LAG Hamm, Urteil vom 18.08.2011 – 16 Sa 516/11

Juli 27, 2020

LAG Hamm, Urteil vom 18.08.2011 – 16 Sa 516/11
Der Manteltarifvertrag des Metallbauerhandwerks, Feinmechanikerhandwerks, Metall- und Glockengießerhandwerks in NRW enthält keine eigenständige Regelung zum Verfall tariflicher Mehrurlaubsansprüche der Arbeitnehmer.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 09.02.2011 – 3 Ca 1601/10 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers auf Urlaubsabgeltung aus dem beendeten Arbeitsverhältnis.
Der am 26.03.1952 geborene Kläger war vom 14.11.1988 bis zum 30.06.2010 als Elektromonteur bei der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer Kündigung des Klägers. Er bezog einen Bruttostundenlohn von 16,07 Euro;, bestehend aus einem Grundlohn von 15,38 Euro; und einer Montagezulage von 0,69 Euro; bei einer Arbeitszeit von 37 Stunden in der Fünf-Tage-Woche. Der Kläger ist anerkannter Schwerbehinderter.
Auf das beendete Arbeitsverhältnis fanden aufgrund vertraglicher Vereinbarung die Regelungen des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer des Metallbauerhandwerks, Feinwerkmechanikerhandwerks, Metall- und Glockengießerhandwerks im Land Nordrhein-Westfalen (künftig: MTV) Anwendung. Dieser enthält die folgenden Urlaubsbestimmungen:
§ 6
Grundsätze der Urlaubsgewährung
Jeder Arbeitnehmer hat nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen in jedem Urlaubsjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub.
Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr.
Der Urlaub soll der Erholung dienen.
Der Arbeitnehmer darf während der Urlaubszeit keine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbsarbeit übernehmen. Handelt er dieser Bestimmung zuwider, so entfällt der Anspruch auf Urlaubsentgelt und zusätzliches Urlaubsgeld. Bereits erhaltenes Urlaubsentgelt und zusätzliches Urlaubsgeld sind zurückzuerstatten.
Eine Abgeltung des Urlaubsanspruches ist nur zulässig, wenn bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch Urlaubsansprüche bestehen. Die Urlaubsabgeltung entfällt ausnahmsweise, wenn der Arbeitnehmer durch eigenes schwerwiegendes Verschulden aus einem Grund entlassen worden ist, der eine fristlose Kündigung rechtfertigt oder das Arbeitsverhältnis unberechtigt vorzeitig gelöst hat und in diesen Fällen eine Verletzung der Treuepflicht aus dem Arbeitsverhältnis vorliegt.
Beendet ein Arbeitnehmer, der drei Jahre und mehr dem Betrieb ununterbrochen angehört, nach dem 1. Oktober des Urlaubsjahres das Arbeitsverhältnis, kann eine Rückvergütung des Urlaubsentgelts und zusätzlichen Urlaubsgeldes für bereits genommenen Urlaub nicht verlangt werden. Die Rückvergütung hat zu erfolgen, wenn der Arbeitnehmer dem Betrieb noch nicht drei Jahre angehört oder vor dem 1. Oktober des Urlaubsjahres das Arbeitsverhältnis beendet. Die Rückvergütung bezieht sich auf das gemäß § 9 Ziff. 1 zu viel gezahlte Urlaubsentgelt sowie das zu viel gezahlte zusätzliche Urlaubsgeld.
Die Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze (wie z.B. Betriebsurlaub, individueller Urlaub) soll durch Betriebsvereinbarung bis spätestens vier Wochen vor Beginn des Urlaubsjahres erfolgen.
Der Urlaubsplan ist so frühzeitig wie möglich durch Betriebsvereinbarung festzulegen. Persönliche Wünsche der Arbeitnehmer – hinsichtlich der zeitlichen Lage ihres Urlaubs – sind hierbei möglichst zu berücksichtigen.
Die Mitbestimmung des Betriebsrates erstreckt sich auf die Festlegung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer.
Besteht kein Betriebsrat, so entscheidet darüber der Betriebsinhaber.
Arbeitnehmer, die wegen Erhalt einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem 31. Oktober des Kalenderjahres aus dem Betrieb ausscheiden und diesem mindestens 10 Jahre ohne Unterbrechung angehört haben, haben Anspruch auf vollen Jahresurlaub. Bereits für das Ausscheidungsjahr gewährter Urlaub ist anzurechnen. Bei Ausscheiden vor dem 31. Oktober des Kalenderjahres steht dem Arbeitnehmer ein gequotelter Anspruch im Sinne des § 7 Ziffer 2 zu.
Die Rechtsnatur des Urlaubs schließt eine Vererblichkeit des Anspruchs im Todesfalle des Arbeitnehmers aus. In diesem Fall ist eine soziale Beihilfe in entsprechender Höhe des erworbenen Urlaubsanspruches dem Unterhaltsberechtigten zu gewähren.
Bei mehreren Anspruchsberechtigten kann der Arbeitgeber mit befreiender Wirkung an einen der Anspruchsberechtigten zahlen.
§ 7
Allgemeine Urlaubsbestimmungen
Der Zeitpunkt des Urlaubs richtet sich nach dem aufgestellten Urlaubsplan. Soweit kein Urlaubsplan besteht, kann der Urlaubsanspruch, abgesehen vom Eintrittsjahr, ab 1. April in voller Höhe geltend gemacht werden.
Im Ein- und Austrittsjahr hat der Arbeitnehmer gegen den alten und neuen Arbeitgeber auf so viele Zwölftel des ihm zustehenden Urlaubs Anspruch, als er Monate bei ihnen gearbeitet hat (Beschäftigungsmonate).
Ein angefangener Monat wird voll gerechnet, wenn die Beschäftigung mindestens 10 Arbeitstage bestanden hat. Für eine Beschäftigung bis zu zwei Wochen besteht kein Urlaubsanspruch.
Der Urlaubsanspruch kann bei Eintritt bis zum 31. Mai nach sechsmonatiger Betriebszugehörigkeit, bei Eintritt nach dem 31. Mai ab 1. Dezember erstmals geltend gemacht werden.
Erkrankt ein Arbeitnehmer während des Urlaubs, so werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, den Arbeitgeber über seine Arbeitsunfähigkeit durch Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung unverzüglich in Kenntnis zu setzen.
Wird dem Arbeitnehmer von einem Träger der Sozialversicherung, einer Verwaltungsbehörde der Kriegsopferversorgung oder einem sonstigen Sozialleistungsträger eine Kur oder ein Heilverfahren gewährt, so können auf die hierauf entfallende Zeit, einschließlich der verordneten Schonungszeit drei Urlaubstage angerechnet werden.
Ergeben sich bei dem anteiligen Urlaubsanspruch Bruchteile von Tagen, so werden Bruchteile von weniger als einem halben Tag nicht berücksichtigt. Bruchteile von einem halben Tag und mehr werden auf volle Tage aufgerundet.
Ein Urlaubsanspruch besteht insoweit nicht, als dem Arbeitnehmer für das Urlaubsjahr bereits von einem anderen Arbeitgeber Urlaub gewährt oder abgegolten worden ist. Beim Ausscheiden aus dem Betrieb ist dem Arbeitnehmer ein Nachweis über den erhaltenen Urlaub zu erteilen. Dieser Nachweis ist im neuen Betrieb dem Arbeitgeber vorzulegen.
Der Urlaubsanspruch erlischt 3 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, es sei denn, dass er erfolglos geltend gemacht wurde oder dass der Urlaub aus betrieblichen Gründen nicht genommen werden konnte.
Liegt eine ununterbrochene Krankheit während eines gesamten Kalenderjahres vor und dauert diese Krankheit auch noch am 31. März des folgenden Kalenderjahres an, so erlischt der Anspruch für das zurückliegende Kalenderjahr, es sei denn, die Arbeitsunfähigkeit ist durch einen Betriebsunfall/Wegeunfall im Sinne des SGB (Sozialgesetzbuch) verursacht.
Der Anspruch auf bezahlten Urlaub wird um so viele Tage gekürzt, wie der Arbeitnehmer seit seinem letzten Urlaub oder, falls er noch keinen Urlaub genommen hat, seit seinem Eintritt in den Betrieb unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben ist (Fehltage). Der Mindesturlaub gem. Bundesurlaubsgesetz darf jedoch nicht unterschritten werden.
§ 8
Urlaubsdauer
1. Der Urlaub beträgt für alle Arbeitnehmer 30 Arbeitstage.
Für die Begründung von Arbeitsverhältnissen mit Langzeitarbeitslosen kann mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien eine davon abweichende Regelung getroffen werden.
2. Der Zusatzurlaub für Schwerbehinderte regelt sich nach den gesetzlichen Bestimmungen.
3. Als teilzeitbeschäftigt eingestellte Arbeitnehmer, die weniger als die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit in der Woche arbeiten, erhalten anteiligen Urlaub entsprechend dem Verhältnis der geleisteten Wochenarbeitszeit zu der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit.
4. Arbeitstage sind alle Kalendertage, an denen der Arbeitnehmer in regelmäßiger Arbeitszeit zu arbeiten hat. Auch wenn die regelmäßige Arbeitszeit auf mehr oder weniger als fünf Tage in der Woche – ggf. auch im Durchschnitt mehrerer Wochen – verteilt ist, gelten fünf Tage je Woche als Arbeitstage.
Gesetzliche Feiertage, die in den Urlaub fallen, werden nicht als Urlaubstage angerechnet.
Die Dauer des Urlaubs wird durch Kurz- oder Mehrarbeit des Betriebes nicht beeinflusst.
§ 9
Urlaubsvergütung
1. Bei der Berechnung der Urlaubsvergütung sind zugrunde zu legen:
100 % des Arbeitsentgeltes plus 50 % zusätzliches Urlaubsgeld, ausgehend von der tariflichen Arbeitszeit von 7,4 Stunden pro Tag.
Zusätzliches Urlaubsgeld wird nicht für Sonderurlaub gewährt.
2. Dem Arbeitnehmer steht ein zusätzliches Urlaubsgeld erst dann zu, wenn er zum Zeitpunkt des Urlaubsantritts mindestens 6 Monate im Betrieb beschäftigt ist.
3. Die Wartezeit entfällt, wenn der Urlaub auf Anordnung des Arbeitgebers genommen werden muss.
4. Die Urlaubsvergütung ist auf Wunsch des Arbeitnehmers vor Antritt des Urlaubs zu zahlen, sofern der Urlaub mindestens zwei Wochen umfasst. Statt der Urlaubsvergütung kann ein entsprechender Abschlag geleistet werden.
Fällt ein Lohn-/Gehaltszahlungstermin in die Urlaubszeit, so ist der Lohn bzw. das Gehalt vor Beginn des Urlaubs auszuzahlen. Stattdessen kann ein entsprechender Abschlag geleistet werden.
…“
Im Jahre 2007 war der Kläger in der Zeit vom 09.05. bis 09.09. arbeitsunfähig krank. Ab dem 19.02.2008 war der Kläger sodann bis zum 28.02.2009 und in der Zeit vom 02.03. bis 15.03.2009 sowie vom 25.05. bis 09.06.2009 arbeitsunfähig. Ab dem 06.07.2009 erkrankte der Kläger erneut und blieb durchgehend bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30.06.2010 arbeitsunfähig. Bereits ab dem 01.01.2010 bezog der Kläger eine Versichertenrente, die ab dem 01.07.2010 als Dauerrente gewährt wird.
Der Kläger, dem aus dem Jahre 2007 noch ein Resturlaubsanspruch von 7 Arbeitstagen zustand, erhielt im Januar 2008 Urlaub im Umfang von 6 und im Februar 2008 im Umfang von 5 Arbeitstagen. Im Jahre 2009 wurde ihm Urlaub in der Zeit vom 16. bis einschließlich 27.03. im Umfang von 10 Urlaubstagen gewährt. In der Folgezeit nahm der Kläger im Jahre 2009 noch folgende Urlaubstage in Natur in Anspruch: April 2009: 4 Urlaubstage; Mai 2009: 13 Urlaubstage; Juni 2009: 14 Urlaubstage; Juli 2009: 3 Urlaubstage.
Zu den Einzelheiten der Erkrankung des Klägers in den Jahren 2008 und 2009 sowie des ihm gewährten Urlaubs wird auf die von der Beklagten überreichten Anwesenheitskarten (Bl. 43 d.A.) Bezug genommen.
Bereits mit Schreiben der IG Metall vom 19.06.2009 bezog sich der Kläger auf ein persönliches Gespräch, in dem ihm mitgeteilt worden sei, dass der Anspruch auf Urlaub aus dem Jahre 2008 um 10 Tage gekürzt worden sei wegen der langen Krankheit und bat um Aufklärung des Sachverhaltes (s. Bl. 122 – 123 d.A.). Hierauf reagierte die Beklagte telefonisch. Mit Schreiben vom 22.01.2010 (Bl. 124 – 125 d.A.) verlangte der Kläger für einen aus dem Urlaubsjahr 2009 noch zustehenden Resturlaubsanspruch von 22 Urlaubstagen eine Urlaubsabgeltung in Höhe von 3.924,36 Euro; brutto. Hierauf reagierte die Beklagte mit Schreiben vom 04.02.2010 (Bl. 125 a bis 126 d.A.), indem sie darauf hinwies, dass aufgrund der Erkrankung des Klägers für das Jahr 2008 der Urlaubsanspruch nur noch 21 Tage Resturlaub und für das Jahr 2009 25 Tage Resturlaub zum 01.01.2009 betragen habe, insgesamt 46 Tage, von denen der Kläger 44 Tage in Anspruch genommen habe, sodass lediglich ein Urlaubsanspruch von 2 Tagen verbleibe. Nachdem der Kläger in seinem Kündigungsschreiben vom 07.06.2010 (Bl. 119 d.A.) einen Resturlaubsanspruch aus den Jahren 2008 in Höhe von 10 Tagen und 2009 in Höhe von 22 Tagen geltend gemacht hatte, teilte die Beklagte mit Schreiben vom 14.06.2010 (Bl. 120 – 121 d.A.) mit, dass unter Berücksichtigung des Resturlaubs von 7 Tagen aus dem Jahre 2007 ein Urlausanspruch von 32 Tagen bestanden habe, wovon 11 Tage genommen worden seien, sodass 21 Tage verblieben. Für das Jahr 2009 betrage der Mindesturlaubsanspruch 20 und der Schwerbehindertenurlaubsanspruch 5 Tage, insgesamt 25 Tage, woraus sich Resturlaubstage im Umfang von 46 Tagen für 2008 und 2009 ergebe, wovon 44 Tage genommen worden seien, sodass 2 Tage verblieben. Der anteilige Urlaubsanspruch für 2010 betrage als Mindesturlaub 10 Tage und Schwerbehindertenurlaub 3 Tage, insgesamt 13 Tage, sodass noch 15 Tage abzugelten seien. Einschließlich des zusätzlichen Urlaubsgeldes rechnete die Beklagte diesen Anspruch für Juni 2010 (Bl. 6 d.A.) ab. Mit seiner am 27.07.2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verlangt der Kläger die Abgeltung weiterer 25 Urlaubstage einschließlich eines Urlaubsgeldes von 50 % in Höhe von insgesamt 4.459,43 Euro; brutto. Ausgehend von einem am 31.12.2008 bestehenden Resturlaubsanspruch von 31 Tagen sowie für das Jahr 2009 hinzukommenden 35 Urlaubstagen berechnet der Kläger einen zu Beginn seiner langanhaltenden Erkrankung am 06.07.2009 bestehenden Urlaubsanspruch von 22 Urlaubstagen. Unter Berücksichtigung des anteiligen Urlaubsanspruchs für 2010 in Höhe von 5 Urlaubstagen sowie von 3 Tagen Schwerbehindertenurlaub und der Abgeltung von 15 Urlaubstagen durch die Beklagte verbleiben danach insgesamt 25 Urlaubstage, aufgrund derer sich bei einem Stundenlohn von 16,07 Euro; und 7,4 Stunden täglicher Arbeitszeit sowie eines zusätzlichen Urlaubsgeldes von 50 % ein abzugeltender Urlaubsanspruch von 4.459,43 Euro; ergibt.
Der Kläger hat behauptet, seit Beginn des Arbeitsverhältnisses im Jahre 1988 sei Resturlaub aus den vorangegangenen Jahren allgemein und ausnahmslos nicht verfallen, auch nicht nach dem 31.03. des Folgejahres. Vielmehr sei ausnahmslos bei Vorhandensein von Resturlaubsansprüchen für alle im Betrieb der Beklagten beschäftigten Monteure ein Saldo gebildet worden, der dann bei Urlaubsnahme reduziert worden sei. Den Monteuren sei Urlaub aus dem vergangenen Jahr niemals verloren gegangen, sondern über den 31.03. des Folgejahres hinaus ausnahmslos und ohne Bedingungen übertragen worden. Insoweit bestehe eine betriebliche Übung, die niemals schriftlich festgehalten worden sei, die jedoch anhand von der Beklagten selbst erstellter schriftlicher Unterlagen nachvollzogen werden könne.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.459,43 Euro; brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat bestritten, dass bei ihr betriebsüblich Urlaub des Vorjahres über den 31.03. des jeweiligen Folgejahres hinaus übertragen werde. Im Übrigen hat der die Beklagte in der mündlichen Verhandlung des Arbeitsgerichts am 09.02.2011 vertretene Prokurist die folgende Erklärung zu Protokoll gegeben:
„Die Anfang des Jahres 2009, d.h. Ende März 2009, noch bestehenden 21 Urlaubstage des Klägers aus 2008, sind nicht mit Ablauf des 31.03.2009 verfallen, sondern in der Folgezeit tatsächlich in Anspruch genommen worden.
Im Kern geht es darum, ob dem Kläger über den gesetzlichen Mindesturlaub hinaus ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung zustehe.
Es ist nicht streitig, dass bei uns im Betrieb der Urlaub aus betrieblichen Gründen, wenn der Urlaub nicht genommen werden kann, über den 31.03. des Folgejahres hinaus übertragen wird.“
Durch Urteil vom 09.02.2011 hat das Arbeitsgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger habe zum 31.03.2009 unstreitig ein Resturlaubsanspruch aus 2008 in Höhe von 21 Urlaubstagen zugestanden, der nicht mit Ablauf des 31.03.2009 verfallen, sondern ihm in der Folgezeit gewährt worden sei. Es könne dahinstehen, ob der nicht erfüllte Vorjahresurlaub im Betrieb der Beklagten für Monteure betriebsüblich auf das Folgejahr übertragen werde, wie der Kläger vortrage. Denn jedenfalls habe die Beklagte nach dem 31.03.2009 noch die 21 Resturlaubstage aus 2008 dem Kläger tatsächlich gewährt, sodass die in der Zeit von April 2009 bis Juli 2009 insgesamt gewährten 34 Urlaubstage nur im Umfang von 13 Urlaubstagen, die nicht durch den Resturlaub aus 2008 abgedeckt gewesen seien, in Erfüllung des Urlaubsanspruchs des Klägers für 2009 gewährt worden seien. Wegen der lang andauernden Erkrankung des Klägers sei unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und des Bundesarbeitsgerichts der Urlaub nicht verfallen. Dies gelte sowohl für den gesetzlichen Mindesturlaub als auch für den Schwerbehindertenurlaub aber auch für den darüber hinausgehenden „übergesetzlichen“ Urlaub. Aus dem Tarifvertrag ergebe sich nicht, dass der „übergesetzliche“ tarifvertragliche Urlaub hinsichtlich des Verfalls anders zu behandeln sei als der gesetzliche Mindesturlaub. Der Anspruch auf Urlaubsgeld sei nach dem Tarifvertrag akzessorisch, sodass er nicht erlösche.
Gegen dieses ihr am 01.03.2011 zugestellte Urteil, auf das wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands Bezug genommen wird, hat die Beklagte am 30.03.2011 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.
Sie rügt, dass das Arbeitsgericht bereits den Sachverhalt falsch festgestellt habe. Mit Ablauf des 31.03.2009 seien die zu diesem Zeitpunkt noch offenen Resturlaubsansprüche des Klägers nach § 7 Nr. 6 Abs. 1 MTV aus dem Jahre 2008 erloschen. Da nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes dem Arbeitnehmer jedoch der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub erhalten bleiben müsse, sei dem Kläger der mit Ablauf des 31.03.2009 noch offene gesetzliche Mindesturlaubsanspruch aus dem Jahre 2008 in der Folge noch gewährt worden. Der Kläger habe bis zum 31.03.2009 insgesamt 14 Urlaubstage aus dem Jahre 2008 genommen. Sein gesetzlicher Urlaubsanspruch habe inklusive Zusatzurlaub 25 Tage betragen, die noch offene Differenz von 11 Tagen sei dem Kläger in Natur gewährt worden, und zwar vom 06.04.2009 bis zum 09.04.2009 und vom 06.05.2009 bis zum 25.05.2009, wobei 7 Tage auf das Jahr 2008 entfallen seien und die darüber hinausgehenden 6 Tage den Urlaubsanspruch 2009 betroffen hätten. Die Erklärung ihres Prokuristen im Kammertermin am 09.02.2011 habe die aus dem Jahre 2008 noch offenen Urlaubsansprüche von 21 Tagen betroffen. Es habe sich insoweit um die Restansprüche des gesetzlichen Mindesturlaubs einschließlich Zusatzurlaub gehandelt. Tatsächlich sei die Formulierung im Protokoll missverständlich und widersprüchlich. Der Kläger habe in der Zeit von April bis Juli 2009 insgesamt 34 Urlaubstage genommen, wovon 11 Urlaubstage den gesetzlichen Resturlaub aus dem Jahre 2008 betroffen hätten, sodass er von den Urlaubsansprüchen des Jahres 2009 23 Tage in Anspruch genommen hätte. 12 Urlaubstage seien zunächst auf das Jahr 2010 übertragen worden, mit Ablauf des 31.03.2010 seien jedoch die über den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch hinausgehenden Tage verfallen, sodass sich der Resturlaubsanspruch aus dem Jahre 2009 auf 2 Tage vermindert habe. Für das Jahr 2010 habe dem Kläger ein gesetzlicher Mindesturlaub von 10 Tagen sowie ein Zusatzurlaub von 3 Tagen zugestanden, nicht jedoch ein übergesetzlicher Anspruch. Im Hinblick auf die vom Kläger seit dem 01.01.2010 bezogene Versichertenrente sei zudem davon auszugehen, dass das Arbeitsverhältnis im Jahre 2010 geruht habe.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil und verweist darauf, dass der einschlägige Tarifvertrag keine abweichende eigenständige Regelung gegenüber dem gesetzlichen Urlaubsrecht beinhalte. Es fehle an deutlichen Anhaltspunkten dafür, dass der übergesetzliche Urlaub anders zu bewerten sei.
Zum weiteren Sachvortrag der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Gründe
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
Der Kläger besaß bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30.06.2010 einen Resturlaubsanspruch von 22 Urlaubstagen aus dem Jahre 2009 und einen Teilurlaubsanspruch für 18 Urlaubstage aus dem Jahre 2010. Dieser Anspruch ist durch die Abgeltung von 15 Urlaubstagen durch die Beklagte nicht erfüllt worden. Für die verbleibenden 25 Urlaubstage ergibt sich zuzüglich eines Urlaubsgeldes von 50 % der vom Kläger geltend gemachte Anspruch von 4.459,43 Euro;, den der Kläger richtig berechnet hat. Dieser Anspruch des Klägers beruht auf § 7 Abs. 4 BUrlG, § 125 SGB IX, § 8 Ziffer 1 und 2 sowie § 9 Ziffer 1 des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer des Metallbauerhandwerks, Feinwerkmechanikerhandwerks, Metall- und Glockengießerhandwerks im Land Nordrhein-Westfalen (MTV Metallbauerhandwerk). Die Anwendbarkeit des Manteltarifvertrages ist zwischen den Parteien nicht streitig.
1) Der Jahresurlaubsanspruch des Klägers beträgt nach § 8 Ziffer 1 MTV 30 Arbeitstage. Als schwerbehinderter Mensch steht ihm nach § 125 Abs. 1 SGB IX ein Zusatzurlaub von 5 Arbeitstagen zu, insgesamt beträgt sein Urlaubsanspruch damit 35 Urlaubstage in der Fünf-Tage-Woche.
2) Der Jahresurlaubsanspruch des Klägers für das Jahr 2009 ist durch die Gewährung von 34 Urlaubstagen nach dem 31.03.2009 lediglich im Umfang von 13 Urlaubstagen erfüllt worden, sodass ein Restanspruch von 22 Urlaubstagen aus dem Jahre 2009 verblieb. Im Umfang von 21 Urlaubstagen hat die Beklagte Urlaubsansprüche des Klägers aus dem Jahre 2008 erfüllt. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger am 31.12.2008 noch 31 Tage Resturlaub aus dem Jahre 2008 besaß, wovon ihm 10 Tage in Zeit vom 16. bis 27.03.2009 gewährt worden sind. Dies hat zur Folge, dass zum Ablauf des Übertragungszeitraums am 31.03.2009 noch 21 Urlaubstage offen waren.
3) Aufgrund der Erklärung des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 09.02.2011 ist davon auszugehen, dass die Beklagte dem Kläger diesen Urlaub in der Folgezeit tatsächlich gewährt hat. Bis zur erneuten Arbeitsunfähigkeit ab dem 06.07.2009 hat der Kläger 34 Tage Urlaub gehabt. Damit ist entsprechend der Erklärung des Beklagtenvertreters der noch offenstehende Resturlaubsanspruch aus dem Jahre 2008 in vollem Umfang erfüllt worden.
a) Freilich hält die Berufung die abgegebenen Erklärungen des Beklagtenvertreters für missverständlich und widersprüchlich, sodass von einer Erfüllung des Resturlaubsanspruchs aus dem Jahre 2008 nicht auszugehen sei. Hieran ist zutreffend, dass die Protokollerklärung wenn auch nicht widersprüchlich, so doch auf den ersten Blick verwirrend erscheint. Da „Anfang des Jahres 2009“ jedoch keinen konkreten Termin bezeichnet, sondern eine Zeitspanne umfasst, deren Ende nicht feststeht, stellt sich die Angabe „d.h. Ende März 2009“ als Präzisierung des Zeitpunktes dar, zudem noch 21 Urlaubstage bestanden. Das traf für „Anfang des Jahres 2009“ im Sinne von 01.01.2009 nicht zu, denn der Kläger besaß zu diesem Zeitpunkt noch 31 Urlaubsansprüche aus dem Jahre 2008, die auch nach alter Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht verfallen waren. Der Kläger hatte sie aus in seiner Person liegenden Gründen nicht nehmen können, sodass sie nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG auf das Jahr 2009 übertragen waren und nach früherer Rechtsprechung bis zum 31.03.2009 genommen werden konnten. Eine tarifliche Regelung, die etwas anderes besagt, enthält auch § 6 Abs. 2 MTV Metallbauerhandwerk nicht. Hier ist der Fall der ununterbrochenen Erkrankung während des gesamten Kalenderjahres geregelt. Für den 31.03.2009 traf, nachdem der Kläger im März 2009 10 Urlaubstage erhalten hatte, die Aussage des Prokuristen der Beklagten im Kammertermin am 09.02.2011 zu, wonach Ende März 2009 noch 21 Urlaubstage bestanden.
b) Diese Urlaubstage sind, wie der Erklärung des Beklagtenvertreters zunächst zu entnehmen ist, nicht mit Ablauf des 31.03.2009 verfallen. Mit dieser zu Protokoll genommenen, vorgelesenen und genehmigten Erklärung hat die Beklagte den Sachvortrag des Klägers, dass Urlaubsansprüche aus dem vergangenen Jahr nicht verfallen, auch nicht nach dem 31.03. des Folgejahres zugestanden (§ 288 ZPO). Dieses Verständnis wird durch den folgenden Halbsatz „…, sondern in der Folgezeit tatsächlich in Anspruch genommen worden“ unterstrichen. Dieser Halbsatz bezieht sich zum einen auf den 31.03.2009, zum anderen auf die noch … bestehenden 21 Urlaubstage des Klägers.
Die so verstandene Protokollerklärung behält ihren Sinn auch unter Berücksichtigung der weiteren zu Protokoll genommenen Angaben des Beklagtenvertreters. Danach gehe es im Kern darum, ob dem Kläger über den gesetzlichen Mindesturlaub hinaus ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung zustehe. Dieser Kern des Streits besteht auch für die Urlaubsansprüche des Klägers aus den Jahren 2009 und 2010. Aus der weiteren Erklärung, dass es nicht streitig sei, dass im Betrieb der Urlaub aus betrieblichen Gründen, wenn er nicht genommen werden könne, über den 31.03. des Folgejahres hinaus übertragen werde, folgt nicht zwingend, dass dies in den Fällen, in denen er aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers nicht genommen werden konnte, ebenso gilt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 20.01.2009 in der Sache Schultz-Hoff (C-350/06 – NZA 2009, 135) und der ihr folgenden Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24.03.2009 (9 AZR 983/07, NZA 2009, 538) zwar feststand, dass der Urlaubsanspruch des langzeiterkrankten Arbeitnehmers nicht aufgrund der gesetzlichen Übertragungsregeln verfalle, die Differenzierung zwischen gesetzlichem Urlaub und tariflichem Mehrurlaub aber noch nicht allgemein verbreitet war. Es ist deshalb durchaus naheliegend, dass die Beklagte den aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers nicht genommenen Urlaub wie den aus betrieblichen Gründen nicht genommenen Urlaub behandelt hat. Die Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 24.03.2009 (Nr. 31/09) befasst sich jedenfalls nur mit dem gesetzlichen Urlaubsanspruch. Ihr ist eine dahingehende Differenzierung nicht zu entnehmen. Insoweit ist es naheliegend, dass sowohl die Beklagte als auch der Kläger bei der Urlaubsgewährung vom 06. bis 09.04.2009 und 06.05. bis 25.05.2009 (17 Urlaubstage) davon ausgegangen sind, dass hierdurch der Resturlaubsanspruch des Klägers in Höhe von 21 Arbeitstagen am 31.03.2009 erfüllt werden sollte. Auch hinsichtlich weiterer ab dem 10.06.2009 gewährten Urlaubs kann dies im Umfang von 4 Arbeitstagen, somit im Ergebnis 21 Arbeitstagen, angenommen werden. Einem von der Beklagten überreichten Schreiben des Klägers vom 19.06.2009 ist zu entnehmen, dass es Gespräche mit dem Kläger wegen seines Urlaubsanspruchs gegeben hat, ohne dass jedoch deutlich geworden wäre, wann ein solches Gespräch stattgefunden hat. In dem Gespräch wäre dem Kläger danach mitgeteilt worden, dass sein Urlaubsanspruch für das Jahr 2008 um 10 Tage gekürzt worden sei. Hierzu war die Beklagte im Nachhinein jedoch nicht berechtigt. Ihr oblag es als Schuldnerin des Urlaubsanspruchs zu bestimmen, welchen Urlaubsanspruch des Klägers sie erfüllen wollte. Hatte die Beklagte mit der Urlaubsgewährung in den Monaten April und Mai 2009 sowie mit den ersten Tagen des Urlaubs ab dem 10.06.2009 den Urlaubsanspruch des Klägers für das Jahr 2008 erfüllen wollen, so konnte sie im Nachhinein diese Erfüllung nicht mit dem Urlaubsanspruch 2009 austauschen. Die Tilgungsbestimmung hat nach § 366 Abs. 1 BGB bei der Leistung und nicht nach der Leistung zu erfolgen (BAG vom 01.10.1991, 9 AZR 290/90, NZA 1992, 1078).
Ist damit davon auszugehen, dass der Resturlaubsanspruch des Klägers aus dem Jahre 2008 nicht mit Ablauf des 31.03.2009 verfallen ist und hat die Beklagte dem Kläger in der Folgezeit entsprechend ihrer Protokollerklärung 21 Arbeitstage gewährt, so kommt es nicht darauf an, ob der Kläger bis zum 31.03.2009 weitere Urlaubsansprüche aus dem Jahre 2008 hätte realisieren können (vgl. hierzu Pressemitteilung des BAG vom 09.08.2011, 9 AZR 425/10). Durch die Gewährung dieses Resturlaubs ist auch die Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Arbeitnehmer Urlaubsansprüche über mehrere Jahre ansammeln können, nicht zu entscheiden.
4) Der Kläger besitzt zudem einen Anspruch auf tariflichen Mehrurlaub, der nicht mit Ablauf des Übertragungszeitraums nach § 7 Nr. 6 MTV oder gemäß § 3 Abs. 3 BUrlG untergegangen ist. Wegen der erneuten ab dem 06.07.2009 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses andauernden Arbeitsunfähigkeit konnte der Kläger seinen Urlaub aus dem Jahre 2009 nicht vollständig und seinen anteiligen Urlaub aus dem Jahre 2010 nicht nehmen.
a) Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts führt die fortdauernde Arbeitsunfähigkeit zur weiteren Übertragung des gesetzlichen Mindesturlaubs und hindert so dessen Verfall (vgl. zuletzt BAG vom 12.04.2011, 9 AZR 80/10, Juris; BAG vom 04.05.2010, 9 AZR 183/09, NZA 2010, 1011).
b) Diese Rechtsprechung ist auf den tariflichen Mehrurlaub nach dem vorliegenden auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findenden Manteltarifvertrag anzuwenden. Die tarifliche Regelung lässt nicht erkennen, dass die Tarifvertragsparteien von dem Grundsatz, demzufolge die Bestimmungen zur Übertragung und zum Verfall des gesetzlichen Mindesturlaubs mit denen zum tariflichen Mehrurlaub gleichlaufen, abweichen wollen. Das ergibt die Auslegung der maßgeblichen Tarifvorschriften.
aa) Die Tarifvertragsparteien können Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG gewährleisteten und von §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigen, frei regeln. Ihre Regelungsmacht ist nicht durch die für gesetzliche Urlaubsansprüche erforderliche richtlinienkonforme Fortbildung des § 7 Abs. 3 und Abs. 4 BUrlG beschränkt. Einen tariflich angeordneten Verfall des übergesetzlichen Urlaubsanspruchs und seiner Abgeltung steht nach dem klaren Richlinienrecht und der gesicherten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes kein Unionsrecht entgegen (s. BAG vom 12.04.2011, 9 AZR 80/10, Rz. 21, Juris; BAG vom 04.05.2010, 9 AZR 183/09, Rn. 23 m.w.N.; aaO.).
bb) Der vorliegende Tarifvertrag ist deshalb anhand des innerstaatlichen Rechts auszulegen. Es ist zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien von ihrer freien Regelungsmacht Gebrauch gemacht haben. Dies kann sich daraus ergeben, dass sie entweder bei ihrer Verfallsregelung zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und tarifvertraglichem Mehrurlaub unterschieden oder sich vom gesetzlichen Fristenregime gelöst und eigenständige vom Bundesurlaubsgesetz abweichende Regelungen zur Übertragung und zum Verfall des Urlaubsanspruchs getroffen haben. Beides ist in dem zur Beurteilung anstehenden §§ 7 bis 9 MTV Metallbauerhandwerk nicht der Fall.
cc) Das in § 7 Ziffer 6 MTV Metallbauerhandwerk angeordnete Erlöschen des Urlaubsanspruchs drei Monate nach Ablauf des Kalenderjahres entspricht zunächst dem Fristenregime des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG. Auch wenn die tarifliche Bestimmung abweichend von § 7 Abs. 3 Satz 3 das Erlöschen des Urlaubsanspruchs ausdrücklich anordnet, so handelt es sich hierbei lediglich um die deklaratorische Übernahme der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 7 BUrlG. Der Verfall des auf das folgende Kalenderjahr übertragenen und nicht bis zum 31.03. verwirklichten Urlaubs mit Ablauf dieser Frist ist die in ständiger Rechtsprechung anerkannte Rechtsfolge der gesetzlichen Regelung (so BAG vom 12.04.2011, 9 AZR 80/10, Rn. 33, aaO., mit Verweis auf BAG vom 24.11.1987, 8 AZR 140/87, DB 1988, 447).
Auch aus der Regelung der Ausnahmetatbestände in § 7 Ziffer 6 MTV Metallbauerhandwerk lässt sich nicht ausreichend auf ein eigenständiges abschließendes Fristenregime des Tarifvertrages folgern. Entsprechend § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG führen betriebliche Gründe zu einer Übertragung des Urlaubs. Nach der tariflichen Regelung müssen diese allerdings nicht „dringend“ sein.
Für den Fall der ununterbrochenen Krankheit während des gesamten Urlaubsjahres entspricht die tarifliche Regelung in § 7 Ziffer 6 Abs. 2 MTV Metallbauerhandwerk weitgehend § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG. Lediglich wenn diese durch einen Betriebsunfall/Wegeunfall verursacht worden ist, stellt die tarifliche Bestimmung betroffene Arbeitnehmer besser, indem der Verfall des Anspruchs bei dieser Sachlage nicht eintritt. Die insoweit festzustellenden Abweichungen sind jedoch nicht ausreichend, um ein eigenständiges abschließendes Fristenregime anzunehmen. Für den erfolglos geltend gemachten Urlaubsanspruch, der ebenfalls erhalten bleibt, entspricht die tarifliche Regelung der in der Rechtsprechung entwickelten Rechtslage zum Bundesurlaubsgesetz. Dem Arbeitnehmer, der einen Urlaubsanspruch erfolglos geltend gemacht hat, ist ein Ersatzurlaub nach § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1, § 287 Abs. 2, § 249 Abs. 1 BGB zu gewähren.
c) Darüber hinaus ist es regelmäßig gerechtfertigt, hinsichtlich des Verfalls von Urlaubsansprüchen zwischen gesetzlichen Mindesturlaub und tariflichen Mehrurlaub zu differenzieren, wenn ein Tarifvertrag eine entsprechende Unterscheidung trifft. Die Tarifvertragsparteien machen in diesen Fällen von ihrer freien, nicht durch § 13 Abs. 1 BUrlG beschränkten Regelungsmacht für den tariflichen Mehrurlaub Gebrauch. Es ist dann ausgeschlossen, ohne konkrete Anhaltspunkte die richtlinienkonforme Fortbildung von Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes auch auf den tariflichen Mehrurlaub anzuwenden. Allerdings lässt sich ein entsprechender zwischen beiden Urlaubsarten differenzierender Regelungswillen der Tarifvertragsparteien nicht schon daraus herleiten, dass ein Tarifvertrag sich vom gesetzlichen Urlaubsregime löst und stattdessen eigene Regeln aufstellt, wie die neuere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entschieden hat (vgl. Urteil vom 12.04.2011, 9 AZR 80/10 Rn. 23 aaO.). Auch in diesem Fall ist darauf abzustellen, ob die Tarifvertragsparteien für den tariflichen Mehrurlaub andere Regelungen treffen wollten als für den gesetzlichen Urlaub.
Der vorliegende Tarifvertrag enthält zwar gegenüber dem gesetzlichen Urlaubsrecht eigenständige Regelungen, so in § 6 Ziffer 2 und 3 MTV Metallbauerhandwerk sowie § 7 Ziffer 7 MTV Metallbauerhandwerk. Allen Regelungen ist gemeinsam, dass sie zumindest teilweise gegen zwingendes Urlaubsrecht verstoßen. Während jedoch in § 7 Ziffer 7 Satz 2 MTV Metallbauerhandwerk sichergestellt ist, dass der gesetzliche Mindesturlaub nicht unterschritten werden darf, enthalten die anderen beiden tariflichen Bestimmungen eine solche Regelung nicht, sondern behandeln gesetzlichen und tariflichen Urlaub gleich. Auch wenn nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Rückgewährregelung in § 6 Ziffer 2 Satz 3 MTV Metallbauerhandwerk im Umfang des tariflichen Mehrurlaubs und im Hinblick auf das zusätzliche Urlaubsgeld zulässig ist (BAG vom 25.02.1988, 8 AZR 596/86) so kommt dies jedoch im Tarifvertrag selbst nicht zum Ausdruck. Es erscheint deshalb auch nicht ausgeschlossen, dass nicht rechtskundige Arbeitgeber die tarifliche Regelung anwenden, ohne zwischen gesetzlichem und tariflichem Anspruch zu unterscheiden. Unter diesen Umständen kann die Differenzierung in § 7 Ziffer 7 MTV Metallbauerhandwerk zwischen tariflichem Mehrurlaub und gesetzlichem Mindesturlaub nicht als ausreichender Anhaltspunkt dafür angesehen werden, dass insgesamt zwischen gesetzlichen und tariflichen Urlaubsansprüchen zu unterscheiden wäre.
5) Die Gewährung der Versichertenrente ab dem 01.01.2010 steht dem Anspruch auf Abgeltung des anteiligen tariflichen Mehrurlaubs nicht entgegen. Hierdurch ist das Arbeitsverhältnis nicht quasi automatisch zum Ruhen gebracht worden. Anders als andere Tarifverträge enthält der MTV Metallbauerhandwerk für diese Fälle keine Ruhensbestimmung. Da auch in diesem Zeitraum die Nichterbringung der Arbeitsleistung auf die Erkrankung des Klägers zurückzuführen ist, ist ihm nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 20.01.2009 Urlaub zu gewähren.
6) Der Höhe nach ist das Urteil des Arbeitsgerichts nicht zu beanstanden.
Es ist nicht erkennbar, aus welchem Grund lediglich eine Stundenvergütung von 15,38 Euro; und nicht wie vom Arbeitsgericht vorgenommen von 16,07 Euro; zugrunde zu legen ist. Der von der Beklagten erteilten Abrechnung für 15 Urlaubstage vom 13.07.2010 ist zu entnehmen, dass sie selbst von einem Stundenlohn von 16,07 Euro; als Urlaubsvergütung ausgegangen ist.
Das zusätzliche Urlaubsgeld ist nach § 9 Ziffer 1 Abs. 2 MTV Metallbauerhandwerk geschuldet. Die tarifliche Regelung unterscheidet nicht zwischen gesetzlichen Mindest- und tariflichem Mehrurlaub. Die ausdrückliche Regelung, dass für Sonderurlaub kein zusätzliches Urlaubsgeld gewährt wird, spricht dafür, dass in allen Fällen, in denen ein sonstiger Urlaubsanspruch besteht, das zusätzliche Urlaubsgeld zu leisten ist.
7) Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Kammer hat die Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen.

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