LG Frankfurt, 2-24 T 35/21, 31 C 1815/21 (74)

Januar 17, 2022

LG Frankfurt, 2-24 T 35/21, 31 C 1815/21 (74)

Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 3.11.2021 (Az. 31 C 1815/21 (74)) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 2.089,86 € festgesetzt.

Gründe
Der Kläger buchte bei der Beklagten Flüge für sich und 5 weitere Personen von Frankfurt am Main über Panama City nach San Jose am 8.8.2020 und am 5.9.2020 wieder zurück. Das Flugentgelt von insgesamt 4.027,02 € zahlte der Kläger nach der Buchung an die Beklagte.

Die Beklagte annullierte die Flüge coronabedingt.

Mit seiner Klage forderte der Kläger die Rückzahlung des Flugentgelts und stützte sich dabei auf Art. 8 Abs. 1 VO (EG) 261/2004 (im Folgenden VO genannt).

Nach Klageeinreichung, aber noch vor Zustellung an die Beklagte zahlte diese das Flugentgelt zurück. Der Kläger nahm daraufhin die Klage wegen des Flugentgelts zurück und stellte Kostenantrag nach § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO.

Das Amtsgericht legte dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu 83 % und der Beklagten zu 17 % auf. In der Begründung wies das Amtsgericht darauf hin, dass der Anspruch auf Rückerstattung der Flugscheinkosten gemäß Art. 8 Abs. 1 VO dem Fluggast zustehe, weshalb die Klage nur wegen des auf den Kläger entfallenden Flugpreises Aussicht auf Erfolg gehabt habe.

Gegen den ihm am 23.11.2021 zugestellten Beschluss hat der Kläger mit bei Gericht am 29.11.2021 eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat.

Die sofortige Beschwerde gegen den Kostenbeschluss des Amtsgerichts ist gemäß § 269 Abs. 5 ZPO statthaft. Sie wurde auch innerhalb der Frist von zwei Wochen gemäß § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO eingelegt.

Die sofortige Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

Das Amtsgericht hat dem Kläger zu Recht die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO mit einem Anteil von 83 % auferlegt.

Für den mit der Klage geltend gemachten Anspruch war der Kläger nur in Höhe des auf ihn entfallenden Flugentgelts aktivlegitimiert, nicht jedoch für die anderen 5 mitreisenden Personen. Dies gilt auch dann, wenn der Kläger das Flugentgelt für alle sechs Personen bezahlt hat.

Nach dem Inhalt der Klageschrift stützt der Kläger seinen Anspruch allein auf Art. 8 Abs. 1 VO. Ansprüche aus dem Beförderungsvertrag werden nicht geltend gemacht.

Art. 8 Abs. 1 VO bestimmt jedoch Rechte, die dem jeweiligen Fluggast gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen zustehen. Insofern sind die Ansprüche, die den Vertragspartnern aus dem Beförderungsvertrag zustehen, von den Rechten aus der Fluggastrechteverordnung zu unterscheiden.

Nach ihrem erkennbaren Inhalt regelt die Fluggastrechteverordnung Rechte, die dem Fluggast, der über eine bestätigte Buchung für einen Flug verfügt, im Falle einer Nichtbeförderung, Annullierung und Verspätung zustehen. Sowohl in Art. 4 VO als auch in Art. 5 oder 6 VO knüpft die VO an dem Fluggast an und nicht an der Person des Buchenden oder Vertragspartner eines Beförderungsvertrages. Dem Fluggast soll im Falle einer Beförderungsverweigerung, einer Annullierung oder einer großen Verspätung ein Anspruch auf Ausgleichsleistung zustehen. Der Fluggast soll ein Anspruch auf anderweitige Beförderung geltend machen können, dem Fluggast sind Verpflegung, Unterkunft und Beförderung zur Unterkunft anzubieten. Diese Rechte stehen dem jeweiligen Fluggast zu, nicht demjenigen, mit dem das vertragliche Luftfahrtunternehmen einen Beförderungsvertrag geschlossen hat.

Soweit Art. 8 Abs. 1 lit. a VO dem Fluggast wahlweise auch einen Anspruch auf Erstattung der Flugscheinkosten zubilligt, differenziert die VO auch an dieser Stelle nicht zwischen dem Buchenden einer Flugleistung und dem Fluggast. Insoweit regelt die VO in Art. 8 Abs. 1 lit. a einen eigenständigen Anspruch des Fluggastes auf Erstattung der Flugscheinkosten unabhängig von dem jeweiligen Vertragsverhältnis über die Beförderungsleistung.

Dass die VO in Art. 8 Abs. 1 lit. a keine Ansprüche regelt, die aus dem Beförderungsvertrag folgen, ergibt sich auch aus dem Umstand, dass nach der VO die Ansprüche des Fluggastes sich gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen richten, nicht gegen das vertragliche Luftfahrtunternehmen. Zwar ist den Regelungen der VO zu entnehmen, dass diese gesetzliche Ansprüche auf vertraglicher Grundlage regeln will, weshalb Ansprüche aus der VO im Gerichtsstand des Erfüllungsortes geltend gemacht werden können (BGH, Urt. vom 18.1.2011, Az X ZR 71/10). Gleichwohl sind Ansprüche aus dem Beförderungsvertrag und Ansprüche aus der VO zu unterscheiden; diese können allenfalls i.S.d. Art. 12 VO aufeinander angerechnet werden.

Die Annahme, dass der Anspruch aus Art. 8 Abs. 1 lit. a VO dem jeweiligen Fluggast zusteht, entspricht einhelliger Auffassung (z.B. Steinrötter, BeckOGK-Fluggastrechte-VO, 01.08.2021, Art. 8 Rn. 62; Schmidt-Degott Fluggastrechte-VO 2018 § 8 R. 3; Führich/Staudinger 8. Aufl. 2019, § 42, R. 19; AG Erfurt, Urteil vom 23. Dezember 2020 – 4 C 1495/20 –, Rn. 13, juris).

Der Konsequenz, dass dem Fluggast auch dann ein Anspruch auf Erstattung der Flugscheinkosten zusteht, selbst wenn er den Flugpreis nicht selbst bezahlt hat, kann der Buchende dadurch begegnen, indem er sich die Ansprüche der anderen Fluggäste abtreten lässt oder indem er seinen Anspruch auf Erstattung des Flugentgelts auf den Beförderungsvertrag gegenüber dem vertraglichen Luftfahrtunternehmen geltend macht.

Einen Anspruch aus dem Beförderungsvertrag hat der Kläger in der Klageschrift allerdings nicht geltend gemacht. Er beruft sich für seine Ansprüche auf Art. 8 VO. Auch in dem Schriftsatz vom 20.8.2021 stützt der Kläger erneut seinen Anspruch auf Art. 8 Abs. 1 VO. Erst mit seiner Beschwerdeschrift verweist der Kläger auf einen Anspruch aus dem Beförderungsvertrag. Diese Veränderung des Streitgegenstands, weil der Kläger ein seinem Wesen nach anderen Anspruch begehrt (vgl. BGH NJW 2000, 3492, 3494), ist aber im Rahmen der Kostenentscheidung nicht mehr zu berücksichtigen, weil die Kostenentscheidung auf dem bisherigen Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Rücknahmeerklärung beruht. Bis zu diesem Zeitpunkt hat der Kläger seinen Anspruch nicht auf den Beförderungsvertrag gestützt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung bemisst sich nach dem Kosteninteresse des Klägers, nicht mit Kosten des Rechtsstreits belastet zu werden (§§ 3 ZPO, 48 Abs. 1 GKG).

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen gemäß § 574 Abs. 2 und 3 ZPO nicht vorliegen.

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