LG Hamburg 313 T 2/22

Februar 16, 2022

LG Hamburg 313 T 2/22

vorgehend AG Hamburg, 21. Dezember 2021, 49 C 409/21, Beschluss
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Verfügungsklägers wird der Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 21.12.2021, Az. 49 C 409/21, aufgehoben.

Dem Verfügungsbeklagten wird im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben, die erste Herrenmannschaft des Klägers für die Spielzeit Sommer 2022 in den Wettbewerb 2. Bundesliga Herren Gruppe Süd einzuteilen.

2. Der Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens. Hiervon ausgenommen sind die durch die Anrufung des unzuständigen Landgerichts und Amtsgerichts A. entstandenen Mehrkosten, die der Verfügungskläger zu tragen hat.

3. Der Streitwert für die Beschwerdeinstanz wird festgesetzt auf 5.000,00 €.

Gründe
I.

Randnummer1
Der Verfügungskläger begehrt einstweiligen Rechtsschutz im Hinblick auf die Einteilung seiner ersten Herrenmannschaft in den Spielbetrieb der 2. Bundesliga Süd des Verfügungsbeklagten.

Randnummer2
Die erste Herrenmannschaft des Verfügungsklägers nahm in der Sommersaison 2021 an den Wettspielen des Verfügungsbeklagten in der 2. Bundesliga Süd der Herren teil. Am 30.07.2021 fand in A. auf der Tennisanlage des Verfügungsklägers das Punktspiel der 2. Bundesliga Süd gegen den Q. TC W.- B. W. statt. Der Spielbeginn war auf 13.00 Uhr angesetzt. Um 12.45 Uhr übergaben die Mannschaftsführer beider Mannschaften auf der Anlage dem Oberschiedsrichter die namentliche Mannschaftsaufstellung der Einzelspieler.

Randnummer3
Der Q. TC W.- B. W. hatte dabei auf Platz 1 den Spieler G. K. eingetragen. Der Spieler K. hatte am 28.07.2021 an einem Tennisturnier in Spanien teilgenommen und hielt sich insgesamt länger als 72 Stunden in Spanien auf. Spanien war zu diesem Zeitpunkt seit dem 23.07.2021 vom Robert-Koch-Institut in Gänze als Hochinzidenzgebiet eingestuft. Der Spieler K. reiste nach seinem Spanienaufenthalt nach Deutschland auf dem Landweg über Belgien ein. Er gab bei der Einreise keine digitale Einreisemitteilung gegenüber den deutschen Behörden ab.

Randnummer4
Der Mannschaftsführer der Mannschaft des Verfügungsklägers machte den Oberschiedsrichter des Spiels vom 30.07.2021 nach Offenlegung der Mannschaftsaufstellungen u.a. auf den Umstand aufmerksam, dass der Spieler K. sich zuvor in Spanien aufgehalten hatte. Der Vorstand des Verfügungsklägers sprach gegen den Spieler K. ein Hausverbot für die Tennisanlage des Verfügungsklägers aus. Der Spieler K. verließ daraufhin die Tennisablage und unterzog sich im weiteren Verlauf des Nachmittags einem Corona-Schnelltest, dessen Ergebnis negativ war. Sein Einzelspiel wurde zugunsten des an Position 1 eingesetzten Spielers der Mannschaft des Verfügungsklägers kampflos als gewonnen gewertet. Insgesamt endete das Spiel zwischen dem Verfügungskläger und dem Q. TC W.- B. W. mit 3:6 zu Lasten des Verfügungsklägers (vgl. Spielbericht des Verfügungsbeklagten, Anlage K 2, Bl. 70 d.A.). Am Ende der Spielzeit wurde die Mannschaft des Verfügungsklägers auf dem neunten und letzten Tabellenplatz der 2. Bundesliga Süd geführt; die Mannschaft des Q. TC W.- B. W. wurde auf dem achten und vorletzten Tabellenplatz geführt (vgl. Tabelle der 2. Bundesliga Süd Herren, Anlage K 4, Bl. 96 d.A.). Die Mannschaft auf dem letzten Tabellenplatz steigt nach der Wettspielordnung des Verfügungsbeklagten in die Regionalliga ab.

Randnummer5
Der Verfügungskläger erhob am 03.08.2021 Einspruch gegen die Wertung des Spiels vom 30.07.2021 (Anlage K 5, Bl. 97 ff. d.A.). Dieser Einspruch wurde durch Entscheidung der Einspruchsinstanz des Verfügungsbeklagten vom 22.08.2021 (Anlage K 6, Bl.100 ff. d.A.) zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung legte der Verfügungskläger wiederum form- und fristgerecht am 30.08.2021 Beschwerde zum Sportgericht des Verfügungsbeklagten (Anlage K 7, Bl. 103 ff. d.A.) ein. Das Sportgericht des Verfügungsbeklagten wies die Beschwerde mit Urteil vom 27.10.2021 (Anlage K 8, Bl. 109 ff. d.A.) zurück.

Randnummer6
Der Verfügungskläger hat mit Datum vom 22.11.2021 Klage und Antrag auf einstweilige Verfügung beim Landgericht A. eingereicht und beantragt, den Verfügungskläger für die Spielzeit Sommer 2022 in den Wettbewerb Bundesliga Herren Gruppe Süd einzuteilen. Der Verfügungskläger hat zur Begründung darauf abgestellt, dass das Wettspiel vom 30.07.2021 mit 9:0 zugunsten des Verfügungsklägers zu werten sei, weil der Spieler K. bei Abgabe der Einzelaufstellung aus rechtlichen Gründen nicht spielfähig gewesen sei, da er sich nach seinem Aufenthalt in Spanien in Quarantäne hätte befinden müssen. Die entgegenstehende Entscheidung des Sportgerichts des Verfügungsbeklagten sei schon aus formellen Gründen zwingend aufzuheben.

Randnummer7
Das Landgericht A. hat das Verfahren mit Beschluss vom 30.11.2021 an das Amtsgericht A. verwiesen. Der Verfügungsbeklagte hat dort beantragt, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen. Er hat geltend gemacht, der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten sei nicht eröffnet. Für die Streitfragen, die sich aus der Abwicklung der Wettspiele ergäben, seien ausschließlich die satzungsmäßige Instanzen des Verfügungsbeklagten zuständig. Dem Verfügungskläger stünden im Übrigen aber auch weder ein Verfügungsanspruch noch ein Verfügungsgrund zur Seite. Der Spieler K. sei für das Spiel am 30.07.2021 ohne Weiteres spielberechtigt gewesen, zumal der Spieler nach Beginn der Einzelspiele dem Oberschiedsgericht eine Corona-Genesenenbescheinigung und zusätzlich einen aktuell negativen Corona-Schnelltest vorgelegt habe. Die Mannschaft des Verfügungsklägers habe vor diesem Hintergrund offensichtlich planmäßig versucht, sich in unsportlicher Art und Weise einen Vorteil zu verschaffen. Es fehle ferner auch an der erforderlichen Eilbedürftigkeit (vgl. Seite 9 ff. des Schriftsatzes vom 06.12.2021, Bl. 164 ff. d.A.).

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Das Amtsgericht A. hat mit Beschluss vom 07.12.2021 (Bl. 168 f. d.A.) das Verfahren wegen örtlicher Unzuständigkeit an das Amtsgericht Hamburg verwiesen. Das hiesige Amtsgericht hat mit – dem am Beschluss vom 21.12.2021 (Bl. 206 ff. d.A.) den Erlass einer einstweiligen Verfügung abgelehnt. Es hat hierzu ausgeführt, dem Verfügungskläger stehe kein Verfügungsanspruch zu. Die sportgerichtliche Entscheidung sei nur darauf zu prüfen, ob ein rechtsstaatliches Verfahren eingehalten worden sei, was hier der Fall sei. Außerdem sei die Einhaltung der Quarantäne-Bestimmungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie nach dem Wortlaut der Wettspielordnung des Verfügungsbeklagten nicht vom Sportgericht zu berücksichtigen gewesen.

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Gegen den am 23.12.2021 zugestellten abweisenden Beschluss des Amtsgerichts hat der Verfügungskläger am 28.12.2021 sofortige Beschwerde eingelegt. Der Verfügungskläger macht geltend, dass nach wie vor Eilbedürftigkeit bestehe. Angesichts der grundrechtlichen Relevanz der Einhaltung der Coronaschutzbestimmungen im Rahmen des Wettspielbetriebs des Verfügungsbeklagten sei eine Überprüfung der Entscheidung des Sportgerichts des Verfügungs- beklagten durch die staatlichen Gerichte zwingend geboten.

Randnummer10
Der Verfügungskläger beantragt nunmehr:

Randnummer11
I. Der Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 21.12.2021 (Az. 49 C 409/21) wird aufgehoben.

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II. Der Verfügungsbeklagte wird verurteilt, im Wege der einstweiligen Verfügung die erste Herrenmannschaft des Verfügungsklägers für die Spielzeit Sommer 2021 in den Wettbewerb 2. Bundesliga Gruppe Süd einzuteilen.

Randnummer13
Der Verfügungsbeklagte beantragt,

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die sofortige Beschwerde des Verfügungsklägers zurückzuweisen.

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Der Verfügungsbeklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Er meint, der Rechtsstreit habe sich dadurch erledigt, dass der Verfügungskläger seine erste Herrenmannschaft für den Sommer 2021 für die Regionalliga gemeldet habe. Der Verfügungskläger dramatisiere außerdem die von dem genesenen und getesteten Spieler K. ausgehende Gefahr, um sich in grob unsportlicher Weise einen unlauteren Vorteil zu verschaffen. Der Spieler K. sei offensichtlich spielfähig angetreten und daher auch unter jedem Aspekt spielberechtigt gewesen.

Randnummer16
Zur Ergänzung des Parteivorbringens wird auf die von den Parteien zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

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1. Der Verfügungsantrag des Verfügungsklägers ist zulässig. Eine Überprüfung der Entscheidung des DTB-Sportgerichts vom 27.10.2021 (Anlage K 8, Bl. 109 ff. d.A.) durch die ordentliche Gerichtsbarkeit ist nach den Maßstäben der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 23. 4. 2013, Az. II ZR 74/12, NJW-RR 2013, 873) nicht ausgeschlossen.

Randnummer18
a) Das DTB-Sportgericht ist kein Schiedsgericht i. S. der §§ 1025 ff. ZPO, das an die Stelle der staatlichen Gerichte tritt, und seine Entscheidung kein Schiedsspruch. Durch die Vereinssatzung können zwar auf das Mitgliedschaftsverhältnis bezogene Streitigkeiten zwischen einem Vereinsmitglied und dem Verein einem Schiedsgericht zugewiesen werden, für das gem. § 1066 ZPO die §§ 1025 ff. ZPO entsprechend gelten. In Anlehnung an § 1029 Abs.1 ZPO ist das satzungsmäßig berufene Gericht aber nur dann ein Schiedsgericht i. S. der §§ 1025 ff. ZPO, wenn Rechtsstreitigkeiten unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs der Entscheidung durch eine unabhängige und unparteiliche Instanz unterworfen. Um ein solches Schiedsgericht zu sein, muss das Vereinsgericht satzungsmäßig als unabhängige und unparteiliche Stelle organisiert sein. Die Streitbeteiligten müssen paritätisch Einfluss auf dessen Besetzung nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 23. 4. 2013, Az. II ZR 74/12, NJW-RR 2013, 873, Rn. 17). In den satzungsmäßigen Bestimmungen des Verfügungsbeklagten ist nicht gewährleistet, dass das DTB-Sportgerichts bei einer Streitigkeit zwischen dem Verein und einem Vereinsmitglied – wie sie hier vorliegt – den Beteiligten als neutraler Dritter gegenübersteht. Die Mitglieder des DTB-Sportgerichts werden vielmehr nach § 30 Abs. 3 der DTB-Satzung von der Mitgliederversammlung des Verfügungsbeklagten gewählt. Das genügt nicht dem Erfordernis der paritätischen Bestimmung der Schiedsrichter durch die Streitparteien (vgl. BGH, a.a.O.).

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b) Vielmehr ist das Sportgericht des Verfügungsbeklagten ein vereinsinternes Gericht, d. h. ein verbandsinternes Organ, dem in Ausübung der autonomen, Verbänden zustehenden Befugnis zur inneren Selbstorganisation eine Entscheidungszuständigkeit in bestimmten satzungsmäßig geregelten Bereichen zugewiesen ist. Solche Entscheidungen der Vereins- oder Verbandsgerichte sind nun aber grundsätzlich nach den allgemeinen Vorschriften, d. h. in der Regel mit der Klage nach den §§ 253 ff. ZPO, überprüfbar (BGH, a.a.O., Rn. 18). Dies gilt für Entscheidung des Sportgerichts im Bereich der Wettspielordnung umso mehr, als dass in § 63 S.2 WSO die Anrufung der ordentlichen Gerichte nur von der Erschöpfung der Instanzen des Verfügungsbeklagten abhängig gemacht wird, aber eben gerade nicht generell ausgeschlossen wird.

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Selbst wenn man entsprechend früherer höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 28.11.1994, Az. II ZR 11/94, NJW 1995, 583) betreffend die Verbandsstrafgewalt, namentlich in Bezug auf die Verhängung von Ordnungsmittel durch Verbandsgerichte, engere Maßstäbe an die Zulässigkeit des Rekurses zu den staatlichen Gerichten anlegen wollte, wäre auch nach diesen engeren Maßstäben der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zulässig. Gegenüber Disziplinarentscheidungen der Vereins- oder Verbandsgerichtsbarkeit wird der gebotene Rechtsschutz des der Verbandsstrafgewalt unterworfenen Personenkreises nämlich unter gleichzeitiger Respektierung des Selbstbestimmungsrechts privat-autonomer Verbände nach ständiger Rechtsprechung dadurch gewährleistet, dass die ordentlichen Gerichte diese Entscheidungen auf ihre Begründetheit im Gesetz und in wirksamen – ihrerseits der Inhaltskontrolle auf ihre Angemessenheit unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben unterliegenden – Bestimmungen des maßgeblichen vereinsinternen Regelwerks, die Einhaltung eines elementaren, rechtsstaatlichen Normen und der eigenen Verfahrensordnung des Verbandes entsprechenden Verfahrens, die Fehlerfreiheit der dem Spruch zugrundeliegenden Tatsachenermittlungen sowie bei sozial mächtigen Verbänden auf ihre Billigkeit überprüfen. Die Entscheidungen sog. Sportgerichte können, soweit es sich nicht bloß um die Einhaltung der Spielregeln im engeren Sinne handelt, hiervon keine Ausnahme für sich beanspruchen (vgl. BGH, Urteil vom 28.11.1994, Az. II ZR 11/94, NJW 1995, 583).

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Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts hat das DTB-Sportgericht hier die eigene Verfahrensordnung gerade nicht gehalten. Dabei kann schon zweifelhaft sein, ob hier nach § 5 Nr.1 Satz 2 der DTB-Sportgerichtsverfahrensordnung angesichts des ausdrücklichen Antrags des Verfügungsklägers eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung möglich war. Jedenfalls aber hat das DTB-Sportgericht im gegenständlichen Verfahren entgegen § 3 Nr.2 der DTB-Sportgerichtsverfahrensordnung über den Befangenheitsantrag des Verfügungsklägers unter Beteiligung des abgelehnten Vorsitzenden entschieden. Es war auch nicht haltbar, unter Berufung auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts den Ablehnungsantrag des Verfügungsklägers als offensichtlich missbräuchlich zu behandeln und daraus eine Rechtfertigung der Entscheidung im verfahrensabschließenden Urteil unter Beteiligung des abgelehnten Richters herzuleiten (vgl. Seite 5 des Urteils vom 27.10.2021, Bl. 113 d.A.). Der Verfügungskläger hatte sein Befangenheitsgesuch mehrere Wochen vor dem anberaumten Entscheidungstermin anberaumt, so dass ausreichend Zeit für die satzungsmäßig vorgesehene Beschlussfassung ohne Beteiligung des abgelehnten Richters bestanden hätte. Urlaubsabwesenheiten und berufliche Beanspruchungen der ehrenamtlichen Richter rechtfertigen ein solches Abweichen von den satzungsmäßigen Vorgaben nicht. Auch lässt die inhaltliche Begründung des Befangenheitsgesuchs keinen Raum für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs. Die Vorwürfe der Verfügungsklägerin in Bezug auf die Verfahrensgestaltung des Vorsitzenden des DTB-Sportgerichts mögen zwar im Ergebnis nicht ausreichen, um die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Jedenfalls wäre es aber geboten gewesen, dies im vorgesehenen Verfahren und rechtzeitig vor Erlass des Urteils in der gebotenen nüchternen Betrachtung dem rechtssuchenden Mitglied vorab mitzuteilen.

Randnummer22
2. Die Anordnung ergeht als Sicherungsverfügung gemäß § 940 ZPO.

Randnummer23
a) Dem Verfügungskläger steht der insoweit erforderliche Verfügungsanspruch zur Seite. Die Sicherungsverfügung dient der Sicherung eines anderen Gläubigerrechts als einer Geldforderung, d.h der Erfüllung eines auf eine gegenständliche Leistung, eine sonstige Handlung, eine Duldung oder eine Unterlassung gerichteten subjektiven Rechts, mithin eines sog. Individualanspruchs (vgl. Mayer, in: Vorwerk/Wolf, BeckOKZPO, 43. Ed., 2021, § 935 ZPO, Rn. 3). Das Bestehen eines solchen Individualanspruchs hat der Verfügungskläger glaubhaft gemacht. Der Anspruch besteht hier in dem mitgliedschaftlichen Vorteilsrecht des Klägers auf Teilnahme am Wettbewerb der 2. Bundesliga Süd der Herren. Vorteilsrechte sind solche Wertrechte, die dem einzelnen Mitglied individuelle Vorteile verschaffen, die sich bei satzungsmäßiger Verankerung aus der Mitgliedschaft ergeben, insbesondere die Teilnahme am Vereinsleben durch das Recht auf Inanspruchnahme von Vereinsleistungen. Erfasst wird insbesondere die Teilnahme an (Wettkampf-)Veranstaltungen (Könen, in: Gsell u.a., BeckOGKBGB, Stand: 1.12.2021, § 38 BGB, Rn. 135).

Randnummer24
Der Verfügungskläger erfüllt gemäß den satzungsmäßigen Bestimmungen des Verfügungsbeklagten die Voraussetzungen für die Teilnahme an den Spielen der 2. Bundesliga Süd Herren i.S.v. § 23 Nr.1 der Wettspielordnung des Verfügungsbeklagten (nachfolgend: „WSO“). Die 1. Herrenmannschaft des Verfügungsklägers hat unstreitig in der Sommersaison 2021 an dem besagten Wettbewerb teilgenommen. Für die Zwecke des einstweiligen Verfügungsverfahrens muss das Gericht davon ausgehen, dass der Verfügungskläger nicht gemäß § 31 Nr.1 b und c WSO als Tabellenletzter der Sommersaison 2021 aus der 2. Bundesliga Süd Herren in die Regionalliga abgestiegen ist. Die Tabelle der Sommersaison 2021 ist zu korrigieren, da das Bundesligaspiel des Verfügungsklägers vom 30.07.2021 gegen Q. TC W.- B. W. nicht mit 3:6 zu Lasten des Verfügungsklägers zu werten ist, sondern mit 9:0 zugunsten des Verfügungsklägers, so dass der Verfügungskläger mit 2:14 Tabellenpunkten und 27:45 Matchpunkten gemäß § 60 Nr.6 WSO vor dem Q. TC W.- B. W. (2:14 Tabellenpunkte und 19:53 Matchpunkte) in der Tabelle einzuordnen ist.

Randnummer25
Die Wertung der o.g. Partie vom 30.07.2021 mit 9:0 Matchpunkten ist aufgrund von § 60 Nr.1 UAbs.1 WSO geboten, da der Gegner des Verfügungsbeklagten einen nicht spielberechtigten Spieler, nämlich den Spieler G. K., im Einzel eingesetzt hat, wobei von einem „Einsetzen“ im Sinne der genannten Norm wegen § 58 Nr.9 WSO bereits mit der Offenlegung der Mannschaftsaufstellung vor Beginn der eigentlichen Spiele auszugehen ist. Die fehlende Spielberechtigung ergibt sich entsprechend der Verweisung in § 60 Nr.1 WSO aus § 58 Nr.3 S.1 WSO.

Randnummer26
Der Spieler K. war am 30.07.2021 nicht offensichtlich spielfähig i.S.v. § 58 Nr.3 S.1 WSO. Unter dem – in der WSO nicht näher definierten – Begriff der Spielfähigkeit sind aus systematischen Gründen nicht die in §§ 4, 28, 58 Ziff.7 und 8 aufgeführten personenbezogenen Voraussetzungen zu verstehen, sondern die über die bloße physische Anwesenheit hinausgehende körperliche und gesundheitsbezogene Fähigkeit zur Teilnahme an einem Wettbewerbstennisspiel. Sinn und Zweck von § 58 Nr.3 S.1 WSO ist jedenfalls auch die Vermeidung der Wettbewerbsverzerrung, die dadurch entsteht, dass beim Einsatz eines nicht spielfähigen Spielers die Spieler des Gegners (hier also des Verfügungsklägers) sich in ihren jeweiligen Einzeln leistungsstärkeren Spielern gegenübersehen als bei einem Nichteinsatz des nicht spielfähigen Spielers und dem Aufrücken der eigentlich leistungsschwächeren Mannschaftskollegen dieses nicht spielfähigen Spielers. Unter Berücksichtigung dieses Regelungszweckes ist § 58 Nr.3 S.1 WSO so auszulegen, dass sich eine gesundheitsbezogene Unfähigkeit zur Teilnahme an einem Wettbewerbsspiel auch aus einer Missachtung dem Gesundheitsschutz auch der Mitspieler und Gegner dienender zwingender staatlicher Infektionsschutzmaßnahmen, namentlich Maßnahmen zur Coronabekämpfung ergibt.

Randnummer27
Hier ist – bereits nach dem unstreitigen Sachverhalt – davon auszugehen, dass der Spieler K. vom Q. TC W.- B. W. bei Abgabe der Einzelaufstellung zwar anwesend war, dies aber nur unter Verstoß gegen die geltenden Maßnahmen zur Coronabekämpfung, hier konkret §§ 3 Abs.1, 4 Abs.1, Abs.2 S.1 der CoronaEinreiseV in der am 30.07.2021 geltenden Fassung. Der Spieler K. hatte noch am 28.07.2021 ein Turnierspiel in D./Spanien absolviert. Da ganz Spanien seit dem 23.7.2021 vom Robert-Koch-Institut als Hochinzidenzgebiet eingestuft war, hätte der Spieler K. gemäß § 3 Abs.1 CoronaEinreiseV eine digitale Einreiseanmeldung abgeben und sich nach der Einreise gemäß § 4 Abs.1 CoronaEinreiseV absondern müssen. Diese Absonderung hätte gemäß § 4 Abs.2 S.2 CoronaEinreiseV erst geendet, wenn der eingereiste Spieler einen Genesenennachweis oder einen Testnachweis über eine PCR-Test (vgl. § 2 Nr.6 CoronaEinreiseV) an die zuständige Behörde übermittelt hätte. Der Spieler K. hat aber unstreitig weder bei den Einreisebehörden eine digitale Einreiseanmeldung abgegeben noch den Einreisebehörden die erforderlichen Informationen zur Verfügung gestellt. Er hätte sich demnach am 30.07.2021 noch in Absonderung befinden müssen.

Randnummer28
Diese mangelnde Spielfähigkeit ist schließlich auch offensichtlich i.S.v. § 58 Nr.3 S.1 WSO gewesen. Das Kriterium der Offensichtlichkeit bezieht sich – wie sich aus einer systematischen Gesamtbetrachtung ergibt – auf die am Spielort gegebenen Erkenntnismöglichkeiten. Insbesondere der Vergleich mit § 4 Nr.3 a bis d WSO zeigt aber, dass dem anwesenden Oberschiedsrichter auferlegt wird, ggf. auch bestimmte nähere Ermittlungen anzustellen, soweit diese unter Einsatz zumutbarer Erkenntnismöglichkeiten erfolgen können. Die Kammer hat daher keine durchgreifenden Bedenken, dass jedenfalls bei entsprechendem Hinweis – der auch von der gegnerischen Mannschaft stammen kann – auch die Einhaltung der staatlichen Coronamaßnahmen zu überprüfen ist, also insbesondere auch die Überprüfung von Impf- und Testnachweisen bzw. eines offensichtlichen Quarantäneverstoßes zu erfolgen hat. Gerade im Hinblick auf die Aufrechterhaltung des Sportbetriebes in Zeiten der Pandemie und die Gleichbehandlung mit anderen Mannschaften, die sich ihrerseits rechtstreu verhalten und Corona-Quarantänevorschriften einhalten, gebietet der faire Wettbewerb diese weitere Auslegung des Begriffs der Offensichtlichkeit der Spielunfähigkeit.

Randnummer29
b) Sodann steht dem Verfügungskläger auch der im Rahmen von § 935 ZPO erforderliche Verfügungsgrund zur Seite. Die Sicherungsverfügung in Bezug auf den Streitgegenstand soll verhindern, dass dem Gläubiger die Verwirklichung seines Rechts durch eine ihm nachteilige Veränderung des bestehenden Zustands vereitelt oder wesentlich erschwert wird (vgl. Meyer, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 43. Ed. 1.12.2021, ZPO § 935 Rn. 3). Von einer solchen Eilbedürftigkeit ist hier auszugehen, da die Ende Januar 2022 ablaufende Frist zur namentlichen Mannschaftsmeldung den Verfügungskläger nachvollziehbar dazu zwingt, bereits zum jetzigen Zeitpunkt vertragliche Absprachen mit potentiellen Spielern zu treffen, die auch von der Frage abhängen, ob die erste Herrenmannschaft des Verfügungsklägers in der 2. Bundesliga oder der Regionalliga antritt. Die Durchführung des Hauptsacheverfahrens kann unter diesem Aspekt nicht abgewartet werden.

Randnummer30
c) Eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache ist mit der getroffenen Anordnung nicht verbunden. Der Verfügungskläger muss naturgemäß damit rechnen, dass im Hauptsacheverfahren, ggf. auch in der laufenden Saison, eine abweichende Entscheidung ergeht, wenn der Verfügungsbeklagte sich im Interesse des Rechtsfriedens und der geordneten Durchführung der 2. Bundesliga Süd nicht freiwillig der hiesigen Entscheidung im einstweiligen Verfügungsverfahren unterwirft. Die Kammer hat in Anwendung des ihr von § 938 ZPO eröffneten Spielraums bewusst davon abgesehen, unter weiterem Eingreifen in die Autonomie des Verfügungsbeklagte eine Regelung dazu zu treffen, ob anstelle des Verfügungsklägers der Q. TC W.- B. W. abzusteigen hat oder ob die Staffel der 2. Bundesliga Süd von 9 auf 10 Mannschaften aufgestockt wird. Indessen erscheint es naheliegend, dass der Verfügungs- beklagte die letztgenannte Lösung wählt, um auch insoweit eine Vorwegnahme der Hauptsache zu vermeiden.

Randnummer31
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs.1, 281 Abs.3 S.2 ZPO.

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