LG Dessau-Roßlau, Urteil vom 05.08.2022 – 3 O 23/21 – Geschäftsmiete in der Pandemie

Dezember 20, 2022
LG Dessau-Roßlau, Urteil vom 05.08.2022 – 3 O 23/21
Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.865,10 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz aus jeweils 7.553,50 € seit 6. April 2020, seit 6. Mai 2020 und auf 7.345,52 seit 4. Juni 2020 zu zahlen.

Die darüberhinausgehende Klage wird abgewiesen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 1.266,09 € zu zahlen.

3. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu 61 %, die Beklagte zu 39 % zu tragen.

4. Das Urteil ist jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

und beschlossen:

 

Der Streitwert des Verfahrens wird festgesetzt auf 68.104,90 € bis 18.01.2022 und ab 19.01.2022 auf 50.481,16 €.

Tatbestand

Die Klägerin macht ausstehenden Mietzins geltend.

Die Klägerin ist Eigentümerin/Vermieterin des Einkaufszentrums R.-Center D., sie wird durch die E.-Projektmanagement GmbH & Co. KG vertreten. Die Beklagte hat Gewerbeflächen zum Betrieb eines Bekleidungsgeschäftes gemietet.

Die Parteien schlossen am 17.02.2010/29.03.2010 einen Mietvertrag, der Mietzins wurde mit 25,00 €/qm vereinbart. Wegen der weiteren Bestimmungen im Einzelnen wird auf die Anlagen K 1 und K 2 Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 01.10.2019 wurde über das Vermögen der Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet.

Mit dem Nachtrag Nr. 4 zum Mietvertrag haben die Parteien am 03.06./02.05.2020 eine neue Vereinbarung zum Mietverhältnis abgeschlossen. In Ziff. 1) dieses Vertrages wird auf das über das Vermögen der Beklagten eröffnete Insolvenzverfahren Bezug genommen. Es heißt: „… Im Hinblick auf eine von den Parteien angestrebte langfristige Weiterführung des Mietverhältnisses auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens vereinbaren die Parteien die nachfolgenden Regelungen. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Mietverhältnis nach Abschluss des Insolvenzverfahrens langfristig fortgeführt werden soll …“

Im Rahmen dieses Nachtrages wurde die monatliche Mindestmiete gesondert festgelegt.

Nach dem klägerischen Vortrag sollte der Mietzins ab 01.01.2020 monatlich 7.535,50 € betragen, im Zeitraum ab Juni 2020 unter Berücksichtigung der reduzierten Mehrwertsteuer monatlich 7.345,52 €.

Für Januar 2021 betrug der Mietzins (nach dem klägerischen Vortrag) 7.535,50 €, zum 01.02.2021erhöhte sich die Miete (nach dem klägerischen Vortrag) auf 7.592,58 €. Die Klägerin hat im Rahmen der Berechnung den Betrag von 7.353,50 € aufgeführt, nach eigenem Vortrag der Klägerin geht das Gericht davon aus, dass der Mietzins 7.535,50 € betrug.

Die Klägerin hat der Beklagten für den Zeitraum von Oktober 2019 bis September 2020 Gutschriften erteilt. Wegen der Berechnung und Abrechnungen im Einzelnen wird die Anlagen K 4 und K 5 verwiesen.

Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten wurde mit Beschluss vom 05.05.2021 aufgehoben.

Infolge behördlicher Anordnungen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie kam es zu teilweisen bzw. vollständigen Schließungen des Geschäftslokales der Beklagten. Im Zeitraum 18.03.2020 bis 19.04.2020 war das Geschäft vollständig geschlossen, vom 20.04.2020 bis Juni 2020 erfolgte eine teilweise Öffnung unter Erteilung von Auflagen und einer Begrenzung der Kundenanzahl. Ab 18.11.2020 war für das Betreten des Ladenlokals die allgemeine Maskenpflicht zu berücksichtigen, ab 01.12.2020 wurde erneut die Kundenzahl begrenzt. Vom 16.12.2020 bis 10.03.2021 war das Geschäft vollständig geschlossen. Ab 11.03.2021 erfolgte eine teilweise Öffnung insoweit, dass Termine vereinbart und nur einzelne Kunden eingelassen werden durften. Ab Juni 2021 war eine vollständige Öffnung wieder möglich.

In einer E-Mail vom 17.06.2020 wurde für die Klägerin von der E. der Vorschlag eines 100% Verzichts der monatlichen Mieten für April, Mai, Juni 2020 dargestellt, mit dem Hinweis, dass es sich um einen Vorschlag handele, der dem jeweiligen Eigentümer zur Freigabe vorgestellt werden wird (Anlage B 7).

Für die Klägerin wurde in einer E-Mail vom 23.04.2021 eine Zusammenfassung der Verhandlungsstände zum Thema Covid 1+2 übermittelt, in der für das streitgegenständliche Objekt ein 100% Mietverzicht für die Monate 04-06/20 aufgeführt worden ist, vorbehaltlich der Freigabe durch den Vermieter/Eigentümer (Anlage B 4).

Mit Schreiben vom 09.11.2020 war für die Klägerin mitgeteilt worden, dass man „… jetzt die Nachträge zu den Objekten, wie besprochen in Auftrag geben…“ wird; für das streitgegenständliche Objekt wird u. a. vermerkt: „…100 % Verzicht der monatlichen Miete für April, Mai und Juni 2020…“ (Anlage B 8).

Mit der am 24.09.2021 erhobenen Klage hat die Klägerin die rückständigen Mieten für April bis Juni 2020 sowie den Zeitraum Januar bis Juni 2021 geltend gemacht.

Die Beklagte hat am 25.11.2021 den jeweils hälftigen Betrag der geschuldeten Netto-Kaltmiete zzgl. Nebenkosten und MwSt. für Januar bis Juni 2021 mit insgesamt 22.749,20 € an die Klägerin gezahlt.

In diesem Umfang haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.

Für die Monate März 2020 und Dezember 2020 hat die Beklagte den Mietzins vollständig gezahlt, obwohl die Geschäfte jeweils ab Monatsmitte schließen mussten, mit der insoweit zu viel gezahlten Miete in Höhe von insgesamt 7.440,51 € (3.767,75 € und 3.672,76 €) erklärt die Beklagte die Aufrechnung.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass eine weitere Reduzierung der Mieten nicht in Betracht komme. Die Parteien hätten bereits in Kenntnis der Pandemie im Mai 2020 den Nachtrag Nr. 4 zum Mietvertrag abgeschlossen und einen reduzierten Mietzins vereinbart, eine weitere Anpassung des Mietvertrages sei daher nicht vorzunehmen. Die Klägerin bestreitet, die dargelegten Umsatzverluste mit Nichtwissen. Der Vortrag der Beklagten zu Maßnahmen der Verlustminimierung sei nicht ausreichend. Die Beklagte habe die Möglichkeit gehabt, über den Online-Shop die Verluste auszugleichen. Die Klägerin habe bereits wegen des laufenden Insolvenzverfahrens der Beklagten einen erheblichen Forderungsverzicht hinnehmen müssen, es sei nicht interessengerecht, wegen der deshalb unterbliebenen Unterstützungsleistungen nochmals auf berechtigte Forderungen zu verzichten. Die zwischenzeitlichen außergerichtlichen angebotenen Verhandlungsansätze seien überholt.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

1. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 44.627,70 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz aus jeweils 7.353,50 € seit 6. April 2020, seit 6. Mai 2020, seit 4. Juni 2020, aus 3.585,75 € seit 6. Januar 2021, aus jeweils 3.796,20 € seit 4. Februar 2021, 4. März 2021, seit 8. April 2021, seit 5. Mai 2021, seit 4. Juni 2021 zu zahlen.

2. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 1.266,09 € zu zahlen.

Wegen des darüber hinaus gehenden Betrages zum ursprünglichen Klageantrag – nach teilweiser Erledigung – von 50.481,16 € hat die Klägerin die Klage zurückgenommen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, es bestehe ein Anspruch auf Anpassung des Mietzinses. Sie behauptet für die Monate April bis Juni 2020 ergebe sich dieser Anspruch aus dem von der Klägerin selbst vorgeschlagenen 100% Verzicht und aus der Tatsache, dass die Beklagte in diesem Zeitpunkt der angeordneten Schließung wegen des laufenden Insolvenzverfahrens keine staatlichen Hilfen in Anspruch nehmen konnte. Für die weiteren Monate, in denen durch hoheitliche Maßnahmen die Schließung angeordnet worden war oder strenge Zugangsbeschränkungen galten, sei eine sachgerechte Risikoverteilung vorzunehmen. Die Beklagte habe für diesen Zeitraum 50 % der Miete gezahlt, ein weiterer Anspruch auf Mietzins für die Klägerin bestehe daher nicht.

Die Beklagte behauptet, in den Monaten der Schließung habe sie erhebliche Umsatzverluste erlitten, wegen der Zahlen im Einzelnen wird auf die vorgelegte Anlage B 5 verwiesen. Eine Umstellung auf den Online-Handel sei der Beklagten wegen der damit verbundenen Aufwendungen im Rahmen des laufenden Insolvenzverfahrens nicht möglich gewesen, der schon existierende Online-Shop stelle eine eigene Filiale dar, die bei der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Situation gegenüber der Klägerin für das streitgegenständliche Objekt nicht zu berücksichtigen sei. Im Zeitraum März bis Juni 2020 habe die Beklagte nur staatliche Leistungen in Form des Kurzarbeitergeldes in Anspruch genommen, dieses habe die Verluste jedoch nicht abmildern können, das gelte ebenso für die Schließung im Jahr 2021. Die im Jahr 2021 gewährte Überbrückungshilfe sei hinter den tatsächlich geschuldeten Mieten zurückgeblieben. Eine Betriebsversicherung bestehe nicht. Der Nachtrag Nr. 4 zum Mietvertrag schließe eine erneute Anpassung der Miete nicht aus. Er sei, wie darin postuliert worden sei, im Hinblick auf das Insolvenzverfahren abgeschlossen worden, eine Kenntnis über die weitreichenden Auswirkungen der Pandemie habe zu diesem Zeitpunkt nicht bestanden und sei nicht Gegenstand dieses Nachtrages zum Mietvertrag gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Vorbringen der Parteien wird auf deren umfangreiche Schriftsätze nebst den Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und im Ergebnis nur teilweise begründet.

Die Parteien haben wirksam einen Mietvertrag über Geschäftsräume zum Betrieb eines Bekleidungsgeschäftes abgeschlossen.

Der Mietvertrag wurde durch den 4. Nachtrag zum Mietvertrag wirksam abgeändert. Auf der Grundlage dieses Mietvertrages beträgt der Mietzins nach klägerischem Vortrag und insoweit unstreitig für die streitgegenständlichen Zeiträume April bis Juni 2020 monatlich 7.535,50 € bzw. im Juni 2020 wegen der reduzierten Mehrwertsteuer 7.345,52 €, für Januar 2021 erneut 7.535,50 € und im Zeitraum ab 01.02.2021erhöhte sich die Miete nach dem klägerischen Vortrag auf 7.592,58 €.

Die Klägerin begehrt den ausstehenden Mietzins für den Zeitraum von April bis Juni 2020 sowie Januar bis Juni 2021.

In diesen Zeiträumen war das Geschäftslokal der Beklagten aufgrund behördlicher Anordnungen infolge der Covid-19-Pandemie zeitweilig vollständig geschlossen bzw. nur unter Auflagen/Einschränkungen für den Geschäftsbetrieb zugänglich.

Diese mit den Schließungsanordnungen verbundene Gebrauchsbeschränkung der Mietsache stellt keinen Mangel dieser Mietsache dar und rechtfertigt die Minderung des Mietzinses wegen des Vorliegens eines Mangels der Mietsache gemäß § 536 Abs. 1 BGB nicht (vgl. BGH, Urteil vom 12.01.2022 – XII ZR 8/21, zit. nach juris). Ebenso liegt keine Befreiung der Beklagten von der Mietzahlungspflicht vor, weil der Klägerin ihre vertraglich geschuldete Pflicht zur Überlassung und Erhaltung der Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand ganz oder teilweise unmöglich gewesen wäre (BGH, a.a.O.).

Allerdings kommt im Rahmen der Geschäftsschließung, die auf einer hoheitlichen Maßnahme beruhte, ein Anspruch des Mieters von gewerblich genutzten Räumen auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB in Betracht. Die Anwendung des § 313 Abs. 1 BGB ist nicht wegen Art. 240 § 2 EGBGB ausgeschlossen. Der Gesetzgeber hat in Art. 240 § 2 EGBGB, mit dem die Kündigungsmöglichkeit des Vermieters wegen eines Corona- bedingten Zahlungsverzuges des Mieters ausgesetzt wurde, keine, die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die Rechte und Pflichten von Mietvertragsparteien abschließend normierende Regelung getroffen.

Das Gericht folgt hier insoweit den vom BGH in der angeführten Entscheidung getroffenen Überlegungen und Feststellungen.

Der Anpassungsanspruch besteht gemäß § 313 Abs. 1 BGB, wenn sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsabschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten. Dabei kann aber eine Anpassung nur insoweit verlangt werden, als einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung ein Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Nach der Rechtsprechung des BGH, der sich das erkennende Gericht anschließt, geht es über das Gewöhnliche und von ihm regelmäßig allein zu tragende Verwendungsrisiko des Mieters hinaus, wenn eine enttäuschte Gewinnerwartung auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie, wie einer Betriebsschließung oder Betriebseinschränkung für einen gewissen Zeitraum beruht. Die wirtschaftlichen Nachteile, die ein gewerblicher Mieter aufgrund einer pandemiebedingten Schließung erlitten hat, gehen nicht auf unternehmerische Entscheidungen oder die enttäuschte Vorstellung zurück, in den Mieträumen ein Geschäft betreiben zu können, mit dem Gewinne erwirtschaftet werden. Sie sind vielmehr Folge der umfangreichen staatlichen Eingriffe in das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie, für die keine der beiden Mietvertragsparteien allein verantwortlich gemacht werden kann. Mit der Covid-19-Pandemie hat sich damit letztlich ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht, dass von der mietvertraglichen Risikoverteilung ohne eine entsprechende vertragliche Regelung nicht erfasst ist (BGH, Urteil vom 16.02.2022, XII ZR 17/21; OLG Hamm, Urteil vom 19.05.2022, 18 U 43/21, zit. nach juris).

Ob dem Mieter ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag unzumutbar ist, bedarf einer Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls. Eine Vertragsanpassung dahingehend, dass ohne Berücksichtigung der konkreten Umstände die Miete für den Zeitraum der Geschäftsschließung grundsätzlich um die Hälfte herabgesetzt wird, weil das Risiko einer pandemiebedingten Gebrauchsbeschränkung der Mietsache keine der beiden Mietvertragsparteien allein trifft, kommt nicht in Betracht.

Bei einer vorzunehmenden Abwägung aller Gesamtumstände ist zunächst von Bedeutung, welche Nachteile dem Mieter durch die Geschäftsschließung oder -einschränkung und deren Dauer entstanden sind. Dabei werden die Nachteile bei einem gewerblichen Mieter primär in einem konkreten Umsatzrückgang für die fragliche Zeit der Schließung oder Nutzungseinschränkung bestehen, wobei jedoch das konkrete Mietobjekt und nicht der mögliche Konzernumsatz maßgeblich ist (BGB, XII ZR 8/21, a.a.O).

Eine Anpassung des Mietvertrages der Gestalt, dass die Miete für den Zeitraum der pandemiebedingten Schließungen um 50 % zu kürzen ist, hält das Gericht im konkreten Fall für angemessen.

Im konkreten Fall hat die Beklagte nach Überzeugung des Gerichts substantiiert dargelegt, dass in der hier streitgegenständlichen konkreten Filiale aufgrund der pandemiebedingten Schließung des Geschäftslokals ein erheblicher Umsatzrückgang zu verzeichnen gewesen ist.

Die Beklagte hat mit den Anlagen B 5, B 9 eine monatliche Aufstellung ihrer Umsätze vorgelegt, aus der sich ein Rückgang der Umsätze für die betreffenden Monate von ca. 50 % bzw. darüber ergibt. Es ist den Unterlagen zu entnehmen, dass die Umsatzverluste für den Zeitraum April bis Juni 2020 zwischen 40% bis sogar 72 % lagen.

Für den Zeitraum der Schließungen zu Beginn des Jahres 2021 sind die aus den Unterlagen abzuleitenden Umsatzverluste noch deutlicher, für Januar bis Februar 2021 beliefen sich diese nach den Angaben der Beklagten auf 89% bzw. sogar 100%, sie lagen in den anderen Monaten auch über 50%.

Auf ein mögliches – negatives – Betriebsergebnis kommt es entgegen der Ansicht der Klägerin nicht an, denn der BGH hat in seiner Entscheidung hinsichtlich der Kriterien für die Beurteilung zur Anpassung des Mietvertrages im Wesentlichen darauf abgestellt, welcher konkrete Umsatzrückgang im konkreten Mietobjekt zu verzeichnen ist. Nicht relevant ist daher ebenso, welche Umsätze nach Aufhebung der Schließungsanordnungen und Nutzungseinschränkungen erzielt werden konnten bzw. welche Umsätze in anderen Filialen oder im Jahresverlauf erwirtschaftet wurden. Allerdings hat die Beklagte konkret darzulegen vermocht, dass auch nach der Wiedereröffnung ihrer Filiale die erlittenen Verluste nicht wieder aufgeholt werden konnten.

Grundsätzlich sind bei der Abwägung auch finanzielle Vorteile zu berücksichtigen, die ein Mieter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich der pandemiebedingten Nachteile erlangt hat. Ebenso können Leistungen einer einstandspflichtigen Betriebsunterbrechungsversicherung zu berücksichtigen sein. Staatliche Unterstützungsmaßnahmen, die hingegen nur auf Basis eines Darlehens gewährt werden, bleiben bei der gebotenen Abwägung außer Betracht, weil sie keine endgültige Kompensation der erlittenen Umsatzeinbußen darstellen (BGH, XII ZR 17/21, a. a. O).

Die Beklagte hat ebenso substantiiert darlegen können, dass ihre Anstrengungen zur Kompensation der Verluste nur zu einem geringen Teil erfolgreich waren.

Im Zeitraum der ersten Schließungen im Jahr 2020 konnte die Beklagte wegen des laufenden Insolvenzverfahrens keine sog. Corona- Hilfen in Anspruch nehmen, dafür lagen angesichts des bereits seit 01.10.2019 laufenden Insolvenzverfahrens die Voraussetzungen nicht vor.

Die Beklagte hat für die Zeit von Dezember 2020 bis Mai 2021 Überbrückungshilfe III (für Miete und Mietnebenkosten) erhalten. Die gewährten Leistungen blieben hinter dem Betrag der geschuldeten Miete zurück, relevante Umsätze hat die Beklagte in diesem Zeitraum nicht erwirtschaftet, aus denen die Miete hätte erbracht werden können.

Unter Bezugnahme auf die vorgelegten Unterlagen konnte die Beklagte schlüssig und substantiiert unter Nennung konkreter Zahlen aufzeigen, dass auch der Online-Handel die im Zeitraum der pandemiebedingten Geschäftsschließung erlittenen Umsatzverluste nicht auffangen konnte. Jedenfalls waren sie nach Verständnis des Gerichts nicht ansatzweise geeignet, die Verluste zu kompensieren.

Leistungen aus einer etwaigen Betriebsversicherung sind der Beklagten nicht zugeflossen.

Unter Abwägung der vorgelegten wirtschaftlichen Entwicklung der Beklagten hält es das Gericht daher für angemessen, den Mietzins für die streitgegenständlichen Zeiträume jeweils um 50 % zu kürzen.

Das gilt auch für den Zeitraum im Jahr 2020.

Die Auffassung der Klägerin, dass eine Kürzung des Mietzinses für diesen Zeitraum (und auch für den weiteren Zeitraum im Jahr 2021) deshalb nicht in Betracht komme, weil die Parteien den 4. Nachtrag zum Mietvertrag bereits in Kenntnis der pandemiebedingten Auswirkungen abgeschlossen haben, dringt nicht durch.

Denn ausweislich des Wortlautes dieses Nachtrages sind die darin getroffenen Vereinbarungen allein im Hinblick auf das laufende Insolvenzverfahren der Beklagten abgeschlossen worden. Das ergibt sich aus dem einleitenden Wortlaut in § 1 dieses Nachtrages, der ausdrücklich darauf verweist, dass diese Vereinbarungen dazu dienen sollten, der Beklagten auch nach dem Insolvenzverfahren die Fortführung des Mietverhältnisses zu ermöglichen. Zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Nachtrages war den Parteien die mögliche Auswirkung längerfristiger Schließungen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie auch noch nicht in vollem Umfang bekannt. Gerade die längerfristigen Schließungen und Einschränkungen erfolgten erst zu einem wesentlichen späteren Zeitpunkt im Jahr 2020 bzw. insbesondere im Jahr 2021. Dass es zu einer solchen Entwicklung kommen würde und diese auch Auswirkungen auf das Mietverhältnis haben würde, konnte im Frühjahr 2020 bei Abschluss des 4. Nachtrages zum Mietvertrag den Parteien so noch nicht bekannt gewesen sein. Der Abschluss dieses Nachtrages erfolgte – folgt man dem Wortlaut und den sonstigen Vereinbarungen – nicht vor dem Hintergrund möglicherweise drohender längerfristiger Schließungen und zur Anpassung des Mietzinses unter dem Gesichtspunkt der Auswirkungen der Corona-Pandemie.

Das wird durch die weiteren Verhandlungen über einen möglichen Mietverzicht für den Schließungszeitraum 2020 unterstützt, denn wenn der Nachtrag diese Situation bereits berücksichtigt hätte, wären weitere Verhandlungen zur Mietanpassung entbehrlich gewesen.

Allerdings kommt für diesen Zeitraum April bis Juni 2020 auch ein wirksamer Verzicht der Klägerin im Umfang von 100 % des Mietzinses nicht in Betracht.

Denn nach dem Inhalt der von der Beklagten in diesem Zusammenhang vorgelegten E-Mails, in denen für diesen Zeitraum April bis Juni 2020 ein 100% Mietverzicht für das streitgegenständliche Mietobjekt diskutiert wird, handelt es sich noch nicht um wirksame Vereinbarungen.

Insbesondere fehlt es an der Zustimmung der Eigentümerin bzw. der Klägerin zu den diskutierten Vorschlägen. Denn schon aus dem Wortlaut der E-Mails wird ersichtlich, dass zwar über einen 100% Mietverzicht verhandelt worden ist, dieser aber unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Eigentümer stand. Das eine solche Zustimmung tatsächlich erteilt worden ist, wird nicht vorgetragen uns ist aus dem Vortrag der Parteien nicht ersichtlich. Auch wenn die E. als verhandelnde Partei berechtigt war, für die Klägerin Erklärungen abzugeben, so lässt doch der Wortlaut der E-Mails erkennen, dass es hier noch einer ausdrücklichen Zustimmung seitens der Eigentümer bedurft hätte, an der es eben gerade fehlt.

Für den weiteren streitgegenständlichen Zeitraum im Jahr 2021 ist die Kürzung ebenfalls um 50 % vorzunehmen.

Hier wird auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen. Eine weitergehende Kürzung erscheint nicht angemessen, denn es kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Beklagte bereits in der Lage war, den Rückstand im Umfang von 50 % auszugleichen und auch sonst die weiteren angefallenen Kosten zu übernehmen.

Die Klägerin hat daher dem Grunde nach für diesen streitgegenständlichen Zeitraum keinen weiteren Anspruch auf Mietzins.

Es ergibt sich daher folgende Forderung der Klägerin:

rückständige Miete für April und Mai 2020 – 2 x 7.535,50 € = 15.075,00 € und für Juni 2020 (wegen der reduzierten Mehrwertsteuer) 7.345,52 € =22.420,52 €.

Dieser Betrag ist um 50 % zu kürzen, es verbleibt ein Betrag von 11.210,62 €.

Für den Zeitraum Januar bis Juni 2021 hatte die Klägerin einen Anspruch auf 7.535,50 für Januar 2021 und auf jeweils 7.592,58 € für Februar bis Juni 2021, das ergibt 45.498,40 €.

Die Beklagte hat auf diese Forderung 22.749,20 € (entspricht 50 %) bereits gezahlt, ein weiterer Anspruch der Klägerin (auf weitere 22.749,20 €) besteht daher nicht.

Für den Monat März 2020 hat die Beklagte den vollen Mietzins gezahlt, obwohl das Geschäftslokal ab 18.03.2020 geschlossen werden musste.

Gleiches gilt für den Monat Dezember 2020, die Schließung erfolgte ab 16.12.2020, die Beklagte hatte den Mietzins in voller Höhe bezahlt.

Es liegt daher auch für diese Zeiträume ein Anspruch auf Anpassung des Mietzinses vor, die Klägerin hat auch hier einen Anspruch nur auf 50 % der Miete.

Die von der Beklagten erklärte Aufrechnung ist begründet.

Die Beklagte kann gegen die o. g. Forderung von 11.210,62 € mit insgesamt 7.345,52 € aufrechnen.

Es verbleibt ein zu zahlender Betrag in Höhe von 3.865,10 €.

Auf die rückständigen Mieten für April bis Mai 2020 hat die Beklagte jeweils ab Fälligkeit Zinsen zu zahlen, der Zinsanspruch ergibt sich aus § 286 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB.

Die weitergehende Klage ist abzuweisen.

Mit dem Antrag zu 2.) begehrt die Klägerin hinsichtlich der erledigten Hauptforderung die bereits entstandenen Verzugszinsen.

Im Umfang von 22.749,20 € haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Die Beklagte hat im Umfang von 50 % für den streitgegenständlichen Zeitraum im Jahr 2021 nach Rechtshängigkeit die Miete gezahlt. Sie hat den insoweit begründeten Anspruch der Klägerin nach Rechtshängigkeit erfüllt.

Dieser Anspruch auf Verzugszinsen ist daher begründet. Mit der Zahlung der hälftigen Miete war die Beklagte gem. § 286 BGB im Verzug.

Die Berechnung ist zutreffend.

Die Kostenentscheidung berücksichtigt, dass die Parteien in Höhe von 22.749,20 € den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Das erledigende Ereignis ist nach Rechtshängigkeit eingetreten, die Beklagte hat insoweit die Kosten zu tragen, § 91 a ZPO.

Im Übrigen ergibt sich die Kostenquote aus dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens gem. §§ 91, 92 ZPO i. V. m. § 269 Abs. 3 ZPO.

Der Gebührenstreitwert ergibt sich aus dem Wert der Klageforderung, nach der übereinstimmenden Erledigungserklärung reduzierte er sich auf den dann von der Klägerin noch geltend gemachten Betrag von 50.481,16 €.

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