Oberlandesgericht Köln, 16 U 162/17 – Haftung Steuerberater, Sozialversicherung

März 3, 2019

Oberlandesgericht Köln, 16 U 162/17

Vorinstanz:
Landgericht Köln, 2 O 417/16

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 16.11.2017 – 2 O 417/16 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das angefochtene Urteil und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird gestattet, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, falls nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils vollstreckbaren Betrages leisten.

1

Gründe:
2

A.
3

Der Kläger war seit 1999 Mitgesellschafter und Mitgeschäftsführer der I T N GmbH (nachfolgend I GmbH) in C. Weiterer Gesellschafter und Geschäftsführer war Herr I2 T. Beide Geschäftsführer hielten Gesellschaftsanteile von jeweils 49,4 %; die restlichen Anteile von 1,2 % hielt Herr I T, der Vater des Mitgeschäftsführers I2 T und Gründer des Unternehmens.
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Der Kläger nimmt die Beklagten teils aus eigenem Recht, teils aus abgetretenem Recht der I GmbH, auf Schadensersatz wegen angeblicher Falschberatung mit der Begründung in Anspruch, der Beklagte zu 1. habe es unterlassen, ihm nach dem Bekanntwerden einer Entscheidung des BSG aus dem Jahre 2005 zur Durchführung eines rentenversicherungsrechtlichen Statusverfahrens zu raten. Bei sachgerechter Beratung würden er und sein Mitgesellschafter I2 T auf das Ausscheiden des Mitgesellschafters I T und die Übertragung von dessen Gesellschaftsanteil jeweils hälftig auf die übrigen Mitgesellschafter hingewirkt haben.
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Wegen der weiteren Einzelheiten und wegen des beiderseitigen Parteivortrags erster Instanz wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen.
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Das Landgericht hat die auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz der finanziellen Schäden nebst Folgeschäden, die dem Kläger als ehemaligem Mitgeschäftsführer und Mitgesellschafter der I GmbH und als Privatperson aufgrund unterlassener Empfehlung eines rentenversicherungsrechtlichen Statusverfahrens und vertraglicher Anpassungen des Gesellschafts- und Dienstvertrages an die geänderte Rechtslage zur Rentenversicherungspflicht von Gesellschafter-Geschäftsführern mit Gesellschaftsanteilen unter 50 % entstanden sind, gerichtete Klage abgewiesen.
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Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt.
8

Der Kläger macht geltend, das Landgericht habe den Umfang der von den Beklagten geschuldeten Leistungen unzutreffend bewertet. Jedenfalls sei den Beklagten anzulasten, Hinweispflichten in Bezug auf eine Rentenversicherungspflicht eines GmbH-Geschäftsführers nicht erfüllt zu haben. Eine Rentenversicherungsfreiheit habe auch bereits in 1999 nicht wirklich bestanden, sondern lediglich einer von der Rentenversicherung nicht näher überprüften verbreiteten Rechtspraxis entsprochen. Bei Erteilung des gebotenen Hinweises auf eine Rentenversicherungspflicht habe eine rentenversicherungsfreie Fortsetzung der Gesellschaft zwischen ihm und I2 T mit einem Beteiligungsverhältnis von 50 : 50 erfolgen können.
9

Der Kläger beantragt,
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unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Köln vom 16.11.2017 der Klage stattzugeben.
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Die Beklagten beantragen,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigen das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungen.
14

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
15

B.
16

Die zulässige Berufung ist offensichtlich unbegründet.
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Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht das Feststellungsbegehren als unbegründet abgewiesen.
18

Eine Verantwortlichkeit der Beklagten für den vom Kläger geltend gemachten Schaden kann nicht festgestellt werden.
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Im Einzelnen:
20

I. Klage gegen den Beklagten zu 1.:
21

1.
22

Der Kläger hat die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus §§ 280 Abs. 1, 675 BGB gegen den Beklagten zu 1. nicht ausreichend dargetan.
23

a)
24

Eine Verletzung der Pflichten der Beklagten aus dem Steuerberatungsvertrag mit dem Kläger und der I T N GmbH (nachfolgend: I GmbH) hat das Landgericht mit der Begründung verneint, den Beklagten habe eine fortlaufende Prüfung der Rentenversicherungsfreiheit des Klägers als Mitgeschäftsführer der I GmbH seit 1999 nicht oblegen, weil ein Steuerberater zu einer Beratung in sozialversicherungsrechtlichen Fragen rechtlich nicht verpflichtet (gewesen) sei und überdies nach damaliger Rechtsprechung für den Geschäftsführer einer GmbH Rentenversicherungsfreiheit bestanden habe.
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Die hiergegen gerichteten Angriffe der Berufung greifen nicht durch. Auch das Vorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 20.06.2018 (GA 311 ff.) rechtfertigt keine hiervon abweichende Beurteilung.
26

Der Beklagte zu 1. war nach den Feststellungen des Landgerichts mit der steuerlichen Beratung des Klägers, des Mitgesellschafters I2 T und der I GmbH befasst; ein weitergehendes Mandat gesellschafts- und wirtschaftsrechtlicher Art ist vom Kläger nicht nachprüfbar behauptet. Zu einer entsprechenden rechtlichen – auch sozialrechtlichen – Beratung war der Beklagte zu 1. nicht verpflichtet. Dies hat das Landgericht unter Hinweis auf die Bestimmungen des StBerG zutreffend ausgeführt.
27

Ist ein Steuerberater – auch – mit der Lohnbuchhaltung beauftragt, besteht für ihn gleichwohl keine vertragliche Verpflichtung zur Prüfung sozialrechtlicher Sachverhalte (BGH NJW-RR 2004, 1358, 1359; OLG Koblenz BeckRS 2016, 19384 = DStR 2017, 279). Fallen dem Steuerberater allerdings solche Sachverhalte auf, die er nicht klären kann, kommt eine Verpflichtung des Beraters in Betracht, den Mandanten auf die Einholung anwaltlichen Rechtsrats hinzuweisen (BGH DStR 2004, 1979, 1980).
28

Einen solchen Ausnahmefall des Bestehens einer Hinweispflicht als Nebenpflicht hat das Landgericht hier zu Recht verneint:
29

Im Jahre 1999 hätte ein – unterstellter – Hinweis auf eine Klärung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers (wie auch des Mitgesellschafter-Geschäftsführers I2 T) im Übrigen zu keiner abweichenden Bewertung geführt, weil die Rentenversicherungsfreiheit des Klägers der damaligen Rechtslage entsprach.
30

Die Entscheidung des BSG vom 24.11.2005 (B 12 RA 1/04 – NZG 2006, 308 ff.) betraf den Fall eines GmbH-Geschäftsführers, der selbst keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigte und im Wesentlichen nur für die GmbH tätig war und deshalb als „selbständig Erwerbstätiger“ nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI rentenversicherungspflichtig angesehen wurde. Mit einer solchen oder dieser vergleichbaren Konstellation hatte es der Beklagte zu 1. im Falle des Klägers aber nicht zu tun.
31

Auch das Bekanntwerden der Entscheidung des BSG vom 29.08.2012 (B 12 KR 25/10 r – in: DStR 2013, 770) verpflichtete den Beklagten zu 1. nicht zur Erteilung eines Hinweises an den Kläger und die I GmbH. Eine dahingehende Hinweispflicht bestand für den Beklagten zu 1. schon deshalb nicht, weil dieser im Zeitpunkt der Veröffentlichung der Entscheidung nicht mehr steuerlicher Berater des Klägers und der I GmbH war; diese Beratung hatte ab dem 01.01.2013 unstreitig die Beklagte zu 2. übernommen.
32

b)
33

Auch wenn es für die zu treffende Entscheidung nicht mehr darauf ankommt, würde das Vorbringen des Klägers nicht ausreichen, anzunehmen, dass die Entstehung einer Beitragspflichtigkeit durch „vorsorgende Vertragsgestaltung“ hätte vermieden werden können.
34

Das dahingehende Vorbringen des Klägers ist ohne Substanz, unplausibel und damit prozessual unbeachtlich.
35

Es würde voraussetzen, dass entweder der Kläger in den Stand gesetzt würde, die Geschicke der Gesellschaft allein zu bestimmen, oder gegen die Stimme des Klägers Entscheidungen in der Gesellschaft nicht getroffen werden könnten.
36

Das Vorbringen des Klägers lässt offen, welche von der bisherigen Gestaltung des Gesellschaftsvertrages abweichenden Vereinbarungen mit welchen Konditionen die Gesellschafter der I GmbH in dem Falle getroffen haben würden, wenn sie über die Sozialversicherungspflicht ihrer damaligen beiden Geschäftsführer – Kläger und Herr I2 T – aufgeklärt worden wären.
37

Dass der „Senior-Gesellschafter“ – I T – bereit gewesen wäre, aus der Gesellschaft auszuscheiden und seinen Gesellschaftsanteil auf beide damaligen Mitgesellschafter zu übertragen, ist nach Aktenlage auszuschließen.
38

Einer solchen Annahme steht schon das tatsächliche Geschehen nach Bekanntwerden der Versicherungspflicht entgegen. Dieses Geschehen ist dadurch gekennzeichnet, dass nach Bekanntwerden der Versicherungspflicht und auch im Zuge des Ausscheidens des Klägers eine Übertragung des Anteils I T auf I2 T nicht stattgefunden hat, mag diese auch nicht mehr veranlasst gewesen sein. Das Ausscheiden selbst erfolgte durch Übertragung des Gesellschaftsanteils des Klägers auf die I GmbH. Dies hatte für die verbleibenden Gesellschafter den Vorteil, dass diese für den Anteilserwerb keine eigenen Mittel aufzubringen hatten, jedoch gleichwohl in den Genuß eines höheren Beteiligungswerts gekommen sind. Der Erwerb des Gesellschaftsanteils des Klägers war allerdings daran geküpft, dass dieser die erwerbende I GmbH von auf ihn entfallenden Beitragsforderungen der Deutsche Rentenversicherung freistellt bzw. die entsprechenden Beiträge dieser erstattet (Vertrag URNr. 0690/2016 des Notars C2 vom 19.4.2016, Ziffer V.2.c.). Eine Verantwortlichkeit des Klägers für die Beitragsentstehung ist ebensowenig erkennbar wie eine Gleichbehandlung mit bzw. Inanspruchnahme des seinerzeit in gleicher Lage befindlichen Mitgeschäftsführers I2 T durch die Gesellschaft. Dass der Mitgesellschafter/-geschäftsführer I2 T die auf ihn entfallenden Rentenversicherungsbeiträge der Gesllschaft zurückzuzahlen hätte, ist nicht ersichtlich noch wird dies vom Kläger behauptet.
39

Eine solche Ungleichbehandlung, die sich bereits im Abschluss des Gesellschaftsvertrages widerspiegelt und die Mehrheitsverhältnisse der Herren T zum Ausdruck bringt, spricht aber entscheidend gegen die Behauptung des Klägers, die Beitragspflichtigkeit würde durch eine anderweitige Vertragsgestaltung vermieden worden sein. Eine solche hypothetische anderweitige Gestaltung des Gesellschaftsvertrages legt der Kläger indes nicht dar. Sie würde – darauf lassen die Einzelheiten der „Ausscheidensvereinbarung“ vom 19.4.2016 schließen – nicht in einer Übertragung der Gesellschaftsanteile des I T, sondern in einem – früheren – Ausscheiden des Klägers gelegen haben.
40

Fehlt aber dem Vorbringen des Klägers zur Ursächlichkeit des Unterbleibens von für den Eintritt der Sozialversicherungspflicht und deren Vermeidung bei sachgerechter Beratung die Substanz, käme eine Vernehmung der hierzu benannten Zeugen T nicht in Betracht, da sie auf eine – prozessual unzulässige – Ausforschung des Sachverhalts hinausliefe.
41

c)
42

Das Vorliegen eines dem Beklagten zu 1. zurechenbaren Schaden des Klägers kann nach den vorstehenden Ausführungen dahinstehen.
43

2.
44

Auch kommt ein Anspruch aus § 311 Abs. 2 BGB nicht in Betracht.
45

Die Verletzung einer vorvertraglichen Beratungspflicht liegt nicht vor.
46

Der Beklagte zu 1. war zwar zu einer sozialrechtlichen Beratung nicht berechtigt. Eine sozialversicherungsrechtliche Beratung durch den Beklagten zu 1. hat indessen unstreitig auch nicht stattgefunden.
47

II. Klage gegen die Beklagte zu 2.:
48

Die gegen die Beklagte zu 2. gerichtete Klage ist ebenfalls unbegründet.
49

1.
50

Gegenüber der Beklagten zu 2. sind die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus §§ 280 Abs. 1, 675 BGB ebenfalls nicht gegeben.
51

a)
52

Es fehlt auch bezüglich der Beklagten zu 2. an einer Pflichtverletzung. Insoweit gelten die Ausführungen unter Ziffer 1.a) gleichermaßen. Die sozialrechtliche Einordnung und Bewertung eines Beschäftigungsverhältnisses eines GmbH-Geschäftsführers als abhängige oder selbständige Erwerbstätigkeit unterliegt grundsätzlich nicht den Prüfungspflichten eines Steuerberaters. Letzterer war nur verpflichtet, die „einschlägige Rechtsprechung des BFH zu kennen“ (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Aufl., § 280 Rn. 77 m.w.N.), nicht aber, wie es in der Entscheidung des OLG Brandenburg vom 7.11.2006 (6 U 23/06 – in: DStRE 2007, 1470) heißt, „die einschlägige Rechtsprechung des BSG“. Er war auch nicht verpflichtet, aus dieser Rechtsprechung des BSG die richtigen Schlüsse zu ziehen, wie das Landgericht weiter zutreffend ausgeführt hat. Danach kann der Beklagten zu 2. aber nicht angelastet werden,auf die im Jahre 2013 veröffentlichte Rechtsprechung des BSG vom 29.08.2012 (a.a.O.) nicht reagiert zu haben. Ein Ausnahmefall, der die Beklagte zu 2. verpflichtet hätte, den Kläger auf die Einholung von Rechtsrat bezüglich seines Rentenversicherungsstatus hinzuweisen, bestand für die Beklagte zu 2. ebenfalls nicht.
53

b)
54

Dass die Entstehung einer Beitragspflichtigkeit durch „vorsorgende Vertragsgestaltung“ hätte vermieden werden können, kann aus den gleichen Gründen wie unter I.1.b. erörtert nicht angenommen werden.
55

c)
56

Dahinstehen kann indes der Eintritt eines auf das Unterbleiben eines Hinweises zur Rentenversicherungspflichtigkeit seiner Geschäftsführertätigkeit zurückzuführenden Schadens des Klägers.
57

d)
58

Ebenfalls keiner abschließenden Beantwortung bedarf die von der Beklagten zu 2. aufgeworfene Frage des Ausreichens des Klagevorbringens zur Zurechnung etwaiger Pflichtverletzungen des Beklagten zu 1. aus der Zeit vor Übernahme der steuerlichen Beratung durch die Beklagte zu 2., also aus der Zeit vor dem 01.01.2013, im Antrag des Feststellungsbegehrens.
59

2.
60

Ein Anspruch aus § 311 Abs. 2 BGB scheitert aus denselben Gründen wie vorstehend unter I.2. ausgeführt.
61

III.
62

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung.
63

Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten. Auch erfordern weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats als Berufungsgericht durch Urteil, so dass über die Rechtsmittel beider Parteien durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO entschieden werden konnte.
64

C.
65

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
66

D.
67

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 64.000,00 € festgesetzt.

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