Landgericht Duisburg 6 O 320/20

August 14, 2022

Landgericht Duisburg
6 O 320/20

Tenor:
1. Es wird festgestellt, dass folgende Erhöhungen des Monatsbeitrags in der zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Kranken-/Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer ########## jeweils bis zum 30.04.2021 nicht wirksam geworden sind und der Kläger nicht zur Tragung des jeweiligen Erhöhungsbetrags verpflichtet war:

a) im Tarif KN2 die Erhöhungen zum 01.01.2012 um 72,15 €,zum 01.01.2014 um 39,04 € und zum 01.01.2020 um 62,32 €,

b) im Tarif TNC14 die Erhöhung zum 01.01.2012 um 9,11 €,

c) im Tarif PVBT120 die Erhöhung zum 01.05.2020 um 14,38 €,

d) im Tarif „Pflege“ die Erhöhung zum 01.05.2020 um 2,26 €.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.690,88 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.11.2020 zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie bis zum 04.11.2020 aus den Prämienanteilen gezogen hat, die der Kläger vom 01.01.2017 bis zum 31.08.2020 auf die unter Ziffer 1. aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlt hat.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 74 % und die Beklagte zu 26 % zu tragen.

6. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

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6 O 320/20

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Verkündet am 26.04.2022 , Justizhauptsekretärals Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

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Landgericht DuisburgIM NAMEN DES VOLKESUrteil

3
In dem Rechtsstreit

4
hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Duisburgauf die mündliche Verhandlung vom 15.03.2022durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht E I, den Richter am Landgericht W und die Richterin E E2

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für Recht erkannt:

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1. Es wird festgestellt, dass folgende Erhöhungen des Monatsbeitrags in der zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Kranken-/Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer ########## jeweils bis zum 30.04.2021 nicht wirksam geworden sind und der Kläger nicht zur Tragung des jeweiligen Erhöhungsbetrags verpflichtet war:

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a) im Tarif KN2 die Erhöhungen zum 01.01.2012 um 72,15 €,zum 01.01.2014 um 39,04 € und zum 01.01.2020 um 62,32 €,

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b) im Tarif TNC14 die Erhöhung zum 01.01.2012 um 9,11 €,

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c) im Tarif PVBT120 die Erhöhung zum 01.05.2020 um 14,38 €,

10
d) im Tarif „Pflege“ die Erhöhung zum 01.05.2020 um 2,26 €.

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2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.690,88 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.11.2020 zu zahlen.

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3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie bis zum 04.11.2020 aus den Prämienanteilen gezogen hat, die der Kläger vom 01.01.2017 bis zum 31.08.2020 auf die unter Ziffer 1. aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlt hat.

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4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

14
5. Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 74 % und die Beklagte zu 26 % zu tragen.

15
6. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

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Tatbestand:

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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragsanpassungen in der privaten Krankenversicherung des Klägers.

18
Der bei der Beklagten kranken- und pflegeversicherte Kläger unterhält in der Krankheitskostenversicherung unter anderem die Tarife KN2 und TNC14 sowie eine Pflegetagegeldversicherung (Tarif PVTB120). Daneben unterhält er für die mitversicherte Person H unter anderem eine ergänzende Pflegeversicherung zur gesetzlichen Pflegeversicherung (Tarif „Pflege“). Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (RB/KK 2009) nebst Tarifbedingungen (TB/KK 2009), die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Pflegekrankenversicherung (RB/PV 94) nebst Tarifbedingungen (TB/PV) sowie die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die geförderte ergänzende Pflegeversicherung zur gesetzlichen Pflegeversicherung (MB/GEPV 2017) nebst Tarifbedingungen (TB/GEPV 2017) zugrunde, wegen deren Inhalts auf die Anlagenkonvolute BLD 5 und BLD 6 Bezug genommen wird.

19
Zum 01.01.2012, 01.01.2014, 01.01.2015, 01.01.2016, 01.01.2020 und 01.05.2020 erhöhte die Beklagte die Monatsbeiträge um die im Klageantrag zu 1. aufgeführten Beträge. Die Beitragserhöhungen kündigte die Beklagte jeweils im Laufe des dem Vormonat der beabsichtigten Beitragsanpassung vorausgehenden Monats mit einem Anschreiben an, dem jeweils ein Nachtrag zum Versicherungsschein und ein Informationsblatt beigefügt waren, wegen deren Inhalts auf das Anlagenkonvolut BLD 7 Bezug genommen wird. In den Tarifen KN2 und PVTB120 gewährte die Beklagte dem Kläger zur Abmilderung der Beitragserhöhungen zeitlich befristete Gutschriften aus den erfolgsabhängigen Rückstellungen für Beitragsrückerstattung (sog. Limitierungsmittel). Seit dem 01.05.2020 zahlte der Kläger einen monatlichen Gesamtbeitrag in Höhe von 740,02 €, wovon 49,91 € auf die Pflegepflichtversicherung (Tarif PVN) entfielen.

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Der Kläger behauptet eine weitere Beitragserhöhung im Tarif KN2 um 12,07 € zum 01.01.2013 und hält sämtliche Beitragserhöhungen mangels ordnungsgemäßer Begründung für formell unwirksam. Die Beitragserhöhungen im Tarif KN2 zum 01.01.2014 und 01.01.2020 sowie im Tarif „Pflege“ zum 01.05.2020 hält er mangels wirksamer Rechtsgrundlage auch materiell für unwirksam. Mit Anwaltsschreiben vom 31.08.2020 ließ er die Beklagte unter Fristsetzung zur Rückzahlung seiner Ansicht nach überzahlter Beträge und der daraus gezogenen Nutzungen auffordern.

21
Mit der am 06.10.2020 eingegangenen und am 04.11.2020 zugestellten Klage beantragt der Kläger, nachdem er die ursprünglichen Anträge zu 1. und 2. teilweise zurückgenommen hat, zuletzt,

22
1. festzustellen, dass folgende Erhöhungen des Monatsbeitrags in der zwischen ihm und der Beklagten bestehenden Kranken-/Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer ########## unwirksam sind:

23
a) in den Tarifen für S

24
aa) im Tarif KN2 die Erhöhung zum 01.01.2012 in Höhe von 72,15 €,

25
bb) im Tarif TNC14 die Erhöhung zum 01.01.2012 in Höhe von 9,11 €,

26
cc) im Tarif KN2 die Erhöhung zum 01.01.2013 in Höhe von 12,07 €,

27
dd) im Tarif KN2 die Erhöhung zum 01.01.2014 in Höhe von 39,04 €,

28
ee) im Tarif KN2 die Erhöhung zum 01.01.2020 in Höhe von 62,32 €,

29
ff) im Tarif PVTB120 die Erhöhung zum 01.05.2020 in Höhe von 14,38 €,

30
b) in den Tarifen für H

31
aa) im Tarif Pflege die Erhöhung zum 01.05.2020 in Höhe von 2,26 €,

32
und er nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet ist,

33
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 12.475,99 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen,

34
3. festzustellen, dass die Beklagte

35
a) ihm zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie aus dem Prämienanteil gezogen hat, den er auf die unter 1. aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlt hat,

36
b) die nach 3. a) herauszugebenden Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu verzinsen hat,

37
4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 1.314,28 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit für die außergerichtliche anwaltliche Rechtsverfolgung zu zahlen.

38
Die Beklagte beantragt,

39
die Klage abzuweisen.

40
Sie verteidigt die Beitragserhöhungen und redet Verjährung ein.

41
In der Klageerwiderung vom 19.02.2021, die den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 02.03.2021 zugestellt worden ist, hat die Beklagte unwidersprochen mitgeteilt, dass die streitgegenständlichen Beitragsanpassungen jeweils durch eine Abweichung der erforderlichen von den kalkulierten Versicherungsleistungen und im Tarif „Pflege“ zusätzlich durch eine Abweichung der Sterbewahrscheinlichkeit um die in der Klageerwiderung mitgeteilten Prozentsätze ausgelöst worden seien.

42
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

43
Entscheidungsgründe:

44
I.

45
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gemäß § 13 GVG auch für die Ansprüche hinsichtlich der Pflegetageldtarife PVTB120 und „Pflege“ eröffnet. Soweit aus den von der Beklagten vorgelegten Versicherungsbedingungen (Anlagenkonvolute BLD 5 und und BLD 6) ersichtlich ist, stellen der Tarif PVTB120 eine freiwillige Ergänzung zu der daneben bestehenden privaten Pflegepflichtversicherung des Klägers (Tarif PVN) und der Tarif „Pflege“ der mitversicherten H eine freiwillige Ergänzung zu deren gesetzlicher Pflegeversicherung dar. Eine abdrängende Sonderzuweisung gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG besteht insoweit nicht, da solche Pflegezusatzversicherungen weder einem Kontrahierungszwang noch inhaltlichen Vorgaben nach dem SGB XI unterliegen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.09.2021, L 4 P 1402/21 B, juris Rn. 20 f.).

46
II.

47
Die Klage hat teilweise Erfolg.

48
1.

49
Der Feststellungsantrag zu 1. ist teils unzulässig. Im Übrigen hat er in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

50
a)

51
Das Feststellungsbegehren zu 1. a) cc) ist unzulässig.

52
Soweit der Kläger die Unwirksamkeit einer vermeintlichen Beitragserhöhung im Tarif KN2 um 12,07 € zum 01.01.2013 festgestellt wissen möchte, fehlt es an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis, da die Beklagte ausweislich der vorgelegten Unterlagen zum 01.01.2013 keine Beitragserhöhung (und entgegen ihrer Darstellung auch keine Neuberechnung der Limitierungsmittel) vorgenommen hat. Vielmehr ergibt sich aus einem Vergleich des Nachtrags zum Versicherungsschein vom November 2011 in Verbindung mit dem gesondertem Anschreiben vom November 2011 (Anlage BLD 7-1) und dem Nachtrag zum Versicherungsschein vom November 2012 (Anlage BLD 7-5), dass sowohl der monatlich zu zahlende Tarifbeitrag (445,57 €) als auch die monatliche Gutschrift aus Limitierungsmitteln (12,07 €) unverändert blieben.

53
b)

54
Die übrigen Feststellungsbegehren sind zulässig und teilweise begründet.

55
aa)

56
Ein feststellungsfähiges gegenwärtiges Rechtsverhältnis liegt insoweit vor, da allein mit dem daneben erstrebten Leistungsurteil auf Rückzahlung überzahlter Beiträge nicht rechtskräftig festgestellt wäre, dass der Kläger zukünftig nicht zur Zahlung des sich aus der Beitragsanpassung ergebenden Erhöhungsbetrags verpflichtet ist (vgl. BGH, Urteil vom 19.12.2018, IV ZR 255/17, Rn. 17; Urteil vom 16.12.2020, IV ZR 294/19, Rn. 19 f.).

57
bb)

58
Die Feststellungsbegehren sind in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, weil sämtliche streitgegenständlichen Beitragsanpassungen erst zum 01.05.2021 wirksam geworden sind und der Kläger bis zu diesem Zeitpunkt nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrags verpflichtet war.

59
(1)

60
Die materielle Berechtigung der Beitragsanpassungen begegnet keinen Zweifeln.

61
(a)

62
Gemäß § 203 Abs. 2 S. 1 und S. 4 VVG i. V. m. § 155 Abs. 3 S. 1 und 2 VAG ist der Versicherer bei einer Krankenversicherung, in der das ordentliche Kündigungsrecht des Versicherers gesetzlich oder vertraglich ausgeschlossen ist, berechtigt, die Prämie neu festzusetzen, wenn eine Gegenüberstellung der erforderlichen mit den kalkulierten Versicherungsleistungen für einen Tarif eine nicht nur als vorübergehend anzusehende Abweichung von mehr als 10 %, sofern nicht in den allgemeinen Versicherungsbedingungen ein geringerer Prozentsatz vorgesehen ist, ergibt und ein unabhängiger Treuhänder die technischen Berechnungsgrundlagen überprüft und der Prämienanpassung zugestimmt hat. Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass sie in Bezug auf die streitgegenständlichen Tarife entsprechende Abweichungen festgestellt habe und ein unabhängiger Treuhänder den Beitragsanpassungen zugestimmt habe.

63
(b)

64
Soweit die Veränderung der Rechnungsgrundlage „Versicherungsleistungen“ in den Tarifen KN2 und „Pflege“ unterhalb des in § 155 Abs. 3 S. 2 VAG vorgesehenen Schwellenwerts von 10 % lag, finden die Beitragsanpassungen ihre Rechtsgrundlage in den Regelungen des § 11 Abs. 1 RB/KK i. V. m. § 10 TB/KK und des § 11 Abs. 1 MB/GEPV 2017, mit denen die Beklagte von der in § 155 Abs. 3 S. 2 VAG vorgesehenen Befugnis Gebrauch gemacht hat, dass in allgemeinen Versicherungsbedingungen ein geringerer Prozentsatz als 10 % vorgesehen werden kann. Die Wirksamkeit dieser Klauseln begegnet keinen durchgreifenden Bedenken.

65
Es kann insoweit dahinstehen, ob § 11 Abs. 2 RB/KK, der eine Beitragsanpassung abweichend von § 203 Abs. 2 VVG und § 12b Abs. 2 S. 2 VAG a. F. bzw. § 155 Abs. 3 S. 2 VAG auch dann zu ermöglichen scheint, wenn die Veränderung der Versicherungsleistungen als nur vorübergehend anzusehen ist, wegen der darin liegenden Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung gemäß § 307 Abs. 1 und 2 BGB unwirksam ist (vgl. zu § 8b MB/KK 2009: Köln, Urteil vom 22.09.2020, 9 U 237/19, juris Rn. 66; Urteil vom 07.09.2021, I-9 U 199/20, juris Rn. 59 f.; OLG Rostock, Urteil vom 08.12.2021, 4 U 90/21, juris Rn. 14; OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 13.12.2021, 16 U 94/21, juris Rn. 21 ff.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 17.02.2022, 12 U 202/21, juris Rn. 106; OLG Dresden, Urteil vom 22.02.2022, 4 U 1712/21, juris Rn. 44). Denn die Unwirksamkeit dieser Regelung hat entgegen der – auf die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Köln (Urteil vom 22.09.2020, 9 U 237/19, juris Rn. 68; Urteil vom 07.09.2021, I-9 U 199/20, juris Rn. 61 f.; Urteil vom 08.03.2022, 20 U 105/21, juris Rn. 41 ff.; dem folgend OLG Rostock, a. a. O., Rn. 15) gestützten – Auffassung des Klägers nicht die Unwirksamkeit des § 11 Abs. 1 RB/KK zur Folge.

66
Gemäß § 306 Abs. 1 BGB bleibt der Vertrag dann, wenn Allgemeine Geschäftsbedingungen teilweise unwirksam sind, im Übrigen rechtsbeständig. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können inhaltlich voneinander trennbare, einzeln aus sich heraus verständliche Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch dann Gegenstand einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung sein, wenn sie in einem äußeren sprachlichen Zusammenhang mit anderen – unwirksamen – Regelungen stehen. Nur wenn der als wirksam anzusehende Teil im Gesamtgefüge des Vertrages nicht mehr sinnvoll, insbesondere der als unwirksam beanstandete Klauselteil von so einschneidender Bedeutung ist, dass von einer gänzlich neuen, von der bisherigen völlig abweichenden Vertragsgestaltung gesprochen werden muss, ergreift die Unwirksamkeit der Teilklausel die Gesamtklausel. Die inhaltliche Trennbarkeit einer Klausel und damit die Möglichkeit ihrer Zerlegung in einen inhaltlich zulässigen und einen inhaltlich unzulässigen Teil ist immer dann gegeben, wenn der unwirksame Teil der Klausel gestrichen werden kann, ohne dass der Sinn des anderen Teils darunter leidet (sog. blue-pencil-test); ob beide Bestimmungen den gleichen Regelungsgegenstand betreffen, ist dabei unerheblich (BGH, Urteil vom 13.02.2020, IX ZR 140/19, Rn. 26 m. w. N.; Urteil vom 31.03.2021, IV ZR 221/19, Rn. 64 m. w. N.).

67
Hiervon ausgehend, bliebe auch bei Streichung des § 11 Abs. 2 RB/KK ein selbstständiger Regelungsgehalt des § 11 Abs. 1 RB/KK bestehen. Die Absenkung des Schwellenwerts (Abs. 1) und die Erweiterung des Rechts zur Beitragsanpassung (Abs. 2) bei einer nur vorübergehenden Veränderung der Versicherungsleistungen sind von ihrem Regelungsgehalt her klar voneinander abgrenzbar. § 11 Abs. 1 RB/KK bleibt auch „isoliert“ aus sich heraus verständlich und sinnvoll. Aus dem Umstand, dass das gesetzliche Erfordernis einer nicht nur vorübergehenden Veränderung der Versicherungsleistungen dort nicht ausdrücklich erwähnt wird, kann nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass entgegen der gesetzlichen Regelung eine Beitragsanpassung bereits dann erfolgen können soll, wenn die Veränderung nur vorübergehend ist. Vielmehr liegt eine Regelungslücke vor, die durch die Anwendung zwingenden Gesetzesrechts zu schließen ist, indem der – hier nur unterstellt – unwirksame Teil der Klausel (Abs. 2) durch die gesetzliche Regelung des § 203 Abs. 2 VVG ersetzt wird. Eine Wiederholung sämtlicher gesetzlicher Voraussetzungen für eine Beitragsanpassung innerhalb der vertraglichen Regelung des § 11 RB/KK selbst ist – auch mit Blick auf den durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmer – nicht erforderlich (vgl. zu § 8b MB/KK 2009: OLG Stuttgart, Urteil vom 18.11.2021, 7 U 244/21, juris Rn. 75; OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 13.12.2021, 16 U 94/21, juris Rn. 25; OLG Dresden, Urteil vom 21.12.2021, 6 U 1127/21, juris Rn. 42 unter Bezugnahme auf eine unveröffentlichte Verfügung des OLG Hamburg vom 12.11.2021; Urteil vom 22.02.2022, 4 U 1712/21, juris Rn. 43 ff.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 17.02.2022, 12 U 202/21, juris Rn. 109 f.).

68
Im Tarif „Pflege“ stellt sich die vorstehende Problematik nicht, weil § 11 MB/GEPV eine dem § 11 Abs. 2 RB/KK entsprechende Regelung nicht enthält.

69
(c)

70
Die Beklagte war auch berechtigt, im Tarif KN2 zum 01.01.2020 eine Beitragserhöhung vorzunehmen, obwohl die Leistungsausgaben gesunken waren. Gemäß § 203 Abs. 2 S. 1 VVG i. V. m. § 155 Abs. 3 S. 1 und 2 VAG wird die Überprüfung der Prämie durch jede nicht nur als vorübergehend anzusehende Abweichung der erforderlichen von den kalkulierten Versicherungsleistungen um mehr als den festgelegten Prozentsatz ausgelöst, unabhängig davon, ob die Veränderung in Gestalt einer Steigerung oder einer Verringerung eingetreten ist (BGH, Urteil vom 20.10.2021, IV ZR 148/20, Rn. 30). Dies hat zur Folge, dass es trotz einer Veränderung des auslösenden Faktors nach unten im Ergebnis zu einer Prämienerhöhung kommen kann, sofern sich die übrigen bei der Neukalkulation zu berücksichtigenden Rechnungsgrundlagen prämienerhöhend verändert haben (vgl. OLG Köln, Urteil vom 17.10.2020, 9 U 74/20, juris Rn. 52; OLG Celle, Urteil vom 13.01.2022, 8 U 134/21, juris Rn. 69; OLG Dresden, Urteil vom 22.02.2022, 4 U 1712/21, juris Rn. 50 ff. unter Bezugnahme auf einen unveröffentlichten Hinweisbeschluss des OLG Nürnberg vom 30.01.2019, 8 U 1482/18; LG Wuppertal, Urteil vom 29.07.2021, 4 O 409/20, juris Rn. 90 f.; Brand, in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2020, § 203 Rn. 32 m. w. N.).

71
(2)

72
Gemäß § 203 Abs. 5 VVG werden die Neufestsetzung der Prämie und die Änderungen nach § 203 Abs. 2 und 3 VVG zu Beginn des zweiten Monats wirksam, der auf die Mitteilung der Neufestsetzung oder der Änderungen und der hierfür maßgeblichen Gründe an den Versicherungsnehmer folgt.

73
Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfordert die Mitteilung der maßgeblichen Gründe nicht mehr und nicht weniger als die – auf die konkret in Rede stehende Prämienanpassung bezogene – Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 S. 1 VVG veranlasst hat. Es müssen nicht alle Gründe der Beitragserhöhung genannt werden, sondern nur die für die Prämienanpassung entscheidenden Umstände. In diesem Sinne entscheidend ist nur, ob eine Veränderung der erforderlichen gegenüber den kalkulierten Versicherungsleistungen oder Sterbewahrscheinlichkeiten die in § 155 Abs. 3 und 4 VAG oder in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelten Schwellenwerte überschreitet oder nicht (BGH, Urteil vom 16.12.2020, IV ZR 294/19, Rn. 26 ff.). Während die Angabe, dass ein vorab festgelegter Schwellenwert über- oder unterschritten worden ist, zum notwendigen Begründungsumfang gehört (vgl. BGH, Urteil vom 23.06.2020, IV ZR 250/20, Rn. 18; Urteil vom 21.07.2021, IV ZR 191/20, Rn. 26; OLG Celle, Urteil vom 13.01.2022, 8 U 134/21, juris Rn. 122; OLG Dresden, Urteil vom 22.02.2022, 4 U 1711/21, juris Rn. 5), muss der Versicherer weder die Rechtsgrundlage des geltenden Schwellenwerts noch die genaue Höhe der Veränderung der Rechnungsgrundlage mitteilen. Ebenso wenig hat er die Veränderung weiterer Faktoren, welche die Prämienhöhe beeinflusst haben, wie z. B. des Rechnungszinses, anzugeben (BGH, Urteil vom 16.12.2020, IV ZR 294/19, Rn. 26 ff.). Die Mitteilungspflicht erfüllt so den Zweck, dem Versicherungsnehmer zu verdeutlichen, dass weder sein individuelles Verhalten noch eine freie Entscheidung des Versicherers Grund für die Beitragserhöhung war, sondern dass eine bestimmte Veränderung der Umstände dies aufgrund gesetzlicher Regelungen veranlasst hat (BGH, a. a. O., Rn. 35). Da die Überprüfung der Prämie unabhängig von dem Umstand ausgelöst wird, ob die über den Schwellenwert hinausreichende Veränderung in Gestalt einer Steigerung oder einer Verringerung eingetreten ist, und die Mitteilungspflicht nicht den Zweck hat, dem Versicherungsnehmer eine Plausibilitätskontrolle der Prämienanpassung zu ermöglichen (BGH, a. a. O., Rn. 36), ist ein Hinweis des Versicherers darauf, in welche Richtung sich die maßgebliche Rechnungsgrundlage verändert hat, nicht erforderlich (BGH, Urteil vom 20.10.2021, IV ZR 148/20, Rn. 29 f.).

74
Den vorstehenden Anforderungen genügten die dem Kläger mitgeteilten Gründe für die streitgegenständlichen Beitragsanpassungen nicht:

75
(a)

76
In den dem Kläger im November 2011 übersandten Informationen betreffend die Beitragsanpassung zum 01.12.2012 (Anlage BLD 7-1) wird zu den hierfür maßgeblichen Gründen lediglich ausgeführt, dass die Gründe „vielfältig“ seien und „ein Hauptgrund“ darin liege, dass die Ausgaben für Versicherungsleistungen weiter „stark“ angestiegen seien. Diesen Angaben kann ein Versicherungsnehmer weder klar entnehmen, welche Rechnungsgrundlage die Anpassung ausgelöst hat, noch dass insoweit ein vorab festgelegter Schwellenwert überschritten worden ist.

77
(b)

78
Entsprechendes gilt für die dem Kläger im November 2013 übersandten Informationen betreffend die Beitragsanpassung zum 01.01.2014 (Anlage BLD 7-2), wo zu den hierfür maßgeblichen Gründen Folgendes ausgeführt wird: „Sie fragen sich sicher warum Ihre Beiträge steigen: Ein Hauptgrund ist: Die Ausgaben für Versicherungsleistungen sind weiter stark angestiegen. […] Der Gesetzgeber schreibt uns vor, dass wir jedes Jahr die tatsächlich entstandenen Ausgaben für unsere Leistungen mit den Ausgaben vergleichen, die in den Beiträgen einkalkuliert sind. Stellen wir dabei in einem Tarif deutliche Abweichungen fest, müssen wir die Beiträge zum Ausgleich anpassen.“ Damit wird zwar das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren rudimentär erläutert; allerdings ist der Hinweis auf „deutliche Abweichungen“ nicht geeignet, dem Versicherungsnehmer zu verdeutlichen, dass ein vorab festgelegter Schwellenwert überschritten worden ist.

79
(c)

80
In den dem Kläger im November 2019 übersandten Informationen betreffend die Beitragsanpassung zum 01.01.2020 (Anlage BLD 7-3) wird zu den hierfür maßgeblichen Gründen Folgendes ausgeführt: „Wenn in einem Tarif die Ausgaben für Leistungen von den kalkulierten deutlich abweichen und diese Änderung nicht nur vorübergehend ist, müssen wir die Beiträge anpassen. […] In diesem Jahr ist der maßgebliche Grund für die Beitragsanpassung die Abweichung in den Leistungsausgaben.“ Damit wird zwar die maßgebliche Rechnungsgrundlage „Versicherungsleistungen“ hinreichend klar benannt; allerdings fehlt es mit dem Abstellen auf ein „deutliches“ Abweichen erneut an der Angabe, dass ein vorab festgelegter Schwellenwert überschritten worden ist.

81
(d)

82
In den dem Kläger im März 2020 übersandten Informationen betreffend die Beitragsanpassung zum 01.05.2020 (Anlage BLD 7-4) wird zu den hierfür maßgeblichen Gründen Folgendes ausgeführt: „Wenn in einem Tarif die Ausgaben für Leistungen von den kalkulierten deutlich abweichen und diese Änderung nicht nur vorübergehend ist, müssen wir die Beiträge anpassen. Auch Veränderungen der Lebenserwartungen können zu einer Beitragsänderung führen. […] In fast allen von einer Beitragsanpassung betroffenen Tarifen sind Abweichungen in den Leistungsausgaben der maßgebliche Grund für die Beitragsanpassung. Im Tarif central.pflege machen Abweichungen von der zugrunde liegenden Lebenserwartung eine Anpassung erforderlich.“ Damit werden zwar die maßgeblichen Rechnungsgrundlagen „Versicherungsleistungen“ (gleichbedeutend mit „Leistungsausgaben“) und „Sterbewahrscheinlichkeiten“ (gleichbedeutend mit „Lebenserwartung“) hinreichend klar benannt. Allerdings fehlt mit dem Abstellen auf ein „deutliches“ Abweichen der Leistungsausgaben erneut die Angabe, dass insoweit ein vorab festgelegter Schwellenwert überschritten worden ist, während hinsichtlich der Rechnungsgrundlage „Sterbewahrscheinlichkeiten“ sogar der Eindruck erweckt wird, jegliche Veränderung berechtige zu einer Beitragsanpassung. Überdies wird in Bezug auf den Tarif „Pflege“ der Eindruck erweckt, dass ausschließlich eine Veränderung der Rechnungsgrundlage „Sterbewahrscheinlichkeiten“ die Beitragsanpassung ausgelöst habe, obwohl nach den Angaben in der Klageerwiderung auch die Rechnungsgrundlage „Versicherungsleistungen“ den tariflich festgelegten Schwellenwert überschritten hat.

83
(3)

84
Die zunächst unzureichenden Begründungen für die vorgenannten Beitragsanpassungen sind jedoch mit Zustellung der Klageerwiderung an die Prozessbevollmächtigten des Klägers am 02.03.2021 geheilt worden. Wenn eine Mitteilung der Prämienanpassung zunächst ohne eine den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügende Begründung erfolgt, diese aber später nachgeholt wird, wird dadurch die für die Wirksamkeit der Neufestsetzung der Prämie angeordnete Frist in Lauf gesetzt (BGH, Urteil vom 19.12.2018, IV ZR 255/17, Rn. 66; Urteil vom 16.12.2020, IV ZR 294/19, Rn. 41 f.). In der Klageerwiderung hat die Beklagte klargestellt, dass die streitgegenständlichen Beitragsanpassungen jeweils durch eine Änderung der Versicherungsleistungen (bzw. im Tarif „Pflege“ auch der Sterbewahrscheinlichkeit) um die in der Klageerwiderung mitgeteilten Prozentsätze ausgelöst worden seien, und damit dem Begründungserfordernis nach § 203 Abs. 5 VVG genügt. Infolgedessen sind die ursprünglich zum 01.01.2012, 01.01.2014, 01.01.2020 und 01.05.2020 vorgesehenen Prämienerhöhungen ab dem zweiten auf die Zustellung der Klageerwiderung folgenden Monat, d. h. ab dem 01.05.2021, wirksam geworden. Auf den Antrag des Klägers waren daher die Unwirksamkeit der genannten Prämienerhöhungen sowie die fehlende Verpflichtung des Klägers zur Tragung des jeweiligen Erhöhungsbetrags (lediglich) bis zu diesem Zeitpunkt festzustellen.

85
2.

86
Der zulässige Leistungsantrag zu 2. ist jedoch nur in Höhe von 5.690,88 € nebst Prozesszinsen begründet.

87
a)

88
Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB einen Anspruch auf Rückzahlung der Erhöhungsbeiträge, die er seit dem 01.01.2017 bis zum 31.08.2020 aufgrund der aus den oben genannten Gründen unwirksamen Beitragsanpassungen rechtsgrundlos geleistet hat.

89
aa)

90
Soweit die Beklagte dem Kläger zeitlich befristete Gutschriften aus Limitierungsmitteln gewährt hat, errechnet sich der jeweilige Rückzahlungsanspruch nicht – wie die Beklagte offenbar meint – von vornherein aus der Differenz der in den Nachträgen zum Versicherungsschein vor und nach der Beitragsanpassung ausgewiesenen „monatlich zu zahlenden Beiträge“, sondern vielmehr aus der Differenz der „eigentlichen“ Tarifbeiträge, welche sich erst aus der Addition des „monatlich zu zahlenden Beitrags“ und der „monatlichen Gutschrift“ ergeben, auf welche der Kläger sich sodann die Limitierungsgutschriften (lediglich) für die Zeiträume, in denen er sie erhalten hat, anrechnen lassen muss. Hiernach summiert sich die Forderung des Klägers wie folgt:

91
Im Tarif KN2 hat der Kläger 44 monatliche Prämienanteile in Höhe von jeweils 72,15 € aufgrund der unwirksamen Beitragserhöhung zum 01.01.2012, weitere 44 monatliche Prämienanteile in Höhe von jeweils 39,04 € aufgrund der unwirksamen Beitragserhöhung zum 01.01.2014 und weitere 8 monatliche Prämienanteile in Höhe von jeweils 62,32 € aufgrund der unwirksamen Beitragserhöhung zum 01.01.2020 rechtsgrundlos geleistet. Nach Abzug der dem Kläger im Jahr 2020 gewährten Limitierungsgutschriften in Höhe von (8 x 17,37 =) 138,96 € verbleibt eine Summe von 5.251,96 €.

92
Im Tarif TNC14 hat der Kläger 44 monatliche Prämienanteile in Höhe von jeweils 9,11 € aufgrund der unwirksamen Beitragserhöhung zum 01.01.2012, mithin eine Summe von 400,84 €, rechtsgrundlos geleistet.

93
Im Tarif PVTB120 hat der Kläger 4 monatliche Prämienanteile in Höhe von jeweils 14,38 € aufgrund der unwirksamen Beitragserhöhung zum 01.05.2020 abzüglich der insoweit gewährten Limitierungsgutschriften in Höhe von (4 x 7,12 =) 28,48 €, mithin eine Summe von 29,04 €, rechtsgrundlos geleistet.

94
Im Tarif „Pflege“ hat der Kläger 4 monatliche Prämienanteile in Höhe von jeweils 2,26 € aufgrund der unwirksamen Beitragserhöhung zum 01.05.2020, mithin eine Summe von 9,04 €, rechtsgrundlos geleistet.

95
bb)

96
Diesem Anspruch stehen keine bereicherungsrechtliche Einwände entgegen. Eine Anrechnung des genossenen Versicherungsschutzes im Wege der Saldierung kommt nicht in Betracht, weil weiterhin ein wirksamer Versicherungsvertrag bestand, der die Beklagte zur Erbringung von Versicherungsleistungen verpflichtete (BGH, Urteil vom 16.12.2020, IV ZR 294/19, Rn. 46 f.). Durch die Erbringung von Versicherungsleistungen oder die Bildung von Rückstellungen ist auch keine Entreicherung der Beklagten im Sinne von § 818 Abs. 3 BGB eingetreten. Mit der Erbringung der Versicherungsleistungen hat die Beklagte eigene Verbindlichkeiten erfüllt und sich mithin von diesen befreit (BGH, a. a. O., Rn. 49 m. w. N.).

97
cc)

98
In diesem Umfang ist auch keine Verjährung eingetreten (§ 214 Abs. 1 BGB).

99
Die Bereicherungsansprüche unterliegen der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist (§ 195 BGB), welche gemäß § 199 Abs. 1 BGB grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Die Rückzahlungsansprüche entstanden jeweils mit der Zahlung der Erhöhungsbeträge. Die notwendige Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und von der Person des Schuldners hatte der Kläger bereits mit dem Zugang der jeweiligen Änderungsmitteilungen (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2021, IV ZR 113/20, Rn. 40 ff.).

100
Entgegen einer teilweise vertretenen Auffassung sind die monatlich gezahlten Erhöhungsbeträge nicht wie Nutzungen eines geschlossenen Stammrechts zu behandeln mit der Folge, dass die sukzessive entstandenen Rückgewähransprüche analog § 217 BGB drei Jahre nach der (unwirksamen) Prämienanpassung verjähren (vgl. LG Essen, Urteil vom 03.04.2019, 18 O 191/18, juris Rn. 58; LG Halle, Urteil vom 16.07.2021, 5 O 442/20, juris Rn. 59; Fuxman/Leygraf, r+s 2021, 61, 63 f.). Zum einen ergeben sich die hier in Rede stehenden Bereicherungsansprüche nicht aus einem „Stammrecht“ des Versicherungsnehmers (allenfalls könnte man umgekehrt von einer „Stammpflicht“ sprechen). Zum anderen ist die für die Anwendung der Stammrechtstheorie in der privaten Unfall- und Berufsunfähigkeitsversicherung maßgebliche Erwägung, dass es den Versicherer unbillig belasten würde, sich Jahre nach einer Leistungsablehnung noch mit einem für abgeschlossen gehaltenen, angesichts des Zeitablaufs typischerweise nur noch unter Schwierigkeiten aufklärbaren Versicherungsfall auseinandersetzen zu müssen (vgl. BGH, Urteil vom 03.04.2019, IV ZR 90/18 Rn. 19 ff. m. w. N.), auf die vorliegende Konstellation nicht übertragbar (OLG Stuttgart, Urteil vom 04.11.2021, 7 U 204/21, Rn. 49; ebenso im Ergebnis LG Hannover, Urteil vom 29.03.2021, 19 O 291/20, juris Rn. 100 f.; Egger, r+s 2021, 430, 433; Schultess, VersR 2021, 1555, 1556 f.).

101
Mithin begann die Verjährungsfrist für die ersten hier in Rede stehenden Ansprüche mit dem Schluss des Jahres 2017 und endete am 31.12.2020. Insoweit ist die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB durch die am 04.11.2020 durch Zustellung an die Beklagte erhobene (§ 253 Abs. 1 ZPO) Klage gehemmt worden.

102
dd)

103
Der Anspruch auf Prozesszinsen folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.

104
b)

105
Weitere rechtsgrundlose Zahlungen aufgrund unwirksamer (noch) streitgegenständlicher Beitragserhöhungen hat der Kläger in unverjährter Zeit nicht geleistet. Die klägerseits behauptete Beitragserhöhung im Tarif KN2 zum 01.01.2013 hat – wie unter 1. a) dargestellt – tatsächlich nicht stattgefunden.

106
c)

107
Etwaigen Ansprüchen gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB auf Rückzahlung der Erhöhungsbeträge, die der Kläger bis zum 31.12.2016 auf die streitgegenständlichen Beitragsanpassungen geleistet hat, steht jedenfalls die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen (§ 214 Abs. 1 BGB).

108
aa)

109
Da bereits der Zugang der jeweiligen Änderungsmitteilungen dem Kläger die notwendige Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und von der Person des Schuldners vermittelte (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2021, IV ZR 113/20, Rn. 40 ff.), begann die Verjährungsfrist für die letzten hier in Rede stehenden Zahlungen mit dem Schluss des Jahres 2016 und endete am 31.12.2019, so dass die am 06.10.2020 eingegangene Klage insoweit keine Hemmung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB mehr bewirken konnte.

110
bb)

111
Entgegen der Ansicht des Klägers fehlte es bis dahin nicht an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn.

112
In eng begrenzten, besonders begründeten Ausnahmefällen (BGH, Urteil vom 17.12.2020, VI ZR 739/20, Rn. 10) kann die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn hinausschieben, wenn der Durchsetzung des Anspruchs eine gegenteilige höchstrichterliche Rechtsprechung entgegensteht (BGH, Urteil vom 28.10.2014, XI ZR 348/13, Rn. 35) oder eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag (BGH, Urteil vom 21.02.2018, IV ZR 304/16, Rn. 15 m. w. N.). Eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage liegt nicht schon dann vor, wenn eine Rechtsfrage noch nicht höchstrichterlich entschieden ist, sondern setzt zumindest voraus, dass im Zeitpunkt der Anspruchsentstehung ein ernsthafter Meinungsstreit in Literatur und Rechtsprechung bestand (vgl. BGH, Urteil vom 28.10.2014, XI ZR 348/13, Rn. 45; Urteil vom 17.12.2020, VI ZR 739/20, Rn. 13). Wird die Rechtslage erst unsicher, nachdem die Verjährungsfrist zu laufen begonnen hat, schiebt dies den Beginn der einmal in Lauf gesetzten Frist nicht nachträglich hinaus (vgl. BGH, Urteil vom 28.10.2014, XI ZR 348/13, Rn. 45; Urteil vom 17.12.2020, VI ZR 739/20, Rn. 15). Auch mit Blick auf rechtliche Unsicherheiten ist eine Klageerhebung dann zumutbar, wenn die Klage bei verständiger Würdigung hinreichende Erfolgsaussichten hat; es ist nicht erforderlich, dass die Rechtsverfolgung risikolos möglich ist (BGH, Urteil vom 17.12.2020, VI ZR 739/20, Rn. 11 m. w. N.).

113
Nach diesen Maßstäben war die Erhebung einer Klage, mit der die formelle Unwirksamkeit von Beitragserhöhungen aufgrund einer unzureichenden Begründung geltend gemacht wird, jedenfalls bis zum 31.12.2016 zumutbar und der Verjährungsbeginn nicht bis zu der durch die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 16.12.2020 (IV ZR 294/19 und IV ZR 314/19) herbeigeführten höchstrichterlichen Klärung hinausgeschoben. Denn es gab weder eine entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung noch – jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt – einen ernsthaften Meinungsstreit. Der Umstand, dass die Frage, welche Anforderungen an eine Mitteilung gemäß § 203 Abs. 5 VVG zu stellen sind, in der Literatur zunächst nur vereinzelt aufgegriffen wurde (vgl. Klimke, VersR 2016, 22 ff.) und erste gerichtliche Entscheidungen hierzu erst im Jahr 2018 veröffentlicht wurden (vgl. LG Neuruppin, Urteil vom 25.08.2017, 1 O 338/16, VersR 2018, 469; LG Potsdam, Urteil vom 27.09.2017, 6 S 80/16, VersR 2018, 471), mag die rechtliche Einordnung und die rechtliche Beratung nicht erleichtert haben, ließ eine Klageerhebung indes unzumutbar erscheinen. Vielmehr musste eine rechtliche Würdigung gerade ergeben, dass die Erfolgschancen eines Rückzahlungsanspruchs als offen einzuschätzen waren (OLG Stuttgart, Urteil vom 04.11.2021, 7 U 204/21, juris Rn. 38; vgl. OLG Dresden, Urteil vom 12.10.2021, 6 U 751/21, juris Rn. 81 f.; Urteil vom 14.12.2021, 4 U 1693/21, juris Rn. 38; OLG Saarbrücken, Urteil vom 01.12.2021, 5 U 93/20, juris Rn. 35; OLG Hamm, Urteil vom 30.06.2021, 20 U 152/20, juris Rn. 79).

114
Hinzu kommt, dass bereits seit dem Jahr 2018, insbesondere aber im Laufe des Jahres 2020 bei zahlreichen Landgerichten – darunter auch dem hiesigen – eine Vielzahl entsprechender Klagen eingegangen sind, mit denen die jeweiligen – im Jahr 2020 zumeist von den Prozessbevollmächtigten des Klägers vertretenen – Versicherungsnehmer zu erkennen gegeben haben, dass sie ungeachtet des zu dieser Zeit ungeklärten Meinungsstreits von der Unwirksamkeit der Prämienerhöhungen ausgingen. Auch der Kläger hat bereits vor Veröffentlichung der Urteile des Bundesgerichtshofs vom 16.12.2020 seine Ansprüche gegen die Beklagte geltend gemacht und Klage eingereicht. Umstrittener als in den Jahren 2018 bis 2020 war der Inhalt des § 203 Abs. 5 VVG jedoch in den Jahren bis einschließlich 2016 nicht, so dass dem Kläger die Klageerhebung auch damals nicht unzumutbar war (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2021, IV ZR 113/20, Rn. 45).

115
cc)

116
Ebenso wenig ist es für die Feststellung der Verjährung entscheidungserheblich, ob der Kläger mit Zugang der Änderungsmitteilungen auch Kenntnis von den Tatsachen hatte, aus denen die von ihm ebenfalls geltend gemachte materielle Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen folgen könnte. Denn der Gläubiger eines Bereicherungsanspruchs aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB hat Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen, wenn er von der Leistung und den Tatsachen weiß, aus denen sich das Fehlen des Rechtsgrundes ergibt, das dem Kläger jedenfalls aufgrund der seiner Auffassung nach bestehenden formalen Mängel der Änderungsmitteilungen bereits mit deren Erhalt bekannt war. Eine erneute Kenntnisnahme vom Fehlen desselben Rechtsgrundes aus weiteren Gründen setzt keine neue Verjährungsfrist in Gang (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2021, IV ZR 113/20, Rn. 47; OLG Düsseldorf, Urteil vom 14.10.2021, 13 U 37/21, VersR 2021, 1553, 1554).

117
3.

118
Der auf die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Herausgabe von Nutzungen gerichtete Feststellungsantrag zu 3. ist insgesamt zulässig, aber nur im tenorierten Umfang begründet.

119
Seine Zulässigkeit scheitert nicht am Vorrang der Leistungsklage, weil die von der Beklagten gezogenen Nutzungen aus den nach Ansicht des Klägers rechtsgrundlos gezahlten Prämienanteilen für ihn im Zeitpunkt der Klageerhebung nur teilweise bezifferbar waren (BGH, Urteil vom 19.12.2018, IV ZR 255/17, Rn. 18 ff. m. w. N.).

120
Der Anspruch auf Herausgabe der rechtsgrundlos gezahlten Erhöhungsbeträge erstreckt sich gemäß § 818 Abs. 1 BGB auf die Nutzungen, welche die Beklagte aus diesen Prämienanteilen gezogen hat, ist insoweit allerdings auf die Zeit vor Eintritt der Verzinsungspflicht für die Hauptforderung beschränkt (BGH, Urteil vom 16.12.2020, IV ZR 294/19, Rn. 58). Etwaige Ansprüche auf Herausgabe von Nutzungen, welche die Beklagte aus den bis zum 31.12.2016 gezahlten Prämienanteilen gezogen hat, wären mit dem jeweiligen Hauptanspruch verjährt (§ 217 BGB). Daher war die Feststellung der Pflicht zur Herausgabe gezogener Nutzungen auf den Zeitraum zu beschränken, in dem der Kläger in unverjährter Zeit nicht zur Tragung des jeweiligen Erhöhungsbetrags verpflichtet war und nach seinem Vortrag Zahlungen auf die unwirksamen Beitragserhöhungen geleistet hat.

121
Der auf die Feststellung einer Verzinsungspflicht für die Nutzungen gerichtete Antrag zu 3. b) ist unbegründet. § 291 BGB als Anspruchsgrundlage für Prozesszinsen greift bei einer Klage, die auf die Feststellung einer Verbindlichkeit gerichtet ist, nicht ein. Auch ein Verzugszinsanspruch kommt nicht in Betracht, weil weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass das Anwaltsschreiben vom 31.08.2020 eine Bezifferung der geforderten Nutzungen enthielt, und somit die für eine Mahnung erforderliche Bestimmtheit nicht festgestellt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2021, IV ZR 109/20, Rn. 43).

122
4.

123
Der auf den Ersatz von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten gerichtete Antrag zu 4. ist unbegründet. Die insoweit geltend gemachten Kosten wären allenfalls unter dem Gesichtspunkt des Verzugs ersatzfähig (§§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB), der zum Zeitpunkt der einzigen vorgetragenen außergerichtlichen Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten des Klägers, nämlich der Erstellung des Mahnschreibens vom 31.08.2020, nicht vorlag, sondern erst mit Ablauf der darin gesetzten Zahlungsfrist begründet wurde. Eine diesem Schreiben vorausgehende Mahnung durch den Kläger ist ebenso wenig vorgetragen wie eine weitere außergerichtliche Rechtsanwaltstätigkeit.

124
III.

125
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1, § 269 Abs. 3 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.

126
IV.

127
Der Streitwert für die Gerichtsgebühren wird auf 21.660,63 € festgesetzt (§ 63 Abs. 1 GKG).

128
Rechtsbehelfsbelehrung:

129
Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Landgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht Duisburg, König-Heinrich-Platz 1, 47051 Duisburg, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

130
Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:

131
Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Auf die Pflicht zur elektronischen Einreichung durch professionelle Einreicher/innen ab dem 01.01.2022 durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013, das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5. Juli 2017 und das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 05.10.2021 wird hingewiesen.

132
Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.

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