LAG Hamm, Urteil vom 16.05.2012 – 3 Sa 1420/11

Juli 4, 2020

LAG Hamm, Urteil vom 16.05.2012 – 3 Sa 1420/11

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 05.05.2011 – 1 Ca 1566/100 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch um einen Anspruch der Klägerin auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG.

Die Klägerin ist seit dem 06.07.2010 als Personalsachbearbeiterin bei der Beklagten beschäftigt.

Grundlage der Beschäftigung ist ein schriftlicher, auf die Dauer von 24 Monaten befristeter Arbeitsvertrag vom 17.06.2010, nach dessen § 2 die ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses als Probezeit galten, während derer eine Kündigung beiderseits mit einer Frist von zwei Wochen möglich war.

Die Klägerin erhielt eine Vergütung von monatlich 2.750,00 € brutto.

Ab dem 28.09.2010 war die Klägerin zunächst durchgehend arbeitsunfähig bis einschließlich 21.11.2010.

Vergütung leistete die Beklagte bis einschließlich 09.11.2010.

Für den Zeitraum vom 10.11.2010 bis einschließlich 21.11.2010 erhielt die Klägerin Krankengeld in Höhe von 617,28 €.

Mit Schreiben vom 18.11.2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 03.12.2010.

Mit der Abrechnung für den Monat November errechnete die Beklagte als Gehalt für den Monat November einen Betrag in Höhe von 733,33 €, woraus sich ein Nettoverdienst in Höhe von 583,18 € ergab. Hiervon brachte die Beklagte einen Betrag in Höhe von 379,13 € aufgrund einer Nachberechnung für den Monat Juli 2010 in Abzug, weil sie in diesem Monat das der Klägerin ausgezahlte Nettourlaubsgeld berechnete.

Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 22.11.2010 teilte die Klägerin der Beklagten mit, sie sei schwanger; die Beklagte wurde gebeten, bis spätestens 29.11.2010 mitzuteilen, dass sie an der Kündigung nicht festhalte.

Mit Schreiben vom 25.11.2010 übersandten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin eine ärztliche Bescheinigung über die Schwangerschaft. Darüber hinaus teilten sie der Beklagten mit, dass ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen worden sei. Ein solches Beschäftigungsverbot wurde unter dem 24.11.2010 mit Wirkung ab 22.11.2010 ausgesprochen.

Eine betriebsärztliche Untersuchung auf Aufforderung der Beklagten führte unter dem 22.12.2010 zu dem Ergebnis, dass die bestehende Schwangerschaft bestätigt wurde und das Beschäftigungsverbot nicht anzutasten sei.

Unter anderem gegen die Kündigung hat sich die Klägerin mit der unter dem 08.12.2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage gewendet.

Ein am 27.01.2011 durchgeführter Gütetermin blieb erfolglos.

Nach außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen nicht näher bekannten Inhalts und nicht näher bekannter Zeitdauer erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 09.02.2011 der Klägerin gegenüber die Rücknahme der Kündigung und teilte dies mit Schriftsatz vom 10.02.2011 dem Arbeitsgericht mit. Gleichzeitig bat die Beklagte um Aufhebung des auf den 17.02.2011 anberaumten Kammertermins wegen Beendigung des Rechtsstreits.

Weitergehende als die abgerechneten Gehaltszahlungen erbrachte die Beklagte für den Monat November 2010 nicht. Gehaltszahlungen erfolgten auch nicht für die Monate Dezember 2010 bis Februar 2011.

Im Kammertermin vom 05.05.2011 erkannte die Beklagte sodann den Kündigungsschutzantrag an, woraufhin das Arbeitsgericht auf Antrag der Klägerin ein Teilanerkenntnisurteil dahin gehend erließ, dass die Feststellung getroffen wurde, das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien sei durch die Kündigung vom 18.11.2010 nicht aufgelöst worden.

Bereits zuvor hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 04.03.2011 mitgeteilt, ihr sei bekannt, dass eine einseitige Willenserklärung wie eine Kündigung nicht zurückgenommen werden könne, die Rücknahme daher als Angebot zu verstehen sei, das Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen fortzusetzen. Hierzu habe die Klägerin sich bislang nicht erklärt. Ihr sei jedoch an einer Klärung gelegen, sie befriste das Angebot, das Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen fortzusetzen, bis zum 25.03.2011. Erhalte sie keine Annahmeerklärung, sei davon auszugehen, dass die Klägerin an einer unveränderten Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht interessiert sei.

Neben dem Kündigungsschutzantrag begehrte die Klägerin für den Fall des Obsiegens darüber hinaus ihre vorläufige Weiterbeschäftigung, die Erteilung eines Zeugnisses mit einer bestimmten Leistungs- und Führungsbewertung, Zahlung der Vergütung für die Monate Dezember 2010 bis Februar 2011, eine Restzahlung für den Monat November 2010 sowie eine anteilige Gratifikation für 2010.

Darüber hinaus begehrt die Klägerin die Zahlung von 8.250,00 € als Entschädigung infolge Diskriminierung wegen des Geschlechts.

Sie hat insoweit geltend gemacht, es liege eine geschlechtsspezifische Benachteiligung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Geschlechtsgruppe vor, weil die Beklagte das Beschäftigungsverhältnis mit ihr gekündigt habe und an der Kündigung trotz positiver Kenntnis der Schwangerschaft festgehalten habe.

Die Beklagte diskriminiere sie, weil sie ihre Schwangerschaft ignoriere. Zur Kündigungsrücknahme habe sie selbst keine weiteren Erklärungen abgeben müssen, nachdem sie gegen die ungerechtfertigte Kündigung Klage erhoben habe. Die Beklagte habe entsprechende, in der Zivilprozessordnung vorgesehene Prozesshandlungen vollziehen können. Ein Anerkenntnis sei der richtige und einzige Weg in der vorliegenden Situation, die Kündigung aus der Welt zu schaffen. Sie habe ohnehin nicht die Möglichkeit gehabt, den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses durch Annahme herbeizuführen. Die Beklagte sei zudem mit Schreiben vom 22.11.2010 bereits aufgefordert worden, die Kündigung zurückzunehmen. Gleichwohl habe die Beklagte die Kündigung vor Klageerhebung nicht zurückgenommen und selbst dann eine Rücknahme nicht erklärt, als ihr durch ärztliches Attest die Schwangerschaft nachgewiesen worden sei. Ebenso habe sie keine Lohnzahlungen bzw. Ersatzleistungen vorgenommen, obgleich durch den eigenen arbeitsmedizinischen Dienst mitgeteilt worden sei, dass ein Beschäftigungsverbot bestehe. Auch über den Gütetermin hinaus habe die Beklagte an der Kündigung festgehalten.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, sie bei unveränderten Arbeitsbedingungen als Personalsachbearbeiterin entsprechend der arbeitsvertraglichen Bedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiter zu beschäftigen,

2. die Beklagte zu verurteilen, ihr ein wohlwollendes qualifiziertes dem beruflichen Fortkommen dienliches Zeugnis mit einer Leistungs- und Führungsbewertung von mindestens „gut“ zu erteilen,

3. die Beklagte zu verurteilen, an sie 8.250,00 € nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Klageerweiterung zu zahlen,

4. die Beklagte zu verurteilen, an sie 7.036,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank aus einem Betrag von 1.536,00 € brutto seit dem 05.12.2010, aus weiteren 2.750,00 € seit dem 04.01.2011 sowie aus weiteren 2.750,00 € seit dem 05.02.2011, abzüglich für den Zeitraum vom 10.11.2010 bis 21.11.2010 gezahlten Krankengeldes in Höhe von 617,28 €, zu zahlen,

5. die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.125,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank aus einem Betrag von 1.375,00 € seit Klageerweiterung sowie aus weiteren 2.750,00 € seit dem 03.03.2011 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, die Kündigung in Unkenntnis der Schwangerschaft ausgesprochen zu haben.

Soweit die Klägerin sich auf ein Beschäftigungsverbot berufen habe, habe sie die Klägerin bzw. die diese behandelnden Ärzte aufgefordert, Auskunft über die Gründe zu erteilen, aus denen sich ein Beschäftigungsverbot ergeben solle.

Einen Entschädigungsanspruch hat die Beklagte für nicht gegeben erachtet, da sie gegen kein Benachteiligungsverbot verstoße habe. Sie habe das Arbeitsverhältnis in Unkenntnis einer Schwangerschaft gekündigt und dann die Kündigung zurückgenommen, nachdem ihr die Schwangerschaft zunächst mitgeteilt und dann auch nachgewiesen worden sei. Im Übrigen sei § 9 MuschG als lex spezialis eine genügende Sanktion.

Die Ausführungen der Klägerin ließen auch nicht erkennen, inwieweit sie meine, eine weniger günstige Behandlung erfahren zu haben als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation.

Mit Urteil vom 05.05.2011 hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 379, 13 € netto, 875,00 € brutto, weitere 8.250,00 € brutto und weitere 1.375,00 € brutto jeweils nebst Zinsen zu zahlen und im Übrigen die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, das Begehren auf vorläufige Weiterbeschäftigung sei zulässig, aber unbegründet, weil die Beklagte bereits vor Stellung dieses Antrages den Kündigungsschutzantrag der Klägerin anerkannt habe und ein entsprechendes Teilanerkenntnisurteil verkündet worden sei.

Das Begehren auf Erteilung eines Zeugnisses mit einem bestimmten Inhalt sei unzulässig. Im Hinblick auf die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses an sich sei der Klageantrag hingegen unbegründet.

Begründet sei die Klage hinsichtlich der Bruttogehälter für die Monate Dezember 2010 bis Februar 2011. Ebenso begründet sei die Klage hinsichtlich der geltend gemachten Vergütungszahlung für die Zeit vom 22. bis zum 30.11.2010.

Ebenfalls habe die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung des zu Unrecht einbehaltenen aber bereits abgerechneten Nettobetrages für die Zeit vom 01. bis zum 09.11.2010 in Höhe von 379,13 € netto. Schließlich habe die Klägerin auch einen Anspruch auf Zahlung eines anteiligen Weihnachtsgeldes für 2010 in Höhe von 1.350,00 € brutto.

Unbegründet sei die Klage, soweit die Klägerin die Zahlung von Schadensersatz wegen Diskriminierung in Höhe von 8.250,00 € begehre. Es seien weder die Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG, noch für einen Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG erfüllt.

Zum einen habe die Klägerin weder substanziiert dargelegt, auf welche Art und Weise wann die Beklagte vor Ausspruch der Kündigung Kenntnis von einer Schwangerschaft erlangt haben solle, noch habe sie für ihre Behauptung einen Beweis angeboten. Es sei daher davon auszugehen gewesen, dass die Beklagte zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung keine positive Kenntnis von einer Schwangerschaft gehabt habe. Eine Diskriminierung könne sich auch nicht daraus ergeben, dass die Beklagte die ausgesprochene Kündigung erst mit Schreiben vom 09.02.2011 zurückgenommen und erst im Kammertermin am 05.05.2011 die Unwirksamkeit der Kündigung prozessual anerkannt habe. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin erst nach Zugang der Kündigung ihre Schwangerschaft nachgewiesen habe. Darüber hinaus habe der Betriebsarzt erst am 22.12.2010 die entsprechende ärztliche Feststellung in Bezug auf die Schwangerschaft und das Beschäftigungsverbot bestätigt. Bis dahin scheide eine Diskriminierung durch Aufrechterhaltung der Kündigung aus. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Parteien sowohl in der Güteverhandlung, als auch in der Kammerverhandlung Vergleichsgespräche geführt hätten; für eine Abfindungslösung sei aber als Anknüpfungstatbestand für beide Parteien die Kündigung vom 18.11.2010 wichtig und erforderlich gewesen. Schließlich sei eine Diskriminierung nicht darin zu sehen, dass Ansprüche auf Fortzahlung des Arbeitsentgeltes nach § 11 Abs. 1 Satz 1 MuSchG bis zum Kammertermin nicht erfüllt worden seien. In der bloßen Nichterfüllung vertraglicher oder gesetzlicher Ansprüche sei keine Diskriminierung zu erkennen.

Gegen das unter dem 09.08.2011 zugestellte Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe im Übrigen Bezug genommen wird, hat die Klägerin unter dem 09.09.2011 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 09.11.2011 unter dem 09.11.2011 begründet.

Sie verbleibt bei ihrer Auffassung, wegen ihres Geschlechts diskriminiert worden zu sein.

Sie sei, so ist sie der Auffassung, allein aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt worden, indem die Beklagte trotz entsprechender positiver Kenntnis von der Schwangerschaft an der Kündigung beharrlich festgehalten habe und damit ihreMissachtung der gesetzlichen Normen und des besonderen Schutzes Schwangerer zum Ausdruck gebracht habe. Darin liege eine geschlechtsspezifische Benachteiligung wegen der Zugehörigkeit zur einer Geschlechtsgruppe.

Spätestens mit Vorlage der entsprechenden ärztlichen Bescheinigung sei der Beklagten ihre Schwangerschaft bekannt gewesen; die werksärztliche Untersuchung durch den Betriebsarzt am 22.12.2010 sei ausschließlich vor dem Hintergrund des ausgesprochenen Beschäftigungsverbotes erfolgt und habe mit der Frage des Bestehens einer Schwangerschaft nichts zu tun gehabt. Dennoch habe die Beklagte die Kündigung bis zum Kammertermin vom 05.05.2011 aufrecht erhalten und damit trotz eindeutiger gesetzlicher Lage und Regelung an einer unwirksamen Kündigung festgehalten.

Der Umstand, dass die Parteien über eine mögliche Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses verhandelt hätten, könne ihrer Meinung nach nicht dazu führen, dass eine erfolgte Diskriminierung nachträglich negiert werde. Benachteiligung und Diskriminierung sei bereits aufgrund der rechtswidrigen Kündigung bzw. dem Aufrechterhalten der rechtswidrigen Kündigung eingetreten. So sei es ohne Weiteres möglich gewesen, vor Einleitung des Kündigungsschutzverfahrens die Kündigung bereits zurückzunehmen, zumal bereits am 22.11.2010 die Mitteilung ergangen sei, sie sei schwanger. Stattdessen sei noch unter dem Datum des 03.02.2011 der Antrag gestellt worden, die Kündigungsschutzklage abzuweisen.

Verstärkend komme hinzu, dass selbst nach Bestätigung der Schwangerschaft und des Beschäftigungsverbotes die Beklagte sich geweigert habe, die entsprechenden Gehaltszahlungen zu erbringen. Auch Weihnachts- und Urlaubsgeld habe die Beklagte nicht an sie gezahlt, obwohl ihr spätestes nach Mitteilung der Schwangerschaft bewusst gewesen sei, dass die ausgesprochene Kündigung rechtlich nicht haltbar sei.

Mit Schriftsatz vom 04.03.2011 sei sie sogar noch aufgefordert worden, auf ein Angebot einzugehen, das Beschäftigungsverhältnis zu unveränderten Bedingungen fortzusetzen. Eine solche Erklärung sei zudem noch befristet abgegeben worden, obwohl es einer irgendwie gearteten Erklärung oder Annahme von Angeboten überhaupt nicht bedurft habe.

Ergänzt werde das Verhalten der Beklagten schließlich dadurch, dass diese ihr ein Zwischenzeugnis erteilt habe, welches nach Wortlaut und Inhalt nur als ungenügend qualifiziert werden könne.

Die Klägerin beantragt,

das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 05.05.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 8.250,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Klageerweiterung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verbleibt bei ihrer Auffassung, für den geltend gemachten Anspruch fehle es an einer Rechtsgrundlage.

Ein Schadensersatzanspruch sei schon nicht gegeben, da der Klägerin ein Schaden gar nicht entstanden sei.

Ein Anspruch aus § 15 Abs. 2 AGG sei auch nicht gegeben, da sie zu Ungunsten der Klägerin nicht gegen ein Benachteiligungsverbot verstoßen habe. Sie habe die Klägerin nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt. Die Klägerin habe schon gar keine weniger günstige Behandlung erfahren, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Der Umstand der Kündigung innerhalb einer vereinbarten Probezeit in Unkenntnis einer etwaigen Schwangerschaft begründe keine Benachteiligung. Die Unwirksamkeit der Kündigung sei zudem eine hinreichende Sanktion für die erklärte Kündigung.

Auch der Umstand, dass hinsichtlich der erklärten Kündigung kein sofortiges Anerkenntnis erfolgt sei, ändere nichts an der vorstehenden Bewertung. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass sich die Klageparteien in Vergleichsverhandlungen befunden hätten, für die die erklärte Kündigung ein sinnvoller Anknüpfungspunkt gewesen sei.

Auch der Streit über Zahlungsansprüche begründe keine Benachteiligung, da es insoweit an den tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch fehle. Ohnehin sei es nichts Ungewöhnliches, dass Rechtsanwendungsfragen streitig seien und tatsächliche Fragen zunächst geklärt werden müssten.

Insoweit sei es abwegig, bei einem Streit über einen Zahlungsanspruch mit einer Schwangeren stets automatisch und zugleich einen Entschädigungsanspruch als zusätzliche Sanktion bei Begründetheit eines Zahlungsanspruchs anzunehmen.

Schließlich sei auch das Zwischenzeugnis nicht geeignet, einen Entschädigungsanspruch zu begründen, da das Zeugnis inhaltlich zutreffend sei.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Gründe

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.

A.

Durchgreifende Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung bestehen nicht.

Die Berufung ist statthaft gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 b) ArbGG.

Die Berufung ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 517 ff. ZPO.

B.

Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Klägerin kein Entschädigungsanspruch infolge Diskriminierung wegen des Geschlechts zusteht.

Auch die Ausführungen der Klägerin im Berufungsverfahren führen zu keinem anderen Ergebnis.

I. Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich nicht aus § 15 Abs. 1 AGG.

Die Klägerin hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht klargestellt, dass lediglich ein Entschädigungsanspruch und nicht ein Schadensersatzanspruch geltend gemacht wird.

II. Die Klägerin hat aber auch keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Entschädigung in der mit 8.250,00 € geltend gemachten Höhe.

1. Das AGG findet auf den vorliegenden Fall Anwendung, weil die Versagung von Leistungen aus dem Arbeitsverhältnis sowie die Kündigung oder Aufrechterhaltung einer Kündigung Arbeitsbedingungen sind im Zusammenhang bei der Durchführung und Beendigung eines Arbeitsverhältnisses im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG.

Der Begriff der Maßnahme ist dabei weit zu fassen, die Maßnahme muss nicht einmal rechtswidrig sein, um zu einer Benachteiligung zu führen (BAG, 22.01.2009, DB 2009, 2045).

§ 2 Abs. 4 AGG steht dabei nicht von vornherein einem Anspruch wegen des Ausspruchs einer Kündigung oder Aufrechterhaltung einer Kündigung entgegen. Bei § 2 Abs. 4 AGG geht es nicht um einen Anwendungsausschluss für die Diskriminierungsverbote des AGG oder gar um die Ermöglichung von nach dem AGG verbotenen Diskriminierungen bei Kündigungen. Ziel ist vielmehr die Beschreibung des Weges, auf dem die Diskriminierungsverbote des AGG in das System des Kündigungsschutzrechts einzupassen sind (BAG, 06.11.2008, EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 82).

2. Ein Anspruch aus § 15 Abs. 2 AGG setzt grundsätzlich voraus, dass ein Verstoß gegen ein Benachteiligungsverbot nach § 7 Abs. 1 i.V.m. § 1 AGG gegeben ist (BAG, 22.06.2011, DB 2011, 2438).

Ein Anspruch aus § 15 Abs. 2 AGG setzt dabei keinen schuldhaften Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot voraus. Eine sachgerechte Auslegung des § 15 Abs. 2 AGG führt zur Annahme, dass es sich bei dem Entschädigungsanspruch um einen verschuldensunabhängigen Anspruch handelt (BAG, 22.01.2009, a.a.O.).

Ebenso wenig setzt ein Anspruch aus § 15 Abs. 2 AGG eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts voraus, soweit nicht das entsprechende Merkmal aus § 3 Abs. 3 oder § 3 Abs. 4 AGG zur Anwendung kommen soll (BAG, 22.01.2009, a.a.O.).

Steht daher ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot fest, ist vom Vorliegen eines immateriellen Schadens auszugehen.

Eine unmittelbare Belästigung liegt nach § 3 Abs. 1 AGG dann vor, wenn Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstigere Behandlung erfahren als andere Personen in einer vergleichbaren Situation.

Die sich nachteilig auswirkende Maßnahme muss damit an das verpönte Merkmal anknüpfen (BAG, 22.07.2010, DB 2011, 177; BAG, 22.06.2011, DB 2011, 2438).

Eine mittelbare Diskriminierung nach der Definition in § 3 Abs. 2 AGG setzt das Vorliegen dem Anschein nach neutraler Vorschriften, Kriterien oder Verhaltensweisen voraus. Neutral sind dabei solche Vorschriften oder Kriterien dann, wenn sie nicht an ein verpöntes Merkmal unmittelbar oder verdeckt zwingend anknüpfen.

Es kommen hierbei auch Einzelmaßnahmen in Gestalt von Weisungen in Betracht. Allerdings ist der Tatbestand der mittelbaren Diskriminierung dann nicht verwirklicht, wenn die Maßnahme gerechtfertigt ist (BAG, 22.06.2011, a.a.O.).

Eine Belästigung i. S. v. § 3 Abs. 3 AGG erfordert kumulativ das Vorliegen erwünschter Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund im Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt ist und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gezeichnetes Umfeld geschaffen wird.

Der Begriff der unerwünschten Verhaltensweise ist dabei umfassend zu verstehen, er beinhaltet verbale oder nonverbale Verhaltensweisen, die auch in Form von Beleidigungen, Verleumdungen oder abwertenden Äußerungen zum Ausdruck kommen kann. Das Verhalten muss zudem mit einem Merkmal aus § 1 im unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang stehen (BAG, 22.06.2011, a.a.O.) und schließlich muss durch die Verhaltensweise ein feindliches Umfeld geschaffen werden.

Allein aber die Verletzung allgemeiner arbeitsvertraglicher Verpflichtungen durch den Arbeitgeber im Zusammenhang mit einer an sich nicht gegen § 7 AGG verstoßenden Maßnahme führt nicht dazu, dass diese nunmehr zu einer unzulässigen Benachteiligung i. S. d. § 1 AGG wird; in einem solchen Fall muss der Arbeitnehmer seine vertraglichen oder tarifvertraglichen Rechte, notfalls auch gerichtlich, geltend machen (BAG, 22.06.2011, a.a.O.).

4. Die Regelung des § 22 AGG hat für eine Benachteiligung wegen eines der in § 1 AGG genannten Merkmale auch Auswirkungen auf die Verteilung der Darlegungslast.

Der Arbeitnehmer genügt seiner Darlegungslast danach bereits dann, wenn er Indizien vorträgt, die seine Benachteiligung wegen eines verpönten Merkmals vermuten lassen. Dies ist dann der Fall, wenn die vorgetragenen Tatsachen aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung wegen dieses Merkmals erfolgt ist. Der Arbeitnehmer genügt seiner Darlegungslast daher, wenn er Indizien verträgt, die zwar nicht zwingend den Schluss auf die Kausalität zulassen, die aber die Annahme rechtfertigen, dass sie gegeben ist (BAG, 20.05.2010, EzA AGG § 22 Nr. 1).

Dabei ist kein zu strenger Maßstab an die Vermutungswirkung der Indizien anzulegen (BAG, 24.04.2008, EzA BGB 2002, § 611 a Nr. 6).

5. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien liegt kein Vorbringen der Klägerin zu Verhaltensweisen vor, die einzeln betrachtet oder im Rahmen einer Gesamtbetrachtung eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten lassen.

a) Der Ausspruch der Kündigung als solcher lässt eine Benachteiligung wegen des Geschlechts weder in Form der unmittelbaren Diskriminierung, noch in Form der mittelbaren Diskriminierung vermuten, da kein Vorbringen der Klägerin vorliegt, aus dem zu ersehen ist, dass der Beklagten die Schwangerschaft der Klägerin bereits bei Ausspruch der Kündigung bekannt war.

b) Auch die Aufrechterhaltung der Kündigung in Kenntnis der Unwirksamkeit wegen des Verstoßes gegen Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes lässt nicht auf eine Benachteiligung wegen des Geschlechts schließen.

Allein das Aufrechterhalten einer Kündigung führt nicht zur Vermutung der Diskriminierung wegen eines verpönten Kriteriums, hier des Geschlechts, nur weil sich die Unwirksamkeit der Kündigung aus mutterschutzrechtlichen Bestimmungen ergibt. Das Festhalten an einer unwirksamen Kündigung ist insoweit wertneutral und keinem verpönten Kriterium aus § 1 AGG zuzuordnen.

c) Unter Zugrundelegung dieser Gesichtspunkte ist auch die Nichtgewährung von Leistungen, die nach Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes zu erbringen wären, weder einzeln betrachtet, noch im Rahmen einer Gesamtbetrachtung im Zusammenhang mit Ausspruch und Aufrechterhaltung der Kündigung geeignet, eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten zu lassen.

Die Beklagte hat damit ggf. allgemeine arbeitsvertragliche Verpflichtungen verletzt, ohne dass hieraus gleichzeitig eine unzulässige Benachteiligung im Sinne des § 1 AGG wird. Die Klägerin konnte, wie sie es auch getan hat, ihre vertraglichen oder gesetzlichen Rechte gerichtlich geltend machen und durchsetzen.

d) In gleicher Weise ist die Erteilung eines Zeugnisses, dass aus Sicht der Klägerin nicht ordnungsgemäß ist, ein Umstand, der auf eine Benachteiligung wegen des Geschlechts schließen lässt, weder isoliert betrachtet, noch im Zusammenhang mit der anderen genannten Umständen.

6. Selbst wenn eine Benachteiligung wegen des Geschlechts oder eine Belästigung im Zusammenhang mit dem Geschlecht gegeben wäre, würde dies nach Auffassung der Kammer nicht dazu führen, dass eine angemessene Entschädigung festzusetzen wäre.

a) Bei der Festsetzung der angemessenen Entschädigung sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, wie Art und Schwere der Benachteiligung, Dauer und Folgen, Anlass und Beweggrund des Handelns, Grad der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers, geleistete Wiedergutmachung oder erhaltene Genugtuung und das Vorliegen eines Wiederholungsfalles. Andererseits ist der Schutzzweck der Norm zu berücksichtigen, so dass die Höhe auch danach zu bemessen ist, was zur Erzielung einer abschreckenden Wirkung erforderlich ist (BAG, 22.01.2009, a.a.O.).

b) In diesem Rahmen war zum einen zu berücksichtigen, dass kein Wiederholungsfall gegeben war.

Folgen der Verhaltensweisen der Beklagten sind, ggf. mit Ausnahme der Berichtigung des Zeugnisses, durch die festgestellte Nichtbeendigung des Arbeitsverhältnisses infolge der in Rede stehenden Kündigung und die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der ausstehenden Entgelte vollständig ausgeglichen.

Damit liegt auch eine ausreichende Genugtuung aufseiten der Klägerin vor, indem gerichtlich festgestellt worden ist, dass die streitbefangene Kündigung nicht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt hat und die Beklagte des Weiteren verurteilt worden ist, die Zahlungen zu erbringen, die die Klägerin begehrt hat.

Beweggrund für die Kündigung war des Weiteren nicht die Schwangerschaft der Klägerin, da jedenfalls nicht ersichtlich ist, dass die Schwangerschaft der Beklagten bei Ausspruch der Kündigung bekannt war.

Auch die Dauer der Beeinträchtigung hält sich in Grenzen. Insoweit war nicht zu beanstanden, dass die Beklagte sich zunächst eine ärztliche Bescheinigung über das Vorliegen einer Schwangerschaft vorlegen ließ. Bereits mit Schreiben vom 09.02.2011 hat die Beklagte zu erkennen gegeben, an der Kündigung nicht festhalten zu wollen. Wenn man zudem berücksichtigt, dass unwidersprochen Versuche einer außergerichtlichen Einigung vor diesem Zeitpunkt stattgefunden haben, auch wenn der nähere Umfang und Zeitablauf hierzu nicht bekannt ist, stellt sich die Dauer der Beeinträchtigung infolge Aufrechterhaltung der Kündigung als wenig schwer dar. Auch wenn letztendlich ein Anerkenntnisurteil hinsichtlich der Feststellung der Nichtbeendigung des Arbeitsverhältnisses durch die streitbefangene Kündigung erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt ist, war jedoch bereits mit Zugang des Schreibens der Beklagten vom 09.02.2011 klar, dass diese Rechte aus der Kündigung nicht mehr herleiten will.

Haben die Parteien zudem über eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Zahlung einer Abfindung verhandelt, erklärt dies ausreichend, dass zunächst Leistungen an die Klägerin über den Zeitpunkt der Kündigungsfrist hinaus nicht erbracht worden sind.

Wenn darüber hinaus nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin die werksärztliche Untersuchung vor dem Hintergrund des ausgesprochenen Beschäftigungsverbotes erfolgte, hat die Beklagte lediglich von ihrer rechtlichen Möglichkeit Gebrauch gemacht, überprüfen zu lassen, ob eine Nichtbeschäftigung der Klägerin wegen Arbeitsunfähigkeit oder wegen eines Beschäftigungsverbotes gegeben war.

C.

Die Klägerin hat die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Infolge grundsätzlicher Bedeutung war die Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen.

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