Oberlandesgericht Frankfurt am Main — Beschl. v. 12.02.2018 Az.: 3 U 70/16 Verwirkung des Widerrufsrechts

April 28, 2018
Oberlandesgericht Frankfurt am Main — Beschl. v. 12.02.2018
Az.: 3 U 70/16
Verwirkung des Widerrufsrechts

Löst der Verbraucher ein Verbraucherdarlehen unter Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung ab, ist das Umstandsmoment regelmäßig zu bejahen, weil sich die darlehensgebende Bank oder Sparkasse, – im Sinne einer tatsächlichen Vermutung – darauf einrichten darf und wird, dass der Vorgang auf Grund der willentlichen Beendigung des Darlehensverhältnisses durch den Darlehensnehmer abgeschlossen ist.

 

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das am 8.3.2016 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Gießen – Aktenzeichen: 2 O 350/15 – wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf € 94.500,00 festgesetzt.

Gründe

I.

Wegen des Sach- und Streitstands wird auf die Darstellung im Hinweisbeschluss vom 10.1.2018 (Bl. 153 ff. d.A.) sowie den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 95 ff. d.A.) verwiesen.

Auf die Hinweise des erkennenden Senats haben die Kläger mit Schriftsatz vom 4.2.2018 (Bl. 172 ff. d.A.) Stellung genommen.

Die Kläger beantragen

unter Abänderung des am 8.3.2016 verkündeten Urteils des Landgerichts Gießen, Az. 2 O 350/15,

  1. 1.

    festzustellen, dass die Darlehensverträge zwischen den Parteien mit den Kontonummern X, Z und Y durch Widerrufserklärung der Kläger vom 29.05.2015 wirksam widerrufen wurden.

  2. 2.

    festzustellen, dass die Beklagte Nutzungsentschädigung zu zahlen hat wie folgt: auf sämtliche Zahlungen auf Zins und Tilgung, die die Kläger auf die Darlehen mit den Kontonummern X, Z und Y erbracht haben, seit dem jeweiligen Zahlungsdatum der einzelnen Rate bis zum letzten Verhandlungstag in diesem Verfahren sind Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu bezahlen. Der sich hieraus ergebende Betrag ist im Rahmen der Rückabwicklung der Darlehensverträge zu Gunsten der Kläger in Ansatz zu bringen.

  3. 3.

    festzustellen, dass die Kläger der Beklagten seit 05.06.2015 weder Zinsen noch Nutzungsentschädigung für die Überlassung von Kapital aufgrund des Darlehensvertrags zwischen den Parteien schulden.

  4. 4.

    festzustellen, dass die Beklagte den Klägern denjenigen – auch künftig entstehenden – Vermögensschaden zu ersetzen hat, der ihnen dadurch entsteht, dass die Beklagte aufgrund des Widerrufs der Kläger vom 29.05.2015 die Verträge mit den Kontonummern X, Z und Y nicht rückabgewickelt, sondern den Anspruch der Kläger zurückgewiesen hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Das Rechtsmittel der Kläger war gemäß § 522 II 1 ZPO durch einstimmigen Beschluss des Senats zurückzuweisen, weil die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch ist aus Gründen der Rechtsfortbildung oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch Urteil erforderlich.

Zur Begründung wird zunächst vollumfänglich auf die Ausführungen im Beschluss vom 10.1.2018 (Bl. 153 ff. d.A.) Bezug genommen. Der Senat hält insbesondere an seiner Auffassung, dass die Kläger im Streitfall ihr Widerrufsrecht verwirkt haben, fest. Bereits im Beschluss vom 10.1.2018 ist darauf hingewiesen worden, dass es auf eine etwaige Kenntnis der Kläger hinsichtlich des Fortbestehens eines etwaigen Widerrufsrechts für die Bejahung einer unzulässigen Rechtsausübung nicht ankommt. Im Übrigen zeigen die Kläger in ihrem Schriftsatz vom 4.2.2018 keine neuen Aspekte auf, die nicht schon im Hinweis Berücksichtigung gefunden haben.

Wie der Senat ebenfalls bereits in dem Beschluss vom 10.1.2018 zum Ausdruck gebracht hat richtet sich die Frage, ob eine Verwirkung vorliegt, letztlich nach den vom Tatrichter festzustellenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalles (BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 – XI ZR 564/15 -, juris, mwN; BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 – XI ZR 501/15 -, juris), so dass kein Anlass besteht – wie von den Klägern nunmehr gewünscht – von einer Entscheidung im Beschlusswege abzusehen und die Revision zuzulassen. Schließlich gestehen die Kläger in ihrem Schriftsatz vom 4.2.2018 (dort Seite 2, letzter Absatz zu Ziff. I.) selbst ein, dass jeder Fall individuell zu betrachten sei, so dass weder eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache bejaht noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung bewirkt werden kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 I ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in § 708 Nr. 10 S. 2 ZPO.

Vorausgegangen ist unter dem 10.1.2018 folgender Hinweis (die Red.):

In dem Rechtsstreit (…)

wird darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, die Berufung der Kläger durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Nach Vornahme der gemäß § 522 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO gebotenen Prüfungen ist der Senat einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und auch eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Die Sache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch Urteil.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs von Willenserklärungen, welche die Kläger in den Jahren 2004, 2008 und 2009 zum Zwecke des Abschlusses von Darlehensverträgen abgegeben hatten.

Am 25/26.03.2004 schlossen die Parteien den Darlehensvertrag Nr. X (neue Anfangsziffer: …) über 70.000,00 € betreffend Baumaßnahmen am Wohnhaus der Kläger (vgl. im Einzelnen Anlage K 1 = BI. 11 ff d.A.). Die Beklagte erteilte den Klägern hierzu eine Widerrufsbelehrung. Wegen des Inhalts wird auf Bl. 13 d.A. Bezug genommen.

Der zweite Darlehensvertrag der Parteien vom 29.09.2008 mit der Nummer: Y (neue Anfangsziffer: …) über 10.000,00 € betreffend Renovierungskosten (vgl. im Einzelnen Anlage K 1 = BI. 19 ff d.A.) wurde bereits durch den weiteren Darlehensvertrag der Parteien vom 21.08.2009 Nr. Z (neue Anfangsziffer: …) über 14.500,00 € abgelöst (vgl. im Einzelnen Anlage K 1 = BI. 14 ff d.A.). Wegen der insoweit erteilten Widerrufsbelehrungen wird auf Bl. 23 d.A. bzw. Bl. 18 d.A. verwiesen.

Die Kläger bedienten die beiden verbliebenen Darlehen (alte Endziffer … = neue Anfangsziffer … und alte Endziffer … = neue Anfangsziffer …) bis März 2013 vertragsgemäß. Im Mai/Juni 2013 wurden diese beiden Darlehen einvernehmlich abgelöst und die diesbezüglichen Grundschulden nach Erteilung entsprechender Löschungsbewilligungen der Beklagten gelöscht (vgl. Anlagen B 3- B 5 = Bl. 76-78 d.A.).

Mit Schreiben vom 29.05.2015 (Anlage K 2 = Bl. 24 ff d.A.) erklärten die Kläger, sie wollten alle drei Darlehensverträge widerrufen.

Die Kläger haben erstinstanzlich mehrere Feststellungsanträge (Wirksamkeit des Widerrufs, Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Nutzungsentschädigung, keine Verpflichtung der Kläger zur Zahlung von Nutzungsentschädigung, künftige Schadensersatzpflicht der Beklagten) gestellt. Sie haben die Auffassung vertreten, beim Widerruf sei ihr Widerrufsrecht noch nicht erloschen gewesen, weil die nach ihrer Auffassung fehlerhaften Widerrufsbelehrungen der Beklagten die Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt hätten.

Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Sie hat die erteilten Widerrufsbelehrungen für ordnungsgemäß gehalten. Im Übrigen hat sie Verwirkung des Widerrufsrechts eingewandt, insbesondere mit Blick auf die vollständige Erledigung sämtlicher Darlehensverträge lange vor dem Widerruf.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es erklärt, es könne dahin stehen, ob die gegenständlichen Widerrufsbelehrungen ordnungsgemäß seien. Jedenfalls sei das Widerrufsrecht der Kläger im Zeitpunkt des Widerrufs Ende Mai 2015 verwirkt gewesen. Das für die Bejahung einer Verwirkung erforderliche Zeitmoment sei gegeben. Denn das Darlehen vom 25./26.03.2004 sei erst mehr als 11 Jahre nach seinem Abschluss widerrufen worden, der Widerruf der beiden anderen Darlehen sei erst rund 7 bzw. 6 Jahre nach Vertragsschluss erfolgt. Darüber hinaus liege jedoch auch das zusätzlich erforderliche Umstandsmoment vor. Die Kammer sei der Auffassung, dass ein Widerruf insoweit treuwidrig und verwirkt ist, wenn er erst nach einvernehmlicher Ablösung und damit vollständiger Erledigung der widerrufenen Darlehen ausgeübt wird. Das Darlehen vom 29.09.2008 sei bereits mit dem Darlehen vom 21.08.2009 abgelöst worden, so dass der Widerruf des erstgenannten Darlehens rund 6 Jahre nach seiner vollständigen Erledigung erfolgt sei. Das letztgenannte Darlehen sowie das weitere Darlehen vom 25./26.03.2004 seien bis Anfang Juni 2013 einvernehmlich abgelöst worden, während insoweit erst nach weiteren 2 Jahren widerrufen worden sei. Ein durch die Intention des dem Verbraucher eingeräumten Widerrufsrechts gedecktes schützenswertes Interesse der Kläger im Zeitpunkt des Widerrufs vom 29.05.2015 sei in dieser Lage nicht anzuerkennen.

Mit ihrer Berufung verfolgen die Kläger ihre erstinstanzlich gestellten Anträge unverändert weiter. Sie machen geltend, dass ihrer Auffassung nach die Voraussetzungen der Verwirkung nicht vorlägen. Die Beklagte könne kein schutzwürdiges Vertrauen für sich in Anspruch nehmen, da die gegenständliche fehlerhafte Widerrufsbelehrung von ihr stamme und sie Kenntnis von deren Fehlerhaftigkeit gehabt habe oder zumindest hätte haben müssen. Außerdem fehle es an den erforderlichen unzumutbaren Nachteilen für die Beklagte. Schließlich mache es für die Frage nach dem Umstandsmoment keinen Unterschied ob ein Darlehensnehmer in Unkenntnis seines Widerrufsrechts das Darlehen einfach weiter bedient oder dieses ablöst.

Die Kläger beantragen

unter Abänderung des am 8.3.2016 verkündeten Urteils des Landgerichts Gießen, Az. 2 O 350/15,

  1. 1.

    festzustellen, dass die Darlehensverträge zwischen den Parteien mit den Kontonummern X, Z und Y durch Widerrufserklärung der Kläger vom 29.05.2015 wirksam widerrufen wurden.

  2. 2.

    festzustellen, dass die Beklagte Nutzungsentschädigung zu zahlen hat wie folgt: auf sämtliche Zahlungen auf Zins und Tilgung, die die Kläger auf die Darlehen mit den Kontonummern X, Z und Y erbracht haben, seit dem jeweiligen Zahlungsdatum der einzelnen Rate bis zum letzten Verhandlungstag in diesem Verfahren sind Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu bezahlen. Der sich hieraus ergebende Betrag ist im Rahmen der Rückabwicklung der Darlehensverträge zu Gunsten der Kläger in Ansatz zu bringen.

  3. 3.

    festzustellen, dass die Kläger der Beklagten seit 05.06.2015 weder Zinsen noch Nutzungsentschädigung für die Überlassung von Kapital aufgrund des Darlehensvertrags zwischen den Parteien schulden.

  4. 4.

    festzustellen, dass die Beklagte den Klägern denjenigen – auch künftig entstehenden – Vermögensschaden zu ersetzen hat, der ihnen dadurch entsteht, dass die Beklagte aufgrund des Widerrufs der Kläger vom 29.05.2015 die Verträge mit den Kontonummern X, Z und Y nicht rückabgewickelt, sondern den Anspruch der Kläger zurückgewiesen hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

Die zulässige Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die angegriffene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Unabhängig von der Frage, ob die mit der Berufung weiter verfolgten Feststellungsanträge wegen des Vorrangs der Leistungsklage zulässig bzw. sachdienlich sind und ungeachtet einer etwaigen Fehlerhaftigkeit der von der Beklagten verwendeten Widerrufsbelehrungen kann die Berufung bereits deswegen keinen Erfolg haben, weil sich die Beklagte im Streitfall auf eine Verwirkung des Widerrufsrechts berufen kann.

1) Das Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1 BGB a.F. kann grundsätzlich verwirkt werden (BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 – XI ZR 564/15 -, juris; BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 – XI ZR 501/15 -, juris). Darüber hinaus kann die Ausübung eines Verbraucherwiderrufsrechts im Einzelfall eine unzulässige Rechtsausübung aus sonstigen Gründen darstellen und in Widerspruch zu § 242 BGB stehen, obwohl die Voraussetzungen einer Verwirkung nicht vorliegen (BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 – XI ZR 564/15 -, juris, mwN; BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 – XI ZR 501/15 -, juris, mwN). Einer Anwendung des § 242 BGB auf das Widerrufsrecht betreffend die verfahrensgegenständlichen Immobilienkredit stehen insbesondere keine europarechtlichen Vorgaben entgegen (BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 – XI ZR 564/15 -, juris).

2) Das für die Bejahung einer Verwirkung erforderliche Zeitmoment ist gegeben. Denn das Darlehen vom 25./26.03.2004 ist erst mehr als 11 Jahre nach seinem Abschluss widerrufen worden, der Widerruf der beiden anderen Darlehen ist erst rund 7 bzw. 6 Jahre nach Vertragsschluss erfolgt.

3) Die Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen der illoyal verspäteten Geltendmachung von Rechten setzt neben einem Zeitmoment, für das die maßgebliche Frist mit dem Zustandekommen des Verbrauchervertrags zu laufen beginnt, ein Umstandsmoment voraus. Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstößt. Zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen. Ob eine Verwirkung vorliegt, richtet sich letztlich nach den vom Tatrichter festzustellenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalles (BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 – XI ZR 564/15 -, juris, mwN; BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 – XI ZR 501/15 -, juris).

4) Die Vertragstreue der Kläger seit Abschluss des Darlehensvertrages allein reicht für die Annahme einer Verwirkung allerdings nicht aus. Nur aufgrund eines laufend vertragstreuen Verhaltens des Vertragspartners kann der Unternehmer ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, der Verbraucher werde seine auf Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrags gerichtete Willenserklärung nicht widerrufen, nämlich nicht bilden (BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 – XI ZR 564/15 -, juris; BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 – XI ZR 501/15 -, juris).

5) Neben der langjährigen Vertragstreue ist vorliegend aber zu berücksichtigen, dass es auf Betreiben der Kläger zu einer vorzeitigen Ablösung des Kredits und infolgedessen zur einer vorzeitigen Beendigung des Vertrages kam. Löst der Verbraucher ein Verbraucherdarlehen unter Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung ab, ist das Umstandsmoment regelmäßig zu bejahen, weil sich die darlehensgebende Bank oder Sparkasse – im Sinne einer tatsächlichen Vermutung – darauf einrichten darf und wird, dass der Vorgang auf Grund der willentlichen Beendigung des Darlehensverhältnisses durch den Darlehensnehmer abgeschlossen ist (OLG Frankfurt, Urt. v. 14.12. 2016 – 19 U 13/16 -, juris; OLG Schleswig, Urt. v. 6.10.2016 – 5 U 72/16 -, Rn. 41; OLG Frankfurt, Beschluss vom 1.6.2017, Az. 3 U 13/17). In Anbetracht der vollständigen Abwicklung der Verträge durfte die Beklagte einen Anlass zur Nachbelehrung, selbst wenn sie eine etwaige Fehlerhaftigkeit ihrer Widerrufsbelehrungen erkannt haben sollte, ohne weiteres verneinen. Für die Annahme einer tatsächlichen Vermutung im oben genannten Sinne spricht vorliegend auch der weitere Umstand, dass die Kläger nach erfolgter Ablösung des Darlehens und Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung nochmals rund 2 Jahre verstreichen ließen, bevor sie den Widerruf erklärten. In diesem Falle ist das Vertrauen der Beklagten gerechtfertigt, ihre ehemaligen Darlehensnehmer würden ihr Widerrufsrecht nicht mehr geltend machen. Außerdem erfolgte eine Freigabe der Sicherheit. Unterstellt man einmal, dass das Widerrufsrecht noch nicht erloschen war, so hätte die Freigabe der Sicherheit vorliegend nicht nur durch die Ablösung des Darlehens erreicht werden können, sondern auch dadurch, dass bereits in diesem Zeitpunkt der Darlehensvertrag widerrufen worden wäre, was allerdings (mutmaßlich) zeitaufwändiger gewesen wäre, da die Freigabe der Sicherheit wohl erst nach einem rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits um die Wirksamkeit des Widerrufs erfolgt wäre. Mit den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht zu vereinbaren ist es jedoch, eine zeitnahe Freigabe der Sicherheit dadurch zu bewirken, dass ein Aufhebungsvertrag geschlossen wird, von dem anschließend faktisch eine Lösung im Zusammenhang mit dem Widerruf des Darlehens erfolgen soll. Ein solches Verhalten ist mit elementaren vertraglichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren.

6) Auf eine etwaige Kenntnis der Kläger hinsichtlich der Frage des Fortbestehens eines etwaigen Widerrufsrechts kommt es nicht an. Die Verwirkung eines Anspruchs ist ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung. Sie schließt die illoyal verspätete Geltendmachung eines Rechts aus. Dabei kommt es nicht auf den Willen des Berechtigten an. Verwirkung kann daher selbst dann eintreten, wenn der Berechtigte keine Kenntnis von seiner Berechtigung hat (BGH, Urteil vom 16. März 2007 – V ZR 190/06 -, juris; BGHZ 25, 47, 53).

7) Unter Berücksichtigung dieser Gesamtumstände war vorliegend ein etwaiges Widerrufsrecht zum Zeitpunkt der Abgabe der Widerrufserklärung jedenfalls verwirkt, weshalb ein Feststellungsinteresse der Kläger infolge des Widerrufs selbst dann nicht bejaht werden kann, wenn man hier keinen Vorrang der Leistungsklage annehmen würde.

III.

Den Klägern bleibt nachgelassen, zum beabsichtigten Vorgehen binnen zweier Wochen ab Zugang dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.

Es wird darauf hingewiesen, dass bei Rücknahme der Berufung Gerichtsgebühren in nicht unerheblicher Höhe vermieden werden können.

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