Landesarbeitsgericht Hamm: Urteil vom 29.09.2016 – 11 Sa 406/16

Juni 16, 2020

Landesarbeitsgericht Hamm: Urteil vom 29.09.2016 – 11 Sa 406/16

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund – 4 Ca 4214/14 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten, ob das zwischen ihnen bestehende Vertragsverhältnis entsprechend einem Schreiben der beklagten Partei vom 04.09.2014 zum 31.10.2014 beendet worden ist, sowie über die Erteilung eines Arbeitszeugnisses.

Der 1948 geborene Kläger ist italienischer Staatsangehöriger. Er war seit dem 01.07.1982 für das italienische Konsulat in E tätig.

Der Arbeitsvertrag datiert vom 01.01.1985. Wegen des schriftlichen Arbeitsvertrages in italienischerer Sprache wird auf Bl. 21 – 39 GA verwiesen, wegen der von dem Kläger vorgelegten beglaubigten Übersetzung aus der italienischen Sprache auf Bl. 105 – 109 GA. Laut Art. I des Vertrages ist der Kläger als „Hilfskraft eingestellt um exekutive Aufgaben zu verrichten“. Gemäß Artikel XIII des Vertrages sollte der Vertrag an dem ersten Tag des folgenden Monats nach dem 65. Geburtsjahr des Klägers enden. Diese Regelung wurde mit Zusatzvereinbarung vom 22.05.2013 dahingehend abgeändert, dass der Vertrag ab dem ersten Tag des nächsten Monats nach dem 67. Geburtsjahr des Klägers enden sollte (Bl. 137 GA). Der Kläger erzielte zuletzt ein Monatseinkommen in Höhe von 3.714,81 € (netto) (Bl. 19 GA).

In der Präambel des Arbeitsvertrags vom 01.01.1985 werden die Normen des D.P.R. vom 05.01.1967 Nr. 18 genannt (italienischer Text Bl. 231 ff GA). In der vom Kläger überreichten Übersetzung des Art. 154 des D.P.R. vom 05.01.1967 heißt es (Bl. 262 GA):

Artikel 154

Regelung der Verträge

Die unter dem hiesigen Titel geregelten Verträge, wenn sie nicht ausdrücklich anderweitig geregelt worden sind, sind nach dem Gesetz am Ort der Beschäftigung geregelt. Unter Vorbehalt der Allgemeinen Normen des internationalen und vertraglichen Rechte für etwaige Streitigkeiten bezüglich der Anwendung des vorliegenden Dekretes ist das Gericht am Ort der Beschäftigung zuständig.

Die diplomatischen Vertretungen oder die konsularische Einrichtung erster Klasse werden nach Anhörung der örtlichen die Vereinbarkeit des Vertrages mit der örtlichen Muss-Bestimmungen überprüfen und werden jedenfalls gewährleistet, dass die Anwendung der örtlichen Bestimmungen, welche zu Gunsten des Beschäftigten günstiger sind ihre Anwendung an Stelle der Bestimmungen des vorliegenden Titel finden.

Die vertraglichen Bestimmungen müssen jedenfalls gewährleisten, dass das Personal mit der besseren Qualifikation eingestellt wird.

In Art. XV des Arbeitsvertrags ist geregelt (Bl. 38/39 GA, Bl. 108 GA):
„In jedem Fall [Übersetzung wörtlich: „im jeden Fall“] gelten die Immunitäten der Gerichtsbarkeit der konsularischen und diplomatischen Vertretungen.“

Am 06.03.1998 stellte der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalens dem Kläger einen Dienstausweis aus, wonach der Kläger als Mitglied des Verwaltungspersonals des italienischen Konsulats zu E geführt wird (Bl. 246 GA). Mit „Beschluss zur Übertragung von Konsularfunktionen Nr. 10/99“ vom 12.04.1999 wurde der Kläger durch den italienischen Konsul in E bevollmächtigt, Konsularfunktionen auszuüben, nämlich die Gewährung von Beihilfen und Geldauszahlungen, Maßnahmen im Bereich der Rückführung italienischer Staatsbürger, die Entgegennahme und Übermittlung von Urkunden betreffend Nachlassangelegenheiten, Erhaltungs-, Aufsichts-, und Verwaltungsakte, sowie die Ausstellung von Bescheinigungen, Beglaubigungen und Legalisierungen (vgl. Bl. 247 GA). Mit „Beschluss zur Übertragung von Konsularfunktionen Nr. 20/00“ vom 18.07.2000 wurde der Kläger ebenfalls zur Ausübung von Konsularfunktionen bevollmächtigt. Auch wurde ihm das Recht eingeräumt, eigenständig als Vertragsangestellter tätig zu sein (vgl. Bl. 249 GA). Mit „Beschluss zur Übertragung von Konsularfunktionen Nr. 19/2000“ vom 17.07.2000 wurde der Kläger als eigenständig arbeitender Vertragsangestellter bevollmächtigt, in Abwesenheit des Vertragsangestellten D eigenständig notarielle Urkunden, Bescheinigungen, Beglaubigungen und Legalisierungen auszustellen sowie das Register der italienischen Staatsangehörigen und das Unterschriftenregister der örtlichen Behörden zu führen (vgl. Bl. 251 GA). Mit „Beschluss zur Übertragung von Konsularfunktionen Nr. 9/2001“ vom 12.01.2001 wurde der Kläger wiederum zur Ausübung von Konsularfunktionen bevollmächtigt. Dies sind Aufgaben im Renten- und Gesundheitswesen, die Entgegennahme und Übermittlung von Urkunden betreffend Nachlassangelegenheiten, Erhaltungs-, Aufsichts- und Verwaltungsakte sowie die Rechtsberatung und Unterstützung Strafgefangener (vgl. Bl. 253 GA) Mit „Dienstanweisung Nr. 1/2001“ vom 25.01.2001 ist dem Kläger für den Bereich Sozialabteilung als Verantwortlicher dieser Abteilung eine Unterschriftsvollmacht erteilt worden (vgl. Bl. 255 GA).

Mit einem nicht unterschriebenen Schreiben vom 04.09.2014, dem Kläger zugegangen am 10.10.2014, teilte die beklagte Partei dem Kläger mit, dass das Arbeitsverhältnis „aufgrund des Artikels 24 des Gesetzesdekretes vom 24.06.2014 Nr. 90, umgewandelt durch das Gesetz Nr. 114 vom 11.08.2014“ bereits zum 31.10.2014 aufgehoben werde (beglaubigte Übersetzung Bl. 131 ff. GA).

Mit seiner am 23.10.2014 beim Arbeitsgericht Dortmund eingegangenen Klage, die er zunächst auch gegen das italienische Konsulat zu E erhoben hat, die sich nunmehr aber ausschließlich gegen die italienische Republik richtet, begehrt der Kläger insbesondere die Feststellung der Unwirksamkeit der „Kündigung“ vom 04.09.2014 und des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses bis zum Renteneintrittsalter im Juli 2015.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass es sich bei dem Schreiben vom 04.09.2014 um eine Kündigung handele. Diese Kündigung sei rechtsgrundlos ergangen, sie sei zudem formunwirksam und unverhältnismäßig. Auch sei die vertragliche Kündigungsfrist nicht eingehalten. Gem. Artikel I des Arbeitsvertrages vom 01.01.1985 sei er als „Hilfskraft“ eingestellt. Da er auch inhaltlich nur Hilfstätigkeiten vorgenommen habe, sei er auch nicht hoheitlich tätig geworden. Denn er sei nicht verbeamtet gewesen und habe auch niemals einen Diplomatenausweis erhalten, welcher ausschließlich den mit hoheitlich-öffentlichen Aufgaben betrauten Mitarbeitern erteilt werde. Er habe lediglich Aufgaben als konsularische Hilfskraft verrichtet; er habe immer den Anweisungen der Vorgesetzten Folge geleistet und habe ohne Eigeninitiative, Entscheidungsbefugnis oder direkte Verantwortung seine Arbeitsaufgaben verrichtet. Insbesondere habe er keine hoheitlichen Befugnisse gehabt, Urkunden jeglicher Art herzustellen oder zu unterschreiben. Er habe lediglich entsprechend seines Arbeitsvertrages die dort ausgeführten Tätigkeiten ausgeübt, nämlich den Fahrdienst, Übersetzungs- und Dolmetschertätigkeiten, Bürohilfskrafttätigkeiten, Kopierdienste, Archiv usw.. Zur Ausübung von hoheitlichen Tätigkeiten sei er auch nicht dienstlich angewiesen worden. Da er keine hoheitlichen Tätigkeiten ausgeübt habe, bestehe keine Staatenimmunität. Diesbezüglich hat sich der Kläger insbesondere auf Artikel 154 des das in der Präambel des Arbeitsvertrages benannten Dekrets des Präsidenten der Republik vom 05.01.1967 Nr. 18 bezogen (s.o.). Die Klage sei somit zulässig.

Der Kläger hat beantragt,
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die schriftliche außerordentliche Kündigung vom 4.9.2014 zum 31.10.2014, dem Kläger am 10.10.2014 zugegangen, nicht aufgelöst worden ist. 2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 31.10.2014 hinaus und bis zum Renteneintrittsalter im Juli 2015 fortbesteht. 3. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Endzeugnis zu erteilen, welches sich auf Führung und Leistung erstreckt.

Die beklagte Partei hat beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die beklagte Partei hat die Auffassung vertreten, es gehe vorliegend um die Versetzung des Klägers in den Ruhestand aufgrund gesetzlicher Vorgaben. Eine derartige Versetzung in den Ruhestand sei nicht an Formalien wie beispielsweise die Unterschrift des Arbeitgebers gebunden. Bei dem Schreiben vom 04.09.2014 handele es sich nicht um eine Kündigung sondern um einen Hinweis auf geltendes Recht, der – im Gegensatz zu einer Kündigung – nicht an Formalien gebunden sei. Der Kläger habe nahezu ausschließlich hoheitliche Tätigkeiten ausgeübt. Er sei im Konsulat als Verwaltungsassistent eingestellt worden und sei somit im Rahmen seiner Tätigkeit in verschiedenen verwaltenden Bereichen tätig gewesen wie Einwanderung, Sozialdienst, Aufgaben des Einwohnermeldeamtes und des Standesamtes. Zudem sei er zuständig gewesen für die Eintragung von Geburtsurkunden und Sterbebescheinigungen und sei mit der Beratung der italienischen Mitbürger und mit der Korrespondenz mit lokalen und italienischen Behörden beauftragt gewesen. Dafür, dass der Kläger mit hoheitlichen Aufgaben betraut gewesen sei, spreche auch der Dienstausweis vom 06.03.1998. Hätte der Kläger tatsächlich nur niedere Arbeiten verrichten müssen, wäre er nicht als sog. Verwaltungspersonal rechtlich eingestuft worden und hätte nicht den erteilten Ausweis erhalten. Auch aus den Beschlüssen zur Übertragung von Konsularfunktionen und den hiermit einhergehenden Bevollmächtigungen ergebe sich, dass der Kläger hoheitlich tätig gewesen sei. Der Kläger habe von den ihm eingeräumten Kompetenzen kontinuierlich Gebrauch gemacht.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 10.03.2016 als unzulässig abgewiesen. Nach § 20 Abs. 2 GVG sei die deutsche Gerichtsbarkeit nicht gegeben. Der Kläger habe originär konsularische und damit hoheitliche Aufgaben wahrgenommen. Dem für die Zulässigkeit der Klage darlegungsbelasteten Kläger sei es nicht gelungen, in ausreichendem Maß darzulegen, dass er keine hoheitlichen Tätigkeiten ausgeübt habe. Eine detaillierte und konkrete Beschreibung seiner tatsächlichen Aufgaben enthalte der Sachvortrag des Klägers nicht. Demgegenüber habe die beklagte Partei den Dienstausweis und die diversen Bevollmächtigungen des Klägers vorgelegt. Die Zulässigkeit der Klage folge nicht aus Art. 154 des Dekrets vom 05.01.1967 Nr. 18. Ersichtlich sei diese Regelung nachträglich geändert worden; dazu trage der Kläger nichts vor. Die vom Kläger zu Art. 154 vorgelegte Übersetzung stamme nicht von einem ermächtigten Übersetzer für die italienische Sprache sondern von dem Kläger selbst und sei deshalb lediglich Parteivortrag. Außerdem stehe die Regelung „unter Vorbehalt des internationalen und vertraglichen Rechts für etwaige Streitigkeiten …“. Die Klage sei unzulässig. Ob überhaupt ein Rechtsschutzbedürfnis bestehe, weil die beklagte Partei sich zu keinem Zeitpunkt auf eine Kündigung berufen habe, könne dahinstehen.

Das Urteil ist dem Kläger am 29.03.2016 zugestellt worden. Der Kläger hat am 07.04.2016 Berufung eingelegt und die Berufung am 13.05.2016 begründet.

Der Kläger wendet ein, unzutreffend sei das Arbeitsgericht vom Fehlen der deutschen Gerichtsbarkeit ausgegangen. Das Arbeitsgericht habe die Präambel des Vertrags mit dem Hinweis auf D.P.R vom 05.01.1967 Nr. 18 mit der dortigen Verweisung bezüglich des anzuwendenden Rechts und des Gerichtsstands nicht zutreffend berücksichtigt. Danach sei das Recht des Beschäftigungsorts anzuwenden und etwaige Rechtsstreitigkeiten seien am Ort der Beschäftigung auszutragen. Die Verweisung der zitierten Norm in der Präambel des Arbeitsvertrags lege ausdrücklich einen Verzicht auf die Staatenimmunität der beklagten Partei dar. Ohne Ermittlung des zutreffenden Textes hätte das Arbeitsgericht die Übersetzung nicht zurückweisen dürfen.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund (4 Ca 4214/14) vom 10.03.2016 abzuändern und die beklagte Partei zu verurteilen: 1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die schriftliche außerordentliche Kündigung vom 4.9.2014 zum 31.10.2014, dem Kläger am 10.10.2014 zugegangen, nicht aufgelöst worden ist. 2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 31.10.2014 hinaus und bis zum Renteneintrittsalter im Juli 2015 fortbesteht. 3. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Endzeugnis zu erteilen, welches sich auf Führung und Leistung erstreckt.

Die beklagte Partei beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die beklagte Partei verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Der Kläger habe die als Anlage K 6 eingereichten Unterlagen nur in italienischer Sprache vorgelegt. Der Kläger argumentiere widersprüchlich, wenn er sich einerseits bezüglich der Verlängerung seines Arbeitsvertrages auf die italienische Gesetzeslage berufe und andererseits behaupte, das deutsche Recht finde Anwendung. Zutreffend habe das Arbeitsgericht festgestellt, dass die Klage unzulässig sei. Das Verfahren sei gemäß § 20 Abs. 2 GVG der deutschen Gerichtsbarkeit nicht unterworfen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

Die Berufung bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage durch Prozessurteil mit der Begründung abgewiesen, dass der Rechtsstreit nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegt.

1. Die Eröffnung der deutschen Gerichtsbarkeit ist eine allgemeine Verfahrensvoraussetzung. Ihr Bestehen und ihre Grenzen sind als Rechtsfragen in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen. Die Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit stellt ein Verfahrenshindernis dar. Genießt die beklagte Partei Immunität und hat sie hierauf nicht verzichtet, ist die Klage durch Prozessurteil abzuweisen ( BAG 12.08.2015 – 7 AZR 930/11 – AP GVG § 20 Nr. 10 = NZA-RR 2016,325 [BAG 12.08.2015 – 7 AZR 930/11] ; BAG 18.12.2014 – 2 AZR 1004/13 – AP GVG § 20 Nr. 9 = NZA-RR 546).

2. Nach § 19 Abs. 1 GVG sind Mitglieder der im Geltungsbereich des GVG errichteten konsularischen Vertretungen einschließlich der Wahlkonsularbeamten nach Maßgabe des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen vom 24.04.1963 von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit. Nach § 20 Abs. 2 GVG erstreckt sich die deutsche Gerichtsbarkeit im Übrigen auch nicht auf andere als die in den §§ 18 und 19 GVG genannten Personen, soweit diese nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, auf Grund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder sonstiger Rechtsvorschriften von ihr befreit sind.

Nach § 20 Abs. 2 GVG i. V. m. dem Allgemeinen Völkergewohnheitsrecht als Bestandteil des Bundesrechts (Art. 25 GG) sind Staaten der Gerichtsbarkeit anderer Staaten insoweit nicht unterworfen, wie ihre hoheitliche Tätigkeit betroffen ist. Es ist mit dem Prinzip der souveränen Gleichheit von Staaten und dem daraus abgeleiteten Rechtsprinzip, dass Staaten nicht übereinander zu Gericht sitzen, nicht zu vereinbaren, dass ein deutsches Gericht hoheitliches Handeln eines anderen Staates rechtlich überprüft ( BAG 18.12.2014 – 2 AZR 1004/13 – AP GVG § 20 Nr. 9 = NZA-RR 546 mwN; BVerfG 17.03.2014 – 2 BvR 736/13 – NJW 2014, 1723 = EzA § 20 GVG Nr. 10 ). Andernfalls könnte die rechtliche Prüfung durch die inländischen Gerichte eine Beurteilung des hoheitlichen Handelns erfordern mit der Folge, dass die ungehinderte Erfüllung der Aufgaben der Botschaft oder des Konsulats des anderen Staates beeinträchtigt wäre. Demgegenüber besteht keine allgemeine Regel des Völkerrechts, welche die inländische Gerichtsbarkeit für Klagen gegen einen ausländischen Staat ausschlösse, in denen seine nicht-hoheitliche Betätigung zur Beurteilung steht (BAG 18.12.2014 aaO mwN). Die Abgrenzung zwischen hoheitlicher und nicht-hoheitlicher Staatstätigkeit richtet sich nach dem rechtlichen Charakter der umstrittenen staatlichen Handlung oder des streitigen Rechtsverhältnisses. Es kommt darauf an, ob der ausländische Staat in Ausübung der ihm zustehenden Hoheitsgewalt oder wie eine Privatperson tätig geworden ist. In Ermangelung völkerrechtlicher Unterscheidungsmerkmale ist diese Abgrenzung grundsätzlich nach dem Recht am Sitz des entscheidenden Gerichts vorzunehmen. Ungeachtet seiner ist stets hoheitlich nur das staatliche Handeln, das dem Kernbereich der Staatsgewalt zuzurechnen ist. Zu ihm gehören die Betätigung der auswärtigen und militärischen Gewalt, die Gesetzgebung, die Ausübung der Polizeigewalt und die Rechtspflege (BAG 18.12.2014 aaO mwN).

Für die Einordnung arbeitsrechtlicher Streitigkeiten zwischen ausländischen Staaten und dem in deren Vertretungen beschäftigten Personal ist deshalb maßgebend, ob die dem Arbeitnehmer übertragenen Aufgaben ihrer Art nach hoheitlich oder nicht-hoheitlich sind. Dies wiederum richtet sich nicht nach der rechtlichen Form der Rechtsbeziehung als entweder privatrechtlicher Vertrag oder öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis. Vielmehr kommt es auf den Inhalt der ausgeübten Tätigkeit und deren funktionalen Zusammenhang mit diplomatischen und konsularischen Aufgaben an (BAG 18.12.2014 aaO mwN). Dem entspricht mit Blick auf Art. 6 EMRK die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der darauf abstellt, ob die Aufgaben des Arbeitnehmers objektiv etwas mit hoheitlichen Interessen des ausländischen Staates zu tun haben (BAG 18.12.2014 aaO mwN unter Hinweis auf. EGMR 29. Juni 2011 – 34869/05 – Rn. 62).

Die Frage, welche Partei die objektive Beweislast für die Eröffnung der bzw. die Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit trägt, wird nicht einheitlich beantwortet. Das Bundesarbeitsgericht hat angenommen, die klagende Partei sei im Erkenntnisverfahren nach den allgemeinen Regeln für die Eröffnung der deutschen Gerichtsbarkeit darlegungs- und beweispflichtig (BAG 18.12.2014 aaO; BAG 3.07.1996 – 2 AZR 513/95 – ). Das Bundesverfassungsgericht hat die Frage offengelassen ( BVerfG 13.12.1977 – 2 BvM 1/76 – BVerfGE 46, 342). Der Bundesgerichtshof geht für Fälle, in denen sich der ausländische Staat auf Vollstreckungsimmunität beruft, von einer diesen treffenden Darlegungs- und Beweislast aus, billigt ihm aber Darlegungserleichterungen zu ( BGH 1.10.2009 – VII ZB 37/08 – ). Im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, der sich auf seine Immunität berufende Staat sei für deren Voraussetzungen darlegungs- und beweispflichtig. Die Immunität sei eine Ausnahme vom Grundsatz der unbeschränkten Gerichtsbarkeit („in dubio pro jurisdictione, non pro immunitate“, Geimer Internationales Zivilprozessrecht 6. Aufl. 2009, Rn. 527 = S. 244 mwN). Die Gegenmeinung verweist auf die ihm günstige Ausgangsposition des ausländischen Staates, der sich auf ein Verfahren, in dem er Immunität genieße, grundsätzlich nicht einzulassen brauche (Nagel/Gottwald Internationales Zivilprozessrecht 7. Aufl. § 2 Rn. 45).

3. Nach diesen Grundsätzen ist der Zugang zur deutschen Gerichtsbarkeit nicht eröffnet.

a) Wie im Urteil des BAG vom 18.12.2014 kann auch im hier zu entscheidenden Fall letztlich dahingestellt bleiben, wer in Fällen der Staatenimmunität die Darlegungslast trägt. Unabhängig davon ist hier von der Wahrnehmung hoheitlicher Funktionen durch den Kläger auszugehen, was den Zugang zur deutschen Gerichtsbarkeit ausschließt.

aa) Denn unabhängig von der Verteilung der objektiven Beweislast dürfen an eine daraus resultierende – sei es eine primäre, sei es sekundäre – Erklärungspflicht des ausländischen Staates keine hohen Anforderungen gestellt werden. Es reicht zunächst aus, dass der ausländische Staat eine Tätigkeit des klagenden Arbeitnehmers aufzeigt, die prima facie einen funktionalen Zusammenhang mit konsularischen Aufgaben indiziert. Das folgt aus dem mit der Staatenimmunität verfolgten Ziel. Die Anforderungen an die Substantiierungslast im Prozess dürfen nicht dazu führen, dass der Staat, der sich auf Immunität beruft, auf prozessrechtlichem Wege zur Aufgabe des ihm eingeräumten Vorrechts gezwungen wird, indem er Einzelheiten der behaupteten – hoheitlichen – Tätigkeit preisgeben müsste (BAG 18.12.2014 aaO mwN). Hat der Staat sich auf die Erbringung von Aufgaben berufen, deren funktionaler Zusammenhang mit dem hoheitlichen Aufgabenbereich der Botschaft oder des Konsulats nahe liegt, so bedarf es zunächst keiner weiter gehenden Erläuterung des Staates, worin die fraglichen Aufgaben konkret bestehen. Will der Arbeitnehmer dieser Indizwirkung entgegentreten, muss er Umstände aufzeigen, die gegen den hoheitlichen Charakter der Tätigkeit sprechen. Durch eine solche Erklärungspflicht wird er nicht überfordert, weil er – wenn das Arbeitsverhältnis aktiv gelebt worden ist – hinreichenden Einblick in die für die Beurteilung maßgebenden Tatsachen hat (BAG 18.12.2014 aaO mwN).

bb) Die beklagte Partei hat hier durch Vorlage der verschiedenen Bevollmächtigungen / Erklärungen aus den Jahren 1999, 2000, 2001und 2005 hinreichend dargelegt, dass der Aufgabenkreis des Klägers im funktionalen Zusammenhang mit hoheitlichen konsularischen Aufgaben stand (Konsularfunktionen wie beispielsweise: Maßnahmen zur Rückführung italienischer Staatsangehöriger; Ausstellung von Bescheinigungen [ausgenommen italienische Staatsangehörigkeitsbescheinigungen], Beglaubigungen und Legalisierungen; Ausstellung notarieller Urkunden, beschränkt auf Beglaubigungen sowie General- und Sondervollmachten; Aufgaben im Renten- und Gesundheitswesen; Rechtsberatung und Unterstützung Strafgefangener; Unterschriftsvollmacht als Verantwortlicher Sozialabteilung; bescheinigte Diensttätigkeiten: Passabteilung, Wehrdienstabteilung, Visastelle u.a.; etc.) (ebenso in einem vergleichbaren Fall eines konsularischen Sekretärs: LAG Köln 19.01.2016 – 12 Sa 319/15 – bei Tätigkeit als Sekretär). Dieser zureichenden Darlegung der Wahrnehmung hoheitlicher Funktionen ist der Kläger nicht in beachtlicher Weise entgegengetreten. Er hat die von ihm an den konkreten einzelnen Arbeitstagen wahrgenommenen Arbeitstätigkeiten nicht konkret benannt und beschrieben. Nach den oben dargestellten Grundsätzen zur Darlegungslast zur Frage der Staatenimmunität nach § 20 Abs. 2 GVG ist der Kläger damit den erheblichen tatsächlichen Darlegungen der beklagten Partei nicht in rechtlich beachtlicher Weise entgegengetreten.

b) Die beklagte Partei hat nicht auf den Einwand der Staatenimmunität verzichtet. Vielmehr haben die Parteien in XV des Arbeitsvertrages sogar ausdrücklich vereinbart, dass in jedem Fall die Immunitäten der Gerichtsbarkeit der konsularischen und diplomatischen Vertretungen gelten (Bl. 108 GA). Das in der Präambel des Vertrags aufgeführte Dekret des Präsidenten der Republik vom 05.01.1967 Nr. 18 steht der Vereinbarung in XV des Arbeitsvertrags nicht entgegen. Die Zuständigkeit des Gerichts am Ort der Beschäftigung ist in Art. 154 des Dekrets nur für den Fall vorgesehen, dass die Angelegenheit im Vertrag nicht ausdrücklich anders geregelt ist (Bl. 262 GA).

c) Etwas anderes folgt schließlich nicht aus dem Gesetz zum Europäischen Übereinkommen vom 16.05.1972 über Staatenimmunität vom 22.01.1990 (BGBl. 1990 Teil II, 34 / von Italien nicht ratifiziert [wikipedia]). Nach Art. 5 Abs. 1 des Übereinkommens vom 16.05.1972 kann ein Vertragsstaat vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats Immunität von der Gerichtsbarkeit nicht beanspruchen, wenn das Verfahren einen zwischen dem Staat und einer natürlichen Person geschlossenen Arbeitsvertrag betrifft und die Arbeit im Gerichtsstaat zu leisten ist. Art. 5 Abs. 1 des Übereinkommens ist nach Art. 5 Abs. 2 a) des Übereinkommens jedoch nicht anzuwenden, wenn die natürliche Person im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens die Staatsangehörigkeit des Staates hat, der ihr Arbeitgeber ist. So liegt der Fall hier. Der Kläger ist italienischer Staatsangehöriger. Angesichts dessen muss nicht vertieft werden, ob und inwieweit Italien bei einer Inanspruchnahme vor deutschen Gerichten an die Vorgaben des Übereinkommens vom 16.05.1972 gebunden ist.

4. Als unterlegene Partei hat der Kläger gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache hat die Kammer die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

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