LG Berlin, Urteil vom 20. Juli 2006 – 62 S 79/06

Juni 30, 2020

LG Berlin, Urteil vom 20. Juli 2006 – 62 S 79/06
Beendeter Wohnraummietvertrag: Haftung des Wohnungskäufers für die Rückzahlung der Mietkaution
Tenor
1 Die Berufung der Beklagten gegen das am 23.02.2006 verkündete Schlussurteil des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg – 15 C 301/05 – wird zurückgewiesen.
2 Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte mit Ausnahme der Kosten der Nebenintervention, welche der Streitverkündete selbst trägt.
3 Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages zzgl. 10 %, sofern nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4 Die Revision zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.
Gründe
I.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird zunächst auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen, § 540 Abs. 1 ZPO.
Ergänzend wird folgendes ausgeführt:
Das am 23.02.2006 verkündete Schlussurteil des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg, mit welchem die Beklagte zur Rückzahlung der von dem Kläger geleisteten Mietkaution verurteilt worden ist, ist dem Beklagtenvertreter am 27.02.2006 zugestellt worden. Die Beklagte hat hiergegen am 13.03.2006 Berufung eingelegt, die sie am 27.04.2006 begründet hat.
Die Beklagte hat Rechtsanwalt T… auch in der Berufungsinstanz den Streit verkündet. Dieser ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten.
Die Beklagte nimmt auf ihr erstinstanzliches Vorbringen Bezug und vertieft dieses. Sie hält die angefochtene Entscheidung für fehlerhaft und vertritt weiterhin die Ansicht, sie hafte nicht für die Rückzahlung der Mietkaution, da das Mietverhältnis zu dem Kläger zum Zeitpunkt ihres Eigentumserwerbs – unstreitig – bereits beendet war.
Sie begehrt – unter Änderung der angefochtenen Entscheidung – die Abweisung der Zahlungsklage.
Der Kläger begehrt die Zurückweisung der Berufung.
II.
Die Berufung ist statthaft und zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO). Das Schlussurteil stellt ebenso wie das Teilurteil nach § 301 Abs. 1 ZPO ein Endurteil i.S.d. § 511 Abs. 1 ZPO dar, so dass die Berufung statthaft ist. Die Beklagte war nicht gehalten, gegen das Teilurteil – auf Auskunftserteilung – Berufung einzulegen. Dieses ist zwar in Rechtskraft erwachsen und enthält – worauf der Kläger zu Recht hinweist – bereits die maßgeblichen Ausführungen zum Anspruchsgrund. Diese erwachsen jedoch insoweit nicht in Rechtskraft; das Schlussurteil hat über einen selbständigen prozessualen Anspruch befunden. Diesen hat die Beklagte in zulässiger Weise zur Überprüfung durch das Berufungsgericht gestellt.
In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Amtsgericht die Beklagte hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs auf Rückzahlung der geleisteten Mietkaution gemäß § 566 a BGB für passivlegitimiert erachtet.
Zwar weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass zu dem Zeitpunkt, als sie das streitgegenständliche Grundstück erwarb, das Mietverhältnis zu dem Kläger bereits durch Kündigung beendet war. Hierauf kommt es jedoch nicht an. Maßgeblich ist die Fälligkeit der Forderung.
Die Regelung des § 566 a BGB ergänzt insoweit § 566 BGB, der allerdings – zumindest seinem Wortlaut nach – auf eine Veräußerung des „vermieteten Wohnraums“ zu beziehen ist. Zu § 572 BGB a.F. sollte insoweit keine sachliche Änderung durch das Mietrechtsreformgesetz eintreten (Palandt-Weidenkaff, BGB, § 566a Rn 1). Soweit daraus jedoch der Schluss gezogen wird, die Regelung des § 566 a BGB greife nicht ein, wenn zum Zeitpunkt des Eigentumsübergangs das Mietverhältnis bereits beendet war (so LG Berlin, 67 S 435/04 v. 12.05.2005), überzeugt dies nicht.
Schon im Anwendungsbereich des § 566 BGB ist nämlich anerkannt, dass der Erwerber auch in ein Abwicklungsverhältnis (nach Kündigung) eintritt, solange die Mietsache nicht gemäß § 546 Abs. 1 BGB zurückgegeben worden ist (exempl. OLG Hamm NJW-RR 1992, 1164 mwN.; Schmidt-Futterer/Gather, § 566 Rn 45; s. aber auch OLG Düsseldorf NJW-RR 1994, 1101). Auf die Kündigung kommt es daher insoweit nicht an. Für die Rückgabe der Sicherheit statuiert § 566 a BGB dies ausdrücklich (Palandt-Weidenkaff, BGB, § 566 Rn 15, 16). Die Mietkaution sichert auch noch nicht fällige Ansprüche, die sich aus dem Mietverhältnis und seiner Abwicklung ergeben (BGH – VIII ZR 71/05 – v. 18.01.2006). Dementsprechend ist der (neue) Vermieter zum Einbehalt eines entsprechenden Teils der Mietkaution bis zum Ablauf der Abrechnungsfrist befugt, wenn eine Nachforderung zu erwarten ist (BGH aaO.); im Gegenzug haftet er – nicht der alte Vermieter – auch für etwaige Rückzahlungsansprüche des Mieters (BGH – XII ZR 43/02 – v. 05.10.2005). Das somit zwischen dem Erwerber und dem Mieter bestehende Abwicklungsverhältnis führt zur Anwendbarkeit des § 566 a BGB. Dies unbeschadet der zwischenzeitlich erfolgten Rückgabe der Mietsache. Insoweit kommt es auch nicht – mehr – darauf an, ob der Erwerber die Kaution tatsächlich erhalten hat ( BT-DrS 14/5663 S. 81). Dies mag ihn benachteiligen; insoweit muss er sich allerdings grundsätzlich am Veräußerer schadlos halten. Ein Erwerb im Rahmen der Zwangsverwaltung/-versteigerung ändert an der gesetzlichen Risikoverteilung nichts. Dass zum Zeitpunkt des Grundstückserwerbs durch die Beklagte die Rückzahlungspflicht bezüglich der Mietkaution noch nicht fällig war, steht zwischen den Parteien nicht im Streit und ergibt sich ohne weiteres aus der für das Jahr 2004 noch ausstehenden Abrechnung.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision zum Bundesgerichtshof war zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO vorliegen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung; da – soweit ersichtlich – eine abschließende obergerichtliche Entscheidung hierzu bislang nicht vorliegt, ist sie der Prüfungskompetenz des Bundesgerichtshofes zugänglich zu machen.

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