Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt 2. Zivilsenat 27.01.2022 2 Wx 1/22 Erbstatut bei Erbfall 1965 auf dem Gebiet der DDR

Dezember 20, 2022
Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt 2. Zivilsenat
27.01.2022
2 Wx 1/22

Leitsatz

1. Auf einen Erbfall eines im Jahre 1965 verstorbenen Erblassers, mit ständigem Aufenthalt auf dem Gebiet der damaligen DDR, ist das Erbrecht des BGB in der Fassung vom 18. August 1896 anzuwenden.

 

2. Eine Anwendung eines speziellen landwirtschaftlichen Anerbenrechts, z.B. nach einer Höfeordnung, war zur Zeit des Erbfalls auf dem Gebiet der DDR ausgeschlossen.
3. Im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge war die Erbquote des Ehegatten des Erblassers nicht durch einen pauschalierten Zugewinnausgleich i.S.v. § 1371 BGB n.F. zu korrigieren.

Verfahrensgang

vorgehend AG Aschersleben, 2. Dezember 2021, 5 VI 658/65

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Aschersleben vom 2. Dezember 2021 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
Der Kostenwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

A.
Der Erblasser war in erster, am 02.12.1935 geschiedener Ehe mit E. R. und in zweiter, bis zu seinem Lebensende fortbestehender Ehe mit H. M. geb. P. verheiratet. Er hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt auf dem Gebiet der damaligen Deutschen Demokratischen Republik; seine Ehefrau H. M. lebte mit den beiden ehelichen Kindern seit 1957 auf dem Gebiet der damaligen Bundesrepublik Deutschland. Der Erblasser hinterließ keine Verfügung von Todes wegen.
Das Staatliche Notariat Aschersleben erteilte am 04.01.1966 einen Erbschein, welcher die Tochter des Erblassers aus erster Ehe, R. M., sowie dessen zweite Ehefrau H. M. geb. P. und die beiden Kinder aus dieser Ehe, R. M. (den Antragsteller) und I. M., als Erben mit einem Anteil von jeweils einem Viertel auswies (Az.: 1 NR 658/65).
Am 14.04.2021 hat der Beteiligte die Einziehung dieses Erbscheins beantragt. Er hat zunächst die Auffassung vertreten, dass die Ehefrau des Erblassers Erbin zu einem Halb geworden sei, was sich auf die gleich großen Erbanteile der Kinder auswirke. Darüber hinaus sei R. M. nicht erbwürdig gewesen. Mit weiterem Schreiben vom 15.10.2021 hat der Beteiligte die Auffassung vertreten, dass das Erbe ihm allein als dem ältesten Sohn des Erblassers nach den speziellen Regelungen für Reichserbhöfe zustehe. Die Erteilung des Erbscheins vom 04.01.1966 beruhe letztlich auf Rechtsbeugung zur Ermöglichung eines Zwangsverkaufs des väterlichen Grundstücks. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt beider Schreiben nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Nachlassgericht hat mit seinem Beschluss vom 02.12.2021 den Antrag auf Einziehung des vorgenannten Erbscheins kostenpflichtig zurückgewiesen. Es hat darauf verwiesen, dass die Bestimmung des § 1371 Abs. 1 BGB, welche mit dem Gleichberechtigungsgesetz 1957 in das auf dem Gebiet der damaligen Bundesrepublik Deutschland geltende Bürgerliche Gesetzbuch eingefügt worden sei, im Gebiet der damaligen Deutschen Demokratischen Republik nicht gegolten habe und auch nicht etwa im Rahmen der Vereinigung rückwirkend Gültigkeit erlangt habe (vgl. Art. 234 § 4 Abs. 1 EGBGB).
Gegen diese, ihm am 07.12.2021 zugestellte Entscheidung wendet sich der Beteiligte mit seiner am 21.12.2021 beim Nachlassgericht eingegangenen Beschwerde. Er rügt, dass bisher nicht geprüft worden sei, ob 1965 ein wirksamer Antrag auf Erteilung eines Erbscheins vorgelegen habe. Hieran bestünden Zweifel, weil die Nachlassregelung nur deswegen erforderlich gewesen sei, um einen von ihm verweigerten Grundstückstausch durchzuführen und einen Dritterwerb des zum Nachlass gehörenden Grundstücks zu ermöglichen. Er beruft sich auf eine Entscheidung des Familiengerichts des OLG Frankfurt (Main), aus der sich s.E. ergebe, dass die Vorschrift des § 1371 Abs. 1 BGB auf zwangsausgesiedelte ehemalige DDR-Bürger anzuwenden sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beschwerdeschrift Bezug genommen.
Das Nachlassgericht hat mit seinem Beschluss vom 05.01.2022 dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Naumburg zur Entscheidung vorgelegt.
B.
I. Die Beschwerde ist nach § 58 Abs. 1 FamFG zulässig, insbesondere ist die nach § 61 Abs. 1 FamFG notwendige Mindestbeschwer überschritten. Die Beschwerdefrist des § 63 Abs. 1 FamFG ist gewahrt worden.
II. Das Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.
Nach § 2361 Satz 1 BGB ist ein bereits erteilter Erbschein einzuziehen, wenn das darin verbriefte Zeugnis über das Erbrecht inhaltlich unrichtig ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
1. Auf die vom Beteiligten aufgeworfene Frage, ob bei der Erteilung des Erbscheins durch das Staatliche Notariat Aschersleben ggf. Verfahrensfehler aufgetreten seien, kommt es für die vorliegende Entscheidung über die Einziehung des Erbscheins nicht an. Verfahrensfehler im Erteilungsverfahren gebieten bei einem inhaltlich richtigen Erbschein grundsätzlich nicht dessen Einziehung. Etwas Anderes gilt nur in gravierenden Fällen, z.B. bei internationaler Unzuständigkeit (vgl. Weidlich in: Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 2361 Rn. 3 m.w.N.). Der Erteilung des Erbscheins vom 04.01.1966 lag jedenfalls ein formwirksamer Antrag vom 14.12.1965 zugrunde. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein Erbschein selbst dann nicht einzuziehen ist, wenn der Antrag von einem Nichtberechtigten gestellt worden ist oder gar kein Antrag vorgelegen hat, wenn zumindest ein Antragsberechtigter die Erteilung nachträglich ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat (vgl. nur BGH, Beschluss v. 30.11.1988, IVa ZB 12/88, BGHZ 106, 96, in juris Rz. 14). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, denn jeweils eine Ausfertigung des Erbscheins ist unmittelbar nach seiner Erteilung u.a. an die Miterbin R. M. und am 16.10.1992 an den hiesigen Beteiligten ausgehändigt worden.
2. Die im Erbschein ausgewiesene Erbfolge entsprach dem zur Zeit des Erbfalls geltenden Erbrecht.
a) Nach Art. 235 § 1 EGBGB bleibt für erbrechtliche Verhältnisse das bisherige Recht der DDR maßgeblich, wenn der Erblasser vor dem Wirksamwerden des Beitritts verstorben ist, wie hier. Gemäß § 8 Abs. 1 EGZGB-DDR bestimmten sich erbrechtliche Verhältnisse nach dem vor dem Inkrafttreten des ZGB-DDR am 01.01.1976 geltenden Recht, wenn der Erbfall vor diesem Zeitpunkt eintrat. Das waren die §§ 1922 ff. BGB in der Fassung vom 18.08.1896 (künftig: BGB a.F., hier zitiert nach BGB, Textausgabe, herausgegeben vom Ministerium der Justiz der Regierung der DDR 1954).
b) Wie auch der Beteiligte nicht in Abrede stellt, war nach dem Erblasser die gesetzliche Erbfolge eingetreten. Da noch Erben der ersten Ordnung lebten, richtete sich die Erbfolge nach §§ 1923 Abs. 1, 1924 Abs. 1, 1930 und 1931 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB a.F.; die zuletzt genannte Vorschrift lautete:
„Der überlebende Ehegatte des Erblassers ist neben Verwandten der ersten Ordnung zu einem Viertel … als gesetzlicher Erbe berufen.“
Danach war die im Erbschein vom 04.01.1966 ausgewiesene Erbfolge, wonach die (zweite) Ehefrau des Erblassers neben den drei Kindern des Erblassers zur Erbfolge berufen war und alle vier Personen zu gleichen Teilen von jeweils einem Viertel Miterben waren, zutreffend.
3. Eine Anwendung des speziellen landwirtschaftlichen Anerbenrechts nach einer Höfeordnung war zur Zeit des Erbfalls auf dem Gebiet der damaligen DDR ausgeschlossen. Durch das Inkrafttreten der Verfassung der DDR am 07.10.1949, insbesondere im Hinblick auf Art. 22 Abs. 2 Satz 1, 144 Abs. 1 DDR-Verfassung 1949 (GBl. DDR 1949, S. 5), war sämtliches bis dahin existierendes Anerbenrecht als gegenstandslos anzusehen (vgl. OLG Celle, Beschluss v. 18.04.1994, 7 W 62/93, VIZ 1996, 53, in juris Rz. 14; Thüringer OLG, Beschluss v. 05.12.1996, LWU 989/94, VIZ 1997, 493, in juris Rz. 21 m.w.N.; auch Herder in: Grüneberg, a.a.O., Art. 64 EGBGB Rn. 3).
4. Die ausgewiesenen Erbquoten waren nicht um einen pauschalierten Zugewinnausgleich i.S.v. § 1371 BGB n.F. zu korrigieren.
a) Für das eheliche Güterrecht ist nach Art. 234 §§ 1, 4 EGBGB ebenfalls das auf dem Gebiet der damaligen DDR geltende Recht anzuwenden. Für das eheliche Güterrecht gab es zur Zeit des Erbfalls keine konkreten gesetzlichen Bestimmungen, denn die §§ 1363 bis 1563 BGB a.F. waren nach Art. 30 Abs. 2, 144 Abs. 1 DDR-Verfassung wegen Verstoßes gegen das Gleichberechtigungsprinzip nicht mehr anwendbar. Das Familiengesetzbuch der DDR trat erst nach dem Erbfall, am 01.04.1966, in Kraft (vgl. § 1 EGFGB-DDR, GBl. DDR I 1966, S. 19). Bei beendeter Ehe war innerhalb einer Ausschlussfrist ein Vermögensausgleich nach den Grundsätzen des FGB-DDR möglich (vgl. § 6 Abs. 1 EGFGB-DDR); den §§ 13 ff. FGB-DDR lag das Grundmodell des „gemeinschaftlichen Eigentums der Ehegatten“ zugrunde, so dass für einen pauschalierten Zugewinnausgleich kein Raum war.
b) Nichts Abweichendes ergibt sich aus der vom Beteiligten zitierten Rechtsprechung. In der dem Beschluss des OLG Frankfurt vom 30.07.2014 (21 W 47/14, ZEV 2015, 158) nachfolgenden Entscheidung des Bundesgerichtshofes (Beschluss v. 13.05.2015, IV ZB 30/14, BGHZ 205, 289) wurde bestätigt, dass die Vorschrift des § 1371 BGB eine rein güterrechtlich zu qualifizierende Rechtsvorschrift unabhängig vom jeweiligen Erbstatut ist (vgl. in juris Rz. 24). Diese Vorschrift ist demnach nur einschlägig, wenn die Ehegatten für die güterrechtliche Wirkung ihrer Ehe unbeschränkt und wirksam das Recht der damaligen Bundesrepublik Deutschland gewählt hatten (vgl. in juris Rz. 12). Das traf auf die Ehe des Erblassers mit der Mutter des Beteiligten nicht zu.
C.
I. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 81, 82 und 84 FamFG.
II. Die Festsetzung des Kostenwerts des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus § 36 Abs. 3 GNotKG.

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