Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 18. August 2017 – 12 Wx 45/17 Aufgebotsverfahren zur Ausschließung des Grundstückseigentümers: Antragsberechtigung eines Mitbesitzers

Dezember 15, 2019

Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 18. August 2017 – 12 Wx 45/17
Aufgebotsverfahren zur Ausschließung des Grundstückseigentümers: Antragsberechtigung eines Mitbesitzers
Mitbesitzern steht das Antragsrecht auf Durchführung eines Aufgebotsverfahrens nach §§ 443, 444 FamFG i.V.m. § 927 BGB nur gemeinsam zu.
vorgehend AG Bernburg, 15. Februar 2017, 3 II 14/15
Tenor
Die Beschwerde des Beteiligten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bernburg vom 15. Februar 2017 wird zurückgewiesen.
Der Beteiligte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 12.150,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Unter dem 21. Dezember 2015 beantragte der Beteiligte die Durchführung eines Aufgebotsverfahrens sowie den Erlass eines Ausschließungsbeschlusses gegen den im Grundbuch von B. Blatt 42 für die Flurstücke 90/1, 90/2, 91/2, 183 und 208 der Flur 1 eingetragenen Eigentümer „Offene Handelsgesellschaft A. G. G.m.b.H. in B.“. Zur Begründung – ergänzt durch seine Ausführungen im Schriftsatz vom 17. November 2016 – führte er aus, dass jene Gesellschaft am 27. Dezember 1967 im Handelsregister gelöscht worden sei. Er habe mindestens seit 1961, wie auch anteilig sein zwischenzeitlich verstorbener Bruder W. H. bzw. dessen Witwe und Alleinerbin L. Sch.-H. , die Grundsteuer für die gemeinsamen Grundstücke gezahlt. Er sei neben seinem Bruder bzw. dessen Witwe zumindest seit 30 Jahren als Eigenbesitzer der Grundstücke aufgetreten.
Mit Beschluss vom 15. Februar 2017 wies das Amtsgericht Bernburg den Antrag des Beteiligten zurück, weil ihm allein die Antragsberechtigung fehle. Der Antrag wäre gemeinsam mit den Erben seines verstorbenen Bruders zu stellen gewesen, da auch W. H. den Besitz ausgeübt habe. Im Übrigen belegten die eingereichten Unterlagen nicht den dreißigjährigen Eigenbesitz des Beteiligten und seines Bruders. Aus den Belegen hinsichtlich der Zahlung von Grundsteuern sei nicht ersichtlich, dass diese den Grundbesitz B. Blatt 42 betreffen. Der Bescheid über die Umlage der Verbandsbeiträge der Stadt Bg. vom 17. November 2016 sei nicht geeignet, den dreißigjährigen Eigenbesitz nachzuweisen. Gleiches gelte für die angebotenen eidesstattlichen Versicherungen des Beteiligten und der Frau Sch.-H. .
Hiergegen erhob der Beteiligte mit Schriftsatz vom 13. März 2017 – eingegangen bei dem Amtsgericht am gleichen Tage – Beschwerde mit der Begründung, dass auch die Glaubhaftmachung seitens seiner Schwägerin E. Hl. und seiner Nichte E. Sch. angeboten worden sei. Die Heranziehung seines verstorbenen Bruders von den jeweiligen Grundsteuerämtern habe der damaligen Übung entsprochen. Die wirtschaftliche Nutzung der Flächen sei, sofern überhaupt möglich, ohnehin alleinig durch ihn ausgeübt worden. Eine Antragstellung durch den Bruder sei nicht möglich gewesen, da dieser nicht mehr am Leben gewesen sei. Seine Alleinerbin Sch.-H. habe in ihrem beigefügten Schreiben vom 13. Mai 2014 dargelegt, dass sie keine Ansprüche auf das Miteigentum an den Grundstücken stellen werde. Sie wäre somit dem Aufgebotsantrag nicht entgegen getreten. Im Übrigen habe die Stadt Bg. im Schreiben vom 12. November 2014 dargelegt, dass von ihm und seinem Bruder die Grundsteuer für das Flurstück 183 seit 1957 und für die Flurstücke 90/2 und 91/2 seit 1970 gezahlt worden sei. Die Grundsteuern für die Flurstücke 91/1 und 88/2 (gemeint wohl 183) seien seit 1961 mit den Grundsteuern für das Flurstück 90/1 entrichtet worden. Lediglich für das Flurstück 208 sei seit 1981 keine Grundsteuer mehr bezahlt worden, da diese vom Pächter übernommen worden sei.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde durch Beschluss vom 12. Juli 2017 nicht abgeholfen und das Verfahren dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Beschwerde ist zulässig (§§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 63 Abs. 1 FamFG), hat in der Sache aber keinen Erfolg.
Zutreffend hat das Amtsgericht die Antragsberechtigung des Beteiligten nach §§ 443, 444 FamFG in Verbindung mit § 927 BGB auf der Grundlage seines Vorbringens verneint, wonach er neben seinem Bruder bzw. dessen Witwe zumindest seit über 30 Jahren als Eigenbesitzer der Grundstücke aufgetreten sei. Diesen Vortrag hat der Senat seiner Entscheidung zugrunde zu legen, auch wenn der Beteiligte im Beschwerdeverfahren – allerdings ohne inhaltliche Begründung seines abweichenden Vortrages – behauptet, dass die Nutzung der Flächen alleinig durch ihn ausgeübt worden sei. Es ist also von Mitbesitz des Beteiligten und seines Bruders bzw. nachfolgend dessen Witwe auszugehen, so dass ein Antragsrecht den Mitbesitzern nur gemeinsam zusteht. Anderenfalls könnte sich ein Miteigenbesitzer wegen § 927 Abs. 2 BGB Alleineigentum verschaffen, was über die Rechtslage hinausginge, die vom Antragsteller bei einem Antrag als Miteigenbesitzer behauptet wird (h. M., z. B. Dutta, in: Bork/Jacoby/Schwab, FamFG, Rdn. 1 zu § 443 FamFG; Zöller/Geimer, Rdn. 1 zu § 443 FamFG; Schick, in: Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG, Rdn. 2 zu § 443 FamFG; Zimmermann, in: Keidel, FamFG, Rdn. 5 zu § 434 FamFG, Rdn. 1 zu § 443 FamFG; Kanzleiter, in: Münchener Kommentar, BGB, Rdn. 5 zu § 927 BGB; Pfeifer/Diehn, in Staudinger, BGB, Rdn. 8 zu § 927 BGB; Schemmann, in: Haußleiter, FamFG, Rdn. 2 zu § 443 FamFG). Hiervon ist auch nicht deshalb eine Ausnahme gerechtfertigt, weil im vorliegenden Fall die Erbin des weiteren behaupteten Eigenbesitzers erklärt hat, dass sie keine Ansprüche auf das Miteigentum an den verfahrensgegenständlichen Flurstücken stellt. Denn wegen der einschneidenden klärenden Bedeutung der mit dem Aufgebotsverfahren und dem nachfolgenden Aneignungsverfahren verbundenen sachenrechtlichen Änderung für das Grundstück ist es erforderlich, dass sich alle denkbaren Anwärter für eine spätere Aneignung an dem Aufgebotsverfahren beteiligen.
Dem Beteiligten fehlt im Übrigen die Antragsberechtigung nach § 443 FamFG auch deshalb, weil er nicht glaubhaft gemacht hat, dass er die fraglichen Grundstücke seit 30 Jahren in Eigenbesitz hat. Dabei sind zwar sämtliche Beweismittel zulässig, auch die Versicherung an Eides statt (§ 294 ZPO, § 31 FamFG), allerdings sind an die Glaubhaftmachung im Hinblick auf die einschneidenden Rechtsfolgen strenge Anforderungen zu stellen. Die bloße Angabe der Ausübung des Eigenbesitzes genügt hierfür nicht. Es ist vielmehr substantiierter Vortrag dahin erforderlich, wie der Eigenbesitz an dem Grundstück in den letzten 30 Jahren konkret ausgeübt worden ist (z. B. Senatsbeschluss vom 16. März 2015, Gesch. Nr.: 12 Wx 74/14, veröffentlicht in Juris). Denn Eigenbesitzer ist nach § 872 BGB, wer eine Sache als ihm gehörend besitzt. Gemeint ist die subjektive Willensrichtung, auf das Eigentum kommt es nicht an. Es genügt, dass der Besitzer die tatsächliche Sachherrschaft so ausüben will wie ein Eigentümer für sich selbst unter Ausschluss anderer Personen, selbst wenn er weiß, dass er dazu nicht berechtigt ist (z. B. Senatsbeschluss a.a.O. ; Münchener Kommentar/Jost, Rdn. 3 zu § 872 BGB). Sein Ausdruck im Rechtsverkehr ist der Anspruch, die Sache selbständig und andere Personen ausschließend zu besitzen (z. B. BGH, Beschluss vom 14. Juni 2012, V ZB 38/12, zitiert nach Juris; BGH, NJW 1996, 1890).
Diesen Anforderungen genügen die Darlegungen des Beteiligten nicht, wie das Amtsgericht überzeugend ausgeführt hat. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine Änderung dieser Bewertung. Es beschränkt sich auf die Wiederholung seines Vortrages, dass er die Grundsteuer für die verfahrensgegenständlichen Grundstücke seit vielen Jahren gezahlt habe. Die dargestellte Zahlung der Grundsteuer reicht aber für die Glaubhaftmachung allein nicht aus, dass der Antragsteller dreißig Jahre lang die tatsächliche Sachherrschaft über die Grundstücke inne gehabt hat. Es wäre vielmehr im Einzelnen nachvollziehbar und konkret sowie mit den zulässigen Mitteln der Glaubhaftmachung belegt darzulegen gewesen, dass der Beteiligte die Grundstücke und die gegebenenfalls aufstehenden Bauten durchgehend genutzt, verwaltet, kostenmäßig getragen, gesichert, gepflegt, instand gehalten, saniert und in diese investiert hat, wie dies ein Eigentümer getan hätte.
Soweit sich der Beteiligte wiederholt auf eidesstattliche Versicherungen von Familienangehören zum Beleg des Eigenbesitzes bezogen hat, kann dies eine Glaubhaftmachung des erforderlichen Vortrages nicht ersetzen. Zum einen beziehen sich die angeführten Erklärungen nur auf die substanzlose allgemeine Behauptung von Eigenbesitz. Zum anderen sind eidesstattliche Versicherungen auch nicht vorgelegt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 80, 84 FamFG. Die Festsetzung des Gegenstandswertes für das Beschwerdeverfahren folgt aus §§ 79 Abs. 1, 61 Abs. 1, 36 Abs. 1 GNotKG.
gez. Trojan gez. Krogull gez. Dr. Fichtner

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