LG Limburg, Beschluss vom 14.10.2009 – 3 S 89/09

Mai 8, 2022

LG Limburg, Beschluss vom 14.10.2009 – 3 S 89/09

Tenor
Der Wiedereinsetzungsantrag des Klägers und Berufungsklägers gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.

Die Berufung des Klägers und Berufungsklägers gegen das am 24. Februar 2009 verkündete Urteil des Amtsgerichts Wetzlar – 31 C 1097/08 – wird verworfen.

Der Kläger und Berufungskläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der in diesem Rechtszug entstandenen Kosten des Nebenintervenienten zu tragen.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 2.375,28 € festgesetzt.

Gründe
I.

Der Kläger nimmt den Beklagten wegen eines (angeblichen) anwaltlichen Beratungsfehlers im Zusammenhang mit einem vor dem Amtsgericht Bad Homburg v. d. Höhe durch den Beklagten bzw. dessen damaligen Mitarbeiter, den in erster Instanz dem Rechtsstreit auf Seiten des Beklagten beigetretenen Nebenintervenienten, für den Kläger geführten Rechtsstreit in Anspruch.

Das Amtsgericht Wetzlar hat die Klage mit Urteil vom 24. Februar 2009 wegen Verjährung etwaiger klägerischer Ansprüche abgewiesen. Eine vom Beklagten erhobene Widerklage auf Zahlung von Anwaltshonorar in Höhe von 229,30 € nebst Zinsen blieb ebenfalls ohne Erfolg.

Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 11. März 2009 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 14. April 2009 (Eingang bei Gericht per Fax: 14. April 2009) hat der Kläger Berufung eingelegt und diese zunächst nicht begründet. Mit Schriftsatz vom 11. Mai 2009 (Eingang bei Gericht per Fax: 13. Mai 2009) hat der Klägervertreter um einmonatige Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist gebeten. Daraufhin wurde ihm vom Vorsitzenden der Kammer mit Verfügung vom 15. Mai 2009 – zugestellt am 20. Mai 2009 – mitgeteilt, dass die Berufungsbegründungsfrist am 11. Mai 2009 abgelaufen sei, weshalb die Verwerfung der Berufung drohe. Dem Kläger wurde Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zehn Tagen eingeräumt. Daraufhin hat er mit Schriftsatz vom 29. Mai 2009 (Eingang bei Gericht per Fax: 29. Mai 2009) die Berufung begründet und gleichzeitig die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

Der Klägervertreter trägt vor, die Fristversäumnis sei auf ein Verschulden seines langjährigen, stets beanstandungsfrei arbeitenden und regelmäßig kontrollierten Rechtsanwalts- und Notariatsfachangestellten … zurück zu führen. Der Schriftsatz mit dem Verlängerungsantrag sei am 11. Mai 2009 gefertigt und ihm – dem Klägervertreter – in einer Unterschriftenmappe vorgelegt worden. Er habe seinem Mitarbeiter … dann die konkrete Einzelanweisung erteilt, den Schriftsatz vorab per Fax an das Landgericht Limburg zu übermitteln. Herr … habe den Schriftsatz der Unterschriftenmappe entnommen und an seinem Arbeitsplatz links neben sich gelegt. Er habe sich dann zunächst mit anderen am gleichen Tag zu erledigenden Arbeiten befasst. Im Laufe des Tages sei der Schriftsatz an das Landgericht unter einen Aktenstapel geraten, weshalb seine Absendung vergessen worden sei. Das Ganze sei erst am 13. Mai 2009 aufgefallen, nachdem Herr … seinen Dienst wieder aufgenommen und den Aktenstapel beiseite geräumt habe.

Der Kläger und Berufungskläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Wetzlar – 31 C 1097/08 – vom 24. Februar 2009 den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 2.375,28 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

ihm gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Der Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

den Wiedereinsetzungsantrag und die Berufung zurückzuweisen.

Er hält den Wiedereinsetzungsantrag bereits für unzulässig, weil verfristet. Darüber hinaus sei er jedenfalls unbegründet, weil eine Fristverlängerung durch den Vorsitzenden nicht erfolgt sei.

Der Nebenintervenient stellt bislang keinen konkreten Antrag, tritt aber ebenfalls sowohl dem Wiedereinsetzungsgesuch als auch der Berufung entgegen.

Der Klägervertreter hat zur Glaubhaftmachung des Wiedereinsetzungsgesuchs eine eidesstattliche Versicherung seines Mitarbeiters … vorgelegt, mit der der klägerische Vortrag in den wesentlichen Punkten bestätigt wird. Wegen der Einzelheiten wird auf die eidesstattliche Versicherung vom 29. Mai 2009 (Bl. 208 d.A.) verwiesen.

II.

Die Berufung des Klägers ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen.

Sie ist zwar gemäß § 511 ZPO statthaft und innerhalb der Monatsfrist des § 517 ZPO eingelegt, denn der Tag des Fristablaufs (11. April 2009) fiel auf ein Wochenende und der nächste Werktag war wegen der Osterfeiertage Dienstag, der 14. April 2009. Es fehlt hier indes an der fristgerechten Begründung der Berufung (1.). Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ist dem Kläger nicht zu gewähren (2.).

1. Der Kläger hat die fristgerechte Begründung der Berufung versäumt. Nach § 520 Abs. 1 ZPO muss die Berufung begründet werden. Die Frist hierfür beträgt gemäß § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO zwei Monate nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils. Das Urteil des Amtsgerichts wurde dem Klägervertreter am 11. März 2009 zugestellt. Die Zwei-Monatsfrist lief damit am Montag, dem 11. Mai 2009 ab. Innerhalb dieser Frist hat der Kläger eine Begründung seiner Berufung nicht eingereicht. Eine nach § 520 Abs. 2 ZPO grundsätzlich mögliche Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist scheidet hier ohne Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus, denn Voraussetzung ist, dass der Fristverlängerungsantrag vor Fristablauf gestellt wird ( Heßler in: Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 520 Rdnr. 16a). Daran fehlt es hier, denn das Fristverlängerungsgesuch ging erst am 13. Mai 2009 bei Gericht ein.

2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ist dem Kläger nicht zu gewähren.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zulässig, insbesondere entgegen der Auffassung des Beklagten fristgerecht. Nach § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO muss die Wiedereinsetzung zwar grundsätzlich innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses beantragt werden. Die Erkenntnis, dass die Berufungsbegründungsfrist versäumt war, hatte der Klägervertreter hier spätestens am 13. Mai 2009 bzw. hätte sie jedenfalls spätestens zu diesem Zeitpunkt haben müssen. Die Zwei-Wochen-Frist lief daher spätestens vom 14. Mai 2009 an (§ 187 Abs. 1 BGB, § 222 ZPO) und war am 29. Mai 2009 – dem Eingang des Wiedereinsetzungsantrags – bereits abgelaufen. § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO enthält für den Fall der Verhinderung zur Einhaltung einer Berufungsbegründungsfrist jedoch eine Sonderregelung. Danach beträgt die Frist zur Antragstellung in solchen Konstellationen einen Monat. Diese Frist war am 29. Mai 2009 noch nicht abgelaufen, weshalb der Antrag vorliegend rechtzeitig gestellt ist.

Das Wiedereinsetzungsgesuch ist allerdings unbegründet. Voraussetzung für die Wiedereinsetzung ist gemäß § 233 ZPO, dass der Kläger ohne sein Verschulden gehindert war, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Daran fehlt es hier, denn der Kläger hat die Frist aus eigenem Verschulden nicht eingehalten.

Das Wiedereinsetzungsgesuch war allerdings nicht schon deshalb zurückzuweisen, weil der Schriftsatz des Klägervertreters vom 11. Mai 2009 lediglich ein Fristverlängerungsgesuch und nicht schon die Berufungsbegründung selbst enthielt. Die Berufungsbegründungsfrist ist keine Notfrist. Sie kann gemäß § 520 Abs. 2 Sätze 2 und 3 ZPO unter den dort genannten Voraussetzungen verlängert werden. Eine Verlängerung nach § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO schied hier auch bei fristgerechtem Eingang des Gesuchs aus, denn es fehlt an der dazu erforderlichen Einwilligung des Gegners. Allerdings wäre die Berufungsbegründungsfrist hier nach § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO um einen Monat verlängert worden, denn der Kläger hätte in seinem Antrag mit der vorgetragenen Arbeitsüberlastung erhebliche Gründe dargelegt, die die Verlängerung gerechtfertigt hätten. Er hätte damit auf eine positive Bescheidung seines Antrags vertrauen dürfen, zumal es sich um den ersten Verlängerungsantrag handelte und es regelmäßiger Übung der Kammer entspricht, in solchen Fällen die Berufungsbegründungsfrist zu verlängern. Unschädlich ist, dass das Verlängerungsgesuch erst am letzten Tag der Frist eingegangen und hierüber erst nach Fristablauf entschieden worden wäre (vgl. BGH NJW 1982, 1651).

Der Wiedereinsetzungsantrag ist jedoch deshalb zurück zu weisen, weil der Klägervertreter den verspäteten Eingang des Fristverlängerungsgesuchs bei Gericht verschuldet hat und dies dem Kläger gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist.

Der Rechtsanwalt muss durch organisatorische Vorkehrungen in seiner Kanzlei die Fristwahrung durch Führen eines Fristenkalenders und Notierung der Frist auf den Handakten sichern ( Greger in: Zöller, a.a.O., § 233 Rdnr. 23 – Fristenbehandlung -). Darüber hinaus hat er durch allgemeine Anweisung eine wirksame Ausgangskontrolle sicher zu stellen. Das kann beispielsweise in der Form geschehen, dass der Fristenkalender am Abend eines jeden Arbeitstages von einer damit beauftragten Kraft kontrolliert wird (BGH VersR 1999, 1303, 1304). Auf die allgemeinen organisatorischen Vorkehrungen einer Kanzlei für die Fristwahrung kommt es dann nicht entscheidend an, wenn der Anwalt von ihnen abweicht und statt dessen eine genaue Anweisung für den konkreten Fall erteilt, deren Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätte. Der Rechtsanwalt darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass die einem zuverlässigen Mitarbeiter erteilte Einzelweisung befolgt wird. In einem solchen Fall ist für die Fristversäumung dann nicht die Büroorganisation, sondern der Fehler des Mitarbeiters verantwortlich (BGH, Beschluss vom 25. Juni 2009 – V ZB 191/08 -, Rdnr. 6 m.w.N. zur Rspr.). Es müssen jedoch ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, dass die mündliche Einzelanweisung über die Einhaltung der wichtigen Frist in Vergessenheit gerät und die rechtzeitige Übermittlung des fristwahrenden Schriftsatzes unterbleibt. Das kann allenfalls dann entbehrlich sein, wenn die Bürokraft die unmissverständliche Weisung erhalten hat, den Vorgang sogleich auszuführen. Bei einem zeitlichen Spielraum besteht immer die Gefahr, dass der Auftrag im Drange der sonstigen Geschäfte vergessen wird. Wenn der Rechtsanwalt nicht die sofortige Ausführung angeordnet hat, muss er durch allgemeine Weisung oder durch besonderen Auftrag Vorkehrungen gegen das Vergessen treffen (BGH, Beschluss vom 15. November 2007 – IX ZB 219/06 -, Rdnr. 11 f.)

Bei Anwendung dieser Maßstäbe hat der Klägervertreter hier das Fristversäumnis verschuldet. Weder sein Vortrag zur mündlichen Einzelanweisung noch zur sonstigen Büroorganisation lassen erkennen, dass in seiner Kanzlei eine wirksame Vorkehrung zur Vermeidung der Fristversäumnis im vorliegenden Fall bestand. Die an seinen Mitarbeiter … erteilte Einzelanweisung zur Behandlung des Schriftsatzes vom 11. Mai 2009 entband den Klägervertreter hier nicht von der Pflicht, weitere Vorkehrungen zur Fristwahrung zu treffen. Die Aufforderung, den Schriftsatz „vorab per Fax“ an das Landgericht zu faxen, war nicht geeignet, den Mitarbeiter … unmissverständlich zur sofortigen Ausführung des Auftrages zu veranlassen. Sie ließ ihm vielmehr einen zeitlichen Spielraum, zumindest bis zum Ende des Arbeitstages. Mit der hier vorgetragenen Formulierung war eine zeitliche Komponente, die die besondere Dringlichkeit der Angelegenheit verdeutlichte, nicht verbunden. Für den Mitarbeiter … war damit lediglich klar, dass der Schriftsatz nicht bloß im „normalen“ Postlauf, sondern zusätzlich auch per Fax an das Landgericht Limburg übermittelt werden sollte. Es bestand bei der hier vorgetragenen mündlichen Einzelanweisung indes keine Veranlassung für ihn, den Auftrag vorrangig vor allen seinen sonstigen Tätigkeiten durchzuführen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Kanzleiorganisation des Klägervertreters so ausgestaltet wäre, dass der Auftrag, einen Schriftsatz vorab per Fax zu übermitteln, für die Mitarbeiter ohne weiteres dahingehend zu verstehen ist, die Angelegenheit sofort und vor allen anderen Verrichtungen auszuführen. Hier hat sich die Gefahr derart allgemein gehaltener Einzelanweisungen in geradezu exemplarischer Weise realisiert. Der Mitarbeiter … hat sich nämlich nach Erteilung der Weisung zunächst seinen anderen, an diesem Tag zu erledigenden, Aufgaben zugewandt und den Vorgang darüber vergessen.

Aufgrund der unzureichenden Einzelanweisung kommt es auf die sonstigen organisatorischen Vorkehrungen zur Fristwahrung in der Kanzlei des Klägervertreters an. Sein Vortrag hierzu rechtfertigt keine andere Bewertung des Vorgangs. Danach ist zwar gewährleistet, dass dem jeweiligen Rechtsanwalt eine Sache grundsätzlich fristgerecht vorgelegt wird, indem die Fristen im Fristenkalender und auf der Handakte eingetragen und auch entsprechende Vorfristen notiert werden. Es ist indes nicht ersichtlich, dass nach Bearbeitung einer Sache in der Kanzlei des Klägervertreters eine weitere Kontrolle z.B. am Abend des jeweiligen Arbeitstages durch Überprüfung des Fristenkalenders dahingehend erfolgt, ob das jeweilige Schriftstück tatsächlich fristwahrend übermittelt worden ist. Das Gegenteil scheint hier der Fall, denn die Fristversäumung wurde erst durch Auffinden des Schriftsatzes auf dem Schreibtisch und nicht etwa eine Kontrolle des Fristenkalenders bemerkt. Eine wirksame Ausgangskontrolle ist jedoch unerlässlich. Da es für eine solche hier keine Anhaltspunkte gibt, leidet die allgemeine Organisation in der Kanzlei des Klägervertreters unter einem Mangel der dazu führt, dass das Fristversäumnis auch unabhängig von der erteilten Einzelanweisung als vom Klägervertreter verschuldet anzusehen ist.

Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten des Nebenintervenienten hat der Kläger zu tragen, weil sein Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist (§§97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO).

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