LG Berlin, Urteil vom 15.07.2020 – 65 S 76/20

Mai 26, 2021

LG Berlin, Urteil vom 15.07.2020 – 65 S 76/20

1. Das in § 3 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG Bln) geregelte Verbot erfasst bei verfassungskonformer Anwendung der Regelung im konkreten Einzelvertragsverhältnis nicht den zivilrechtlichen Anspruch des Vermieters auf Zustimmung des Mieters zu einer Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete aus § 558 Abs. 1 BGB („enges Verbot“).

2. Ob und unter welchen Voraussetzungen § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG die Durchsetzbarkeit des aus der bewirkten Vertragsänderung resultierenden Zahlungsanspruchs hindert, ist damit nicht entschieden; der Vermieter kann die Vertragsänderung während der Geltungsdauer des MietenWoG vornehmen und sich die Zahlung des Erhöhungsbetrages (gegebenenfalls) für die Zeit danach (bereits jetzt) versprechen lassen (für die Neuvermietung für den Fall einer Teil-/Verfassungswidrigkeit des Gesetzes: BVerfG, Bes. v. 10. März 2020 – 1 BvQ 15/20, juris Rn. 27), ohne dass damit das (landes-)gesetzgeberische Ziel verfehlt würde.

3. Nach Ausklammerung des Kompetenztitels „Wohnungswesen“ aus dem Katalog der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeiten des Bundes (Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG aF) kann sich aus der sachnäheren Perspektive des Landesgesetzgebers auf den lokalen Wohnungsmarkt nach Art. 70 Abs. 1 GG eine Landeskompetenz für öffentlich-rechtliche Bußgeldregelungen (auch) zur Durchsetzung im Wohnraummietrecht des BGB geregelter Tatbestände zur Begrenzung des Mietanstiegs ergeben (§§ 556g Abs. 1, 558 Abs. 6, 559 Abs. 6 BGB).

4. Die Frage der Reichweite des Verbotstatbestandes in § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG ist von grundsätzlicher Bedeutung, denn sie stellt sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen (in Berlin in potenziell knapp 1,5 Mio. Mietverhältnissen); die Revision ist daher zuzulassen.
Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Pankow/Weißensee vom 18. März 2020 – 2C 409/19 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.
Gründe

I.

Die Klägerin ist Vermieterin, die Beklagten sind Mieter einer in Berlin gelegenen Wohnung, Baujahr 1998, mit einer Größe von 104,3 m2.

Mit Schreiben vom 24. Juli 2019, den Beklagten zugegangen am 27. Juli 2019, verlangte die Klägerin von den Beklagten die Zustimmung zu einer Erhöhung der Nettokaltmiete von bisher 785,09 € um 97,37 € auf 882,46 €.

Das Amtsgericht hat die Beklagten mit Urteil vom 18. März 2020, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, zur Zustimmung verurteilt.

Zur Begründung hat es ausgeführt, die zwischen den Parteien allein streitige Frage, ob das zwischenzeitlich in Kraft getretene Mietendeckelgesetz die Verurteilung zur Zustimmung hindere, sei zu verneinen; es sei unter Heranziehung der Begründung des Änderungsantrages zum Gesetzentwurf nicht davon überzeugt, dass das Gesetz Vereinbarungen über die Änderung der Mietzinshöhe verbiete. Das Gesetz rühre Bestandsvereinbarungen nach dem verzögerten Inkrafttreten von § 5 nicht unmittelbar an, indem es alle vorher geschlossenen Mietvereinbarungen etwa für rückwirkend unwirksam erklären würde. Es erschließe sich nicht, weshalb das für Vereinbarungen gelten solle, die während der Dauer des Gesetzes geschlossen werden. Das würde bedeuten, dass auch eine Mietpreisabrede unwirksam wäre, die sich gar nicht auf den zeitlichen Geltungsbereich des Gesetzes erstreckt (sondern etwa einen Zeitpunkt danach). Die Sanktionsmöglichkeiten nach § 11 des Gesetzes ergäben kein anderes Bild. Danach sei lediglich das Fordern und Entgegennehmen einer höheren, als der nach §§ 3-7 zulässigen Miete ohne erforderliche Genehmigung verboten; durch eine Vereinbarung fordere man noch nichts und nehme schon gar nichts entgegen. Daraus könne nur geschlossen werden, dass die Vereinbarung an sich möglich, während der Geltungsdauer des Gesetzes aber nicht durchsetzbar ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Die Beklagten haben gegen das ihnen am 23. März 2020 zugestellte Urteil am 2. April 2020 Berufung eingelegt und diese am 14. Mai 2020 begründet.

Sie meinen, es würde dem gesetzgeberischen Anliegen widersprechen, wenn entgegen dem Wortlaut des Gesetzes zwischen dem nach Auffassung des Gerichts wirksamen Verlangen einer Mieterhöhung und dem unwirksamen Fordern des wirksam verlangten Erhöhungsbetrages unterschieden werden sollte. Das MietenWoG Berlin erschöpfe sich in dem Rechtssatz, dass jedwede Änderung der Miete nach dem Stichtag unwirksam ist. Bei den Regelungen des MietenWoG Berlin handele es sich um ein Verbotsgesetz, das nicht nur dem Fordern einer durchgesetzten Mieterhöhung entgegenstehe, sondern schon der Durchsetzung dieses Erhöhungsverlangens im Wege einer Zustimmungsklage. Anderenfalls wäre es möglich, Mieterhöhungsverlangen schon „vorbereitend“ für das Auslaufen des Gesetzes zu erklären, was zur Folge hätte, dass der Mieter mit Auslaufen des Gesetzes erheblichen Mietsteigerungen gegenüberstehen würde. Unter Berücksichtigung der Laufzeit des Gesetzes wäre es möglich, zweimal die Kappungsgrenze auszuschöpfen, was eine Steigerung der Miete um mehr als 30 % bedeuten würde, die automatisch mit dem Auslaufen des Gesetzes in Kraft treten würde.

Die Beklagten beantragen,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Pankow/Weißensee vom 18. März 2020 – 2 C 409/19 – abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Sie stellt in der Berufungserwiderung vorsorglich klar, dass sie einen Erhöhungsbetrag für die Geltungsdauer des Gesetzes von den Beklagten weder fordern noch vereinnahmen wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Schriftsätze und der ihnen beigefügten Anlagen Bezug genommen.

II.

1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie ist unbegründet. Die der Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine andere Entscheidung, §§ 513, 529, 546 ZPO.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zustimmung zu einer Erhöhung der Nettokaltmiete von bisher monatlich 785,09 € um 97,37 € auf 882,46 € mit Wirkung ab 1. Oktober 2019 aus § 558 Abs. 1 BGB.

a) Die zeitlichen Einschränkungen des § 558 Abs. 1 Satz 1, 2 BGB sind eingehalten. Das Erhöhungsverlangen genügt auch den Anforderungen des § 558a BGB.

Die ortsübliche Einzelvergleichsmiete für die in das Mietspiegelfeld K 7 des Berliner Mietspiegels 2019 einzuordnende Wohnung mit einer Größe von 104,3 m2 beträgt unstreitig 9,54 €/m2 (= 995,02 €), denn unter Berücksichtigung der Orientierungshilfe für die Spanneneinordnung überwiegen in allen fünf Merkmalgruppen die wohnwerterhöhenden Merkmale mit der Folge, dass die ortsübliche Einzelvergleichsmiete dem Spannenoberwert des Mietspiegelfeldes entspricht.

Ebenfalls unstreitig begrenzt § 558 Abs. 3 BGB iVm der KappungsgrenzenV Berlin den Anspruch der Klägerin aus § 558 Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Betrag von 882,46 € (der zudem unterhalb der Mietobergrenze des § 6 MietenWoG liegt).

b) Die Kammer folgt der Auffassung des Amtsgerichts, dass § 3 Abs. 1 MietenWoG der Verfolgung eines Anspruchs auf Zustimmung der beklagten Mieter zu einer Erhöhung der Nettokaltmiete auf die – durch die Kappungsgrenze beschränkte – ortsübliche Vergleichsmiete nicht entgegensteht, dies nicht etwa deshalb, weil die Regelung nach Überzeugung der Kammer verfassungswidrig wäre, sondern, weil sie – jedenfalls bei gebotener und ohne Weiteres möglicher verfassungskonformer Anwendung (vgl. zu den insoweit geltenden Maßstäben: BVerfG, Beschl. v. 18.07.2019 – 1 BvL 1/18, 1 BvL 4/18, nach juris Rn. 33ff., 36, 40; Beschl. v. 12.11.1958 – 2 BvL 4/56, 2 BvL 26/56, 2 BvL 40/56, 2 BvL 1/57, 2 BvL 7/57, juris Rn. 111ff.) – den hier geltend gemachten Anspruch nicht erfasst (ebenso wohl: AG Charlottenburg, Urt. v. 04.03.2020 – 213 C 136/19, juris Rn. 17 AG Neukölln, Urt. v. 13.05.2020 – 13 C 487/19, n.v.). Dahinstehen kann daher, ob § 3 Abs. 1 MietenWoG eine etwaige Sperrwirkung ohnehin erst ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes entfalten könnte (vgl. AG Tempelhof-Kreuzberg, Urt. v. 28.04.2020 – 4 C 118/19, nach juris Rn. 21, Anm Agatsy, IMR 2020, 289).

Nach § 3 Abs. 1 S. 1 MietenWoG ist – vorbehaltlich hier nicht gegebener weiterer Regelungen – eine Miete verboten, die die am 18. Juni 2019 (Stichtag) wirksam vereinbarte Miete überschreitet. Im Gesetzentwurf der Landesregierung vom 28. November 2019 war § 3 Abs. 1 MietenWoG-E – im Detail abweichend – als Verbot formuliert, eine Miete zu fordern, die die am 18. Juni 2019 (Stichtag) wirksam vereinbarte Miete überschreitet (LT-Drs. 18/2347, S. 8).

Zu Recht sieht das Amtsgericht – ebenso wie wohl das BVerfG in seinem Beschluss vom 10. März 2020 (1 BvQ 15/20, juris Rn. 27ff., 32) – in der Bestimmung der Reichweite des Verbotes (von den Gerichten auszufüllenden) Interpretationsspielraum. Die Reichweite des Verbotes ist sowohl in der Entwurfsfassung als auch in der vom Abgeordnetenhaus verabschiedeten Fassung der Regelung nicht eindeutig formuliert, obwohl dies – wie etwa § 556g Abs. 1 S. 1, 2 BGB zeigt – möglich gewesen wäre.

Dem Wortlaut der Regelung nach kann sich das Verbot allein auf die Vereinnahmung einer Miete beziehen, die die am Stichtag wirksam vereinbarte Miete übersteigt, während – wie hier allein zur Entscheidung stehend – das Bewirken von Vereinbarungen über die Erhöhung der Miete im laufenden (Einzel-)Mietverhältnis nach den Regelungen des Wohnraummietrechts im BGB nicht tangiert wird (enges Verbot). Es ist aber ebenso möglich, das Verbot weiterreichend dahin zu verstehen, dass es bereits eine entsprechende Vereinbarung der Parteien mit einem Verbot belegen und ausschließen soll (weites Verbot).

Die Kammer geht von einem „engen“ Verbotstatbestand aus, der zwar – was hier nicht zu entscheiden ist – den aus der wirksamen Vertragsänderung resultierenden Zahlungsanspruch erfassen kann, die Verfolgung des Anspruchs des Vermieters auf Zustimmung des Mieters zu der die Miethöhe betreffenden Vertragsänderung unter den (weiteren) Voraussetzungen der §§ 558ff. BGB jedoch unberührt lässt.

Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde:

aa) Ein eng gefasstes Verbot ergibt sich nach Auffassung der Kammer zum einen bei konsistenter Anwendung der Regelungen des MietenWoG.

Der Bußgeldtatbestand des § 11 Abs. 1 Nr. 4 MietenWoG soll – ausweislich der Gesetzesmaterialien – die (Einhaltung der) Miethöheregelungen in §§ 3 bis 7 MietenWoG sicherstellen (vgl. LT-Drs. 18/2347, S. 37).

Nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 MietenWoG handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig ohne erforderliche Genehmigung (…) eine höhere als die nach den §§ 3 bis 7 zulässige Miete fordert oder entgegennimmt. Die (End-)Fassung des § 11 Abs. 1 Nr. 4 MietenWoG weicht (ebenso wie der der §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 4, 5 Abs. 1 Satz 1) vom Entwurf ab; der Bußgeldtatbestand wurde um das Entgegennehmen einer nach dem MietenWoG überhöhten Miete erweitert, dies, ohne gesonderte Ausführungen zur Begründung der Änderung (vgl. Änderungsantrag der Fraktionen der SPD, Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, Begründung der Beschlussempfehlung v. 21.01.2020, S.4-6, https://www.parlament-berlin.de/ados/18/StadtWohn/vorgang/sw18-0244-v-%C3%84A-SPD-LINKE-GR%C3%9CNE.pdf [zuletzt abgerufen 19.07.2020]).

Die Formulierung orientiert sich an den Preisvorschriften in den Rechtsverordnungen, die aufgrund der Ermächtigung in § 2 Abs. 2 a) PreisG durch die obersten Landesbehörden erlassen wurden. Danach war es (unter anderem) verboten, einen höheren Preis oder eine höhere Miete zu fordern oder anzunehmen, anzubieten oder zu zahlen als den/die durch Rechtsverordnung festgesetzte/n (vgl. BVerwG, Urt. v. 23. April 1954 – II C 50.53, nach juris Rn. 40).

Mit der Erweiterung des Bußgeldtatbestandes in § 11 Abs. 1 Nr. 4 MietenWoG um das Verbot des „Entgegennehmens“ wird hier vor allem dessen Effektivität erhöht, denn eine etwaige Passivität – die Annahme der vom Mieter angebotenen Zahlung – würde den Vermieter nicht schützen.

Hinreichend sichere Rückschlüsse auf die Reichweite des Verbotes in § 3 Abs. 1 MietenWoG ergeben sich daraus allein nicht, wenngleich festzustellen ist, dass die abweichende sprachliche Fassung der Regelungen in §§ 3 Abs. 1, 4, 5 Abs. 1 und § 11 Abs. 1 Nr. 4 MietenWoG mangels Begründung, aber auch deshalb nicht einleuchtet, weil der Bußgeldtatbestand (unter anderem) direkt auf die Regelungen Bezug nimmt. Dass etwas anderes oder ein „Weniger“ bußgeldbewehrt sein soll, als das, was in §§ 3 bis 7 geregelt ist, erscheint vor dem Hintergrund der Begründung der Vorschrift im Gesetzentwurf vom 28. November 2019 (aaO) ausgeschlossen, hätte – nachdem die Regelungen im Entwurf noch gleichlautend formuliert waren – auch einer Begründung bedurft.

Die Kammer übersieht nicht, dass das „Fordern“ als Rechtsbegriff im Zivilrecht weit gefasst ist und die Geltendmachung eines Anspruchs auf Zustimmung zu einer Vertragsänderung (hier: die Miethöhe betreffend) einschließen kann, § 241 Abs. 1 BGB (so, mit abweichender Begründung etwa: AG Mitte, Urt. v. 06.05.2020 – 123 C 5146/19, nach juris Rn. 16; insoweit ohne nähere Begründung: LG Berlin [ZK 67], Beschl. v. 12.03.2020 – 67 S 274/19, juris).

Es ist schon nicht naheliegend, dass der (Landes-)Gesetzgeber den – erklärtermaßen – öffentlich-rechtlichen Mietpreisvorschriften einen privatrechtlichen Forderungsbegriff zugrunde gelegt hat. Entscheidend dagegen spricht, dass sich der Änderungsantrag der Regierungsfraktionen vom 21. Januar 2020 in der Begründung ausdrücklich auf die oben zitierte Rechtsprechung des BVerwG zum Wechselverhältnis zwischen öffentlich-rechtlichen (Preis-)Verboten und davon abweichenden, auf der Grundlage der geltenden Regelungen des BGB im Rahmen der Vertragsfreiheit geschlossenen Vereinbarungen bezieht (BVerwG, Urt. v. 23.04.1954 – II C 50.53, nach juris Rn. 40; v. 03.12.1954 – II C 100.53, juris Rn. 12; Änderungsantrag v. 21.01.2020, aaO, S. 4f).

Nach der Rechtsprechung des BVerwG – und nachfolgend der des BVerfG – handelte es sich bei den Preisvorschriften aufgrund der Ermächtigung nach § 2 Abs. 2 PreisG um Regelungen, die es möglich machten, aus gesamtwirtschaftlichen und sozialen Gründen zum Nutzen des allgemeinen Wohls gebotene preisrechtliche Maßnahmen zu treffen; sie entsprachen dem Sozialstaatsprinzip, das auch die Vertragsfreiheit inhaltlich bestimmt und begrenzt, wobei das auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts liegende Verbot die auf der Vertragsfreiheit bezüglichen Normen des bürgerlichen Rechts, insbesondere nach § 433 Abs. 2 BGB oder nach § 535 Abs. 2 BGB in ihrem Bestand unberührt ließ. Das Preiserhöhungsrecht hemmte im allgemeinen Interesse lediglich die Ausübung der sich nach diesen Normen ergebenden subjektiven Rechte, änderte aber nicht das in §§ 433 oder 535 BGB enthaltene objektive Recht (vgl. BVerwG, Urt. v. 23. April 1954 – II C 50.53, nach juris Rn. 40; vgl. BVerfG, Beschl. v. 12. November 1958 – 2 BvL 4/56, 2 BvL 26/56, 2 BvL 40/56, 2 BvL 1/57, 2 BvL 7/57, juris Rn. 208ff).

Dem entspricht nach Auffassung der Kammer, dass das BVerfG in seiner Entscheidung vom 10. März 2020 (auf einen entsprechenden Einwand in dem Verfahren) bei Neuvermietungen die Möglichkeit sieht, dass sich die Vermieter/innen bei der Neuvermietung (§ 4 MietenWoG) jenseits des durch § 11 Abs. 1 Nr. 4 MietenWoG sanktionierten Forderns und Entgegennehmens einer unzulässigen Miete eine höhere Miete versprechen lassen. Der Wortlaut des Neuvermietungen betreffenden § 4 MietenWoG im Gesetzentwurf der Landesregierung und der im Änderungsantrag vom 21. Januar 2020 entspricht jeweils dem des § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG. Es kann im Anwendungsbereich der letztgenannten Regelung daher nichts anderes gelten.

Zusätzliche Unklarheiten ergäben sich bei Annahme eines „weiten“ Verbotes schließlich mit Blick auf das erstmals in der Fassung des Änderungsantrages vom 21. Januar 2020 formulierte Verbot in § 5 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG, das (zeitversetzt) eine Kappung bereits wirksam vereinbarter Bestandsmieten ermöglichen soll. (Auch) Der Wortlaut dieses Verbotes stimmt mit dem in §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 4 MietenWoG nach der im Änderungsantrag vorgeschlagenen Endfassung der Regelungen überein. Ebenso wie die Änderung zu § 4 wird der Vorschlag zu § 5 Abs. 1 Satz 1 nicht gesondert begründet. Würde das Verbot weit verstanden in dem Sinne, dass es auch nach den Regelungen des BGB zustande gekommene (bzw. mögliche) Vereinbarungen erfasst, so durfte der Landesgesetzgeber – so ihm eine entsprechende (Gesetzgebungs-)Kompetenz zugesprochen wird [vgl. cc)] – nicht das Schicksal der nach den Regeln des BGB bereits wirksam zustande gekommenen Vereinbarungen nach dem – von ihm selbst vorgesehenen – Außerkrafttreten des Gesetzes offen lassen. Der (zutreffende) Hinweis allein, dass auch das Landesrecht gesetzliche Verbote iSd § 134 BGB statuieren kann (vgl. Änderungsantrag v. 21.01.2020, aaO, S. 5), hilft nicht weiter, denn die Verbote müssen sich – wie von ihm an anderer Stelle zutreffend zugrunde gelegt – im Rahmen der ihm nach der Verfassung belassenen Gesetzgebungskompetenzen bewegen (Änderungsantrag v. 21.01.2020, aaO, S. 4f). Eine etwa beabsichtigte nachträgliche, dauerhafte „Anordnung“ der (Teil-)Nichtigkeit nach den Regeln des BGB wirksam zustande gekommener Vereinbarungen dürfte die Grenzen überschreiten, die ihm (schon) nach Art. 72 Abs. 1, 74 Abs. 1 Nr. 1 GG gesetzt sind [näher unter cc)].

bb) Die weitergehende Begründung zu § 3 Abs. 1 MietenWoG-E in den Gesetzesmaterialien, insbesondere im Änderungsantrag der Regierungsfraktionen vom 21. Januar 2020, trägt keine abweichende Interpretation der Reichweite des Verbotstatbestandes.

Im Antrag vom 21. Januar 2020 (Änderungsantrag v. 21.01.2020, aaO, S. 6) wird die geänderte Fassung des § 3 Abs. 1 MietenWoG-E damit begründet, dass sie den Charakter der Vorschrift als Verbotsgesetz iSd § 134 BGB klarstellen soll. Die Regelung soll den am Stichtag für eine bestimmte Wohneinheit (wirksam) vereinbarten Mietpreis als Preisobergrenze für diese Wohneinheit festsetzen, wobei mit dem Stichtag beabsichtigt ist zu verhindern, dass die Umsetzung der Regelung durch Ausnutzung der bisherigen Rechtslage vereitelt wird und Vermieter noch vor Inkrafttreten des Gesetzes eine Mieterhöhung erwirken, die dann – nach dem weiteren Wortlaut der Regelung – (zum späteren Zeitpunkt des Inkrafttretens) die Preisobergrenze darstellen würde.

In der vorangestellten allgemeinen Begründung des Änderungsantrages wird betont, dass der Landesgesetzgeber davon ausgeht, dass das Preisrecht des MietenWoG selbständig neben das Mietrecht des Bundes tritt und unabhängig von diesem besteht. Er will sich auf die Festsetzung von Preisobergrenzen beschränken, die unabhängig von der Existenz eines nach den Regeln des Zivilrechts begründeten Mietverhältnisses bestehen und allein an den Wohnraum als dingliche Einheit gebunden sind. Während der Bundesgesetzgeber im Rahmen des sozialen Mietrechts des BGB einen „fairen Ausgleich zwischen den Interessen der beiden Vertragspartner“ schaffen wolle, gehe es dem Landesgesetzgeber um Gemeinwohlziele, namentlich den Schutz des Mietpreisstandes in einem angespannten Wohnungsmarkt und damit die Bewahrung von bezahlbarem Wohnraum und die Verhinderung von Verdrängung. Vor diesem Hintergrund greife das MietenWoG nicht unmittelbar (aus)gestaltend in bestehende oder nach Inkrafttreten des Gesetzes abzuschließende Vertragsverhältnisse ein, deren Zustandekommen und Inhalt sich allein nach den Bestimmungen des BGB richten würde. Die sich aus solchen Vereinbarungen ergebenden Rechte könnten im Geltungszeitraum des Gesetzes allerdings nur in den vom MietenWoG gesetzten öffentlich-rechtlichen Grenzen ausgeübt werden (vgl. Änderungsantrag Fraktion SPD, Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, Beschlussempfehlung v. 21.01.2020, S. 4f.).

Die strikte Trennung zwischen der Regelungsperspektive des sozialen Mietpreisrechts des BGB (Perspektive: das Einzelvertragsverhältnis zwischen Mieter und Vermieter) und der eines öffentlich-rechtlichen Mietpreisrechts (Perspektive: der Wohnungsmarkt) findet sich in dieser Deutlichkeit noch nicht in der Begründung des Gesetzentwurfs vom 28. November 2019 (vgl. LT-Drs. 18/2347, S. 24f.), der das Verbot in § 3 Abs. 1 MietenWoG-E zudem noch auf das Fordern der die Stichtagsmiete überschreitenden Miete bezog. Sie ist in der Sachverständigenanhörung am 11. Dezember 2019 (49. Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Wohnen, Wortprotokoll Stadt/Wohn 18/49, S. 11f., 13, 14f., 19f.) thematisiert und von einigen Experten eine sprachliche Klarstellung in den Regelungen – zu Recht – angeregt worden.

Konsequenz des Ansatzes ist, dass § 3 Abs. 1 MietenWoG allein den zeitlichen und sachlichen Anknüpfungspunkt für die Preisobergrenze (die „Deckelung“ der Miete) markiert (bzw. markieren kann). Das heißt: Nach dem Stichtag verfolgten und wirksam zustande gekommenen Vereinbarungen über die Miethöhe könnte (gegebenenfalls) lediglich die Durchsetzbarkeit des daraus resultierenden Zahlungsanspruchs versagt werden. Der Vermieter wäre in dem bestehenden Einzelvertragsverhältnis demgegenüber nicht gehindert, einen Zustimmungsanspruchs aus § 558 Abs. 1 BGB gegenüber seinem Mietvertragspartner zu verfolgen und sich die Zahlung des Erhöhungsbetrages für die Zeit des Außerkrafttretens des MietenWoG (bzw. für den Fall einer vom BVerfG festgestellten Teil-/Verfassungswidrigkeit) als (ab) dann auch durchsetzbaren Anspruch versprechen zu lassen (vgl. Argumentation zu Neuvermietungen: BVerfG, Beschl. v. 10. März 2020 – 1 BvQ 15/20, juris Rn. 27).

cc) Eine enge Fassung des Verbotstatbestandes in § 3 Abs. 1 MietenWoG ergibt sich schließlich aus der (konsequent) verfassungskonformen Anwendung der Regelung nach den vom Landesgesetzgeber zugrunde gelegten [unter bb) dargestellten] Maßstäben.

Die Aktivierung des Kompetenztitels „Wohnungswesen“ zugunsten einer öffentlich-rechtlichen Mietpreisregulierung in der Zuständigkeit der Länder beruht nach dessen Ausklammerung aus dem Katalog der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes (Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG aF; vgl. im Einzelnen: Weber, JZ 2018, 1022 = ZMR 2019, 389, [393]) auf der – historisch belegbaren – Erkenntnis (vgl. Weber, aaO, S. 390; Tietzsch, WuM 2020, 121, [123]; Börstinghaus, WuM 2018, 610, [613ff.]; Putzer, NVwZ 2019, 283f.), dass der Gesetzgeber vor dem Hintergrund der Besonderheiten des Marktobjektes „Wohnung“ und nicht zuletzt seiner Bedeutung für den sozialen Frieden immer wieder Veranlassung gesehen hat, (außerhalb des BGB) preisregulierend in den Wohnungsmarkt einzugreifen; ebenso (historisch) belegbar ist, dass die Mietwohnungsmärkte in Deutschland inhomogen sind und dem (Bundes-)Gesetzgeber das Phänomen bekannt ist (vgl. etwa: BVerfG, Beschl. v. 18.07.2019 – 1 BvL 1/18, 1 BvL 4/18, 1 BvR 1595/18, nach juris Rn. 43, 78; BT-Drs. 18/3121, S. 14; ebenso schon: BT-Drs. III/1234; S. 50).

Unter der Geltung des Grundgesetzes ist eine (öffentlich-rechtliche) Mietpreisregulierung auf Landesebene – unumstritten – nur in dem durch die Verfassung gesetzten Rahmen möglich, in kompetenzrechtlicher Hinsicht unter Beachtung der Grenzen, die Art. 70 Abs. 1, 72 Abs. 1, 74 GG setzen.

Nach Art. 72 Abs. 1 GG haben die Länder im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung die Befugnis zur Gesetzgebung (nur), solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 GG erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebung (des Bundes) unter anderem auf das bürgerliche Recht.

Grundsätzlich kann (die Landeskompetenz für) das Wohnungswesen ein öffentlich-rechtliches Preisrecht umfassen (so wohl auch: BT-Drs. III/1234, S. 50).

Ob und inwieweit landesrechtliche Regelungen im Bereich des Wohnungswesens durch das soziale Mietrecht des BGB ausgeschlossen werden, ist im Detail anhand der jeweiligen Vorschriften und ihres Regelungsinhaltes zu prüfen (vgl. Battis, Verfassungsrechtliche Prüfung des Referentenentwurfes eines Gesetzes zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung in Berlin im Auftrag der Senatskanzlei des Landes Berlins, unveröff., S. 12ff.; Mayer in: Mayer/Artz, Öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Aspekte eines „Mietendeckels“ für das Land Berlin, Rechtsgutachten für die Fraktion der SPD im Abgeordnetenhaus von Berlin vom 16.03.2019, S. 27, 32; so wohl auch: Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages, WD 3 – 3000 – 029/19, S. 6; Papier, Gutachten im Auftrag des GdW, S. 7; vgl. weitere Nachweise zur Diskussion der Kompetenzfrage: BeckOGK/Siegmund, Stand: 01.07.2020, BGH § 557 Fn. Rn. 13, nach beck-online).

Die Kompetenzfrage lässt sich daher nicht auf ein Entweder-Oder-Verhältnis verkürzen. Das Mietpreisrecht des BGB stellt auf das Rechtsverhältnis zwischen Vermieter und Mieter ab, während das öffentliche Recht sachbezogen den Wohnraum als solchen bzw. den Wohnungsmarkt in den Blick nimmt (Battis, aaO, S. 13; Mayer in: Mayer/Artz, aaO, S. 32; Högl/Zado/Wegner, Berliner Mietendeckel – Ein Vorschlag, Januar 2019; Wegner in: Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Wohnen, Stadt/Wohn 18/49, S. 11f). Daraus folgt: Je mehr eine Regelung sich auf das typische zweipolige Mieter-Vermieter-Vertragsverhältnis bezieht, desto eindeutiger dürfte diese unter den Kompetenztitel für das bürgerliche Recht nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 GG fallen; je mehr eine Regelung Zwecke verfolgt, die über die Rechtsbeziehungen der Vertragsparteien eines Mietvertrages hinausreichen, desto weniger kann Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 GG eine Grenzlinie bedeuten (vgl. Mayer in: Mayer/Artz, Öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Aspekte eines „Mietendeckels“ für das Land Berlin, Rechtsgutachten für die Fraktion der SPD im Abgeordnetenhaus von Berlin vom 16. März 2019, S. 27).

Diese Ansätze entsprechen der Rechtsprechung des BVerfG.

Ohne dass es eines Rückgriffs auf Art. 31 GG bedarf (vgl. BeckOK GG/Hellermann, 42. Ed. 1.12.2019, GG Art. 31 Rn. 14.3, mwN; so auch: Herrlein//Tuschl, NZM 2020 217, [230]), ist es dem Landesgesetzgeber nach der gefestigten Rechtsprechung des BVerfG wegen des Vorrangs der Kompetenzregelungen der Art. 70ff. GG versagt, Bundesregelungen nachzubessern, wenn der Bund – wie hier aufgrund der Regelung in Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 GG – von seiner Kompetenz abschließend Gebrauch gemacht. Die Rechtsfolge wäre wegen der Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 1 GG die Nichtigkeit des Landesrechts (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14. Januar 2015 – 1 BvR 931/12, juris Rn. 50), dies in dem Umfang, in dem eine Kompetenzüberschreitung bzw. der Nichtigkeitsgrund vorliegt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10. März 2020, aaO, nach juris Rn. 27; Beschl. v. 12. November 1958 – 2 BvL 4/56, 2 BvL 26/56, 2 BvL 40/56, 2 BvL 1/57, 2 BvL 7/57, juris Rn. 111).

Die Nichtigkeit eines ganzen Gesetzes kommt danach nur dann in Betracht, wenn sich aus dem objektiven Sinn des Gesetzes ergibt, dass die übrigen mit der Verfassung zu vereinbarenden Bestimmungen keine selbstständige Bedeutung haben, ferner dann, wenn die verfassungswidrige Vorschrift Teil einer Gesamtregelung ist, die ihren Sinn und ihre Rechtfertigung verlöre, nähme man einen ihrer Bestandteile heraus, wenn also die nichtige Vorschrift mit übrigen Bestimmungen so verflochten ist, dass sie eine untrennbare Einheit bilden, die nicht in ihre einzelnen Bestandteile zerlegt kann (BVerfG, Beschl. v. 12.11.1958 – 2 BvL 4/56, 2 BvL 26/56, 2 BvL 40/56, 2 BvL 1/57, 2 BvL 7/57, juris Rn. 111).

Die Sperrwirkung nach Art. 72 Abs. 1 GG tritt wiederum (nur) ein, solange und soweit der Bund die Materie regelt; sie ist nicht nur zeitlich, sondern auch sachlich begrenzt. Maßgeblich für die Bestimmung ihrer Reichweite sind die gesetzliche Regelung selbst und der hinter ihr stehende Regelungszweck sowie die Gesetzgebungsgeschichte. Entscheidend ist, dass ein bestimmter Sachbereich tatsächlich umfassend und lückenlos geregelt ist oder nach dem aus Gesetzgebungsgeschichte und Materialien ablesbaren objektivierten Willen des Gesetzgebers abschließend geregelt werden sollte. Der abschließende Charakter einer Regelung bestimmt sich insofern nach einer Gesamtwürdigung des betreffenden Normenkomplexes. Ist die Regelung abschließend, ist es dem Landesgesetzgeber verwehrt, die Materie ergänzend oder unter neuen Gesichtspunkten zu regeln; das Grundgesetz weist den Ländern nicht die Aufgabe zu, Entscheidungen des Bundesgesetzgebers nachzubessern (BVerfG, Beschl. v. 14. Januar 2015 – 1 BvR 931/12, nach juris Rn. 44, mwN; Urt. v. 30. Juli 2008 – 1 BvR 3263/07, 1 BvR 402/08, 1 BvR 906/08, nach juris Rn. 97).

Diese Maßstäbe zugrunde gelegt, lässt sich aus § 3 Abs. 1 MietenWoG keine Sperrwirkung zulasten des – hier zur Entscheidung stehenden – Anspruchs des Vermieters auf Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete im laufenden Wohnraummietverhältnis nach §§ 558ff. BGB ableiten.

Der Bundesgesetzgeber hat (inzwischen) nicht nur in allen Einzelheiten geregelt, unter welchen tatbestandlichen und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen der Vermieter einen Anspruch auf Zustimmung zu der nach § 558 Abs. 1 BGB begehrten Vertragsänderung gegen den Mieter hat.

Aus der vorzunehmenden Gesamtwürdigung (BVerfG, Beschl. v. 14. Januar 2015, aaO, nach juris Rn. 49; Beschl. v. 12. November 1958 – 2 BvL 4/56, 2 BvL 26/56, 2 BvL 40/56, 2 BvL 1/57, 2 BvL 7/57, juris Rn. 111) des hier zu beurteilenden Normenkomplexes und der zugrunde liegenden Erwägungen des Bundesgesetzgebers ergibt sich, dass der vertragsrechtliche Anspruch abschließend von ihm geregelt wurde.

Mit dem Gesetz über den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft und über ein soziales Mietrecht (Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 6. August 1959, BT-Drs. III/1234) hat der Gesetzgeber vor dem Hintergrund eines von ihm konstatierten voraussichtlichen Endes des Wohnungsmangels im Bundesgebiet damit beginnen wollen, die (öffentlich-rechtlichen) Bindungen der Wohnungszwangswirtschaft schrittweise aufzulockern, schließlich außer Kraft zu setzen und in ein „sozial ausgestaltetes Mietrecht des BGB“ zu überführen, zur Vermeidung sozialer Härten durch ein System von „Miet-und Lastenbeihilfen“ zu ergänzen (vgl. BT-Drs. III/1234, S. 50ff.; vgl. Darstellung des zeitlichen Ablaufs der geplanten Maßnahmen im Anhang zum GE, BT-Drs. III/1234, S. 57).

Nachdem es dem Vermieter infolge des Inkrafttretens der auf weitgehender Vertragsfreiheit beruhenden Regelungen des BGB (auch) wieder erlaubt war, zum Zwecke der Mieterhöhung eine Änderungskündigung auszusprechen, kam es aufgrund des (über einen längeren Zeitraum) fortbestehenden Wohnungsmangels zu erheblichen Mieterhöhungen, die den Gesetzgeber veranlassten, die Änderungskündigung durch ein Verfahren zur Erhöhung der Miete im laufenden, fortbestehenden Mietverhältnis zu ersetzen (vgl. BT-Drs. VI/1549, S. 2; VI/2421, S. 4, 11 vgl. dazu näher auch: Börstinghaus, WuM 2018, 610, [620]; LG Berlin, Urt. v. 31. August 2016 – 65 S 197/16, WuM 2016, 670).

Das zunächst nur vorübergehend eingeführte Instrument entwickelte sich in der Folgezeit zu einem – im Rahmen des Mietrechtsreformgesetzes in das BGB überführten – Kernbestandteil des sozialen Wohnraummietrechts (vgl. BT.Drs. 14/4553, 35).

Das BVerfG hat die – seit 2001 in den §§ 558 ff BGB enthaltenen – Regelungen stets dem (Privat-) Rechtsverhältnis zwischen dem Vermieter und dem Mieter zugeordnet (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23. April 1974 – 1 BvR 6/74; 1 BvR 2270/73, nach juris Rn. 21ff.; vgl. auch BayVerfGH, Entscheidung v. 16.07.2020 – Vf. 32-IX-20, nach juris Rn. 56ff.) und als Bestandteil eines – die Interessen des Mieters und des Vermieters ausgewogen berücksichtigenden – Regelungsgefüges des sozialen Wohnraummietrechts des bürgerlichen Rechts angesehen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23. April 1974 – 1 BvR 6/74; 1 BvR 2270/73, nach juris Rn. 21f.; Beschl. v. 4. Dezember 1985 – 1 BvL 23/84, 1 BvL 1/85, 1 BvR 439/84, 1 BvR 652/84, nach juris Rn. 42; Beschl. v. 18. Juli 2019 – 1 BvL 1/18, 1 BvL 4/18, 1 BvR 1595/18, nach juris Rn. 69ff.). Im Zusammenhang mit der erstmaligen Einführung der Kappungsgrenze hat das BVerfG den Interessenausgleich etwa darin gesehen, dass der Gesetzgeber zugleich eine stärkere Marktorientierung der Miete dadurch herbeigeführt hat, dass in die Bildung der ortsüblichen Vergleichsmiete – im damaligen Zeitpunkt – nur noch Entgelte einbezogen wurden, die in den letzten 3 Jahren vereinbart oder – abgesehen von Veränderungen der Betriebskosten – geändert worden sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4. Dezember 1985 – 1 BvL 23/84, 1 BvL 1/85, 1 BvR 439/84, 1 BvR 652/84, nach juris Rn. 45).

Grundlegendes Ziel des Mietrechtsreformgesetzes 2001 (BT-Drs. 14/4553) war die Zusammenfassung des privaten Wohnraummietrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch. Dazu gehörten in erster Linie die Vorschriften über die Erhöhung der Miete nicht preisgebundener Wohnungen. Der Bundesgesetzgeber hat das private Wohnraummietrecht ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfes ausdrücklich abgegrenzt zum öffentlichen Wohnungsrecht und wollte es nicht in das BGB einbeziehen, dies ebenso wie die privatrechtlichen Ergänzungsvorschriften für den öffentlich geförderten Wohnungsbau; aus seiner Sicht passten sie nicht in das System des privaten Mietrechts und würden das BGB unnötig mit zahlreichen komplizierten Vorschriften überfrachten (vgl. BT-Drs. 14/4553, S. 35). Den Anspruch aus § 558 Abs. 1 BGB hat er als zentrale Vorschrift für Mieterhöhungen des Vermieters im Rahmen des Vergleichsmietensystems bezeichnet (BT-Drs. 14/4553, S. 53).

Die verfassungsrechtlich gebotene, vom Bundesgesetzgeber gewährleistete – so die Rechtsprechung des BVerfG – Ausgewogenheit des sozialen Wohnraummietrechts des BGB, deren zentraler Bestandteil die gesetzlichen Regelungen zur Miethöhe sind, würde gestört bzw. beseitigt, wenn der mit dem Ausschluss der Änderungskündigung zum Zwecke der Mieterhöhung zugunsten des Mieters erreichte Bestandsschutz um die vom Bundesgesetzgeber zum Ausgleich zugunsten des Vermieters vorgesehene zentrale „Gegenleistung“ gebracht würde. Mit einem Ausschluss des Anspruchs des Vermieters auf Zustimmung des Mieters zur Erhöhung der Miete im laufenden Mietverhältnis würde der Landesgesetzgeber unmittelbar in das im BGB (abschließend) geregelte, auf den Interessenausgleich zwischen Mieter und Vermieter ausgerichtete Gefüge der Miethöheregelungen eingreifen und die auch vom Bundesgesetzgeber aus sozialen Motiven geregelte Begrenzung der Mieterhöhung im Einzelvertragsverhältnis anders regeln.

Der Bundesgesetzgeber hat den Ländern vor dem Hintergrund der auch von ihm erkannten Heterogenität der Wohnungsmärkte in Deutschland und der sozialen Folgen regional begrenzter Wohnungsmangellagen die Möglichkeit eingeräumt, das von ihm iRd Anspruchs aus § 558 Abs. 1 BGB zur Begrenzung des Mietanstiegs vorgesehene Instrument – die Kappungsgrenze – weitergehend nutzbar zu machen. Voraussetzungen und Rechtsfolge der von ihm in die Regelungskompetenz des Landesgesetzgebers entlassene weitergehende Absenkung der Kappungsgrenze sind genau definiert, daher ebenfalls als abschließend anzusehen.

Die oben beschriebene hypothetische Kompetenzüberschreitung hat der Berliner Gesetzgeber – wie ausgeführt – gesehen und sich rechtlich dazu positioniert. Die von ihm vorgesehene Preisobergrenze soll (nur) die Durchsetzung dessen (zeitlich begrenzt) hindern, was nach dem BGB erlaubt ist: danach besteht (abschließend geregelt) – unter den weiteren Voraussetzungen des § 558 Abs. 1, 3, 558a BGB (iVm einer etwaigen Rechtsverordnung) ein Anspruch des Vermieters gegen den Mieter auf Zustimmung zu einer Mieterhöhung bis zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete, begrenzt – unter anderem – durch die Kappungsgrenze (nicht eine Mietobergrenze), ggf wird die Abgabe der Zustimmungserklärung fingiert, § 894 ZPO.

dd) Das gesetzgeberische Ziel des MietenWoG wird damit entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht verfehlt.

Wird (eng gefasst) nur die Vereinnahmung einer höheren als der Stichtagsmiete verboten, so werden die Mieter/innen für den im Gesetz zugrunde gelegten Zeitraum von fünf Jahren effektiv finanziell entlastet. Da sich das MietenWoG als Teil einer Gesamtstrategie zur Entspannung des Wohnungsmarktes im Land Berlin versteht (LT-Drs. 18/2347, S. 15), steht dieser Ansatz auch nicht im Widerspruch zum erklärten Ziel des Berliner Gesetzgebers. Die Kammer übersieht dabei nicht, dass das „enge“ Verständnis des Verbotes dazu führt, dass (spätestens) ab Außerkrafttreten des Gesetzes – seine Teil-/Wirksamkeit unterstellt – die zwischenzeitlich nach den Regeln des BGB wirksam zustande gekommenen Mieterhöhungen (auch) einen wirksamen Zahlungsanspruch des jeweiligen Vermieters für die Zukunft begründen, dies allerdings (gegebenenfalls) unter Beibehaltung der zwischenzeitlichen finanziellen Entlastung des jeweiligen Mieters. Sollte das Land Berlin seinem Ziel nähergekommen sein, die Entspannung des Wohnungsmarktes vorrangig durch eine Angebotserweiterung, insbesondere durch den Neubau von Wohnungen zu erreichen, hätten die Mieter/innen aufgrund veränderter Marktbedingungen ihrerseits (Ver-)Handlungspielräume.

ee) Die Verfolgung des Anspruchs der Klägerin aus § 558 Abs. 1 BGB ist auch dann nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehen, wenn die erhöhte Miete – nach §§ 3 Abs. 1, 11 Abs. 1 Nr. 4 MietenWoG – nicht gefordert und entgegengenommen werden dürfte (aA wohl Tietzsch, WuM 2020, 121, [134]).

Zwar kann das Beanspruchen einer Leistung unzulässig sein, wenn sie sofort zurückgewährt werden müsste (dolo facit-Einwand, MüKoBGB/Schubert, 8. Aufl. 2019, BGB § 242 Rn. 462ff.). Die Arglisteinrede nach § 242 BGB kann auch erfolgreich sein, wenn das (zivilrechtlich) Verlangte dazu führt, dass die gegnerische Partei gegen öffentlich-rechtliche Regelungen verstößt (BGH, Urt. v. 9. Januar 1981 – V ZR 58/79, nach juris Rn. 37). Dem liegt letztlich der Gedanke der Einheit der Rechtsordnung zugrunde.

Der Annahme der Rechtsmissbräuchlichkeit der Verfolgung eines Zustimmungsverlangens steht bereits entgegen, dass – nach Auffassung der Kammer – mit dem Mieterhöhungsverlangen allein oder einer etwaigen Zustimmung des Mieters nicht gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstoßen wird.

Dass die Klägerin den Erhöhungsbetrag für die Geltungsdauer des MietenWoG Bln von den Beklagten weder fordern noch vereinnahmen will, hat sie in der Berufungserwiderung klargestellt.

Der Vermieter handelt im Übrigen auch deshalb nicht rechtsmissbräuchlich, weil er – nach dem hier von der Kammer vertretenen Ansatz – lediglich das zivilrechtlich Mögliche für die Zukunft klären will und darf, wobei ihm anderenfalls – wie ausgeführt schon wegen § 558b Abs. 1 BGB – über den zeitlichen Anwendungsbereich des MietenWoG hinaus ein Rechtsverlust entstehen würde, für den es an einer Rechtsgrundlage fehlt.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

2. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen, denn die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung.

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, das heißt allgemein von Bedeutung ist (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drs. 14/4722, S. 104, m. w. N. st Rspr BGH, vgl. Beschl. v. 21. November 2017 – VIII ZR 28/17, nach juris Rn. 6, mwN).

Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Ob § 3 Abs. 1 MietenWoG nach dem Stichtag (18. Juni 2019) die Verfolgung eines Anspruchs des Vermieters aus § 558 Abs. 1 BGB sperrt, ist unabhängig von der gegebenenfalls vom Bundesverfassungsgericht zu klärenden Frage der Kompetenz des Landes Berlin für die Einführung des MietenWoG eine entscheidungserhebliche, fachgerichtlich klärungsfähige und -bedürftige Rechtsfrage (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10. März 2020 – 1 BvQ 15/20, nach juris Rn. 19, 32), die potenziell ca. 1,5 Mio. Mietverhältnisse in Berlin betreffen kann (vgl. Zahlen in: IBB Wohnungsmarktbericht 2019, S. 10); sie wird von den Berliner Amtsgerichten – gerichtsbekannt – zudem unterschiedlich beantwortet. Die hier entscheidungserheblichen Rechtsfragen haben sich in dem Verfahren VIII ZR 355/18 (Urt. v. 29. April 2020, juris) nicht stellen können, konnten folgerichtig vom BGH nicht beantwortet werden.

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