LAG Hamm, Beschluss vom 27.11.2013 – 1 SHa 17/13

Juni 28, 2020

LAG Hamm, Beschluss vom 27.11.2013 – 1 SHa 17/13

Tenor

Als örtlich zuständiges Gericht wird das Arbeitsgericht Dortmund bestimmt.
Gründe

I. In der Sache wendet sich der Kläger mit seiner bei dem Arbeitsgericht Hamm erhobenen Kündigungsschutzklage vom 09.09.2013 gegen die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung vom 20.08.2013 und macht darüber hinaus weitere Ansprüche geltend.

Der 1972 geborene Kläger ist auf der Basis eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 23.02.2012 als gewerblicher Zeitarbeitnehmer tätig. § 1 des Arbeitsvertrages regelt u. a. Folgendes:

„(…) Der Mitarbeiter übernimmt als gewerblicher Zeitarbeitnehmer Arbeiten als Bergmechaniker unter Tage in unterschiedlichen Kundenbetrieben und an verschiedenen Einsatzorten bundesweit. S1 behält sich vor, den Mitarbeiter im Rahmen des Unternehmens in anderen Betriebsabteilungen und an anderen Einsatzorten der Vorbildung und den Fähigkeiten entsprechende Tätigkeiten zu übertragen. (…)“

Der Kläger war seit Anbeginn des Arbeitsverhältnisses am 01.03.2012 bei der Beklagten, die ihren Sitz in Dortmund unterhält, als Werk- und Maschinenmann auf dem Bergwerk O1 in Hamm eingesetzt. Mit Hinweis darauf, dass sie ihren Sitz in Dortmund habe, rügte die Beklagte die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Arbeitsgerichts Hamm, das daraufhin mit Gerichtsschreiben vom 20.09.2013 Zweifel an seiner örtlichen Zuständigkeit geäußert hat.

Der Kläger hat unter Hinweis darauf, dass er dauerhaft als Werk- und Maschinenmann auf dem Bergwerk O1 in Hamm eingesetzt gewesen sei, die Auffassung vertreten, die Zuständigkeit des angerufenen Arbeitsgerichts Hamm ergebe sich aus § 48 Abs. 1 a ArbGG i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG.

Mit Beschluss vom 14.10.2013 hat sich das Arbeitsgericht Hamm für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Dortmund verwiesen, im Wesentlichen mit folgender Begründung:

Der Umstand, dass der Kläger als Leiharbeitnehmer zurzeit im Bezirk des Arbeitsgerichts Hamm beschäftigt werde, vermöge die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Hamm nicht zu begründen. Dies läge an der Eigenart der Arbeitnehmerüberlassung, die – anders als bei anderen Arbeitsverhältnissen – gerade nicht auf eine längerfristige Beschäftigung an einem Ort ausgerichtet sei.

Mit Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 18.10.2013 hat sich das Arbeitsgericht Dortmund für örtlich unzuständig erklärt, die Übernahme des Rechtsstreits abgelehnt und das Landesarbeitsgericht um die Bestimmung des örtlich zuständigen Arbeitsgerichts ersucht. Dazu hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Nach unbestrittenem Vortrag werde der Kläger dauerhaft als Werk- und Maschinenmann auf dem Bergwerk O1 in Hamm eingesetzt. Das Arbeitsgericht Hamm sei nach den §§ 48 Abs. 1 a, 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. den §§ 17, 35 ZPO örtlich zuständig. Nach § 35 ZPO stünde dem Kläger das Recht zu, unter mehreren örtlich zuständigen Gerichten zu wählen. Die Wahl habe der Kläger durch Erhebung der Klage bei einem zuständigen Gericht ausgeübt. Die getroffene Wahl sei unwiderruflich und bindend.

Indes sei der Verweisungsbeschluss des Arbeitsgerichts Dortmund nicht bindend. Zwar seien Beschlüsse über die örtliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte nach den §§ 48 Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG grundsätzlich bindend. Doch gelte dies nicht, sofern es sich um offensichtlich gesetzwidrige Verweisungen handele. Dies sei insbesondere anzunehmen bei extremen Verstößen gegen fundamentale Verfahrensnormen, insbesondere bei einer Nichtbeachtung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs oder des fairen Verfahrens oder auch bei einer Verweisung ohne Prüfung einer dem Wortlaut nach offensichtlich in Betracht zu ziehenden Zuständigkeitsnorm. Dies gelte auch, wenn das angerufene Gericht sich über eine einmal vom Kläger getroffene Wahl des Gerichtstandes rechtsgrundlos hinweggesetzt hätte.

Das Arbeitsgericht Hamm habe offensichtlich verkannt, dass der Kläger einen gewöhnlichen Arbeitsort im Bezirk des Arbeitsgerichts Hamm habe. Dort habe er seit Beginn des Arbeitsverhältnisses im März 2012 ununterbrochen seine Tätigkeit entfaltet. Das Arbeitsgericht habe sich nicht mit dem Vorbringen des Klägers auseinandergesetzt, der sich bereits in der Klageschrift zur örtlichen Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Hamm geäußert habe. Vielmehr stelle das Gericht darauf ab, dass bei Leiharbeitnehmern grundsätzlich nicht von einer längerfristigen Beschäftigung an einem Ort auszugehen sei.

Die Parteien erhielten Gelegenheit zu rechtlichem Gehör. Der Kläger hält die Entscheidung des Arbeitsgerichts Dortmund für zutreffend und verweist auf seine Ausführungen in der Klagebegründung.

II. Das Landesarbeitsgericht war nach § 36 Abs. 1 Ziffer 6 ZPO aufgerufen, als das im Rechtszuge zunächst höhere Gericht das örtlich zuständige Arbeitsgericht zu bestimmen. Nach § 36 Abs. 1 Ziffer 6 ZPO hat dies zu erfolgen, wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben. Dies ist hier der Fall. Das Arbeitsgericht Hamm hat sich mit rechtskräftigem, weil nicht anfechtbaren Beschluss vom 14.10.2013 für örtlich unzuständig erklärt. Auch das Arbeitsgericht Dortmund hat dies mit Beschluss vom 18.10.2013 entschieden, soweit es seine Zuständigkeit anbelangt.

Nach den §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO war als das zuständige Arbeitsgericht das Arbeitsgericht Dortmund zu bestimmen.

Verweisungsbeschlüsse wegen örtlicher Unzuständigkeit sind nach den §§ 48 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen wird, grundsätzlich bindend. Ein Verweisungsbeschluss, der mit verfahrensrechtlicher Bindungswirkung erlassen worden ist, wirkt auch im Bestimmungsverfahren fort und ist dort zu beachten (Zöller/Vollkommer ZPO, 29. Auflage § 36 Rn 28; LAG Hamm 15.08.2007 – 1 SHa 22/07, NRWE). Die fehlende Anfechtung von Beschlüssen über die örtliche Zuständigkeit bewirkt, dass die Fehlerhaftigkeit eines Verweisungsbeschlusses demgemäß grundsätzlich hinzunehmen ist und nicht zu einer Anfechtbarkeit führt. Dies gilt selbst dann, wenn der Verweisungsbeschluss offensichtlich fehlerhaft ist (G-M-P-Germelmann, ArbGG, 7. Auflage § 48 Rn 94; LAG Hamm 12.08.2013 – 1 Ta 397/13, NRWE).

Dies ist nur dann anders, wenn der Verweisungsbeschluss neben einer offensichtlichen Fehlerhaftigkeit zugleich noch greifbar gesetzeswidrig ist und aus diesem Grund keine Bindungswirkung entfalten kann (so LAG München 08.02.2010 – 1 SHa 4/10, juris; zweifelnd unter Hinweis auf die nunmehrige Möglichkeit des § 321 a ZPO, Hessisches LAG, 26.08.2008 – 4 Ta 308/08, juris). Von einer greifbaren Gesetzeswidrigkeit ist nur dann auszugehen, wenn eine krasse Rechtsverletzung vorliegt. Sie würde es zulassen, die gesetzliche Bindungswirkung ausnahmsweise zu durchbrechen, was etwa dann gilt, wenn der Beschluss dazu führen würde, dass sich die Verweisung bei Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Normen in einer nicht mehr hinnehmbaren, willkürlichen Weise vom verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt oder auf der Versagung rechtlichen Gehörs gegenüber den Verfahrensbeteiligten beruhen könnte. In einem solchen Fall wäre er unter Berücksichtigung elementarer rechtstaatlicher Grundsätze nicht mehr verständlich, damit offensichtlich unhaltbar und nicht mehr hinnehmbar. Er würde sich als Beleg willkürlicher Rechtsfindung herausstellen (BAG 19.03.2003 – 5 AS 1/03, NZA 2003, 683; LAG Hamm, 12.08.2003 – 1 Ta 397/13, NRWE; LAG München 08.02.2010 – 1 SHa 4/10, juris; G-M-P-Germelmann, ArbGG, 7. Auflage § 48 Rn 94).

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Verweisungsbeschluss des Arbeitsgerichts Hamm vom 14.10.2013 in einer Weise rechtsfehlerhaft ist, die an diesen Grundsätzen orientiert eine Durchbrechung der gesetzlichen Rechtsbindung rechtfertigen würde.

So hat sich der Kläger unter Hinweis darauf, dass er dauerhaft als Werk- und Maschinenmann im Bergwerk O1 in Hamm – also im Zuständigkeitsbereich des Arbeitsgerichts Hamm – eingesetzt werde, in rechtlicher Hinsicht darauf gestützt, dass sich die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes aus § 48 Abs. 1 a ArbGG ergeben werde. Nach dieser Bestimmung ist – neben dem allgemeinen Gerichtsstand – auch das Arbeitsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat.

In der Kommentierung findet sich die Auffassung wieder, dass Arbeitsort i. S. d. Vorschrift zunächst der Ort sei, der den tatsächlichen Mittelpunkt der Berufstätigkeit des Arbeitnehmers darstelle, wobei es auf die konkrete Gestaltung des Arbeitsverhältnisses ankomme. So sei bei Vertretern, Außendienstmitarbeitern und Monteuren im Außendienst der Schwerpunkt der Tätigkeit maßgeblich. Lasse sich ein solcher Schwerpunkt als konkreter Arbeitsort nicht ermitteln, gelte dies hingegen nicht (G-M-P-Germelmann, ArbGG, 7. Auflage § 48 Rn 35 f.). Für Montagearbeiter und Außendienstmitarbeiter solle gelten, dass außerhalb der Regelung des § 48 Abs. 1 a ArbGG Erfüllungsort auch der Betrieb sein könne, von dem aus die Arbeitsleistung gesteuert werde, sofern der Arbeitnehmer nicht ständig am gleichen Ort beschäftigt werde (G-M-P-Germelmann, ArbGG, 7. Auflage § 48 Rn 42).

Das Arbeitsgericht Hamm hat bei seiner Entscheidung darauf abgestellt, dass der Kläger als Leiharbeitnehmer zwar im Bezirk des Arbeitsgerichts Hamm beschäftigt wurde. Doch sei dies angesichts der Eigenart, die der Arbeitnehmerüberlassung zugrundeliege und die nicht auf eine längerfristige Beschäftigung an einem Ort ausgerichtet sei, nicht geeignet, die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Hamm begründen zu können.

Es mag offenbleiben, ob dieser rechtliche Ansatz im Ergebnis zutreffend ist. Jedenfalls lässt sich nicht sagen, dass unter Berücksichtigung der auch in der Literatur vertretenden Auffassung, der Schwerpunkt der geschuldeten arbeitsvertraglichen Tätigkeit sei zu ermitteln und ausschlaggebend, von einer Fehlerhaftigkeit ausgegangen werden könnte, die eine krasse Rechtsverletzung darstellt und sich als Beleg willkürlicher Rechtsfindung präsentiert.

Die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des Arbeitsgerichts Hamm vom 14.10.2013 wird vor diesem Hintergrund nicht durchbrochen. Das Arbeitsgericht Dortmund ist damit angesichts des Verwesungsbeschlusses des Arbeitsgerichts Hamm zuständig.

III. Die Kosten dieses Beschlusses sind Kosten des Verfahrens (LAG Hamm, 15.08.2007 – 1 SHa 22/07, NRWE). Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 37 Abs. 2 ZPO.

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