Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 12 Sa 939/16
Ordentliche betriebsbedingte Kündigung eines schwerbehinderten Menschen
Leitsatz
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.
Der am 11.07.1964 geborene, ledige Kläger war seit dem 20.02.2006 bei der Beklagten, einem Familienbetrieb, der mehr als zehn Arbeitnehmer auf insgesamt 32 Arbeitsplätzen beschäftigte, auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 20.02.2006 tätig. In diesem hieß es u.a.:
„§ 2 Tätigkeit
… .
…
… „
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den zur Akte gereichten Arbeitsvertrag Bezug genommen. Bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38 Stunden verdiente der Kläger, der einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt war, zuletzt 1.800,00 Euro brutto monatlich. Die Gleichstellung des Klägers war der Beklagten, bei der kein Betriebsrat gebildet war, bekannt.
Der Einsatz des Klägers als Maschinenführer erfolgte – jedenfalls zunächst – an den Rollmaschinen 8 und 10. Die Rollmaschine 10 hatte eine vergleichsweise geringe Arbeitsbreite von 50 cm. Es wurden sog. Secare-Rollen verarbeitet. Es existierten bei der Beklagten weitere Rollmaschinen und ein sog. Rollautomat.
Bei der Beklagten waren u.a. folgende weitere Mitarbeiter beschäftigt. Die Beklagte hatte – jedenfalls ursprünglich – einen Staplerfahrer eingestellt und zwar den Mitarbeiter T.. Beschäftigt waren außerdem die beiden Schichtleiter N. und L.. Zu deren Tätigkeit gehörte es zumindest zeitweise, den Gabelstapler einzusetzen. Beschäftigt wurde außerdem der Mitarbeiter S., der Versandaufgaben erledigte und zeitweise ebenfalls den Gabelstapler nutzte. Es gab einen weiteren Mitarbeiter mit dem Namen P., der zumindest zeitweise bei der Beklagten mit Aufgaben als Staplerfahrer eingesetzt war. Dieser war am 11.04.1964 geboren, verheiratet und hatte ein Kind. Er hatte aufgrund einer Krebserkrankung einen Grad der Behinderung von 90 v.H. Er war seit Februar 2014 bei der Beklagten beschäftigt.
Im Jahr 2013 hatte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger gekündigt; nach Erhebung einer Kündigungsschutzklage an der Kündigung aber nicht mehr festgehalten.
Am 24.08.2015 stellte die Beklagte den Kläger frei. Am 25.08.2015 beantragte sie bei dem Integrationsamt, dem Landschaftsverband Rheinland, die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Klägers. Wegen der Einzelheiten wird auf den zur Akte gereichten Antrag Bezug genommen. Zur Ermittlung des Sachverhalts wurde der Antrag mit Schreiben vom 26.08.2015 an die örtliche Fürsorgestelle, Kreisverwaltung Mettmann abgegeben. Am 10.09.2015 fand in den Räumen der Beklagten eine Kündigungsverhandlung statt. Bei dieser erklärte der Kläger, nicht mehr an dem sog. Automaten, an dem er früher einmal gearbeitet hatte, arbeiten zu können. Mit Schreiben vom 08.10.2015 teilte Dr. med. Dipl.-Chem. M. vom Medizinischen Institut für Umwelt- und Arbeitsmedizin MIU GmbH der Kreisverwaltung Mettmann u.a. Folgendes mit:
„Es wurde aus arbeitsmedizinischer Sicht für den Einsatz von Herrn K. bereits ausgeführt, dass Arbeiten, wie das Handhaben von etwa 1 – 3 kg und auch schwerer gängiger Steuereinrichtungen möglich sind. Tätigkeiten in der Höhe, auf Leitern, Podesten und Hebebühnen, die mit einer Absturzgefahr verbunden sind, können nicht geleistet werden. Heben und Tragen von Lasten in der Ebene (bis maximal 12 kg) oder Hantierungen, die den gleichen Kraftaufwand erfordern ohne Leistungsdruck sind kurzzeitig möglich. Es dürfen keine schweren Arbeitsanteile enthalten sein. Tätigkeiten, die mit einer Torsion der Wirbelsäule verbunden sind, können nur auf gleicher Höhe geleistet werden. Ein Stapeln von Rollen von einer Ebene, auf eine am Boden stehende Palette ist grundsätzlich möglich. Die Tätigkeit ist nur ohne Zeitdruck möglich. Keine Tätigkeiten über Kopf. Bei einer stehenden Tätigkeit oder dem ganztägigen Gehen ist darauf zu achten, dass kurze Pausen (2 bis 5 Minuten) zum Kompensieren eingehalten werden können. Keine Tätigkeiten, die einen schnellen Gleichgewichtsausgleich erfordern.
Überträgt man nun die arbeitsmedizinisch begründeten Einschränkungen des Herrn K. auf die Maschine 6 und die Maschine (Bogenhalle), so wären die noch zu ermittelnden arbeitstechnischen Voraussetzungen neben den dargestellten Beschreibungen (Schreiben vom 23.09.2015) wichtig. Unter Berücksichtigung des Lastenhandhabungskonzeptes sollte die Arbeitsbeanspruchung an den Maschinen Bogenhalle und Maschine 6 durch die Sicherheitsfachkraft ggf. unter Mitwirkung des Betriebsarztes dargestellt werden.
Beim derzeitigen Stand lässt sich aus der Tätigkeitsbeschreibung alleine noch keine ausreichend sichere Prognose stellen. Dennoch ist abzusehen, dass aus der bisherigen Kenntnis Herr K. aus gesundheitlichen Gründen die Tätigkeiten an der Maschine 6 und der Maschine Bogenhalle nicht dauerhaft und nicht vollschichtig ausfüllen werden kann.“
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das zur Akte gereichte Schreiben Bezug genommen. Daraufhin reichte die Beklagte auf Aufforderung der Kreisverwaltung Mettmann von ihrer Sicherheitsfachkraft U. W. erstellte und jeweils am 09.11.2015 unterzeichnete Berechnungen für die Belastung nach der Leitmerkmalmethode ein. Auf dieser Basis erstellte Dr. M. unter dem 20.11.2015 eine weitere Stellungnahme für die Kreisverwaltung Mettmann, in der es u.a. hieß:
„Recht herzlichen Dank für die Übersendung der Belastungsabschätzung an den Maschinen 6 und 9 der Firma Q. C. nach der Leitmerkmalmethode.
Zunächst verweise ich auf die Ihnen bereits vorliegende arbeitsmedizinische Einschätzung der körperlichen Leistungsfähigkeit des Herrn K. vom 08.10.2015, die grundsätzlich zusammengefasst erhebliche allgemeine Leistungseinbußen aufzeigt. Einschränkungen wurden auch bereits für die Tätigkeit an den Maschinen 6 und 9 prognostiziert.
Nun kann ergänzend die durch die Sicherheitsfachkraft Herrn U. W. erhobene körperliche Belastung an den Maschinen 6 und 9 (geplanter Einsatz von Herrn K.) zu der arbeitsmedizinischen Leistungseinschränkung (Leitmerkmalmethode) korreliert werden.
Überträgt man nun die jetzt objektivierte Arbeitsbelastung des Herrn K. an den Maschinen 6 und 9, so lässt sich arbeitsmedizinisch abschätzen, dass Herr K. vollschichtig, derzeit aber auch zukünftig nicht an den Maschinen eingesetzt werden kann.
Durch die für Herrn K. an den Maschinen entstehende körperliche Belastung wäre als inadäquat einzustufen. Sie würde zwangsläufig das bestehende Leiden richtungsweisend verschlimmern. Zeiten der Arbeitsunfähigkeit würden aus der Fehlbelastung resultieren.
Beim derzeitigen Stand lässt sich unter Berücksichtigung der Belastungsbeurteilung nach der Leitmerkmalmethode zusammenfassen, dass Herr K. aus gesundheitlichen Gründen die Tätigkeit an den Maschinen 6 und 9 jetzt und zukünftig nicht ausführen kann.“
Mit einem weiteren Schreiben vom 04.12.2015 wandte sich die Kreisverwaltung Mettmann erneut an die Beklagte, weil der Kläger angegeben hatte, dass ein Mitarbeiter, der als Staplerfahrer beschäftigt war, nicht mehr in der Firma beschäftigt sei und dies eventuell ein geeigneter Arbeitsplatz für ihn sei. Die Kreisverwaltung fragte bei der Beklagten nach, ob es auf dieser Stelle möglich sei, den Arbeitsplatz des Klägers zu erhalten. Zugleich wies sie darauf hin, dass es Fördermöglichkeiten gebe, die angeboten werden könnten. Die Beklagte nahm mit E-Mail vom 09.12.2015 Stellung und wies darauf hin, dass es zutreffend sei, dass man sich von einem Staplerfahrer getrennt habe. Zugleich gab die Beklagte u.a. an, dass sie aufgrund von – behaupteten – Auftragsverlusten diesen vor ca. einem Jahr entstandenen Arbeitsplatz nicht mehr neu besetzen werde. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichte E-Mail Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 22.12.2015, der der Beklagten am 29.12.2015 vorlag, stimmte das Integrationsamt der ordentlichen Kündigung des Klägers zu und begründete die Entscheidung mit Bescheid vom 12.01.2016. In der Begründung hieß es u.a.:
„Umsetzungsmöglichkeiten auf einen freien, angemessenen und zumutbaren und insbesondere leidensgerechten Arbeitsplatz bei der Antragstellerin bestehen unter Berücksichtigung der Qualifikation der Antragsgegnerin zur Überzeugung des Integrationsamtes nicht. Hier wird insbesondere auf die Stellungnahme des Arbeitsmediziners verwiesen. Der Betriebsarzt teilte am 20.11.2015 mit, dass der Antragsgegner nicht an den vorhandenen Maschinen eingesetzt werden kann. Die für den Antragsgegner an den Maschinen entstehenden körperlichen Belastungen seien als inadäquat einzustufen. Es würde sich zwangsläufig das bestehende Leiden richtungsweisend verschlimmern. Zeiten der Arbeitsunfähigkeit würden aus der Fehlbelastung resultieren. Der Antragsgegner könne unter Berücksichtigung der Belastungsbeurteilungen nach der Leitmerkmalmethode aus gesundheitlichen Gründen Tätigkeiten an den Maschinen nicht ausführen.
Ergänzend ist anzumerken, dass ein Arbeitgeber nach ständiger Rechtsprechung zu einer Neuschaffung eines Arbeitsplatzes nicht verpflichtet werden kann, um einen schwerbehinderten oder gleichgestellten behinderten Menschen irgendeine Beschäftigungsmöglichkeit geben zu können. Auch die Freikündigung eines anderen Mitarbeiters, um einen Arbeitsplatz frei zu machen, kann nach dieser Rechtsprechung nicht verlangt werden.
…
Ob die Kündigung im Übrigen nach arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten sozial gerechtfertigt ist, obliegt ausschließlich der Prüfung der Arbeitsgerichte.“
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid und die nachfolgende Begründung Bezug genommen. Gegen die Entscheidung des Integrationsamtes legte der Kläger Widerspruch ein. Über diesen war am 10.05.2017 noch nicht entschieden.
Die Beklagte kündigte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29.12.2015, das dem Kläger am 30.12.2015 zuging, zum 31.03.2016.
Der Kläger hat gemeint, die Kündigung sei nicht sozial gerechtfertigt. Der Beschäftigungsbedarf sei nicht entfallen. Soweit die Beklagte die Kündigung anderer Mitarbeiter behauptet hat, hat der Kläger diese mit Nichtwissen bestritten.
Der fortbestehende Beschäftigungsbedarf folge schon daraus, dass die Belegschaft der Beklagten ab Sommer 2015 monatlich 200 Überstunden geleistet habe und im Dezember 2015 auch Samstag gearbeitet worden sei.
Der Kläger hat mit Nichtwissen bestritten, dass die Rollmaschine 10 derzeit – am 06.04.2016 – stehe und überhaupt seitens der Beklagten die Entscheidung getroffen worden sei, diese stillzulegen. An der Rollmaschine 10 seien neben dem Großauftrag S. Technik, dessen Wegfall er bestreitet, auch verschiedene andere Aufträge bearbeitet worden, wie u.a. die Aufträge T. und T.. Und selbst der unterstellte Wegfall eines Großauftrags führe nicht dazu, dass für die Rollmaschine 10 keine neuen Aufträge akquiriert werden könnten. Es werde bestritten, dass die sog. Secarerollen als Stopfpapier verwandt werden. Jedenfalls sei die Nachfrage danach nicht rückläufig. So sei der Kunde C. in der Vergangenheit vorübergehend zur Beklagten zurückgekehrt. Es habe jedenfalls im Kündigungszeitpunkt noch keine endgültige Entscheidung der Beklagten gegeben, die Rollmaschine 10 stillzulegen. Der – bestrittene – Verlust von Aufträgen alleine könne keine Kündigung rechtfertigen.
Der Kläger hat behauptet, er könne auch an anderen Maschinen eingesetzt werden. Seine körperlichen und sonstigen Fähigkeiten stünden dem nicht entgegen. Er müsse zwar teilweise bis zu 20 kg heben und stapeln. Dies sei ihm aber möglich, wenn eine technische Arbeitshilfe eingesetzt werde, welche die Belastung auf den Körper verringere. In seltenen Fällen dürfe er dieses Gewicht auch ohne Arbeitshilfe anheben. Hierzu nimmt er Bezug auf die ärztliche Bescheinigung des Orthopäden I. vom 16.02.2016. Ausweislich eines Attests vom 22.07.2016 könne er mit entsprechenden Hilfsmitteln auch Gewichte mit mehr als 12 kg heben.
Der Arbeitsablauf an der Rollmaschine 6 sei mit der Rollmaschine 10 bis auf das Gewicht der Rollen identisch. Dort könne er ohne weiteres eingesetzt werden. Diese Maschine sei voll ausgelastet. Er könne auch an der Rollmaschine 11, dem sog. Automaten, eingesetzt werden, an der nunmehr auch Aufträge der bisherigen Rollmaschine 8 abgearbeitet werden würden. Die Rollmaschine 11 sei ebenfalls voll ausgelastet. Möglich sei außerdem die Tätigkeit an der Maschine in der Bogenhalle (Rollmaschine 9).
Der Kläger hat zunächst im Kammertermin am 06.04.2016 erklärt, dass er unstreitig am Automaten nicht mehr arbeiten kann. Er hat anschließend mit Schriftsatz vom 27.04.2016 vorgetragen, dass er sich doch vorstellen könne, am Automaten zu arbeiten, wenn Hilfsmittel hinzugezogen werden. Soweit er bei der Kündigungsverhandlung am 10.09.2015 etwas anderes angegeben habe, sei er zu Unrecht davon ausgegangen, dass er am Automaten nicht mehr arbeiten könne.
Soweit es um die Arbeitsplätze der Rollmaschinen 6 und 9 gehe, bestreite er, dass die Sicherheitskraft W. diese überprüft habe. Aufgrund seiner fehlenden Einbindung in die Untersuchung habe Dr. M. nicht zu einer ordnungsgemäßen, seriösen und abschließenden arbeitsmedizinischen Prognose kommen können. Die Richtigkeit der Feststellungen in der Stellungnahme vom 20.11.2015 werde bestritten. Die Berechnungen für die Belastungen an den Rollmaschinen nach der Leitmerkmalmethode seien betreffend die Rollmaschine 6 unzutreffend. Insbesondere könne die Angabe zur Zeitwichtung nicht richtig sein. Außerdem ergebe sich aus den Anlagen zur Leitmerkmalmethode, dass die Haltungswichtung durch den Einsatz technischer Hilfsmittel verbessert werden könne. Ohnehin werde bereits jetzt bei der Rollmaschine 6 ein Elektrorollhubwagen als Hilfsmittel eingesetzt.
Ohne weiteres könne er als Staplerfahrer eingesetzt werden. Insoweit hat der Kläger sich die Kündigung des Mitarbeiters T. hilfsweise zu Eigen gemacht, nach dessen Kündigung es einen freien Arbeitsplatz als Staplerfahrer gegeben habe. Im Übrigen könne er Staplertätigkeiten ausüben und darüber hinaus andere Tätigkeiten. Herr S. nutze im Rahmen seiner Tätigkeit den Stapler zu 70 %. Der Kläger hat mit Nichtwissen bestritten, dass der Arbeitsplatz des Versandmitarbeiters S. nicht im Wege des Direktionsrechts geändert werden könne.
Der Mitarbeiter P. sei im Jahr 2014 bei der Beklagten nicht nur stundenweise, sondern über einen nicht unerheblichen Zeitraum von bis zu sieben Monaten dauerhaft beschäftigt worden. Dass er 2015 und 2016 nicht mehr bei der Beklagten eingesetzt worden sei, hat der Kläger mit Nichtwissen bestritten.
Bereits im Jahre 2013 habe die Beklagte ihm nach der Weiterbeschäftigung gesagt, dass sie ihn nicht mehr beschäftigen wolle. Die Kündigung erscheine inszeniert.
Der Kläger hat beantragt,
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet, dass die Rollmaschine 8 schon seit längerer Zeit außer Betrieb gesetzt gewesen sei. Eine Wiederinbetriebnahme scheide aus.
Ihre wirtschaftliche Situation sei angespannt gewesen. Es seien ab Sommer 2015 die Aufträge S. Technik, C., B. P. und Werkzeug E. weggefallen mit einer Umsatzeinbuße von insgesamt 650.000,00 Euro. Durch den Wegfall eines Großauftrags S. Technik ab Sommer 2015, der die Rollmaschine 10 zu gut 80% ausgelastet habe, sei die Beschäftigungsmöglichkeit des Klägers an der Rollmaschine 10 entfallen. Die Kündigung des Auftrags sei erfolgt, weil der Kunde einen anderen preisgünstigeren Lieferanten in der Nähe gefunden habe. Die Beklagte nimmt hierfür Bezug auf eine E-Mail vom 30.07.2015 an sie. Das an der Rollmaschine 10 hergestellte Papier (die sog. Sekarerollen) werde zum Stopfen von Kartons und Kisten benutzt. Aufgrund von Luftpolsterhüllen und sonstigen Packungshilfen sei die Nachfrage nach Stopfpapier unabhängig vom konkreten Auftragsverlust rückläufig. Der Wegfall des Auftrags S. Technik an der Rollmaschine 10 sei der Grund für die Freistellung des Klägers gewesen. An diesem Standort solle eine sog. Ladestation u.a. für Elektrohubwagen eingerichtet werden. Es treffe im Übrigen zu, dass ein Teil der Aufträge der Rollmaschine 10 an anderen Maschinen erledigt werde, weil dies die Kundenvorgaben erforderten. Dies sei der Automat bzw. Rollautomat, an dem Kläger nicht mehr arbeiten könne. Die Beklagte hat behauptet, dass der Kläger aufgrund seiner körperlichen Fähigkeiten nicht in der Lage sei, an anderen Maschinen eingesetzt zu werden.
Im Termin am 06.04.2014 vor dem Arbeitsgericht hat der Geschäftsführer der Beklagten erklärt, dass die Rollmaschine 10 derzeit stehe und nicht in Betrieb sei. Es sei auch die Entscheidung getroffen worden, die Maschine abzubauen und zu verschrotten. Deshalb sei vor sechs bis acht Wochen die Entscheidung getroffen worden, die Maschine abzubauen. Wenn etwa während der Dauer des Integrationsverfahrens ein neuer Auftrag hereingekommen wäre, den man an der Rollmaschine 10 hätte abarbeiten können, hätte man auch die Kündigung zurückgenommen. Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung wäre es sehr überraschend gewesen, wenn es einen neuen Auftrag gegeben hätte. Die dargestellte Entwicklung zeige ja, dass zurzeit eher Aufträge verloren gingen als gewonnen würden. Nachfolgend hat die Beklagte behauptet, dass – nachdem keine weiteren Aufträge für die Rollmaschine 10 eingegangen seien – der Betriebsleiter der Geschäftsführung Mitte Dezember 2015 vorgeschlagen hat, die Rollmaschine abzubauen, weil der Platz anderweitig genutzt werden könne. Nachdem die Zustimmung des Integrationsamtes am 22.12.2015 vorlag, habe die Geschäftsleitung zunächst entschieden, die Produktion auf der Rollmaschine 10 einzustellen. Dann sei die Kündigung des Klägers erfolgt. Man habe also einige Monate zugewartet, ob sich noch Aufträge ergäben, was aber nicht der Fall gewesen sei. Die Rollmaschine 10 sei bis Mai 2016 an ihrem Platz geblieben, ohne noch einmal in Funktion gesetzt zu werden. Im Februar 2016 habe die Geschäftsleitung die Entscheidung getroffen, die Maschine entsprechend dem Vorschlag des Betriebsleiters abzubauen. In ihrem Familienbetrieb treffe man sich täglich und Geschäftsführer und Gesellschafter sprächen die Dinge ab, so dass es aus diesem Grund keine schriftlichen Dokumente betreffend den Beschluss der Stilllegung der Rollmaschine 10 gebe.
Die behaupteten Auftragsverluste hätten nicht nur Auswirkungen auf die Beschäftigungsmöglichkeit des Klägers gehabt. Es seien außerdem die Mitarbeiter T. (zum 30.09.2015), T. (zum 30.11.2015), I. (zum 30.01.2016), L. (zum 30.01.2016) sowie die Mitarbeiterin G. (zum 30.11.2015) gekündigt worden. Die Beklagte bezieht sich insoweit auf die zur Akte gereichten Abschriften der Kündigungen. Der Zeitvertrag eines Mitarbeiters aus der Produktion werde über den 30.06.2016 hinaus nicht verlängert. Der Arbeitsplatz einer Verwaltungsmitarbeiterin, die ab 01.08.2016 in Rente geht, werde nicht wieder besetzt.
Soweit der Kläger sich auf den Arbeitsplatz eines Staplerfahrers berufe, sei dieser durch die Kündigung des Mitarbeiters T. entfallen. Die Kündigung sei aus wirtschaftlichen Gründen erfolgt und der Arbeitsplatz werde nicht neu besetzt. Der Mitarbeiter S. nutze im Rahmen seiner Tätigkeit zu 60 % den Gabelstapler. Im Übrigen sei er Versandmitarbeiter, dem auch der Kundenkontakt im Versandbereich obliege. Der Arbeitsplatz könne nicht im Wege des Direktionsrechtes geändert werden. Der Mitarbeiter P. sei langjähriger Mitarbeiter der Firma G. gewesen. Lediglich aufgrund der schwierigen Situation der Firma G. und der gesundheitlichen Lage des Mitarbeiters P. habe sie ihm einen Vertrag bei ihr angeboten. Herr P. sei aufgrund seiner umfangreichen Fehlzeiten (2015 116 Fehltage) gar nicht als Ersatz einplanbar gewesen. Er habe nur stundenweise beim Staplerfahrer bis 2015 ausgeholfen. In 2015 und 2016 sei er – wenn überhaupt arbeitsfähig – bei der Firma G. eingesetzt gewesen.
Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben, weil es sich um eine sog. unzulässige Vorratskündigung gehandelt habe. Gegen das ihr am 10.10.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 09.11.2016 Berufung eingelegt und diese am Montag, den 12.12.2016 begründet.
Die Beklagte ist der Ansicht, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht von einer sog. unzulässigen Vorratskündigung ausgegangen. Im Kündigungszeitpunkt sei der Beschäftigungsbedarf an der Rollmaschine 10 dauerhaft entfallen gewesen. Dies habe zuvor zur Freistellung des Klägers geführt. Sie habe danach zunächst noch auf Aufträge für die Rollmaschine 10 gewartet. Weil sie dem keine großen Chancen eingeräumt habe, habe sie bereits den Antrag bei dem Integrationsamt gestellt. Es gebe bei ihr keinen Vertrieb. Die Bemühungen um einen Nachfolgeauftrag durch Anrufe bei verschiedenen aktuellen und alten Kunden habe sie im September 2015 mangels Erfolg eingestellt. Nachdem über vier Monate keine Aufträge eingegangen seien, sei nach der Zustimmung des Integrationsamtes der endgültige Entschluss gefallen, die Rollmaschine 10 stillzulegen. Sie habe sich im Kündigungszeitpunkt auch nicht mehr um neue Aufträge für diese Maschine bemüht. Soweit ihr Geschäftsführer erklärt habe, während des Integrationsverfahrens die Kündigung zurückzunehmen, habe dies nichts anderes bedeutet, als dass er von seiner Kündigungsabsicht Abstand genommen hätte, wenn während des Integrationsverfahrens ein neuer Auftrag hereingekommen wäre. An dem Stilllegungsentschluss nach der Zustimmung des Integrationsamtes ändere dies nichts. Von dem Beschluss, die Rollmaschine 10 stillzulegen, sei der Beschluss, diese abzubauen und zu verschrotten, zu unterscheiden.
Soweit der Kläger behauptet habe, bei ihr würden monatlich 200 Überstunden geleistet, sei dies unzutreffend. Hierzu hat die Beklagte behauptet, dass seit ca. 30 Jahren die betriebliche Übung einer Regelarbeitszeit von 40 Wochenstunden bestehe, tatsächlich aber nur 38 Stunden verlangt würden. Freitags werde regelmäßig 8 Stunden gearbeitet; bei geringerem Auftragsvolumen 6 Stunden. Diese Regelung diene dazu, bei wechselndem Auftragsbestand flexibel reagieren zu können. Als Gegenleistung würden die Mitarbeiter die beiden Mehrstunden mit einem Zuschlag von 25% vergütet bekommen.
Im Jahr 2015 seien bezogen auf die Gesamtheit der Mitarbeiter keine Überstunden angefallen. Vielmehr habe sich unter Berücksichtigung der während des Urlaubs entfallenen Stunden ein Minus von 2463 Stunden ergeben. Wegen der behaupteten Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichten Übersichten Bezug genommen. Auch im Jahr 2014 seien keine Überstunden angefallen ebenso wie im Jahr 2016.
Nur einige wenige Mitarbeiter hätten im Jahr 2015 Überstunden geleistet. Dies habe die Vorarbeiter N. und L. betroffen, die im Rahmen der Frühschicht 30 Minuten und im Rahmen der Spätschicht 60 Minuten zusätzlich gearbeitet hätten. Außerdem folgten die Überstunden aus den Zusatzfunktionen dieser Mitarbeiter. Der Mitarbeiter S., der am 22.04.1978 geboren sei, verheiratet ohne Kinder und seit dem 15.11.2005 beschäftigt, arbeite bei Bedarf täglich eine Stunde zusätzlich, weil schwer absehbar sei, wann der letzte LKW zur Abholung der Ware eintreffe. Bei den Mitarbeitern I. und B. seien durch krankheitsbedingte Vertretungen Überstunden angefallen. Die Überstunden bei dem Mitarbeiter B. seien vorwiegend samstags angefallen, weil er mit Sondertätigkeiten (z.B. Entsorgung von Verpackungsholz) beschäftigt gewesen sei.
Herr P. habe von April 2015 bis Juli 2016 nur in Notfällen bei ihr ausgeholfen, was unter 2% seiner gesamten Arbeitsleistung liege.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 21.09.2016 – 3 Ca 358/16 abzuändern und nach den Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts und macht sich dessen Ausführungen zur Vorratskündigung zu Eigen. Die Beklagte habe nicht ausreichend vorgetragen, dass sie im Kündigungszeitpunkt bereits einen endgültigen Entschluss gefasst habe, die Rollmaschine 10 stillzulegen. Dies belegten die Ausführungen des Geschäftsführers am 06.04.2016, die nicht widersprüchlich seien.
Der Kläger behauptet, dass die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit bei der Beklagten 38 Stunden betrage, wobei zutreffe, dass die darüber hinausgehenden Überstunden mit 25 % Zuschlag vergütet würden. Die von der Beklagten behauptete betriebliche Übung gebe es nicht. Angesichts der Zuschläge sei nachvollziehbar, dass sich kein Mitarbeiter gewehrt habe.
Nach seiner Kenntnis habe Herr S. im Jahr 2015 wöchentlich insgesamt 6 Überstunden erbracht. Bei Herrn N. und L. seien es jeweils 4,5 Stunden bzw. 7 Stunden je nach Spät- oder Frühschicht. Darüber hinaus erbrächten insgesamt 18 Mitarbeiter, welche der Kläger mit Vornamen benennt, jeweils zwei Überstunden wöchentlich. Auch in 2016 seien Überstunden angefallen. Den Vortrag zur krankheitsbedingten Vertretung macht der Kläger sich hilfsweise zu Eigen. Die Überstunden der Mitarbeiter N. und L. fielen im Übrigen deshalb an, weil sie in ihren Überstunden die Arbeit von Herrn S. übernähmen. Herr B. habe die Überstunden freitags abgeleistet. Die Arbeiten des Mitarbeiters S. könne er ausführen. Auch wenn er dessen Sozialdaten mit Nichtwissen bestreite, so müsse doch auffallen, dass er sozial schutzwürdiger sei. Auch Herr P. habe schlechtere Sozialdaten.
Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen H. und C. und der Zeugin E..
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze in beiden Instanzen nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet, weil die Klage unbegründet ist. Der rechtzeitig erhobene Kündigungsschutzantrag des Klägers ist unbegründet, weil die wirksame Kündigung der Beklagten vom 29.12.2015 das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31.03.2016 beendet hat.
Der Zeuge H. hat bekundet, dass im Dezember 2015 die Entscheidung getroffen worden sei, die Rollmaschine 10 abzubauen. Dies sei lediglich nicht sofort umgesetzt worden. Es sei im Februar 2016 noch einmal gesprochen worden und dann der Abbau umgesetzt worden. Er hat zudem bestätigt, dass er im Spätsommer/Herbst 2015 vorgeschlagen hatte, die Maschine abzubauen. Herr C. habe dies aber zunächst abgelehnt, weil er gehofft habe, dass er noch Aufträge bekomme. Dies entspricht dem Vortrag der Beklagten, die ausgeführt hat, zunächst noch versucht zu haben, Aufträge zu bekommen, auch wenn sie nach ihrem Vortrag bereits im September die aktiven Bemühungen nach einem Auftrag eingestellt hatte. Bis zur der Entscheidung des Integrationsamtes war indes nach ihrem Vortrag zumindest noch die Möglichkeit eines Nachfolgeauftrags gegeben, was dazu geführt hätte, das Verfahren vor dem Integrationsamt nicht fortzuführen. Dem entspricht, dass der Zeuge ausgeführt hat, dass man dann später noch einmal beschlossen habe, die Maschine abzubauen, allerdings noch im Jahr 2015. Es sei auch etwas anderes, ob die Maschine stillgelegt oder abgebaut werde. Der Zeuge hat aber anschließend bekundet, dass noch im Dezember 2015 der Abbau beschlossen worden sei, was aber lediglich nicht sofort umgesetzt worden sei. Die Aussage des Zeugen ist glaubhaft und der Zeuge ist glaubwürdig. Die Kammer hat dabei berücksichtigt, dass der Zeuge Betriebsleiter der Beklagten ist. Eine Tendenz zu einer Aussage zu Gunsten der Beklagten lässt sich der Aussage nicht entnehmen. Vielmehr hat er eingeräumt, dass die Rollmaschine 10 zunächst noch voll einsatzbereit war und erst im Jahr 2016 abgebaut worden ist. Er hat auch offen angegeben, dass er keinen bestimmten Grund kenne, warum mit dem Abbau gewartet worden sei. Vielleicht habe die Beklagte immer noch die Hoffnung auf einen Auftrag gehabt. Andererseits bedürfe es aber natürlich auch der Vorbereitung im Betrieb, um eine Maschine abzubauen. Es handelt sich dabei nicht um eigene Wahrnehmungen des Zeugen, sondern um Vermutungen. Daraus lässt sich nicht schließen, dass die Beklagte sich im Dezember 2015 nicht bereits endgültig entschlossen hatte, die Rollmaschine 10 stillzulegen. Der Zeuge hat nämlich bekundet – und zwar auch nach Vorhalt der Äußerung des Geschäftsführers vom 06.04.2016 -, dass der Abbau der Maschine im Dezember 2015 beschlossen worden sei. Und auch zuvor hatte er bekundet, dass der Beschluss im Jahr 2015 gefallen sei. Dieser sei eben nur nicht sofort umgesetzt worden. Für einen endgültigen Entschluss bereits zum Kündigungszeitpunkt im Dezember 2015 spricht zudem, dass der Zeuge glaubwürdig bekundet hat, dass an der Rollmaschine 10 nur noch der Kläger gearbeitet habe. Er wusste auch, dass es ein Verfahren zur Kündigung des Klägers vor dem Integrationsamt gab. Nach der Zustimmung des Integrationsamtes sei die Kündigung ausgesprochen worden. Dann sei die Maschine abgebaut worden. Dies bezieht sich insoweit allerdings auf den tatsächlichen Abbau und nicht auf die Stilllegungsentscheidung. Für die Glaubhaftigkeit der Aussage sowie die Glaubwürdigkeit des Zeugen spricht weiter, dass sie mit sonstigen tatsächlichen Indizien übereinstimmt. So hat der Zeuge bekundet, dass der Auftrag für einen Großkunden an der Rollmaschine 10 entfallen sei. Dafür spricht auch die E-Mail vom 30.07.2015, von „S. Technischer Vertrieb“, in der mitgeteilt wird, dass der Auftrag an einen anderen Lieferanten vergeben worden sei. Der Betreff lautet auf Stopfpapier, was nach dem Vortrag der Beklagten dasjenige Papier sein soll, das mit den Secare-Rollen auf der Rollmaschine 10 hergestellt wurde. Weitere kleinere Aufträge der Rollmaschine 10 sollten jetzt – so der Zeuge – an anderen Maschinen durchgeführt werden. Für eine ernsthafte und endgültige Stilllegung bereits im Dezember 2015 spricht der weitere tatsächliche Geschehensablauf. Wenn der Auftrag für die Rollmaschine 10 weggefallen war und der Kläger dort zuletzt gearbeitet hat, ist es nachvollziehbar, dass er freigestellt worden ist. Der Zeuge hat weiter bekundet, dass ein Nachfolgeauftrag nicht gefunden wurde und die Rollmaschine 10 nunmehr tatsächlich abgebaut ist. Der tatsächliche Geschehensablauf hat sich also so realisiert, wie beschlossen. Es ist insoweit für die Kammer nachvollziehbar, dass die Beklagte vor Abschluss des Verfahrens vor dem Integrationsamt sich nicht endgültig entschieden hatte, die Rollmaschine 10 stillzulegen, dies dann aber im Dezember 2015, als die Entscheidung vorlag, getan hat. Schließlich hatte sich bis dahin kein neuer Auftrag ergeben und es war zuvor nur noch der Kläger an der Maschine beschäftigt worden. Lag die Zustimmung zur Kündigung des Klägers vor, ist es nachvollziehbar, dann nach einem halben Jahr des Bemühens bzw. Wartens auf einen neuen Auftrag die Stilllegung der Rollmaschine 10 zu beschließen. Dass der tatsächliche Abbau später erfolgen sollte – dann aber auch erfolgt ist – spricht nicht gegen einen endgültigen Stilllegungsentschluss bereits im Dezember 2015.
Die Aussage des Zeugen C. bestätigt zur Überzeugung der Kammer, dass die Beklagte bereits im Dezember 2015 vor Ausspruch der Kündigung die endgültige Entscheidung getroffen hatte, die Rollmaschine 10 stillzulegen. Die Kammer hat zunächst gewürdigt, dass der Zeuge spontan angegeben hat, zum Beweisbeschluss nichts sagen zu können. Dies ist nachvollziehbar, weil er nicht in der Produktion beschäftigt ist. Er hat auf Nachfrage aber angeben können, dass die Rollmaschine 10 zunächst stillstand. Allerdings war er mit dem Abbau der Maschine befasst. Er hat dazu ausgeführt, dass Ende 2015 gesagt worden sei, dass die Maschine abgebaut werden soll. Umgesetzt habe er das aber erst später, im Januar/Februar 2016. Auch nach Vorhalt der Aussage des Geschäftsführers im Termin vom 06.04.2016 ist er dabei geblieben, dass die Sache für ihn schon „tot“ gewesen sei. Er hat weiter ausgeführt, dass es nur eine Anweisung der Geschäftsführung, stillzulegen, und zwar im Jahr 2015, gegeben habe. Es sei dann seine Aufgabe gewesen, dies umzusetzen, was er 2016 getan habe. Es ist nachvollziehbar, dass der Zeuge sich zunächst nicht an die genaue Zeit erinnern konnte. Im Hinblick darauf, dass er ab Weihnachten nicht mehr in der Firma war, konnte er dann aber angeben, dass die Entscheidung vor Weihnachten gefallen ist. Dass er dies darüber hinaus nicht genauer zeitlich einordnen konnte, ist nachvollziehbar. Der Zeuge ist glaubwürdig und seine Aussage glaubhaft. Er ist ebenfalls Arbeitnehmer der Beklagten. Es lässt sich aber keine Tendenz feststellen, zu Gunsten der Beklagten auszusagen. So hat er z.B. ausgesagt, dass er zu Bemühungen um Aufträge nichts sagen könne, sondern nur, dass die Maschine seit Mitte des Jahres 2015 stillstand. Dies wiederum entspricht der Aussage des Zeugen H. und ist mit der Tatsache der Freistellung des Klägers vereinbar. Der zeitlichen Einordnung der Entscheidung zur Stilllegung der Rollmaschine 10 vor Weihnachten 2015 entspricht, dass die Zustimmung des Integrationsamtes vom 22.12.2015 stammt und in diesem Zusammenhang die endgültige Stilllegungsentscheidung getroffen worden sein soll. Der Zeuge hat für die Kammer im Übrigen nachvollziehbar und anschaulich geschildert, dass in 2015 die Stilllegungsentscheidung getroffen wurde und er einen Auszubildenden hatte, der sich am dann folgenden Abbau beweisen sollte. Der Zeuge hat ebenfalls bestätigt, dass die Rollmaschine 10 nunmehr tatsächlich nicht mehr vorhanden ist.
Die Aussage der Zeugin E. spricht nicht gegen die Aussagen der Zeugen H. und C.. Sie hat zwar anders als von der Beklagten behauptet, nicht angeben können, wann genau die Suche nach neuen Aufträgen für die Rollmaschine 10 eingestellt worden ist. Dies spricht auch in Ansehung ihres Verwandtschaftsverhältnisses zu Herrn C. für ihre Glaubwürdigkeit. Sie hat vielmehr ausgeführt, dass es Aufgabe der Herren C. gewesen sei, sich um neue Aufträge zu kümmern. Sie hat aber allgemein angeben können, dass der Kunde S. Technik ein großer Kunde gewesen sei, bei dem pro Monat ein LKW rausging. Dass sei dann nicht mehr da gewesen. Er habe zweimal im Jahr auf Abruf bestellt. Die Zeugin konnte allerdings allgemein mitteilen, dass man noch versucht habe, Aufträge für die Secarerollen zu bekommen. Der Kunde sei dann aber aus Preisgründen weggebrochen. Sie habe gemerkt, dass da nichts mehr passiert. Den vollständigen Wegfall habe sie erst hinterher bemerkt.
Aufgrund der Würdigung der oben genannten Aussagen der Zeugen H. und C. steht zur Überzeugung der Kammer mit der für § 286 ZPO erforderlichen Gewissheit fest, dass die Beklagte bereits im Dezember 2015 im Zeitpunkt der Kündigung des Klägers endgültig entschieden hatte, die Rollmaschine 10 stillzulegen. Dem stehen der übrige Prozessstoff und insbesondere die Einlassung des Geschäftsführers am 06.04.2016 nicht entgegen. Soweit der Geschäftsführer erklärt hat, dass man die Kündigung zurückgenommen hätte, wenn während des Integrationsamtsverfahrens ein neuer Auftrag hereingekommen wäre, bezieht sich dies ersichtlich nicht auf die Kündigung im juristischen Sinne. Diese gab es zu dieser Zeit noch gar nicht. Vielmehr meinte der Geschäftsführer erkennbar den Antrag auf Zustimmung zur Kündigung bei dem Integrationsamt. Solange er nicht wusste, ob dieses einer Kündigung zustimmt, hatte er sich vorbehalten, bei einem neuen Auftrag doch mit der Rollmaschine weiterzuarbeiten. Diese Sachlage änderte sich – wie die Aussagen der Zeugen H. und C. zeigen – mit der Zustimmung des Integrationsamtes Ende 2015. Es ist – wie ausgeführt – nachvollziehbar, dass nach einem Auftragsverlust für eine Maschine, an der nur noch der Kläger arbeitete und dem Umstand, dass auch innerhalb ca. eines halben Jahres kein neuer Auftrag gefunden wurde, nach der erfolgten Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung des Klägers die endgültige Entscheidung getroffen wurde, die Rollmaschine 10 stillzulegen und daraus folgend die Kündigung des Klägers auszusprechen. Nur in diesem Zusammenhang ist zu verstehen, dass es im Zeitpunkt der Kündigung sehr überraschend gewesen wäre, wenn es einen neuen Auftrag gegeben hätte. Dies entspricht schlicht dem tatsächlichen Geschehensablauf, belegt aber nicht, dass die Beklagte im Kündigungszeitpunkt noch keine endgültige Stilllegungsentscheidung getroffen hätte. Richtig ist, dass die Beklagte eingeräumt hat, die Entscheidung zum tatsächlichen Abbau der Rollmaschine erst später im Jahr 2016 getroffen zu haben und zwar ca. 6 bis 8 Wochen zuvor, d.h. vor dem 06.04.2016. Damit ist es zumindest vereinbar, wenn der Zeuge C. als Zeitpunkt des tatsächlichen Abbaus der Rollmaschine 10 auch den Februar 2016 nennt. Allerdings hat der Zeuge C. nur von einer Anweisung gesprochen, die er dann umzusetzen gehabt habe. Andererseits hat der Zeuge H. ausgeführt, dass im Februar noch einmal gesprochen worden sei und der Abbau dann auch umgesetzt worden sei. Die Kammer hat weiter berücksichtigt, dass die Beklagte ausgeführt hat, dass die Maschine bis Mai stehen geblieben sei. Etwaige Unklarheiten bzw. Abweichungen sind zur Überzeugung der Kammer insoweit aber mit dem Zeitablauf zu erklären sowie dem Umstand, dass es – in zulässiger Weise – nicht um verschriftlichte, sondern mündliche Anweisungen in einem kleineren Familienbetrieb geht. Insgesamt ist die Kammer auch unter Würdigung dieser Umstände aufgrund der Aussagen der Zeugen H. und C. sowie des tatsächlichen Geschehensablaufs der Überzeugung, dass die Beklagte sich bereits im Dezember 2015 im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung endgültig entschieden hatte, die Rollmaschine 10 stillzulegen. Diese Entscheidung und nicht die Entscheidung bzw. Umsetzung des rein tatsächlichen Abbaus der Rollmaschine 10 begründeten den Wegfall des Beschäftigungsbedarfs.
III. Die ausgesprochene Kündigung ist nicht deshalb unwirksam, weil eine Weiterbeschäftigung des Klägers auf einem freien anderen Arbeitsplatz, und sei es unter Änderung der Arbeitsbedingungen unter Berücksichtigung von § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX, möglich war.
(1) Das Integrationsamt hat einen Einsatz des Klägers an den Rollmaschinen 6 und 9 (Bogenhalle) geprüft. Darauf hat der Kläger sich im Rahmen der Verhandlung vor dem Integrationsamt berufen. Es geht dabei um die Frage einer Beschäftigung, welche die Fähigkeiten und Kenntnisse des Klägers als einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellten Menschen i.S.v. § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX berücksichtigt. Der Kläger geht selbst davon aus, dass es erforderlich sei, dass technische Arbeitshilfen eingesetzt werden müssen, selbst wenn er teilweise bis zu 20 kg heben und stapeln könne. Später geht er davon aus, auch Gewichte mit mehr als 12 kg mit entsprechenden Hilfsmitteln heben zu können. Das Integrationsamt ist ausweislich der nachträglichen (vgl. insoweit § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG NRW) Begründung des Bescheids vom 22.12.2015 davon ausgegangen, dass eine Weiterbeschäftigung des Klägers an den vorhandenen Maschinen nicht möglich ist und aufgrund der körperlichen Belastungen als inadäquat einzustufen sei. Es hat sich dabei die Stellungnahme des Betriebsarztes vom 20.11.2015 zu Eigen gemacht, die sich auf die Rollmaschinen 6 und 9 bezog. Bei der Prüfung, ob die Erfüllung seiner Pflicht aus § 81 Abs. 4 SGB IX dem Arbeitgeber nach § 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX zumutbar ist oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden wäre, ist jedoch, wenn es um die Wirksamkeit einer Kündigung geht, entscheidend mit zu berücksichtigen, dass die Rechte des schwerbehinderten Arbeitnehmers durch ein geordnetes Verfahren vor dem Integrationsamt mit der Möglichkeit der Nachprüfung der Entscheidung in mehreren Instanzen zu prüfen sind. In diesem Verfahren spielen insbesondere die Möglichkeiten, den Arbeitnehmer auf einem anderen, behindertengerechten Arbeitsplatz weiter zu beschäftigen, eine entscheidende Rolle. Hat eine solche Prüfung stattgefunden und ist das Integrationsamt nach Prüfung zum Ergebnis gekommen, eine solche Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bestehe nicht, so darf dies nicht unberücksichtigt bleiben (vgl. BAG 22.09.2005 – 2 AZR 519/04, AP Nr. 10 zu § 81 SGB IX Rn. 36). Die Kammer ist insoweit der Überzeugung, dass es einem Arbeitgeber nicht zumutbar ist, bessere eigene Erkenntnisse über eine behindertengerechte Weiterbeschäftigung zu haben als das Integrationsamt, wenn dieses die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung geprüft und verneint hat. Es kann ihm auch nicht abverlangt werden, zu prüfen, ob das Integrationsamt dieser Aufgabe sorgfältig und gewissenhaft nachgekommen ist. Jedenfalls muss dies dann gelten, wenn wie hier ergänzende ärztliche Stellungnahmen eingeholt worden sind. Ihm ist es nicht zumutbar, einen schwerbehinderten Arbeitnehmer trotz weggefallenem Beschäftigungsbedarf weiter zu beschäftigen, nachdem das Integrationsamt geprüft und festgestellt hat, dass eine Weiterbeschäftigung an anderen Arbeitsplätzen aufgrund der Beeinträchtigungen des schwerbehinderten Menschen nicht möglich ist. Soweit der Kläger inhaltlich die Feststellungen des Integrationsamtes angreift, ist dies eine Frage, die im Rahmen des Widerspruchsverfahrens und nachfolgend ggfs. im verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren zu prüfen ist. Auch die Doppelung des Rechtswegs führt nicht dazu, dass es einem Arbeitgeber zunächst zumutbar wäre, einen Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen, obwohl das Integrationsamt dies als nicht möglich bewertet hat. Bessere eigene Erkenntnisquellen hat er nämlich im Grundsatz nicht. Davon unberührt bleibt das Risiko, dass die Zustimmung des Integrationsamtes im verwaltungsrechtlichen Rechtszug aufgehoben wird. Zur Überzeugung der Kammer ist dies alles ein Aspekt der Zumutbarkeit i.S.v. § 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX.
(2) Nichts anderes gilt für die Weiterbeschäftigung am sog. Automaten. Auch diese Möglichkeit der Weiterbeschäftigung ist der Beklagten unzumutbar i.S.v. § 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX, weil sich hier aus der eigenen Äußerung des Klägers (vgl. BAG 24.11.2005 – 2 AZR 514/04, NZA 2006, 665 Rn. 43) im Verfahren vor dem Integrationsamt ergab, dass ihm eine Beschäftigung am sog. Automaten nicht möglich sei. Er hatte selbst in der Verhandlung vor dem Integrationsamt – und sogar zunächst im Prozess – erklärt, an dem Automaten nicht mehr arbeiten zu können. Es ist deshalb für den Arbeitgeber unzumutbar, von einer Kündigung nach erfolgter Zustimmung des Integrationsamtes abzusehen, weil der Kläger ggfs. am Automaten eingesetzt werden könnte. Es geht um eine behindertengerechte Beschäftigung und der Kläger selbst muss für sich die Frage beantworten, welche Tätigkeit er sich zutraut. Erfolgt dann eine Prüfung durch das Integrationsamt, die von keiner behindertengerechten Beschäftigung ausgeht, ist es dem Arbeitgeber unzumutbar, vor der Kündigung die behindertengerechte Beschäftigung des Klägers am Automaten in den Blick zu nehmen, die dieser selbst nicht für möglich gehalten hatte. Eine nachträglich im Prozess vom Kläger anders vorgenommene Bewertung ändert daran nichts mehr.
(3) Eine andere behindertengerechte Möglichkeit, den Kläger zu beschäftigen, zeigt der Bescheid des Integrationsamtes nicht auf und ist der Beklagten deshalb – so es sie überhaupt gäbe – unzumutbar.
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