tatsachenbehauptungen sind nicht offensichtlich im Sinne des §98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG (LAG Hessen 03.11.2009 – 4 TaBV 185/09 – NZA-RR 2010, 359; LAG Berlin-Brandenburg 22.01.2010 – 10 TaBV 2829/09 – LAGE ArbGG 1979 § 98 Rn. 56 = BB 2010, 500; LAG Hamm 20.06.2011 – 10 TaBV 39/11 – m.w.N.). Die Klärung streitiger Tatsachen- oder Rechtsfragen ist nicht Aufgabe des Kammervorsitzenden im Bestellungsverfahren. Eine Beweisaufnahme kann nur vor der vollständig besetzten Kammer des Arbeitsgerichts erfolgen. Ob insoweit bei der Festlegung der zeitlichen Lage eines Freizeitausgleichs den Redakteuren überhaupt ein Stundenguthaben aus der Vergangenheit zusteht, hat danach die Einigungsstelle in eigener Zuständigkeit zu prüfen. Die Einigungsstelle hat insoweit auch eine Vorfragenkompetenz (vgl. Fitting, aaO, § 76 Rn. 35 f. m.w.N.). Es würde dem mit § 98 ArbGG verfolgten Zweck, eine schnelle Bildung der Einigungsstelle zu erreichen, nicht entsprechen, wenn nicht auch andere Vorfragen an dem Maßstab an der Offensichtlichkeit geprüft werden könnten. Hiernach wird die Einigungsstelle in eigener Zuständigkeit klären müssen, ob überhaupt Freizeitausgleichsansprüche aus der Vergangenheit zugunsten der Redakteure bestehen. Wie die Einigungsstelle ihr Verfahren führt, ob sie gegebenenfalls den Ausgang eines oder mehrerer Individual-Rechtsstreitigkeiten der Redakteure, die beim Arbeitsgericht Bielefeld anhängig sind, abwartet oder ob sie eine eigene Klärung herbeiführt, hat danach die Einigungsstelle in eigener Zuständigkeit zu prüfen.

b) Die Einigungsstelle ist auch für die „Festlegung der zeitlichen Lage des ‚Pieper-Dienstes‘“ nicht offensichtlich unzuständig. Insoweit kommt nämlich ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 abs. 1 Nr. 3 BetrVG grundsätzlich in Betracht. Dies hat bereits das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss erkannt. Der sog. „Pieper-Dienst“ stellt sich nämlich als Rufbereitschaft dar und betrifft im Hinblick auf eine Mehrarbeit das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. Im Hinblick auf die Lage der Arbeitszeit ist auch das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG betroffen. Dass die Einführung von Rufbereitschaft oder von Bereitschaftsdiensten mitbestimmungspflichtig sind, ist auch in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung und der arbeitsrechtlichen Literatur anerkannt (BAG 21.12.1982 – 1 ABR 14/81 – AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 9; BAG 29.02.2000 – 1 ABR 15/99 – AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 81; Fitting, aaO, § 87 Rn. 127; DKK/ Klebe, aaO, § 87 Rn. 83 m.w.N.).

Dass ein derartiger Dienst im Betrieb der Arbeitgeberin eingeführt werden soll, ist jedenfalls in der Beschwerdeinstanz unstreitig geworden. Die Arbeitgeberin hat mit der Beschwerdeerwiderung vom 04.04.2012 selbst ausdrücklich vorgetragen, dass es zutreffend sei, dass der „Pieper-Dienst“ neu eingeführt werden solle.

Entgegen der Rechtsauffassung der Arbeitgeberin ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Einführung des „Pieper-Dienstes“ auch nicht durch § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BetrVG ausgeschlossen.

Zwar handelt es sich bei der Arbeitgeberin um einen Betrieb, der unmittelbar und überwiegend Zwecken der Berichterstattung oder Meinungsäußerung dient, auf die Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG Anwendung findet. Betriebe, die Zeitungen oder Zeitschriften, Tageszeitungen oder periodische Zeitschriften politischen oder auch ideellen oder fachlichen Inhalts herausgeben, sind Tendenzbetriebe im Sinne des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BetrVG (BAG 18.11.2003 – 1 AZR 637/02 – AP BetrVG 1972 § 118 Nr. 76; BAG 30.05.2006 – 1 ABR 17/05 – AP BetrVG 1972 § 118 Nr. 80; BAG 20.04.2010 – 1 ABR 78/08 – AP Art. 5 Abs. 1 GG Pressefreiheit Nr. 9; Fitting, aaO, § 118 Rn. 25 m.w.N.).

Zugunsten der Arbeitgeberin geht die Beschwerdekammer auch davon aus, dass die von der Arbeitgeberin beschäftigten Redakteure grundsätzlich Tendenzträger sind, weil sie die Möglichkeit haben, mit ihrer Tätigkeit auf die Tendenzverwirklichung Einfluss zu nehmen (BAG 20.04.2010 – 1 ABR 78/08 – AP Art. 5 Abs. 1 GG Pressefreiheit Nr. 9 [Rn. 21 f.] m.w.N.).

Die Eigenart des Betriebes der Arbeitgeberin steht aber der Anwendung der Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes bei der Einführung des „Pieper-Dienstes“ für die Redakteure nicht entgegen. Die Tendenz der Arbeitgeberin erfordert insoweit keinen Ausschluss des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2, 3 BetrVG bei der Einführung des „Pieper-Dienstes“.

In sozialen Angelegenheiten nach den §§ 87 ff. BetrVG wird im Allgemeinen eine Einschränkung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates dann nicht in Betracht kommen, wenn es allein um den wertneutralen Arbeitsablauf des Betriebes geht (BAG 30.01.1990 – 1 ABR 101/88 – AP BetrVG 1972 § 118 Nr. 144 [unter II. 3. b) aa) der Gründe]; BAG 14.01.1992 – 1 ABR 35/91 – AP BetrVG 1972 § 118 Nr. 49 [unter B. II. 2. c) der Gründe]; Fitting, aaO, § 118 Rn. 32 m.w.N.). Nur wenn es sich um eine tendenzbezogene Maßnahme handelt, bei der die Beteiligung des Betriebsrats an der Entscheidung die Tendenzverwirklichung ernsthaft beeinträchtigen kann, scheidet ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 118 Abs. 1 BetrVG aus (BAG 30.01.1990 – 1 ABR 101/88 – AP BetrVG 1972 § 118 Nr. 44; BAG 11.02.1992 – 1 ABR 49/91 – AP BetrVG 1972 § 118 Nr. 50; Fitting, aaO, § 118 Rn. 29; DKK/ Wedde, aaO, § 118 Rn. 75; Wlotzke/Preis/Kreft/Bender, BetrVG 4. Aufl., § 118 Rn. 44, 54).

Diese Grundsätze gelten auch bei der Einrichtung des sog. „Pieper-Dienstes“ für die Redakteure der Arbeitgeberin. Auch hierbei geht es lediglich um den wertneutralen Arbeitsablauf im Betrieb der Arbeitgeberin. Insoweit kommt eine Einschränkung des Mitbestimmungsrechts wie bei anderen sozialen Angelegenheiten nur in Ausnahmefällen in Betracht.

So hat das Bundesarbeitsgericht bereits entschieden, dass der Tendenzcharakter das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei der Arbeitszeit von Pflegekräften in einer karitativen Einrichtung nicht ausschließt (BAG 18.04.1989 – 1 ABR 2/88 – AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 34; BAG 06.11.1990 – 1 ABR 88/89 – AP AZO Kr § 3 Nr. 8; BAG 04.12.1990 – 1 ABR 3/90 -). Auch für Redakteure an Tageszeitungen ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage nicht ausgeschlossen (BAG 30.01.1990 – 1 ABR 101/88 – AP BetrVG 1972 § 118 Nr. 44; BAG 14.01.1992 – 1 ABR 35/91 – AP BetrVG 1972 § 118 Nr. 49; BAG 11.02.1992 – 1 ABR 49/91 – AP BetrVG 1972 § 118 Nr. 50; BVerfG 15.12.1999 – 1 BvR 505/95 – AP BetrVG 1972 § 118 Nr. 67; Fitting, aaO, § 118 Rn. 32; ErfK/Kania, 12. Aufl. § 118 BetrVG Rn. 23 m.w.N.).

Insoweit ist auch bei der Einführung des „Pieper-Dienstes“ für die Redakteure der Arbeitgeberin das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 2, 3 BetrVG nicht ausgeschlossen. Die Frage, ob im Redakteurbereich die Anordnung von Rufbereitschaften erforderlich ist, ist nicht tendenzspezifisch, sondern stellt sich in jedem Pressebetrieb. Nur dort, wo tendenzbedinge Gründe für die Anordnung von Rufbereitschaften ausschlaggebend sind, kann das Mitbestimmungsrecht entfallen. Die Verwirklichung der Zielsetzung des Betriebes der Arbeitgeberin wird durch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Einrichtung des „Pieper-Dienstes“ für die Redakteure nicht ernsthaft beeinträchtigt. Ein Tendenzbezug ergibt sich nach Auffassung der Beschwerdekammer erst dann, wenn der Betriebsrat bei der grundsätzlichen Frage, ob eine Rufbereitschaft wie der hier vorliegende „Pieper-Dienst“ überhaupt eingeführt werden soll, mitbestimmen will. Dem Betriebsrat geht es im vorliegenden Fall aber nicht um die Frage, ob der „Pieper-Dienst“ überhaupt eingerichtet werden soll, der Betriebsrat verlangt lediglich bei der Festlegung der zeitlichen Lage des „Pieper-Dienstes“ seine Beteiligung. Ihnen geht es lediglich um die technischorganisatorische Umsetzung der mitbestimmungsfreien tendenzbezogenen Einführung des „Pieper-Dienstes“ für die Redakteure. Insoweit erscheint ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht ausgeschlossen, so dass eine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle nicht angenommen werden kann.

II. Gegen die Person des einzusetzenden Einigungsstellenvorsitzenden bestehen keine Bedenken. Bei dem vom Betriebsrat beantragten Vorsitzenden handelt es sich um einen äußerst fachkundigen und fähigen Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit, der auch über zahlreiche Erfahrungen als Einigungsstellenvorsitzender verfügt. Er hat selbst bei der Beklagten in der Vergangenheit mit Erfolg ein Einigungsstellenverfahren durchgeführt.

Die Zahl der Beisitzer der Einigungsstelle war auf zwei festzulegen. Dies entspricht der Regelbesetzung einer Einigungsstelle.

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