Oberlandesgericht München: Beschluss vom 24.04.2018 – 31 Wx 366/16

Dezember 1, 2020

Oberlandesgericht München: Beschluss vom 24.04.2018 – 31 Wx 366/16

Aufwendungen eines Nachlasspflegers, dessen Wirkungskreis die Sicherung und Verwaltung des Nachlasses umfasst, können bei einem nicht mittellosen Nachlass auch dann nicht durch das Nachlassgericht festgesetzt werden, wenn der entsprechende Antrag durch den Nachlasspfleger nach Aufhebung der Nachlasspflegschaft gestellt wurde.

OLG München

24.04.2018

31 Wx 366/16

In Sachen
XXX

wegen Festsetzung von Aufwendungen der Nachlasspflegerin

erlässt das Oberlandesgericht München – 31. Zivilsenat – durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Rieder, den Richter am Oberlandesgericht Krätzschel und den Richter am Oberlandesgericht Gierl am 24.04.2018 folgenden

Beschluss

Tenor:

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Miesbach -Nachlassgericht – vom 25.6.2016 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 1 hat die dem Beteiligten zu 2 im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

I.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht ist das Nachlassgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen i.S.d. § 168 Abs. 1 Nr. 1 FamFG für die von der Beschwerdeführerin erstrebte Festsetzung der von ihr geltend gemachten Aufwendungen, insbesondere der Anwaltsgebühren gemäß RVG hinsichtlich der von ihr entfalteten Tätigkeit als Anwältin für den Nachlass, nicht vorliegen.

1. Gemäß §§ 1960, 1962 BGB i.V.m. § 1835 BGB kann der Nachlasspfleger neben seiner Vergütung, die nach § 168 Abs. 1 Nr. 2 FamFG durch das Nachlassgericht festgesetzt wird, auch den Ersatz von Aufwendungen und Vorschuss verlangen. Zu den Aufwendungen gehören nach § 1835 Abs. 3 BGB auch Dienste des Pflegers, die zu seinem Gewerbe oder Beruf gehören. Darunter fällt bei einem Rechtsanwalt als berufsmäßigen Nachlasspfleger seine Tätigkeit für die außergerichtliche und gerichtliche Vertretung des unbekannten Erben in seiner streitigen Angelegenheit, die daher nach RVG abgerechnet werden kann. Der Anwalt kann die Prozessgebühren nicht nach § 11 RVG gegen die unbekannten Erben als eigene Partei festsetzen lassen. Er ist aber berechtigt, die zur Erfüllung seiner Aufwendungsersatzansprüche erforderlichen Geldmittel dem Nachlass zu entnehmen bzw. bei Beendigung der Nachlasspflegschaft nach § 1890 BGB vom herauszugebenden Nachlassvermögen abzuziehen, (vgl. MüKoBGB/Leipold 7. Auflage <2017> § 1960 Rn. 93 ff. m.w.N). Der Aufwendungsersatz wird bei nicht mittellosem Nachlass nicht durch das Nachlassgericht festgesetzt (MüKoBGB/Leipold a.a.O. § 1960 Rn. 96; Palandt/Weidlich BGB 77. Auflage <2018> § 1960 Rn. 28; Staudinger/ Staudinger/Mesina <2017> BGB § 1960 Rn. 35). Gebühren, die ein Rechtsanwalt als Nachlasspfleger in einem Rechtsstreit des unbekannten Erben verdient hat, sind als Aufwendungsersatz nach § 1835 Abs. 3 BGB nicht vom Nachlassgericht festzusetzen, sondern im Streitfall vor den ordentlichen Gerichten einzuklagen (Haenecke NJW 1965, 1814; OLG Köln NJW 1967, 2408; ZEV 1994, 316 <317>; BayObLG FamRZ 1991, 861 <862>; Rpfleger 1984, 356 m.w.N.). Bei Streit zwischen dem Nachlasspfleger und dem endgültigen Erben hat das Prozessgericht zu entscheiden.

Der Ersatzanspruch des Nachlasspflegers begründet eine Nachlassverbindlichkeit (BayObLG FamRZ 1991, 861 <862>; FamRZ 1995, 683).

2. Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist dem Nachlassgericht vorliegend die von der Beschwerdeführerin erstrebte Festsetzung der von ihr geltend gemachten Aufwendungen -Gebühren nach dem RVG samt sonstigen geltend gemachten Aufwendungen (Porto/Fahrtkosten) – nach dem Wortlaut des § 168 Abs. 1 Nr. 1 FamFG grundsätzlich verwehrt. Dessen Voraussetzungen liegen nicht vor: der Nachlass ist weder mittellos noch ist der Beschwerdeführerin die Vermögenssorge für den Nachlass nicht übertragen worden (sie wurde als Nachlasspflegerin u.a. für den Wirkungskreis Sicherung und Verwaltung des Nachlasses unter Feststellung der berufsmäßigen Führung der Nachlasspflegschaft bestellt).

a) Die Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Aufwendungen stellt entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin keine Frage der (sachlichen) Zuständigkeit des Nachlassgerichts dar, sondern betrifft die materiellen Voraussetzungen für die erstrebte Festsetzung. Denn die von der Beschwerdeführerin erstrebte Festsetzung der von ihr angesetzten Beträge fußt in ihrer Tätigkeit als Nachlasspflegerin im Sinne des § 1960 BGB. Hierfür ist das Nachlassgericht grundsätzlich sachlich zuständig (§ 1962 BGB i.V.m § 23a Abs. 2 Nr. 2 GVG).

Die (sachliche) Zuständigkeit des Nachlassgerichts wie auch des Senats für eine Entscheidung ergibt sich aber auch daraus, da die Beschwerdeführerin im Kern die Auffassung vertritt, dass die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze betreffend den Tod eines Mündels in Bezug auf die Aufhebung der Nachlasspflegschaft entsprechende Anwendung finden.

Im Rahmen des Betreuungsverfahren wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass der Vormund auch wenn die Voraussetzungen des § 168 Abs. 1 Nr. 1 FamFG nicht vorliegen, nach dem Tod des Mündels eine Festsetzung von Aufwendungen erfolgen kann, da der Tod den Wegfall der Verfügungsgewalt des Vormunds zur Folge hat. Hat der frühere Vermögensvormund die Möglichkeit der Entnahme nicht mehr, so sei der ratio legis nach das Festsetzungsverfahren eröffnet (vgl. Keidel/Engelhardt FamFG 19. Auflage <2017> § 168 Rn. 17; vgl. OLG Hamm OLGR 2003, 275 m.w.N.; BayObLG Beschluss v. 7.9.2004 – 1 Z BR 070/04-juris Tz. 9 ). Insofern betrifft das Vorbringen der Beschwerdeführerin Fragen, die sowohl für Zulässigkeit als auch für die Begründetheit ihres Antrags maßgebend sind, und stellt so eine sog. doppelrelevante Tatsache dar. In solch einem Fall ist in Bezug auf ihren Antrag die Zuständigkeit des Nachlassgerichts zu unterstellen.

b) Für die von ihr beantragte Verweisung, sofern der Senat „eine Zuständigkeit für eine Festsetzung der Aufwendungen als nicht vorliegend nicht erkennt“, ist demgemäß – unabhängig von der Frage, ob der Senat ihre Rechtsauffassung in der Sache teilt – kein Raum. Insofern ist auch die von der Beschwerdeführerin beantragte Verweisung des Antrags gemäß § 17a Abs. 6 GVG an das „ordentliche Gericht“ nicht veranlasst. Im Übrigen wäre eine Verweisung des Beschwerdeverfahrens an das Landgericht München II – wie von der Beschwerdeführerin angedacht – auch deshalb von vornherein nicht möglich, da dieses für Verfahren betreffend Nachlasssachen sachlich nicht zuständig ist.

3. Der Senat teilt nicht die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass die Rechtsprechung, wonach nach dem Tod des Mündels eine Festsetzung von Aufwendungen in entsprechender Anwendung des § 168 Abs. 1 Nr. 1 FamFG möglich ist (vgl. Keidel/Engelhardt FamFG 19. Auflage § 168 Rn 17 m.w.N. betreffend § 56g FGG), entsprechend auf den Fall der Aufhebung der Nachlasspflegschaft anzuwenden ist.

a) Die insoweit anerkannte Rechtsprechung betrifft allein Fälle der Vormundschaft bzw. der Betreuung. Die sachliche Rechtfertigung der analogen Anwendung der Vorschrift gründet sich darin, dass der Tod den Wegfall der Verfügungsgewalt des Vormunds/Betreuers zur Folge hat und insofern ausnahmsweise auch der Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen festsetzbar ist (Keidel/Engelhardt a.a.O.). Eine Übertragung dieser Grundsätze auf den Fall, dass nach Aufhebung der Nachlasspflegschaft eine Festsetzung von geltend gemachten Aufwendungen beantragt wird, findet sich – soweit ersichtlich – in der Rechtsprechung nicht. Insoweit wird stets darauf abgestellt, dass Aufwendungen mit Bezug zu einer anwaltlichen Tätigkeit generell nicht im Rahmen des § 56g FGG (nunmehr: § 168 Abs. 1 FamFG) durch das Nachlassgericht festgesetzt werden können (vgl. nur BayObLG Rpfleger 1984, 356 m.w.N.; FamRZ 1991, 861 <862>; FamRZ 1995, 683; OLG Köln ZEV 1994, 316 <317>). In der Literatur wird – soweit ersichtlich – lediglich von Zimmermann, Nachlasspflegschaft, 4. Auflage <2017> Rn. 814, 820 sowie von Gleumes (in Schulz; Handbuch Nachlasspflegschaft, 2. Auflage <2017> § 7 Rn. 81) mit Verweis auf Zimmermann eine entsprechende Anwendung des § 168 Abs. 1 Nr. 1 FamFG bejaht. Diese erkennen die sachliche Rechtfertigung hierfür darin, dass es gleichbedeutend sei, ob ein Pfleger von Anfang an ohne Vermögenssorge war oder ob er (jetzt) wegen Aufhebung der Pflegschaft ohne Vermögenssorge sei.

b) Dieses Argument ist nicht tragend. Nach dem Wortlaut des § 168 Abs. 1 Nr. 1 FamFG i.V.m. §§ 1960, 1962 BGB ist generell für eine Festsetzung von Aufwendungen durch das Nachlassgericht kein Raum. Die von der Rechtsprechung entwickelte analoge Anwendung der Vorschrift in Abweichung von dem Wortlaut der Vorschrift betrifft allein einen Ausnahmefall, den Tod des Mündels, der nicht mit der Aufhebung der Nachlasspflegschaft gleichgesetzt werden kann, da dieser den Regelfall der Beendigung der Pflegschaft darstellt. Eine grundsätzliche Festsetzung von Aufwendungen nach Aufhebung der Nachlasspflegschaft steht im Widerspruch zum Wortlaut der Vorschrift und hätte auch zur Folge, dass allein durch bloßes Zuwarten des Anwalts bis zur Aufhebung der Nachlasspflegschaft die anwaltliche Vergütung entgegen dem Wortlaut nunmehr festsetzungsfähig wäre. Dies stünde im Widerspruch zu dem Willen des Gesetzgebers, dass nur in den in § 168 Abs. 1 Nr. 1 FamFG geregelten Fällen eine Festsetzung der Aufwendung erfolgen soll.

Auch ist die Interessenslage bei der Beendigung einer Vormundschaft/Betreuung durch Tod des Mündels/Betreuten nicht mit der bei Aufhebung einer Nachlasspflegschaft bei berufsmäßiger Führung durch einen Anwalt vergleichbar. Bei letzterer ist für den Nachlasspfleger im Hinblick auf seiner berufsmäßigen Befähigung der Zeitpunkt der Aufhebung in der Regel vorhersehbar (Ermittlung der Erben), so dass er auch in der Lage ist, rechtzeitig vor Aufhebung der Nachlasspflegschaft seine Aufwendungen, insbesondere die Gebühren nach dem RVG dem Nachlass zu entnehmen.

c) Der Einwand der Beschwerdeführerin, dass letzteres in Fällen, in denen die Fälligkeit der Gebühren erst nach Aufhebung der Nachlasspflegschaft eintritt, nicht möglich sei (da die Fälligkeit der RVG-Vergütung nach § 8 Abs. 1 S. 1 RVG erst gegeben ist, wenn der Auftrag erledigt oder die Angelegenheit beendet ist, und der Vorschuss im Rahmen des § 9 RVG hingegen nur eine Abschlagszahlung darstelle, da der Anwalt weder im Vorhinein den genauen Auslagenersatz kenne noch wisse, ob ein Termin stattfindet und somit eine Terminsgebühr entsteht, wie er auch nicht wissen könne, ob eine Einigungsgebühr anfällt), greift nicht.

Denn es ist anerkannt, dass der Prozessanwalt bei Beginn des Rechtsstreits zunächst die Verfahrens- und die Terminsgebühr nebst Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer vorschussweise anfordern kann. „Angemessen“ i.S.d. § 9 RVG ist der Vorschuss, der die gesamte voraussichtliche entstehende Vergütung abdeckt. Einen Grundsatz dahingehend, dass die Vorausforderung hinter der voraussichtlich endgültig entstehende Gesamtvergütung zurückbleiben muss, gibt es nicht (Gerold/Schmidt/Mayer 23. Auflage <2017> RVG § 9 Rn. 7/8; Mayer/Kroiß/Klees RVG 7. Auflage <2018> § 9 Rn. 26):

Hinsichtlich der angesetzten Gebühren betreffend die Vertretung der unbekannten Erben bei Erwirkung des Mahnbescheids (Nr. 3305 VV RVG) und die vorgerichtliche Tätigkeit betreffend einen Pflichtteilsergänzungsanspruch (Nr. 2300 VV RVG) waren die Gebühren bereits vor Aufhebung der Nachlasspflegschaft (13.8.2015) fällig. Der Mahnbescheid wurde 23.7.2015 beantragt; die vorgerichtliche Tätigkeit war jedenfalls mit der Klageerhebung am 15.7.2015 beendet und somit fällig. Der Beendigung der Angelegenheit steht insofern nicht entgegen, dass die für die Tätigkeiten in der Angelegenheit verdienten Gebühren auf die in einer späteren Angelegenheit verdienten Gebühren angerechnet werden müssen (Gerold/Schmid/Mayer a.a.O. § 8 Rn. 12). Die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Verfahrensgebühr i.S.d. Nr. 3100 VV RVG für die gerichtliche Tätigkeit (Klageerhebung mit Schriftsatz vom 15.7.2015) ist zwar erst durch Kostenentscheidung des Gerichts vom 12.10.2015 fällig geworden (vgl. § 8 Abs. 1 S. 2 RVG). Insoweit wäre es ihr aber möglich gewesen, die Kosten als Vorschuss gemäß § 9 RVG dem Nachlassvermögen zu entnehmen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Eine Festsetzung des Geschäftswerts für die im Beschwerdeverfahren anfallende Gerichtsgebühr war nicht veranlasst (vgl. Festgebühr nach KV Nr. 19116 GNotKG).

III.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor. Die hier inmitten stehende Frage der analogen Anwendung des § 168 Abs. 1 Nr. 1 FamFG betreffend die Festsetzung von Aufwendung des Nachlasspflegers nach Aufhebung der Nachlasspflegschaft auch wenn jenem grundsätzlich die Vermögensfürsorge obliegt und der Nachlass nicht mittellos ist, hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Zulassung der Rechtsbeschwerde. Die Frage betrifft einen Einzelfall und wird – soweit erkennbar – nur in der Literatur von Gleumes und Zimmermann thematisiert (s.o.). Diese stellen Einzelmeinungen dar.

Allein der Umstand, dass Obergerichte zu dieser Frage bisher noch nicht ausdrücklich Stellung genommen haben und der Senat die Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin nicht teilt, führt nicht dazu, dass diese Frage das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt.

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