LG Darmstadt 1. Zivilkammer 1 O 158/19

April 26, 2020

LG Darmstadt 1. Zivilkammer
1 O 158/19

1. Die Klage wird abgewiesen

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Widerruf eines Verbraucherdarlehensvertrages, der zur Finanzierung eines Kaufvertrages über ein Kraftfahrzeug geschlossen wurde.

Am 10.10.2014 schlossen die Parteien einen Darlehensvertrag über einen Nettodarlehensbetrag von 14.093,06€. Wegen des Inhalts und der konkreten Formulierungen des Darlehensvertrages wird auf die Anlage K1 (Bl. 29 ff. d.A.) und auf die Anlage B1 (Bl. 113 d.A.) verwiesen und Bezug genommen.

Das Darlehen diente der Finanzierung eines privaten Pkw-Kaufs.

Der Darlehensvertrag wurde von dem Verkäufer vermittelt und bildet mit diesem eine wirtschaftliche Einheit. Die klagende Partei handelte im Rahmen der Vertragsschlüsse als Verbraucher, die Beklagte als Unternehmerin.

Mit Schreiben vom 26.07.2018 erklärte die klagende Partei den Widerruf des Darlehens.

Die klagende Partei meint, der Widerruf sei wirksam, da die Widerrufsfrist auf Grund von fehlenden Pflichtangaben bzw. einer fehlerhaften Belehrung nicht zu laufen begonnen habe.

Insbesondere meint sie, es sei widersprüchlich, wenn es in der Widerrufserklärung heißt, dass der vertragliche Sollzins (hier 5,83%) zu entrichten sei, dieser aber pro Tag 0,00€ betragen solle.

Außerdem sei die Angabe zum Verzugszinssatz fehlerhaft, da hier eine absolute Zahl anzugeben sei. Die Angabe unter Punkt 8.4 des Vertrages, welche die Regelung des § 489 Abs. 3 BGB widergibt, sei fehlerhaft, da diese Regelung nur für ordentliche Kündigungsrechte gelte.

Die Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung seien fehlerhaft, da sich die Beklagte hier nicht ausdrücklich zwischen der Aktiv-Aktiv-Methode und der Aktiv-Passiv-Methode entschieden habe.

Das Widerrufsrecht sei durch ein unwirksames Aufrechnungsverbot erschwert worden.

Die Übergabe der Widerrufserklärung habe „nach Vertragsschluss“ erfolgen müssen, § 492 Abs. 3 Satz 1 BGB.

Die klagende Partei beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass der Beklagten aus dem Darlehensvertrag vom 10.10.2014 mit der Darlehensnummer 592943 über ursprünglich 14.093,06 Euro ab Zugang der Widerrufserklärung vom 26.07.2018 kein Anspruch mehr auf den Vertragszins und die vereinbarte Tilgung zusteht.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite einen Betrag in Höhe von 14.093,06 Euro zu zahlen, zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.08.2018, Zug-um-Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs [Fahrzeugtyp], Fahrzeug-Ident.-Nr. ….

3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Entgegennahme des Fahrzeugs [Fahrzeugtyp], Fahrzeug-Ident.-Nr. … in Verzug befindet.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite die außergerichtlich angefallenen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 376,52 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt:

Die Klage abzuweisen

Hilfsweise für den Fall der Klagestattgabe beantragt die Beklagte widerklagend:

Festzustellen, dass die Klagepartei im Falle eines wirksamen Widerrufs verpflichtet ist, der Beklagten Wertersatz für den Wertverlust des KFZ [Fahrzeugtyp] mit der Fahrgestellnummer … zu leisten, der auf einen Umgang mit dem Fahrzeug zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und Funktionsweise nicht notwendig war.

Die klagende Partei beantragt:

Die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte meint, die Widerrufsbelehrung sei nicht zu beanstanden und der Vertrag enthalte alle erforderlichen Pflichtangaben.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig aber nicht begründet.

Der klagenden Partei stehen keine Ansprüche aus dem von ihr erklärten Widerruf des streitgegenständlichen Darlehensvertrages zur Finanzierung eines Kfz zu, weil zum Zeitpunkt des Widerrufs die 14-tägige Widerrufsfrist gem. §§ 495 Abs.1, 355 BGB a.F. abgelaufen war, nachdem die Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist gem. §§ 495 Abs.2, 492 BGB a.F.erfüllt waren.

Die streitgegenständliche Widerrufsinformation entspricht vollständig dem Muster in Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB in der Fassung vom 13.06.2014 (gültig 13.06.2014 bis 20.03.2016). Es besteht demnach die Gesetzlichkeitsfiktion dahin, dass den Anforderungen der Sätze 1 und 2 des Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB a.F. hinsichtlich der im Vertrag erforderlichen Angaben entsprochen ist. Der nach Gestaltungshinweis (3) bei den Widerrufsfolgen anzugebende genaue Zinsbetrag in Euro ist mit 0,00 Euro angegeben. Zwar hat der Darlehensnehmer entgegen der im vorangegangenen Satz enthaltenen Aussage, wonach für den maßgeblichen Zeitraum der vereinbarte Sollzins zu entrichten ist, dann im Falle des Widerrufs tatsächlich keine Zinszahlungen zu leisten; diese für den Darlehensnehmer günstige Regelung ist jedoch weder unrichtig noch verwirrend (BGH XI ZR 650/18 – Urteil v. 05.11.2019). Der Widerspruch in Bezug auf den vorangegangenen Satz ist dabei nicht zu vermeiden, weil die Beklagte sich bei Weglassen des vorangestellten Satzes der Schutzwirkung des Art. 247 § 6 Abs.2 Satz 3 EGBGB a.F. hätte begeben müssen, ebenso, wenn sie anstelle des eingesetzten Betrages von 0,00 € den Zinsbetrag ganz weggelassen hätte.

Die Pflichtangaben nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 14 und Abs. 4 EGBGB a.F. sind vorhanden.

Die Bezeichnung als „Darlehen“ genügt Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB a.F. Eine weitergehende Konkretisierung ist zur Information des Verbrauchers nicht erforderlich.

Auch die Angabe des Verzugszinssatzes nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB a.F. ist jedenfalls nach dem vorliegend anzuwendenden Maßstab noch in ausreichender Art und Weise erfolgt. Unter Punkt VIII.2. der Darlehensbedingungen werden unter der Überschrift „Verzugszinsen“ Ausführungen dazu gemacht, dass im Verzugsfall Schadensersatz gefordert werden kann. Damit handelt es sich jedenfalls nicht um eine fehlende sondern allenfalls um eine fehlerhafte Pflichtinformation. Eine fehlerhafte Pflichtangabe kann einer fehlenden allenfalls dann gleichgestellt werden, wenn der Fehler so gewichtig ist, dass ein verständiger Verbraucher von der Ausübung des Widerrufsrechts abgehalten wird (OLG Frankfurt a. M. (13. Zivilkammer), Urteil vom 26.07.2019 – 24 U 230/18; BeckRS 2019, 20121). Dies ist nach der Auffassung des Gerichts vorliegend nicht der Fall, denn ein verständiger Verbraucher, der sich für diese Fragestellung interessiert, wird durch die Klausel darauf gestoßen, dass Verzugszinsen anfallen können. Kommt es ihm insoweit auf die konkrete Höhe der Verzugszinsen an, so kann er sich hierüber ohne Schwierigkeiten im Rahmen einer Internetsuche unter dem Stichwort „Verzugszinsen“ informieren.

Nach der Auffassung des Gerichts reduziert sich die gerichtliche Überprüfung der Pflichtangaben nach Ablauf einer Frist von einem Jahr und 14 Tagen zudem darauf, ob ein ganz besonders grober Fehler vorliegt, der nicht nur generell dazu geeignet war, den Verbraucher davon abzuhalten, sein Widerrufsrecht auszuüben, sondern außerdem geeignet war, den Verbraucher davon abzuhalten, sich über sein Widerrufsrecht und die Rechtslage bezüglich des Darlehens anderweitig zu informieren (ähnlich: Herresthal, NJW 2019, 13). Nach einem solchen Zeitablauf geht nämlich der Gesetzgeber in der Regel davon aus, dass ein Widerrufsrecht auch bei fehlender Belehrung nicht mehrausgeübt werden kann (vgl. § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB). Die Tatsache, dass diese Ausschlussfrist nicht für Allgemein-Verbraucherdarlehen gilt (§ 356 Abs. 3 Satz 3 BGB und § 356b Abs. 2 BGB), lässt keinen Schluss darauf zu, dass es dem aktualisierten Willen des Gesetzgebers entspricht, dass der Widerruf hier in eklatantem Wertungswiderspruch zu allen anderen Widerrufsrechten zeitlich unbegrenzt möglich sein soll. Sie beruht im Hinblick auf Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge vielmehr darauf, dass die Wohnimmobilienkredit-RL (RL 2014/17/EU) keine Vorgaben zur Widerrufsfrist macht, die Finanzdienstleistungs-Fernabsatz-RL (RL 2002/65/EG) hingegen schon. Letztere sieht anders als Art 10 Verbraucherrechte-RL (RL 2011/83/EU) auch nicht selbst eine Höchstfrist vor. Daher traute der deutsche Gesetzgeber sich nicht eine allgemeine Höchstfrist auch für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge zu statuieren. Aus den Erwägungsgründen der Finanzdienstleistungs-Fernabsatz-RL ergibt sich aber nicht, dass der (europäische) Gesetzgeber ein unendliches Widerrufsrecht begründen wollte. Da die Finanzdienstleistungs-Fernabsatz-RL erheblich älter als die Verbraucherrechte-RL ist, kann insoweit davon ausgegangen werden, dass es dem aktualisierten Willen des europäischen Gesetzgebers entspricht, ein Widerrufsrecht nach einem Jahr und 14 Tagen nur in engen Grenzen zuzulassen, auch wenn er insoweit bezüglich der Finanzdienstleistungs-Fernabsatz-RL noch nicht rechtssetzend tätig geworden ist.

An einem solchen ganz besonders schwerwiegenden Fehler fehlt es hier erst Recht, da die Klausel jedenfalls eine Anstoßfunktion ganz eindeutig erfüllt.

Die Angabe der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen als zuständige Aufsichtsbehörde unter Punkt VIII.7. der Darlehensbedingungen genügt Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB a.F. Die zusätzliche Angabe der deutschen Bundesbank ist nicht erforderlich. Die BaFin ist die primäre Aufsichtsbehörde (vgl. § 6 ff. KWG) und Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB a.F. verlangt lediglich die Angabe einer Behörde wie sich aus dem Gebrauch des Singulars im Rahmen des Gesetzestextes ergibt.

Die Angabe über das einzuhaltende Verfahren bei Kündigung gemäß Artikel 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB ist im Darlehensvertrag enthalten. Dem Darlehensnehmer soll durch diese Pflichtangabe verdeutlicht werden, wann eine Kündigung des Darlehensgebers wirksam ist und wie der Darlehensnehmer selbst den Vertrag kündigen kann. Eine umfassende Darstellung aller Wirksamkeitsvoraussetzungen würde einer sinnvollen Information des Verbrauchers widersprechen, denn eine solche Darstellung geht über das Erfordernis der Verdeutlichung hinaus. Der Gesetzgeber erwartet nämlich gerade nicht, dass der Verbraucher eine umfassende Wirksamkeitsprüfung der Kündigung vornehmen kann, was ohne juristische Vorbildung ohnehin nicht zu erreichen wäre. Wenn schon aber der BGH regelmäßig davon ausgeht, dass es für den Verbraucher im Rahmen der Widerrufsinformation zumutbar ist, sich selbst anhand der umfangreichen Gesetzestexte, auf die in der Widerrufsinformation Bezug genommen wird, darüber zu informieren, so muss dies in gleicher Weise für die Formvorschriften der Kündigung gelten. Es besteht daher auch keine Pflicht zur Darlegung der Formvoraussetzung des § 492 Abs. 5 BGB. Eine umfassende Aufklärung zu zivilrechtlichen Grundvoraussetzungen kann nicht erfolgen. Der Darlehensgeber kann zum Beispiel nicht über die Grundsätze des Zugangs von Kündigungserklärungen oder die Abgabe mit Vertretungsmacht aufklären. Die konkrete Prüfung einer Kündigung kann nur im Einzelfall erfolgen. Die Darlegung sämtlicher Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Kündigung kann daher nicht gefordert sein. Die Nennung aller Voraussetzungen würde zu einer unübersichtlichen und unlesbaren Ansammlung an Pflichtangaben führen, die dem Gesetzeszweck entgegenstünden.

Auch die Angaben unter Punkt IX.8.4 des Darlehensvertrages ist nicht fehlerhaft. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Regelung nach § 489 Abs. 3 BGB auf das außerordentliche Kündigungsrecht nicht zumindest durch Vereinbarung übertragbar wäre. Der Rechtsgedanke, dass sich der Darlehensnehmer nicht einem vertraglichen Sollzins, der über dem gesetzlichen Verzugszins liegt, entziehen können soll, trifft auf diese Fallkonstellation grundsätzlich genauso zu. Darüber hinaus würde eine fehlerhafte AGB-Regelung, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Widerrufsrecht steht, sich nicht auf den Lauf der Widerrufsfrist auswirken (so zu einer unzulässigen Aufrechnungsbeschränkung: BGH, Beschl. v. 9.4.2019 – XI ZR 511/18, BKR 2020, 32).

Unter Ziffer VIII 3.2 des streitgegenständlichen Vertrages hat die Beklagte die geschuldete Angabe zur Berechnungsmethode der Vorfälligkeitsentschädigung (Artikel 247 § 7 Nr. 3 EGBGB a.F.) ordnungsgemäß mitgeteilt. Die nach Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB a.F. erforderliche Information über die Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung ist klar und verständlich, wenn der Darlehensgeber die für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung wesentlichen Parameter in groben Zügen benennt (BGH (XI. Zivilsenat), Urteil vom 05.11.2019 – BGH Aktenzeichen XI ZR 650/18; BeckRS 2019, 30577) Es sind die wesentlichen Parameter mitgeteilt worden, nach denen sich die Vorfälligkeitsentschädigung berechnet, sowie, dass eine Berechnung auf Basis anerkannter finanzmathematischer Methoden erfolgt. Weitergehende Erläuterungen komplexer finanzmathematischer Formeln oder die Entscheidung für eine spezifische Berechnungsmethode hätten als Information für den Verbraucher keinen Mehrwert, da diese ohnehin abstrakt nur schwer verständlich sind. Der Wortlaut der gesetzlichen Regelung verlangt gerade nicht die Darstellung der mathematischen Formel für die Berechnung. Mit der streitgegenständlichen Formulierung wird dem gesetzgeberischen Ziel, wonach der Verbraucher die finanziellen Folgen einer vorzeitigen Darlehensablösung zuverlässig abschätzen können soll, demnach hinreichend Rechnung getragen.

Die Regelung unter Punkt IX.11.4. der Darlehensbedingungen dahingehend, dass gegenüber der Beklagten nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen aufgerechnet werden kann, dürfte zwar unwirksam sein (vgl. BGH, Urt. v. 20.3.2018 – XI ZR 309/16, BKR 2018, 297), dies berührt jedoch den Lauf der Widerrufsfrist nicht (BGH, Beschl. v. 9.4.2019 – XI ZR 511/18, BKR 2020, 32).

Die Übergabe der Widerrufsbelehrung musste nicht erst „nach Vertragsschluss“ erfolgen, da nach § 356 Abs. 1 BGB die Übergabe einer Abschrift des Antrags genügt.

Die innerprozessuale Bedingung der Hilfswiderklage ist nicht eingetreten, sodass es insoweit keiner Entscheidung bedarf.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

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