Oberlandesgericht Köln, 2 Wx 291/13 Vorinstanz: Amtsgericht Köln, 36 VI 245/12

Oktober 29, 2018

Oberlandesgericht Köln, 2 Wx 291/13

Vorinstanz:

Amtsgericht Köln, 36 VI 245/12

 

Tenor:

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 06.06.2013, erlassen am 07.06.2013 (36 VI 245/12), wird zurückgewiesen.

Der Beteiligte zu 1. trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

G r ü n d e :

I.

Am 31.08.2010 verstarb in L/Schweiz Frau IQ, geb. D (nachfolgend Erblasserin). Die Beteiligten zu 1. und 3. sind die Kinder der Erblasserin, der Beteiligte zu 2. ist der Sohn der Beteiligten zu 3. Die Erblasserin war deutsche Staatsangehörige, hatte aber seit geraumer Zeit in ihrem Wohnsitz in der Schweiz.

Die Erblasserin hatte am 24.04.1969 mit ihrem am 31.12.2009 vorverstorbenen Ehemann DQ einen Erbvertrag geschlossen, in dem sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben des Vorversterbenden einsetzten (Ziff. II des Erbvertrages vom 24.04.1969, UR-Nr. 921 für 1969 des Notars Dr. K in L2, Bl. 11 der BA 36 IV 234/11). Am 15.08.2010 errichtete die Erblasserin ein  handschriftliches Testament mit folgendem Inhalt:

„1. Als Erben habe ich einen Sohn und eine Tochter.

  1. Hiermit setze ich meine Tochter Frau VQ geb. 00.00.62 auf den Pflichtteil.
  2. Die dadurch frei werdende Quote soll mein Enkelsohn D2Q geb. 00.00.2000 erhalten.

Sollte er noch nicht volljährig sein, so ist sein Erbe von meinem Sohn zusammen mit dem Willensvollstrecker zu verwalten.

  1. Als Willensvollstrecker setze ich Dr. N und im Verhinderungsfalle Dr. I, beide U 20, A, ein.“

Mit Schreiben seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 30.03.2011 hat der Beteiligte zu 1. bei dem Amtsgericht Schöneberg beantragt, einen Erbschein zu erteilen, der ihn und den Beteiligten zu 2. zu je 1/2-Anteil als Erben ausweist. Das Amtsgericht Schöneberg hat das Verfahren mit Beschluss vom 18.04.2011 (Bl. 28 d. BA 36 IV 234/11) gemäß § 343 Abs. 2 S. 2 FamFG an das Amtsgericht Köln verwiesen.

Der Beteiligte zu 1. hat gemeint, die Erblasserin habe im Testament vom 15.08.2010 ihn selbst und den Beteiligten zu 2. zu je 1/2-Anteil als Erben eingesetzt. Demgegenüber habe die Beteiligte zu 3. nicht Erbin werden, sondern lediglich den ihr nach §§ 2303 ff. BGB zustehenden Pflichtteil erhalten sollen. Hintergrund hierfür sei das Verhalten der Beteiligten zu 3. nach dem Tod des vorverstorbenen Vaters der Beteiligten zu 1. und 3. und die hierdurch bedingte menschliche Enttäuschung der Erblasserin gewesen. Der Annahme, die Beteiligte zu 3. habe enterbt werden sollen, stehe es auch nicht entgegen, dass die Erblasserin das Testament möglicherweise in der Annahme verfasst habe, es sei die Schweizer Rechtslage maßgeblich, nach der das Pflichtteilsrecht als – nach Maßgabe des Art. 471 ZGB reduzierte – dingliche Beteiligung am Nachlass ausgestaltet ist.

Die Beteiligten zu 2. und 3. haben demgegenüber die Auffassung vertreten, dass die Erblasserin im Testament vom 15.08.2010 insgesamt von der Geltung des schweizerischen Erbrechts ausgegangen sei und deshalb die Beteiligte zu 3. entsprechend der sich aus Art. 471 Nr. 1 ZGB ergebenden Regelung zu einem 3/8-Anteil (3/4 des gesetzlichen Erbteils) als Erbin eingesetzt habe. Auch wenn auf den Erbfall nach dem für deutsche Gerichte maßgeblichen Internationalem Privatrecht (Art. 25 Abs. 1 EGBGB) deutsches Erbrecht anwendbar sei, müsse berücksichtigt werden, dass das schweizerische Internationale Privatrecht an den letzten Wohnsitz anknüpft (Art. 90 IPRG). Da sich das wesentliches Vermögen der Erblasserin in der Schweiz befunden habe, sei sie insgesamt davon ausgegangen, dass auf die Aufteilung ihres Nachlasses das Erbrecht der Schweiz anwendbar sei; hieraus wiederum folge, dass die Beteiligte zu 3. als Miterbin am Nachlass habe beteiligt werden sollen.

Mit am 07.06.2013 erlassenem und dem Beteiligten zu 1. am 11.06.2013 zugestelltem Beschluss vom 06.06.2013 (Bl. 295 ff. d.A), auf dessen Inhalt wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie wegen der rechtlichen Würdigung durch das Nachlassgericht Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht den Antrag des Beteiligten zu 1. nach schriftlicher Vernehmung des Zeugen Dr. N zurückgewiesen. Nach der kurz zuvor erfolgten rechtlichen Beratung durch den Zeugen sei die Erblasserin von der Anwendbarkeit schweizerischen Erbrechts ausgegangen, nach dem sie ihre Tochter nicht enterben konnte.

Gegen diesen Beschluss hat der Beteiligte zu 1. mit Schriftsatz vom 10.07.2013, bei Gericht am 11.07.2013 eingegangen, Beschwerde eingelegt, mit der er seinen Erbscheinantrag unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens weiterverfolgt. Maßgeblich sei der tatsächliche Wille der Erblasserin, der darauf gerichtet gewesen sei, die Beteiligte zu  3. nach Möglichkeit von der Erbfolge auszuschließen. Da diese Möglichkeit nach deutschem Erbrecht bestanden habe, sei auch das Testament vom 15.08.2010 entsprechend auszulegen.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 28.11.2013 (Bl. 392 ff. d.A.) nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

1.

Die Beschwerde ist zulässig.

a) Das Rechtsmittel ist gemäß §§ 58 Abs. 1, 342 Abs.1 Nr. 6 FamFG statthaft und nach Maßgabe der §§ 63 Abs. 1, 64 Abs. 2 FamFG form- und fristgerecht eingelegt worden. Auch der nach § 61 Abs. 1 FamFG erforderliche Mindestbeschwerdewert ist erreicht.

b) Der Beteiligte zu 1. ist auch im Sinne des § 59 Abs. 1 FamFG beschwerdeberechtigt.

Nach dieser Vorschrift steht die Beschwerde allerdings nur demjenigen zu, der durch den angefochtenen Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Hierfür ist auch in den Fällen des § 59 Abs. 2 FamFG über die durch die Zurückweisung des Antrags begründete formelle Beschwer hinaus ein unmittelbarer, nachteiliger Eingriff in ein dem Beschwerdeführer zustehendes subjektives Recht erforderlich. Denn die Regelung in § 59 Abs. 2 FamFG begründet keine eigenständige Beschwerdeberechtigung, sondern enthält lediglich die Begrenzung einer grundsätzlich bestehenden Beschwerdeberechtigung auf die Person des Antragstellers (BGH NJW 2012, 2039 [juris-Rz. 8]; BGH FamRZ 2012, 1131 [juris-Rz. 8]; Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 18. Aufl. 2014, § 59 Rn. 39). Da das FamFG keine Popularbeschwerde kennt, reichen insoweit lediglich wirtschaftliche, rechtliche oder sonstige berechtigte Interessen nicht aus. Richtet sich die Beschwerde etwa gegen einen Beschluss, der die zur Erteilung eines Erbscheins notwendigen Tatsachen als festgestellt erachtet, ist nur derjenige beschwerdeberechtigt, der durch die Erteilung des Erbscheins in seinen Rechten unmittelbar beeinträchtigt würde; der Beschwerdeführer muss also geltend machen, dass seine erbrechtliche Stellung in dem Erbschein nicht oder nicht richtig ausgewiesen wird (Senat, FGPrax 2010, 194 [juris-Rz. 4]; Keidel/Zimmermann, a.a.O., § 352 Rdn. 150 m.w.Nachw.).

Auch nach diesem Maßstab ist die Beschwerdeberechtigung des Beteiligten zu 1. im Ergebnis zu bejahen. Da das Nachlassgericht im angefochtenen Beschluss in Übereinstimmung mit allen Beteiligten davon ausgegangen ist, dass der Beschwerdeführer zu 1/2-Anteil Erbe nach seiner Mutter geworden ist, prozessiert der Beteiligte zu 1. zwar in der Sache nicht um sein eigenes Erbrecht; es geht ihm vielmehr allein um die – für ihn bei rechtlicher und wirtschaftlicher Betrachtung an sich bedeutungslose – Frage, ob neben ihm und seinem Neffen auch seine Schwester Miterbin geworden ist. Eine Beeinträchtigung eigener Rechte des Beteiligten zu 1. kommt aber jedenfalls insoweit in Betracht, als er gemäß § 2357 Abs. 1 S. 2 BGB als Miterbe berechtigt ist, einen gemeinschaftlichen Erbschein zu beantragen. Da das Nachlassgericht den so gestellten Erbscheinantrag insgesamt zurückgewiesen hat, wäre der Beteiligte zu 1. in diesem Recht auch dann verletzt, wenn diese Zurückweisung allein wegen der unrichtigen Beurteilung der nicht seinen eigenen Erbanteil betreffenden Rechtslage erfolgt wäre.

2.

In der Sache selbst hat das Rechtsmittel indes keinen Erfolg. Das Nachlassgericht hat den vom Beteiligten zu 1. mit Schriftsatz vom 30.03.2011 beantragten Erbschein zu Recht nicht erteilt, weil dieser Erbscheinantrag nicht der tatsächlichen Erbfolge entspricht. Entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 1. ist die Erblasserin nämlich nicht zu jeweils ein 1/2-Anteil von ihm und dem Beteiligten zu 3., sondern zu 1/2 von ihm, zu 3/8 von der Beteiligten zu 3. und zu 1/8 von dem Beteiligten zu 2. beerbt worden.

a) Zwischen den Beteiligten steht zu Recht außer Streit, dass angesichts der Staatsangehörigkeit der Erblasserin im vorliegenden Verfahren das deutsche Erbrecht zur Anwendung kommt (Art. 25 Abs. 1 EGBGB). Dem steht es nicht entgegen, dass nach dem Internationalen Privatrecht der Schweiz (Art. 90 IPRG) als Anknüpfungspunkt für das Erbstatut der dort gelegene letzte Wohnsitz der Erblasserin maßgeblich ist. Diese unterschiedliche Anknüpfung führt zu einem Nachlasskonflikt; während der deutsche Nachlassrichter deutsches Recht anwendet, kommt es in der Schweiz zur Anwendung schweizerischen Rechts (vgl. zu dieser Frage etwa BayObLGZ 2003, 68 [juris-Rz. 30] m.w.Nachw.).

b) Nach dem danach für den Senat maßgeblichen deutschen Erbrecht bestimmen sich auch die Voraussetzungen und Wirkungen einer Verfügung von Todes wegen sowie deren Auslegung (vgl. nur Palandt/Thorn, BGB, 73. Aufl. 2014, Art. 25 EGBGB Rdn. 11 f. m.w.Nachw.). Bei der Ermittlung des Erblasserwillens können aber materiell-rechtlich auch die Rechtsgrundsätze einer anderen Rechtsordnung berücksichtigt werden, unter deren Eindruck der Erblasser bei der Errichtung des Testaments stand (Palandt/Thorn, a.a.O., Art. 25 EGBGB Rdn. 12). Befindet der Erblasser sich in einem Irrtum über das aus der Sicht des deutschen Internationalen Privatrechts maßgebende Erbstatut und verwendet er deshalb in einem Testament materiell-rechtliche Institute eines Rechts, das nicht als Erbstatut berufen ist (sog. „Handeln unter falschem Recht“), muss durch Auslegung nach den Regeln des Erbstatuts ermittelt werden, was er damit ausdrücken wollte. Ist danach der Wille des Testators ermittelt, so entscheidet das Erbstatut darüber, ob das Gewollte zulässig ist und in welchen Rechtsformen des eigenen Rechts es dargestellt werden kann. Dabei ist der Erblasserwille möglichst aufrechtzuerhalten, soweit er sich bei deutschem Erbstatut in die Begriffe des BGB „übersetzen“ lässt (BayObLGZ 2003, 68 [juris-Rz. 65]; MünchKomm/Sonnenberger, BGB, 5. Aufl. 2010, Einl. IPR Rdn. 611; Staudinger/Dörner, BGB, Neubearb. 2007, Art. 25 EGBGB Rdn. 274). Nach diesen Grundsätzen hat die die Erblasserin im Testament vom 15.08.2010 auch die Beteiligte zu 2. als Miterbin eingesetzt.

aa) In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der vorliegende Sachverhalt sich insoweit von den üblicherweise unter dem Stichwort „Handeln unter falschem Recht“ erörterten Fällen unterscheidet, als die Erblasserin im entscheidenden Zusammenhang mit dem Wort „Pflichtteil“ einen Begriff verwendet hat, der dem deutschen Erbrecht keineswegs fremd ist. Bei verständiger Würdigung des gesamten Inhalts des Testaments und der Vorgeschichte seiner Errichtung hat die Erblasserin damit aber nicht auf die §§ 2303 ff. BGB Bezug genommen, sondern den Pflichtteil im Sinne der Art. 470, 471 ZGB gemeint. Hierfür spricht zunächst, dass die Erblasserin nach den Angaben des Zeugen Dr. N, an denen zu zweifeln auch der Senat keinen Anlass sieht, vor Abfassung des Testaments darüber belehrt worden war, dass sie ihre Tochter nach schweizerischem Recht „nicht einfach so enterben könne“. Der Zeuge hat der Erblasserin sodann ein Mustertestament übergeben, auf dessen Grundlage sie bis zur Abfassung eines umfassenden Testamentes zumindest einen „Willensvollstrecker“ bestimmen und den der Erbteil der Tochter reduzieren könne. Die schon dadurch begründete Annahme, dass die im Testament verwendeten Begrifflichkeiten – einschließlich des Begriffs „Pflichtteil“ – im Sinne des schweizerischen Erbrechts gemeint waren, wird zudem dadurch gestützt, dass die Erblasserin  mit dem Wort „Willensvollstrecker“ einen Begriff benutzt hat, der als solcher dem deutschen Recht unbekannt ist.

bb) Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die schlagwortartige Bezeichnung „Handeln unter falschem Recht“ in Bezug auf den vorliegenden Fall insoweit irreführend ist, als das von der Erblasserin zu Grunde gelegte Erbrecht der Schweiz keineswegs generell unanwendbar ist, sondern – als das für die mit der Nachlassangelegenheit ebenfalls befassten schweizerischen Gerichte maßgebliche Recht – neben dem deutschen Erbrecht ebenfalls tatsächlich zur Anwendung kommt. Angesichts der Verteilung der Nachlassgegenstände, die sich nach den Angaben der Beteiligten zu 80% bzw. 90% in der Schweiz befinden, ist seine tatsächliche Bedeutung sogar deutlich größer als diejenige des deutschen Rechts.

cc) Vor diesem Hintergrund ist die testamentarische Anordnung, die Beteiligte zu 3.  auf den Pflichtteil zu setzen, bei objektiver Betrachtung auch auf der Grundlage des für den Senat maßgeblichen deutschen Erbrechts als Einsetzung auf die sich aus Art. 471 Nr. 1 i.V.m. Art 457 ZGB ergebende Quote von 3/8 anzusehen.

Dem Beteiligten zu 1. ist allerdings zuzugeben, dass mit der oben getroffenen Feststellung, die Erblasserin habe bei der Abfassung des Testaments vom 15.08.2010 das Erbrecht der Schweiz zu Grunde gelegt, die Möglichkeiten der Testamentsauslegung nicht erschöpft sind. Vielmehr ist nach den dargelegten Grundsätzen zum „Handeln unter fremdem Recht“ der tatsächliche Wille der Erblasserin zu ermitteln. Ergäbe sich dabei, dass die Erblasserin die Beteiligte zu 3. mit dem Testament vom 15.08.2010 tatsächlich enterben wollte, käme die dann notwendige „Übersetzung“ in deutsches Recht – nämlich in einen Ausschluss von der Erbfolge unter Zuwendung eines schuldrechtlichen Pflichtteilsanspruchs nach §§ 2303 ff. BGB – ohne Weiteres Betracht.

Der Senat vermag aber in Übereinstimmung mit dem Nachlassgericht nicht anzunehmen, dass die Erblasserin mit der Errichtung des Testaments vom 15.08.2010 tatsächlich eine Enterbung der Beteiligten zu 3. gewollt hat. Aus den im Nichtabhilfebeschluss vom 28.11.2013 zutreffend und ausführlich dargelegten Gründen, auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst Bezug nimmt, ging die Erblasserin auf der Grundlage der ihr von dem Zeugen Dr. N erteilten Auskünfte davon aus, dass sie die Beteiligte zu 3. mit den im Testament vom 15.08.2010 getroffenen Regelungen nicht enterben, sondern lediglich deren Erbteil herabsetzen würde. Dem entspricht es auch, dass der Beteiligte zu 2. in Ziff. 3. des Testaments nicht etwa „anstelle“ der Beteiligten zu 3. zum Erben eingesetzt worden ist, sondern ihm lediglich die (durch die Beschränkung der Beteiligten zu 3. gemäß Ziff. 2.) „frei werdende Quote“ erhalten sollte. Dies deutet ebenfalls darauf hin, dass auch der Beteiligten zu 3. eine „Quote“ (also eine Beteiligung am Nachlass) verbleiben sollte. Die von der Erblasserin verwendete Formulierung „setze ich meine Tochter (…) auf den Pflichtteil“ ist damit im Sinne der schweizerischen Rechtssprache zu verstehen; die nach den oben dargelegten Grundsätzen erforderliche „Übersetzung“ in die Kategorien des deutschen Erbrechts führt dazu, dass die Beteiligte zu 3. mit einem 3/8-Anteil als Miterbin am Nachlass beteiligt geblieben ist.

Dass die Erblasserin es möglicherweise aus den vom Beteiligten zu 1. dargelegten Gründen vorgezogen hätte, die Beteiligte zu 3. insgesamt mit dinglicher Wirkung von einer Beteiligung am Nachlass auszuschließen und dass dies ggf. auch durch eine nach schweizerischem Internationalen Privatrecht zulässige Rechtswahl (Art. 90 Abs. 2 IPRG) möglich gewesen wäre, ändert nichts daran, dass sie eine solche Erklärung auf der Grundlage ihrer Kenntnis der rechtlichen Möglichkeiten gerade nicht abgegeben hat. Die Erblasserin hatte nach der Schilderung des Zeugen Dr. N vielmehr vor, zu einem späteren Zeitpunkt weitere Dispositionen zu treffen, um den wirtschaftlichen Nutzen des Erbfalles für die Beteiligte zu 3. zu reduzieren. Dass es hierzu aufgrund ihres unerwarteten Todes nicht mehr gekommen ist, rechtfertigt es nicht, dem von der Erblasserin am 15.08.2010 errichteten Testament im Wege der Auslegung einen Inhalt beizumessen, der weder den objektiven Erklärungen noch dem damaligen rechtsgeschäftlichen Willen der Erblasserin entspricht. Insbesondere dienen auch die dargelegten Grundsätze zum „Handeln unter falschem Recht“ allein dazu, den testamentarisch erklärten Erblasserwillen möglichst aufrechtzuerhalten, nicht aber dazu, den Erblasser testamentarische Anordnungen „unterzuschieben“, derer er sich selbst bei Abfassung des Testaments überhaupt nicht bewusst war.

Dementsprechend ist es für die vorliegende Entscheidung auch ohne Belang, ob die Erblasserin durch eine nach Art. 90 Abs. 2 IPRG zulässige Rechtswahl die Möglichkeit gehabt hätte, die Beteiligte zu 3. von der dinglichen Beteiligung am Nachlass  auszuschließen. Eine solche Rechtswahl ist im Testament vom 15.08.2010 ersichtlich nicht erfolgt; auch der Beteiligte zu 1. will insoweit im Schriftsatz vom 04.09.2013 (Bl. 335 f. d.A.) wohl nichts Anderes vertreten. Auch für die vom Beteiligten zu 1. erstinstanzlich in den Vordergrund gestellte Zweifelsregelung des § 2304 BGB ist kein Raum. Denn diese knüpft an die nach deutschem Recht bestehende Möglichkeit an, einen pflichtteilsberechtigten Abkömmling vollständig von einer dinglichen Beteiligung am Nachlass auszuschließen.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass angesichts der tatsächlichen Verhältnisse keineswegs davon ausgegangen werden kann, dass die Erblasserin unter Berücksichtigung des Umstandes, dass im vorliegenden Fall nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB für deutsche Gerichte deutsches Erbrecht maßgeblich ist, davon Abstand genommen hätte, die Beteiligte zu 3. als Miterbin einzusetzen. Denn nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten befinden sich die zum Nachlass gehörigen Vermögensgegenstände zum ganz überwiegenden Teil in der Schweiz. Da die Berechtigung an diesen Gegenständen ebenso wie ihre Verwertung im Hinblick auf Art. 90 ZGB – jedenfalls in Ermangelung einer am 15.08.2010 nicht erfolgten Rechtswahl nach Art 90 Abs. 2 IPRG – faktisch den Regelungen des schweizerischen Rechts folgt, käme die Verweisung auf den Pflichtteil nach §§ 2303 ff. BGB nur in Bezug auf das in Deutschland belegene Grundvermögen zum Tragen; im Übrigen verbliebe es faktisch bei der dinglichen Beteiligung der Beteiligten zu 3. am Nachlass, weil dies der von den schweizerischen Gerichten zu beachtenden Rechtslage entspricht. Hieraus ergäbe sich eine in ihren Auswirkungen auf die Erbauseinandersetzung kaum überschaubare Regelung, von der nicht angenommen werden kann, dass die Erblasserin sie gewollt hätte. Ein solcher Wille ergibt sich insbesondere auch nicht aus den im Testament vom 15.08.2010 enthaltenen Anordnungen, die keinerlei Hinweis darauf enthalten, dass sie für das in der Schweiz und das in Deutschland belegene Vermögen unterschiedliche Rechtsfolgen zeitigen sollten. Dies gilt umso mehr, als das Testament offenbar nur als vorläufige Regelung gedacht war, die zu einem späteren Zeitpunkt durch differenzierte Anordnungen ersetzt werden sollte. Dass die Erblasserin mit einem solchen „Übergangstestament“ (so wörtlich auch der Beteiligte zu 1. auf S. 3. des Schriftsatzes vom 15.02.2012) mehr regeln wollte, als das, was ihr der Zeuge Dr. N kurzfristig und ohne nähere Beratung empfohlen hatte – also die Beteiligte zu 3. auf den Pflichtteil nach schweizerischem Recht zu setzen -, liegt aus Sicht des Senats fern.

Der Senat sieht sich schließlich auch nicht veranlasst, die vom Beteiligten zu 1. benannte weitere Zeugin B zum Inhalt ihrer Gespräche mit der Erblasserin zu vernehmen. Unabhängig davon, dass bei Verwertung von mündlichen Äußerungen des Erblassers über den Inhalt seines Testaments Vorsicht geboten ist, weil vielfach schon ihr genauer Wortlaut nicht mehr rekonstruierbar ist, die subjektive Wahrhaftigkeit oder auch die Erinnerung an den genauen Inhalt des Testaments fehlen kann und außerdem die Möglichkeit von Sinnesänderungen des Erblassers und der Verfolgung eigennütziger Interessen durch Dritte besteht (vgl. hierzu etwa BayObLG NJW-RR 2002, 1302, 1303; MünchKomm/Leipold, BGB, 6. Aufl. 2013, § 2084 Rdnr. 31), ergäbe sich aus einer den schriftsätzlichen Darlegungen entsprechenden Aussage der Zeugin lediglich der bereits erwiesene und von keinem Beteiligten angezweifelte Umstand, dass die Beteiligte zu 3. nur „ihren Pflichtteil“ erhalten sollte. Damit war indes aus den oben dargelegten Gründen auch in der Vorstellung der Erblasserin der „Pflichtteil“ im Sinne des schweizerischen Erbrechts gemeint.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht erfüllt. Die maßgeblichen Rechtsfragen sind obergerichtlich geklärt; die vorliegende Entscheidung beruht auf einer Anwendung dieser Grundsätze auf einen besonders gelagerten Einzelfall. Gegen diese Entscheidung ist damit kein weiteres Rechtsmittel gegeben.

Geschäftswert  für das Beschwerdeverfahren:    1.000.000,00 €

(nach Maßgabe der §§ 131 Abs. 4, 30 Abs. 1, 107 Abs. 2 KostO, § 136 Abs. 1 Nr. 2  GNotKG geschätzter Wert der in Köln belegenen Nachlassgrundstücke; eine Anwendung des § 107 Abs. 2 S. 2KostO kommt im Hinblick darauf, dass der Beteiligte zu 1. einen gemeinschaftlichen Erbschein erstrebt, nicht in Betracht).

 

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