Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 2 L 44/17

Juni 2, 2020

Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 2 L 44/17
Kosten des Abbruchs eines Gebäudes im Wege der unmittelbaren Ausführung – Restwert des Grundstücks überschreitende Belastung
vorgehend VG Magdeburg, 2. März 2017, 4 A 183/16, Urteil
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu den Kosten einer unmittelbaren Ausführung.
Die Klägerin ist laut gemeinschaftlichem Erbschein des Amtsgerichts Schönebeck vom 18.04.1997 Miterbin der am 10.12.1979 verstorbenen M. H. E. H., geb. W., verw. W. Diese war Eigentümerin des im Grundbuch von C. eingetragenen 171 m² großen Grundstücks der Gemarkung …, Flur …, Flurstück … (G-Straße), das mit einem zweigeschossigen Gebäude bebaut war, in dem eine Gaststätte sowie Wohnungen untergebracht waren.
Mit an den Beklagten weitergeleitetem Schreiben vom 02.01.2012 teilte ein Mitglied der Neuapostolischen Kirchengemeinde, die Eigentümerin des Nachbargrundstücks (Sch-Straße) ist, der Stadt C. (S.) mit, dass herabfallende Dachziegel des Gebäudes G-Straße das Dach ihres Fahrradunterstandes zerstört hätten und der Schornstein einzustürzen drohe. Bei einer Ortsbesichtigung 17.01.2012 stellten Mitarbeiter des Beklagten fest, dass die Dacheindeckung des Gebäudes Fehlstellen aufwies, straßenseitig Feuchteschäden im Bereich der Traufe vorhanden waren und sich an der Fassade Putzteile lösten.
Nachdem der Beklagte den Grundbuchauszug für das Grundstück G-Straße erhalten hatte, bat sie mit an die Stadt C. (S.) gerichtetem Amtshilfeersuchen vom 17.04.2012 und Erinnerungsschreiben vom 23.05.2012 um Mitteilung der Wohnanschrift der im Grundbuch eingetragenen Grundstückseigentümerin. Mit E-mail vom 20.06.2012 übersandte die Stadt C. (S.) dem Beklagten die Liste der Mitglieder der Erbengemeinschaft nach der bereits verstorbenen Grundstückseigentümerin, in der auch die Klägerin mit einem Anteil von 1/24 aufgeführt war, und gab ergänzend an, dass ein Rechtsanwalt B. Vertreter dieser Erbengemeinschaft sei. Dieser teilte dem Beklagten am 26.06.2012 mit, dass die Erbengemeinschaft nicht mehr von ihm vertreten werde. Die Erben seien im Jahr 1995 ermittelt worden und hätten sich damals nicht auf einen Verkauf des Grundstücks einigen können. Nachdem die Anschriften der Erben nicht mehr aktuell sein dürften und eine Vielzahl der damaligen Miterben inzwischen nachverstorben sein dürfte, werde empfohlen, einen allgemeinen Vertreter für das Grundstück zu bestellen, der sich um die weitere Verwaltung und ggf. Veräußerung des Grundbesitzes bemühe. Wo sich Schlüssel zu dem Objekt befänden, sei nicht bekannt.
Bei einem weiteren am 23.07.2012 durchgeführten Ortstermin stellte der vom Beklagten beigezogene Statiker G. fest, dass aufgrund des schlechten Bauzustands des Gebäudes eine halbseitige Straßensperrung erforderlich sei. In seiner nachfolgenden gutachterlichen Stellungnahme vom 27.07.2012 führte der Statiker u.a. aus, dass die Dacheindeckung schadhaft sei und in der Fassade Feuchteschäden sichtbar seien. Wände und Decken im Erdgeschoss seien durch einen Brand geschwärzt. Im Obergeschoss seien durch Fäulnis geschädigte Decken und Wände festgestellt worden. Der Zugang zum Dachgeschoss sei durch eingestürzte Deckenteile nicht möglich. Die schadhaften Wände auf der Rückseite des Gebäudes hätten nicht begutachtet werden können. Im Wohnhaus seien Teile der Decken und Bereiche der Rückwand eingestürzt. Noch vorhandene Deckenbalken und sichtbare Dachsparren wiesen starke Schäden durch Fäulnis auf. Mit dem Einsturz weiterer Deckenbereiche, der Rückwand und der Dachkonstruktion sei zu rechnen. Die Sicherheit für den öffentlichen Bereich sei durch die Einsturzgefahr und die Standsicherheit durch die fehlende Aussteifung der Decken nicht gegeben. Der Bauzustand lasse nur den Abriss des Gebäudes zu. Aus wirtschaftlichen Gründen werde der Teilabriss des Gebäudes nicht empfohlen; die Abrissarbeiten müssten in diesem Fall vollständig in Handarbeit erfolgen. Der maschinelle Abriss könne ohne erschwerende Hindernisse erfolgen und sei somit kostengünstiger.
Bei einer weiteren Besichtigung am 30.08.2012 stellte der Beklagte fest, dass erforderliche bautechnische Maßnahmen nicht erkennbar seien. In einem Aktenvermerk vom 12.10.2012 wurde festgehalten, dass ein Abbruch des Gebäudes nach § 9 SOG LSA durchgeführt werde, da Einsturzgefahr bestehe und eine Erbenermittlung sehr zeitaufwendig sei. Am 02.01.2013 beauftragte der Beklagte die Fa. R. Dienstleistungen GmbH mit der Durchführung der Abbrucharbeiten, die am 10.01.2013 begannen. Dafür wurden dem Beklagten die im Angebot vom 15.10.2012 angegebenen Kosten in Höhe von …. € in Rechnung gestellt. Ferner erhob die mit der Absperrung der Straße beauftragte Fa. S. Kosten in Höhe von … € für den Zeitraum 26.07. bis 31.08.2012, in Höhe von … € für den Zeitraum 01.09. bis 31.12.2012 und in Höhe von … € für den Zeitraum 01.01. bis 13.03.2013. Der (auch) mit der Bauüberwachung und Dokumentation beauftragte Statiker stellte dem Beklagten zudem Kosten in Höhe von … € in Rechnung.
Am 31.01.2013 schrieb der Beklagte diejenigen Städte und Gemeinden an, in denen die im gemeinschaftlichen Erbschein vom 18.04.1997 aufgeführten Mitglieder der Erbengemeinschaft nach den dortigen Angaben zuletzt wohnten.
Mit Schreiben vom 16.08.2013 unterrichtete der Beklagte die Klägerin über die von ihm durchgeführte Ersatzvornahme, und mit am 24.08.2013 zugestelltem Bescheid vom 20.08.2013 zog er die Klägerin zu den Kosten der unmittelbaren Ausführung in Höhe von insgesamt … € heran unter Hinweis darauf, dass sie gemeinsam mit den anderen Miterben als Gesamtschuldnerin herangezogen werde und die Forderung daher erlösche, sobald die festgesetzte Summe einmal beglichen worden sei. Inhaltsgleiche Heranziehungsbescheide erließ der Beklagte gegenüber den weiteren Miterben, sobald ihm die aktuellen Wohnanschriften bekannt wurden. Soweit die im gemeinschaftlichen Erbschein genannten Miterben bereits verstorben waren, mussten deren Erben noch ermittelt werden.
Die Klägerin erhob gegen den gegen sie gerichteten Heranziehungsbescheid am 24.09.2013 Widerspruch und führte zur Begründung u.a. aus: Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb der Beklagte im Jahr 2012 nicht zunächst die ihm aufgrund des vorliegenden Erbscheins bekannten Eigentümer ermittelt, diese von den Umständen in Kenntnis gesetzt sowie zur Beseitigung einer etwaigen Störung aufgefordert habe. Eine Einsturzgefahr trete nicht von heute auf morgen ein, dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass Absperrmaßnahmen bereits seit Sommer 2012 behauptet würden. Es sei davon auszugehen, dass deutlich kostengünstigere Erhaltungsmaßnahmen möglich gewesen wären, wenn die Eigentümer im Januar 2012 über den mangelhaften Bauzustand informiert worden wären. Die geltend gemachten Kosten würden hinsichtlich ihrer Notwendigkeit bestritten. Da die Abrisskosten pauschal angegeben worden seien, seien Umfang und Dauer der Arbeiten nicht erkennbar. Die Notwendigkeit der Beteiligung eines Bauingenieurs zur Bauüberwachung sei ebenfalls nicht ersichtlich.
Den Widerspruch wies das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt mit Widerspruchsbescheid vom 26.04.2016, der Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 13.05.2016, als unbegründet zurück. Zur Begründung gab die Widerspruchsbehörde u.a. an: Nach den Feststellungen des zugezogenen Statikers habe die für eine unmittelbare Ausführung nach § 9 SOG LSA erforderliche Dringlichkeit bestanden. Die Erbfolge nach der im Grundbuch eingetragenen und verstorbenen Eigentümerin sei zum Zeitpunkt der vorliegenden Gefahr nicht bekannt gewesen. Zur Abwehr der Gefahr habe der Beklagte sofort tätig werden müssen. Ein weiteres Aufschieben der erforderlichen Abbruchmaßnahmen bis zur Klärung der Eigentumsverhältnisse sei nicht länger vertretbar gewesen. Der Beklagte habe die Kosten für die Beauftragung Dritter zu Recht erhoben. Hierzu zählten neben den Kosten für die Baustelleneinrichtung auch die für den Transport und die Entsorgung von Bauschutt und anderen bei der Abbruchmaßnahme entstandenen Abfällen wie auch der notwendigen Absperrung.
Am 13.06.2016 hat die Klägerin Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen: Im Jahr 1995 habe sie der seinerzeitige Nachlasspfleger darüber in Kenntnis gesetzt, dass als sie Miterbin der ihr unbekannten Erblasserin in Betracht komme und zum Nachlass ein Wohnhaus mit einem Wert von … DM gehöre. Der Nachlasspfleger, der Fotoaufnahmen von einem gut erhaltenen Objekt zur Verfügung gestellt habe, habe nach seiner Entlastung das Objekt für die Erben verkaufen sollen, was jedoch nicht habe umgesetzt werden können. Im Jahr 2003 habe sich der Beauftragte immer noch dahingehend geäußert, dass der Nachlass nicht überschuldet sei, da das Grundstück wohl immer noch … € wert sei, es sich aber schwierig gestalte, es zu veräußern. Von einem zunehmenden Verfall des Objekts sei nichts berichtet worden. Auch sei ihr, die sie das Objekt nicht in Augenschein genommen habe, nichts dergleichen bekannt geworden. Vom Inhalt des Schreibens des Beklagten vom August 2013 sei sie völlig überrascht worden. Die Voraussetzungen für eine unmittelbare Ausführung hätten nicht vorgelegen, da ausreichend Zeit zur Verfügung gestanden habe, um die Störer zu erreichen. Im Januar 2012, spätestens aber im Juli 2012 hätte der Beklagte die Erben über die Probleme in Kenntnis setzen müssen, um ihnen die Möglichkeit zu geben, sich selbst ein Bild vom Zustand des Objekts zu machen und ggf. selbst Maßnahmen einer etwaigen Gefahrenabwehr zu veranlassen. Die Ermittlung der Erben hätte der Beklagte vor Beginn der Maßnahmen versuchen können und müssen. Aufgrund des beim Nachlassgericht vorhandenen Erbscheins seien die Namen der Erben dort namentlich und mit Anschrift bekannt gewesen, so dass zeitaufwendige Erbenermittlungen des Beklagten gar nicht notwendig gewesen seien. Dass der Beklagte die im Erbschein niedergeschriebene M. H. E. H. nicht mit der im Grundbuch eingetragenen Eigentümerin H. W., geb. W., in Zusammenhang gebracht habe, könne nicht zu Lasten der Erben gehen. Das Schreiben des Beklagten vom 16.08.2013 stelle auch keine unverzügliche Unterrichtung über die unmittelbar ausgeführte Maßnahme dar. Das Gutachten über die fehlende Standsicherheit sei ihr nicht zur Verfügung gestellt worden. Die Notwendigkeit der geltend gemachten Kosten bestreite sie weiterhin.
Der Klägerin hat beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 20. August 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesverwaltungsamts Sachsen-Anhalt vom 26. April 2016 aufzuheben und
die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen
und u.a. vorgetragen: Bei der Feststellung der erheblichen Baumängel habe man davon ausgehen müssen, dass die im Grundbuch eingetragene Eigentümerin, Frau H. W., bereits verstorben sei. Ermittlungen zu Geburtsdatum, Sterbedatum und Sterbeort seien zunächst erfolglos geblieben, so dass das zuständige Nachlassgericht erst zu einem späteren Zeitpunkt habe beteiligt werden können. Auch durch das Ordnungsamt der Stadt C. (S.) hätten die Erben nicht zweifelsfrei festgestellt werden können. Zwar sei eine Gemeinschaft mehrerer Erben mitgeteilt worden, entsprechende Nachweise (Erbscheine, wirksame Ausschlagungen, usw.) hätten dort jedoch nicht vorgelegen. Der vom Ordnungsamt benannte Rechtsanwalt B. habe mitgeteilt, dass er die Erbengemeinschaft nicht mehr vertrete und die Anschriften nicht mehr aktuell sein dürften; zumal ein Zusammenhang zwischen H. W. und H. H. zunächst nicht erkennbar gewesen sei. Die Störereigenschaft der Klägerin habe erst nach Durchführung der Gefahrenabwehrmaßnahme geklärt werden können, so dass eine rechtzeitige Inanspruchnahme nicht möglich gewesen sei. Aufgrund des Bauzustands des Gebäudes seien andere Maßnahmen als der vollständige Abbruch des Gebäudes nicht in Betracht gekommen. Im Rückblick möge zwar der Eindruck entstehen, dass in der Zeit zwischen dem Feststellen der Gefahr anlässlich der Begutachtung des Gebäudes am 23.07.2012 und der unmittelbaren Ausführung in der Zeit vom 10.01.2013 bis 28.02.2013 die Verantwortlichen durchaus hätten ermittelt werden können. Entscheidend sei jedoch, wie sich die Erfolgschancen dieser Ermittlungen zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung dargestellt hätten. Der Umstand, dass zwischen Feststellung der Gefahr und deren Beseitigung mehr als fünf Monate vergangen seien, sei kein Beleg dafür, dass eine Gefahrenlage nicht bestanden habe. Vielmehr hätte in diesem Zeitraum jederzeit ein Schaden eintreten können. Es sei nicht absehbar gewesen, wieviel Zeit die Ermittlung der Verantwortlichen beanspruchen würde, und im Gutachten vom 27.07.2012 sei kein Zeitraum definiert worden, in welchem nicht mit der Entstehung eines erheblichen Schadens habe gerechnet werden müssen.
Der Umfang der notwendigen Abbruchmaßnahmen sei im Vorfeld am 12.10.2012 mit dem Abbruchunternehmen und dem Statiker besprochen worden. Das Angebot der Baufirma beziehe sich auf das vom Statiker formulierte Leistungsverzeichnis und die Abstimmung mit der Bauaufsichtsbehörde. Eine Pflichtverletzung des Beklagten hinsichtlich einer bei Durchführung der unmittelbaren Ausführung bestehenden Fürsorgepflicht sei aufgrund eines Pauschalvertrages nicht ersichtlich. Durch den Vergleich mehrerer Angebote sei gewährleistet gewesen, dass die Kosten durch die Auswahl des niedrigsten Angebots so gering wie möglich gehalten werden. Nicht notwendig sei, dass jeweils nur die Abrechnung konkret durchgeführter Arbeiten im Einzelnen nach geleisteten Stunden, Entsorgungsgebühren, etc. vereinbart werde.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht den Heranziehungsbescheid aufgehoben und zur Begründung ausgeführt:
Die Voraussetzungen für den vom Beklagten geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch nach § 9 Abs. 2 SOG LSA lägen nicht vor, weil die von ihm durchgeführte unmittelbare Ausführung der Maßnahmen nicht rechtmäßig gewesen sei. Die Klägerin bzw. weitere Miterben hätten mit zumutbarem Aufwand rechtzeitig ermittelt werden können. Der Beklagte habe bereits im Juni 2012 mit der Liste der Erbengemeinschaft sowie dem mitgeteilten Vertreter der Erben, Herrn Rechtsanwalt B., hinreichend erfolgsversprechende Anhaltspunkte zur Ermittlung der nach den §§ 7 oder 8 SOG LSA Verantwortlichen gehabt. Ferner sei zu beachten, dass eine Verfahrensdauer von über einem Jahr zwischen der Feststellung, dass bauaufsichtliches Einschreiten erforderlich sei (Ortstermin 17.01.2012), und der Durchführung der Abrissmaßnahme vorgelegen habe. In derartig gelagerten Fällen – kein sofortiger Abriss – könne vom Beklagten verlangt werden, parallel zur Ermittlung der erforderlichen bauaufsichtlichen Maßnahmen eine Erbenermittlung anzustrengen. Der Beklagte habe jedoch wegen prognostizierter Erfolglosigkeit der Erbenermittlung weitere Maßnahmen diesbezüglich eingestellt. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Ermittlung der Klägerin als Erbin der ehemaligen Grundstückseigentümerin und der aktuellen Anschrift ein, respektive zwei Tage gedauert habe.
Die vom Senat mit Beschluss vom 05.09.2018 zugelassene Berufung hat der Beklagte wie folgt begründet:
Die Begutachtung vom 23.07.2012 habe ergeben, dass eine Einsturzgefahr bestanden habe. Die zunächst vorgenommene Absperrung der Straße habe für eine wirksame Gefahrenabwehr nicht ausgereicht. Eine solche könne von Unbefugten, insbesondere Kindern, überwunden werden. Zudem habe sich das einsturzgefährdete Gebäude zum Teil unmittelbar an der Grenze zum Nachbargrundstück befunden, so dass bei einem Einsturz auch Personen, die sich auf dem Nachbargrundstücke aufhielten, unmittelbar betroffen gewesen wären. In einer solchen Situation seien grundsätzlich keine Ermittlungen nach dem Verbleib der Verantwortlichen veranlasst, weil deren Erfolg zweifelhaft sei und zu nicht abzusehenden Verzögerungen führe. Nach dem Wortlaut des § 9 SOG LSA komme es nicht allein darauf an, ob die Verantwortlichen mit zumutbarem Aufwand rechtzeitig ermittelt werden können. Tatbestandsvoraussetzung sei allein, dass der Zweck der Gefahrenabwehrmaßnahme durch die Inanspruchnahme der Verantwortlichen nach den §§ 7 oder 8 SOG LSA nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden könne. Hierbei werde auf die objektive Möglichkeit der Inanspruchnahme abgestellt und nicht darauf, mit welchem (zumutbaren) Aufwand die Verantwortlichen ermittelt werden könnten. Auch nach abschließender Ermittlung der Erben im Anschluss an die Abrissmaßnahme sei festzuhalten, dass diese ihren Wohnsitz nicht in Calbe (Saale) oder in der näheren Umgebung gehabt hätten, so dass es schon unter diesem Gesichtspunkt fraglich erscheine, ob die Heranziehung rechtzeitig möglich gewesen wäre. Zudem lasse das Verwaltungsgericht offen, welchen Aufwand es als zumutbar erachte. Entscheidend dürfte sein, wie erfolgversprechend sich die vorzunehmenden Ermittlungen aus Sicht der Behörde zum Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahme darstellten. In Eilfällen, in denen – wie hier – eine gegenwärtige erhebliche Gefahr abzuwenden sei, dürften Recherchen, welche über eine Einsichtnahme in das elektronische Grundbuch und eine kurze Recherche nach einer Telefonnummer hinausgingen, unangebracht sein. Zwar sei im Juni 2012 eine Erbengemeinschaft mitgeteilt worden, im Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahme im Januar 2013 sei aber noch offen gewesen, in welchem Zusammenhang diese zu der im Grundbuch eingetragenen Eigentümerin gestanden habe. Selbst für den Fall, dass der Beklagte die Erbengemeinschaft hätte eindeutig zuordnen können, wären die Erfolgsaussichten in Bezug auf die Heranziehung eventueller Erben unter den gegebenen Umständen als äußerst gering einzustufen gewesen. Bevor eine Ordnungsverfügung im gestreckten Vollzug hätte ergehen können, hätte die Störereigenschaft der vermeintlichen Erben zweifelsfrei feststehen müssen. Ungeachtet des Umstandes, dass er aufgrund der veranlassten Absperrmaßnahmen mehrere Monate habe verstreichen lassen, ohne den notwendigen Abriss durchzuführen und weitere Ermittlungen nach den Erben anzustellen, dürfe es ihm bei einer späteren richtigen Einschätzung der objektiven Sach- und Rechtslage nicht verwehrt sein, eine frühere Fehleinschätzung zu korrigieren und bei richtiger Beurteilung des zurückliegenden Sachverhalts die notwendigen Maßnahmen unverzüglich zu veranlassen. Gegen eine Heranziehung im gestreckten Vollzug spreche ferner, dass den Verantwortlichen eine angemessene Frist hätte eingeräumt werden müssen, in welcher sie sich zunächst selbst ein Bild von der Sachlage hätten machen können. Zudem hätte eine Fachfirma gefunden werden müssen, welche dazu bereit und in der Lage gewesen wäre, einen solchen Auftrag zu erfüllen. Zudem habe damit gerechnet werden müssen, dass durch ein ggf. anzustrebendes gerichtliches Eilverfahren Verzögerungen eintreten.
Der Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die verwaltungsgerichtliche Entscheidung für zutreffend und trägt ergänzend vor: Kosten für vorausgegangene Absperrmaßnahmen könnten nicht erhoben werden, weil diese erst ca. sieben Monate nach der ersten Besichtigung des Gebäudes am 17.01.2012 veranlasst worden seien. Die Erbenermittlung wäre dem Beklagten bereits ab dem 03.01.2012 möglich gewesen, da der zuständige Mitarbeiter des Ordnungsamtes der Stadt C. (S.) mit der Weiterleitung des Anliegens des Anzeigenerstatters den Nachlassverwalter der Erbengemeinschaft als Ansprechpartner benannt und außerdem eine Liste der Mitglieder der Erbengemeinschaft zur Verfügung gestanden habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, insbesondere die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten, und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
A. Der Senat entscheidet über die Berufung des Beklagten gemäß § 130a Satz 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für begründet und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden (§§ 130a Satz 2, 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
B. Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet.
Das Verwaltungsgericht hat den angefochtenen Bescheid zu Unrecht aufgehoben. Die Heranziehung der Klägerin zu den darin aufgeführten Kosten der unmittelbaren Ausführung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage ist § 9 Abs. 2 Satz 1 SOG LSA. Danach sind die nach den §§ 7 oder 8 SOG LSA Verantwortlichen zum Ersatz der Kosten verpflichtet, die durch die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme entstanden sind. Die Erhebung von Kosten nach dieser Vorschrift setzt eine rechtmäßige unmittelbare Ausführung gemäß § 9 Abs. 1 SOG LSA voraus. Nach dieser Vorschrift kann die Behörde selbst oder durch einen beauftragten Dritten eine Maßnahme unmittelbar ausführen, wenn der Zweck der Maßnahme durch Inanspruchnahme der nach den §§ 7 oder 8 SOG LSA Verantwortlichen nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann.
1. Der Beklagte hat den Abbruch des in Rede stehenden Gebäudes (G-Straße) in rechtmäßiger Weise durch ein beauftragtes Unternehmen unmittelbar ausführen lassen und die dadurch entstanden Kosten zu Recht von der Klägerin erhoben.
a) Die Voraussetzungen für den Abbruch des ehemaligen Gaststätten- und Wohngebäudes nach § 57 Abs. 2 Satz 2 BauO LSA waren erfüllt. Danach können die Bauaufsichtsbehörden in Wahrnehmung der Aufgaben nach § 57 Abs. 2 Satz 1 BauO LSA die erforderlichen Maßnahmen treffen. Gemäß § 57 Abs. 2 Satz 1 BauO LSA haben die Bauaufsichtsbehörden bei der Errichtung, der Änderung, der Nutzung, der Nutzungsänderung, der Instandhaltung und der Beseitigung von Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden, soweit nicht andere Behörden zuständig sind.
Von dem Gebäude ging eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere für Leben und Gesundheit von Passanten im Sinne von § 3 Abs. 1 BauO LSA, § 3 Buchst. c und d SOG LSA aus. Eine Gefahr ist nach § 3 Buchst. a SOG LSA eine konkrete Gefahr, das heißt eine Sachlage, bei der im einzelnen Falle die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung eintreten wird. Nach den Feststellungen, die der Ingenieur für Bauwesen W. G. in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 27.07.2012 im Anschluss an den vom Beklagten mit ihm am 23.07.2012 durchgeführten Ortstermin getroffen hatte, war die Standsicherheit des Gebäudes (bereits) zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gewährleistet, da mit dem Einsturz weiterer Deckenbereiche, der Rückwand und der Dachkonstruktion zu rechnen war. An der Richtigkeit dieser gutachterlichen Feststellungen bestehen insbesondere auch in Anbetracht der beim Ortstermin gefertigten Lichtbilder und Einzelfeststellungen keine durchgreifenden Bedenken. Der von der Klägerin erhobene Einwand, sie habe von einem baufälligen Zustand des Gebäudes keine Kenntnis gehabt, vermag diese Feststellungen nicht in Zweifel zu ziehen.
b) Die Entscheidung zum Abriss des Gebäudes war nicht ermessensfehlerhaft. Sie entspricht insbesondere dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Maßnahmen, die die Eigentümer weniger belastet hätten, sind nicht ersichtlich. Angesichts der drohenden Einsturzgefahr waren bloße Sicherungsmaßnahmen, wie etwa die bloße Absperrung der Straße, nicht ausreichend; zumal dies bei einer öffentlichen Straße nur als vorübergehende Maßnahme in Betracht kommt. Der Sachverständige hatte auch plausibel dargelegt, dass ein bloßer Teilabriss des Gebäudes die Grundstückseigentümer mehr belasten würde, weil dies nur durch „Handarbeit“ erfolgen könne und mit höheren Kosten verbunden wäre als der vollständige maschinelle Abriss.
c) Der Zweck der Maßnahme – der Schutz vor Gefahren für Leib und Leben – konnte durch Inanspruchnahme der nach §§ 7 und 8 SOG LSA Verantwortlichen nicht erreicht werden.
Zwar darf eine Maßnahme im Wege der unmittelbaren Ausführung nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SOG LSA nur dann erfolgen, wenn die Heranziehung des Störers nach den konkreten Umständen des Einzelfalls keinen Erfolg verspricht und deshalb ausscheidet (Beschl. d. Senats v. 22.07.2013 – 2 M 82/13 -, juris, RdNr. 18, m.w.N.). Für die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme ohne vorherigen Erlass einer – ggf. für sofort vollziehbar erklärten – Grundverfügung muss aufgrund eines akuten Gefahrenzustands bzw. einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr eine sofortige Abhilfe derart geboten sein, dass mit der Anordnung und Durchführung von Maßnahmen zur Gefahrenabwehr im gestreckten Vollzug nicht zugewartet werden kann; dabei ist insbesondere eine sofort vollziehbare Verfügung in Betracht zu ziehen (vgl. Beschl. d. Senats v. 22.07.2013 – 2 M 82/13 -, juris, RdNr. 18, m.w.N.). Dabei können die zu setzenden Fristen mit dem Grad der Gefahren und der Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter bis auf ein Mindestmaß reduziert werden (OVG RP, Urt. v. 25.03.2009 – 1 A 10632/08 -, juris, RdNr 24). In einer Situation, in der eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit vorliegt und der nach §§ 7, 8 SOG LSA Verantwortliche nicht unmittelbar zur Verfügung steht, um die Gefahr beseitigen zu können, sind jedoch grundsätzlich keine Ermittlungen nach dem Verbleib des polizeirechtlich Verantwortlichen veranlasst, weil deren Erfolg zweifelhaft ist und zu nicht abzusehenden weiteren Verzögerungen führt (Beschl. d. Senats v. 18.12.2003 – 2 L 43/03 – juris, RdNr. 8, m.w.N.). Für die Frage, ob eine die unmittelbare Ausführung rechtfertigende Gefahrenlage vorliegt, ist auf den Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahme abzustellen (vgl. SächsOVG, Urt. v. 25.08.2016 – 3 A 602/15 -, juris, RdNr. 24; SaarlOVG, Beschl. v. 05.12.2013 – 2 A 375/13 -, juris, RdNr. 18; OVG Hamburg, Urt. v. 24.09.1985 – OVG Bf VI 3/85 -, DVBl 1986, 734; VGH BW, Urt. v. 20.09.1982 – 1 S 2484/81 -, VBlBW 1984, 20 [21]).
Gemessen daran, ist die Einschätzung des Beklagten, dass die Gefahr des Gebäudeeinsturzes durch Maßnahmen der Verantwortlichen nach §§ 7, 8 SOG LSA nicht rechtzeitig abgewendet werden könnte, nicht zu beanstanden. Die im Grundbuch eingetragene ehemalige Eigentümerin war im Zeitpunkt der Maßnahme bereits verstorben. Das Gebäude war unbewohnt; ein Inhaber der tatsächlichen Gewalt war nicht bekannt. Dem Beklagten war, nachdem ihm am 20.06.2012 die Liste der Mitglieder der Erbengemeinschaft nach der im Grundbuch noch eingetragenen, aber bereits verstorbenen Grundstückseigentümerin mit Stand vom 27.11.2003 vorlag, lediglich bekannt, dass die Erbengemeinschaft ursprünglich aus neun Personen bestand, die nicht in C. oder in der Umgebung ihren Wohnsitz hatten, und von denen ein Mitglied bereits verstorben war. Nach der Mitteilung des ehemaligen Vertreters der Erbengemeinschaft, Rechtsanwalt B., vom 26.06.2012 war damit zu rechnen, dass die darin angegebenen Anschriften nicht mehr aktuell waren und weitere Miterben bereits nachverstorben waren. Zwar ist der Klägerin zugestehen, dass zwischen dem Vorliegen der eine Einsturzgefahr feststellenden gutachterlichen Stellungnahme am 02.08.2012 und dem Beginn der Abrissarbeiten am 10.01.2013 ein Zeitraum von ca. fünf Monaten lag und dieser Zeitraum dafür hätte genutzt werden können, die verantwortlichen Miterben zu ermitteln. Für die Frage, ob eine die unmittelbare Ausführung rechtfertigende Gefahrenlage vorliegt, ist jedoch – wie bereits dargelegt – die Erkenntnislage im Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahme maßgebend, so dass es für die Rechtmäßigkeit der unmittelbaren Ausführung nicht darauf ankommt, ob bereits zu einem früheren Zeitpunkt eine einen Gebäudeabriss rechtfertigende Gefahrenlage vorlag und der Behörde dies auch bekannt war. Vor dem Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahme liegende Versäumnisse der Behörde machen die unmittelbare Ausführung der Maßnahme nicht rechtswidrig. Eine andere Beurteilung würde dazu führen, dass die Behörde daran gehindert wäre, eine fortbestehende konkrete Gefahrenlage ohne weitere Verzögerung zu beseitigen. Hinzu kommt, dass der Abriss eines Gebäudes vorbereitet werden muss. So fand hier am 17.10.2012 eine Abstimmung mit den für den Gebäudeabbruch in Betracht kommenden Unternehmen und dem mit der Bauüberwachung betrauten Bauingenieurbüro statt, nachdem der Beklagte laut Aktenvermerk vom 12.10.2012 entschieden hatte, das Gebäude im Wege der unmittelbaren Ausführung abzubrechen.
Nach dem zum Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahme gegebenen Erkenntnisstand war äußerst zweifelhaft, ob der Zweck der Maßnahme, die Beseitigung der Gefahr durch einen Gebäudeabriss, durch Inanspruchnahme eines oder mehrerer Miterben rechtzeitig erreicht werden konnte. Der Beklagte musste aufgrund der Mitteilung des ehemaligen Vertreters der Erbengemeinschaft vom 26.06.2012 damit rechnen, dass die Ermittlung der Erben längere Zeit in Anspruch nehmen würde. Dies wurde letztlich dadurch bestätigt, dass die vom Beklagten am 31.03.2013 (wieder) aufgenommenen Ermittlungen sich über mehrere Monate hinzogen.
Es war aber nicht nur die Zeit für die Ermittlung der Erben in die Betrachtung einzubeziehen. Zu berücksichtigen war auch die Zeit, die eine ermessensfehlerfreie Inanspruchnahme eines oder mehrerer Miterben, ein eventuell sich anschließendes gerichtliches (Eil-)Verfahren und die Durchführung der Ersatzvornahme selbst in Anspruch nehmen würde. Bei einer Mehrheit von Zustandsstörern, insbesondere bei Erbengemeinschaften, die für den Zustand des ererbten Gebäudes verantwortlich sind, hat die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen eine Auswahlentscheidung zu treffen. Die Auswahl ist nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zu treffen, wobei sowohl die Interessen des Betroffenen als auch das berechtigte Interesse der Bauaufsichtsbehörde an einem effektiven Gesetzesvollzug angemessen zu berücksichtigen sind; hierbei ist unter dem Gesichtspunkt der Effektivität ordnungsbehördlicher Maßnahmen zu berücksichtigen, wer eher in der Lage sein wird, den baurechtswidrigen Zustand zu beseitigen (Beschl. d. Senats v. 02.09.2014 – 2 M 31/14 -, juris, RdNr. 23, m.w.N.). Die Effektivität der Gefahrenabwehr ist leitender Gesichtspunkt für die Störerauswahl, was aber nicht ausschließt, dass daneben auch andere Gesichtspunkte berücksichtigt werden, wie etwa die größere Gefahrennähe eines der Störer oder den Gesichtspunkt der gerechten Lastenverteilung und in diesem Rahmen die fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Verantwortlichen (vgl. VGH BW, Urt. v. 13.03.2014 – 10 S 2210/12 -, juris, RdNr. 30, m.w.N.). Daher darf die Behörde eine Anordnung zur Beseitigung des baurechtswidrigen Zustands gegen einen von mehreren Störern richten, wenn dieser auf Grund seines Alters die Gefahr am schnellsten und wirksamsten beseitigen kann, während ihr die Anschriften der anderen Zustandsstörer trotz Recherchen nicht bekannt sind (vgl. Beschl. d. Senats v. 02.09.2014, a.a.O.). Will die Behörde ihre Ermessensentscheidung auf den Gesichtspunkt der gerechten Lastenverteilung stützen, darf dies nur auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage geschehen, und von der Leistungsunfähigkeit eines Betroffenen darf die Behörde nicht ohne nähere Überprüfung ausgehen; die Kenntnis der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der in Betracht kommenden Verantwortlichen ist für die Ermessensentscheidung der Behörde erforderlich, wenn sie sich bei der Störerauswahl von dem Gesichtspunkt der gerechten Lastenverteilung neben dem primären Gesichtspunkt der Effektivität des behördlichen Handelns leiten lässt (VGH BW, Urt. v. 13.03.2014, a.a.O.).
Gemessen daran wäre hier im Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahme auch bei sicherer Kenntnis der Erben und ihrer aktuellen Anschriften zweifelhaft gewesen, ob eine ermessensfehlerfreie Störerauswahl zeitnah hätte vorgenommen werden können. Der Beklagte hätte zumindest ermitteln müssen, welche(r) der Erben, die allesamt nicht in C. oder in der Umgebung wohnten, unter dem leitenden Gesichtspunkt am ehesten in der Lage gewesen wäre(n), den Abbruch des Gebäudes durchzuführen, dies zu veranlassen oder andere die Gefahr eines Einsturzes verhindernde Maßnahmen zu treffen. Über die persönlichen Verhältnisse der im gemeinschaftlichen Erbschein noch lebenden 59, 61, 63, 66, 71, 73, 75 und 95 Jahre alten Erben – einer der Erben war bereits am 20.10.1984 nachverstorben – war dem Beklagten ebenso wenig etwas bekannt wie über deren Einkommens- und Vermögensverhältnisse.
Hinzu kommt, dass der Beklagte, wenn er nicht sämtliche Mitglieder der Erbengemeinschaft als Störer in Anspruch genommen hätte, wie etwa die im maßgeblichen Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahme bereits 95-jährige Ch. H. W., vor Durchführung einer Ersatzvornahme gegenüber den auf der Primärebene nicht in Anspruch genommenen Miteigentümern möglicherweise eine Duldungsverfügung hätte erlassen müssen. Das Miteigentum an einem Grundstück kann ein Hindernis für den Vollzug einer Beseitigungsanordnung gegenüber dem nicht in Anspruch genommenen Verantwortlichen darstellen (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.04.1972 – BVerwG IV C 42.69 -, juris, RdNr. 31, m.w.N.). Die Verwaltungsvollstreckung gegen einen Zustandsstörer setzt zwar nicht in jedem Fall voraus, dass Duldungsverfügungen gegen andere Miteigentümer des betroffenen Grundstücks ergangen sein müssen; dies ist aber jedenfalls dann erforderlich, wenn diese mit den angeordneten Maßnahmen nicht einverstanden sind (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.01.2000 – BVerwG 3 B 1.00 -, juris, RdNr. 9).
d) Die unmittelbare Ausführung war auch nicht deshalb rechtswidrig, weil der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, vor der Durchführung des Gebäudeabrisses einen (neuen) gesetzlichen Vertreter des Eigentümers nach Art. 233 § 2 Abs. 3 Satz 1 EGBGB zu bestellen. Nach dieser Vorschrift bestellt der Landkreis oder die kreisfreie Stadt, auf der sich das Grundstück befindet, auf Antrag der Gemeinde oder eines anderen, der ein berechtigtes Interesse daran hat, einen gesetzlichen Vertreter, wenn der Eigentümer eines Grundstücks oder sein Aufenthalt nicht festzustellen ist und ein Bedürfnis besteht, die Vertretung des Eigentümers sicherzustellen. Es kann dahinstehen, ob eine etwaige Verletzung der Pflicht, nach dieser Vorschrift einen Vertreter zu bestellen, zur Rechtswidrigkeit der betreffenden Maßnahme – hier: der unmittelbaren Ausführung – führt. Der Beklagte war nicht gemäß Art. 233 § 2 Abs. 3 Satz 1 EGBGB verpflichtet, einen Vertreter des Grundstückseigentümers zu bestellen.
Zweck von Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB ist es, die Handlungsfähigkeit in Bezug auf ein bestimmtes Grundstück herzustellen (BGH, Urt. v. 25.10.2002 – V ZR 243/01 – juris, RdNr. 25; BFH, Beschl. v. 16.02.2005 – I B 156/03 -, juris, RdNr. 11). Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass ein Bedürfnis gesehen wurde, die Sonderregelung des Art. 233 § 16 Abs. 3 EGBGB a. F., die durch das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz vom 14. Juli 1992 (BGBl. I S. 1257 ff.) speziell für Bodenreformgrundstücke eingeführt worden war, generell auf alle Grundstücke im Beitrittsgebiet zu erstrecken. Der Vertreterbestellung nach Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB kommt insbesondere in Bodenordnungs- und Flurbereinigungsverfahren in den neuen Bundesländern eine besondere Bedeutung zu. Der Gesetzgeber wollte wegen der besonderen Verhältnisse in der Nachwendezeit eine vereinfachende Sonderregelung zur Bestellung eines gesetzlichen Vertreters schaffen; das in § 119 Abs. 2 FlurbG für die Vertreterbestellung vorgesehene Betreuungsgericht sollte aus Kapazitätsgründen entlastet werden (BVerwG, Urt. v. 05.05.2015 – BVerwG 9 C 12.14 -, juris, RdNr. 22). Ausgehend von Sinn und Zweck der Regelung und der Entstehungsgeschichte kann die Regelung nicht in der Weise ausgelegt werden, dass bei ordnungsbehördlichen Maßnahmen, wenn Zustands- und Handlungsstörer nicht oder nicht rechtzeitig herangezogen werden können, der Vertreterbestellung nach Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB Vorrang gegenüber der unmittelbaren Ausführung zukommt (VG Magdeburg, Urt. v. 27.06.2016 – 4 A 71/16 -, juris, RdNr. 31). In Bodenordnungsverfahren wird zwar ein „Bedürfnis“, die Vertretung sicherzustellen, bereits angenommen, wenn rechtliche Interessen des Eigentümers oder des Dritten betroffen sind (BVerwG, Urt. v. 05.05.2016, a.a.O). In Fällen der Gefahrenabwehr bildet aber auch die unmittelbare Ausführung ein Instrument, bei ungeklärter Erbfolge eine schnelle und effiziente Durchführung der Maßnahme sicherzustellen; die unmittelbare Ausführung dient gerade dazu, eine Handlungsunfähigkeit der Ordnungsbehörden in Gefahrensituationen abzuwenden, so dass bei Maßnahmen der Gefahrenabwehr eine Vertreterbestellung nach Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB jedenfalls dann ausscheidet, wenn das Verfahren die Effektivität der Gefahrenabwehr in Frage stellen würde (VG Magdeburg, Urt. v. 27.06.2016, a.a.O.). Hinzu kommt, dass die Vertreterbestellung mit einem erheblichen Eingriff in die Rechte des Eigentümers verbunden ist und der Vertretene gemäß Art. 233 § 2 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. § 16 Abs. 3 Satz 2 VwVfG zum Ersatz der Aufwendungen für die Bestellung des Vertreters verpflichtet; eine Vertreterbestellung ist daher – auch im Interesse des Eigentümers – aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht geboten, wenn der Zweck der ordnungsbehördlichen Maßnahme im Wege der unmittelbaren Ausführung gleich effizient und ohne Mehrbelastung des Eigentümers erreicht werden kann (VG Magdeburg, Urt. v. 27.06.2016, a.a.O.).
Gemessen daran war der Beklagte hier nicht verpflichtet, gemäß Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB einen (neuen) Vertreter für die Erbengemeinschaft zu bestellen. Unabhängig davon, ob der Vertreter noch in der Lage gewesen wäre, die drohende Einsturzgefahr zeitnah abzuwenden, ist offensichtlich, dass die Bestellung eines Vertreters nicht zu einer anderen Entscheidung als zu derjenigen des Gebäudeabrisses geführt hätte. Geht man davon aus, dass der Beklagte die Klägerin als Zustandsverantwortliche (§ 8 Abs. 2 SOG LSA) über den bestellten Vertreter zum Gebäudeabriss herangezogen hätte, wäre der Vertreter kaum in der Lage gewesen, den angeordneten Gebäudeabriss in kürzester Zeit selbst durchzuführen, so dass wegen der Eilbedürftigkeit eine Ersatzvornahme (§ 71 Abs. 1 VwVG LSA i. V. m. §§ 54 Abs. 1 Nr. 1, 55 SOG LSA) erforderlich gewesen wäre. Für die Kosten hätte die Klägerin gemäß § 55 SOG LSA ebenso aufkommen müssen wie für Kosten der unmittelbaren Ausführung. Zusätzlich wäre die Klägerin mit den Auslagen und der Vergütung des Vertreters belastet gewesen. Selbst wenn der Vertreter in der Lage gewesen wäre, in der gebotenen Zeit ein Unternehmen mit der Durchführung des Gebäudeabrisses zu beauftragen, um die Ersatzvornahme abzuwenden, gibt es keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass dieses Unternehmen die Maßnahme kostengünstiger als das vom Beklagten beauftragte Unternehmen durchgeführt hätte. Letztlich wäre die Bestellung eines Vertreters mit der Gefahr einer Verfahrensverzögerung und zusätzlichen Kosten für die Klägerin verbunden gewesen.
e) Die Klägerin ist als Miterbin der ehemaligen Grundstückseigentümerin gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 SOG LSA Verantwortliche und damit zum Ersatz der Kosten verpflichtet.
Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, dass der Beklagte die aus Art. 14 Abs. 1 GG folgenden Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit nicht hinreichend beachtet hat.
Grundsätzlich begegnet es im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 und 2 GG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, die sicherheitsrechtlichen Vorschriften über die Zustandsverantwortlichkeit dahingehend auszulegen, dass der Eigentümer eines Grundstücks allein wegen dieser Rechtsstellung verpflichtet werden kann, von dem Grundstück ausgehende Gefahren zu beseitigen, auch wenn er die Gefahrenlage weder verursacht noch verschuldet hat; die Zustandshaftung findet ihren Grund in der mit dem Eigentum verbundenen Sachherrschaft sowie in der Verbindung von Vorteilen und Lasten der Sache. Allerdings ergeben sich Beschränkungen aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dabei ist ein erster Orientierungspunkt das Verhältnis des Beseitigungsaufwands zum Restwert des Grundstücks nach Durchführung der Maßnahme. Während eine den Restwert überschreitende Belastung unzumutbar sein kann, wenn die zu beseitigende Gefahr auf Naturereignisse, der Allgemeinheit oder nicht nutzungsberechtigten Dritten zuzurechnende Ursachen zurückgeht und selbst eine geringere Belastung unverhältnismäßig sein kann, wenn das Grundstück den wesentlichen Teil des Vermögens des Pflichtigen und die Grundlage seiner privaten Lebensführung bildet, kann andererseits selbst eine den Restwert übersteigende Belastung zumutbar sein, wenn der Eigentümer das Risiko der entstandenen Gefahr bewusst in Kauf genommen hat (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 26.02.2014 – 1 LB 100/09 -, juris RdNr. 76 f. unter Hinweis auf BVerfG, Beschl. v. 16.02.2000 – 1 BvR 242/91, 1 BvR 315/99 -, juris RdNr. 51 ff.; Beschl. d. Senats v. 23.02.2015 – 2 M 147/14 -, juris, RdNr. 6, m.w.N.). Ein solcher Fall liegt etwa dann vor, wenn der Eigentümer das Grundstück in Kenntnis von Altlasten, die von früheren Eigentümern oder Nutzungsberechtigten verursacht worden sind, erworben hat oder wenn er zulässt, dass das Grundstück in einer risikoreichen Weise genutzt wird. Auch derartige Umstände sind bei der erforderlichen Abwägung schutzwürdiger Eigentümerinteressen mit den Belangen der Allgemeinheit beachtlich. Wer ein solches Risiko bewusst eingeht, kann seiner Inanspruchnahme als Zustandsverantwortlicher nicht entgegenhalten, seine Haftung müsse aus Gründen des Eigentumsschutzes begrenzt sein. Denn das freiwillig übernommene Risiko mindert die Schutzwürdigkeit des Eigentümers (vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.02.2000 – 1 BvR 242/91, 1 BvR 315/99 – a.a.O. RdNr. 59; Beschl. d. Senats v. 23.02.2015, a.a.O.). Eine vergleichbare freiwillige Übernahme des Risikos einer Inanspruchnahme (zur Beseitigung) liegt vor, wenn der Erbe eines Grundstücks in Kenntnis des desolaten Zustands der aufstehenden Gebäude es unterlässt, das Erbe auszuschlagen (§§ 1942 ff. BGB) oder – im Falle einer unverschuldeten Unkenntnis – die Annahme der Erbschaft anzufechten (§§ 1954 ff. BGB) (vgl. Beschl. d. Senats v. 23.02.2015, a.a.O.; NdsOVG, Beschl. v. 26.02.2014, a.a.O., RdNr. 79).
Gemessen daran scheidet die Inanspruchnahme der Klägerin in Höhe der Kosten der Ersatzvornahme nicht deshalb aus, weil diese Kosten – wie der Beklagte einräumt – den Verkehrswert des Grundstücks nach dem Gebäudeabbruch aller Voraussicht nach übersteigen.
aa) Die zu beseitigende Gefahr geht weder auf Naturereignisse noch auf der Allgemeinheit oder nicht nutzungsberechtigten Dritten zuzurechnende Ursachen zurück. Sie hatte vielmehr ihre Ursache darin, dass das Gebäude über viele Jahre durch die Eigentümer nicht instandgehalten wurde.
bb) Das Grundstück bildet auch nicht den wesentlichen Teil des Vermögens der Klägerin und ist auch nicht die Grundlage ihrer privaten Lebensführung.
cc) Der Klägerin ist hingegen vorzuhalten, dass sie das Risiko einer Inanspruchnahme bewusst in Kauf genommen hat.
Dies dürfte zwar nicht bereits in dem Zeitpunkt der Fall gewesen sein, in dem sie vom Anfall der Erbschaft und der sich daraus ergebenden Miteigentümerstellung erfuhr. Nach ihren Angaben wurde sie Im Jahr 1995 vom damaligen Nachlasspfleger darüber in Kenntnis gesetzt, dass als sie Miterbin der ihr unbekannten Erblasserin in Betracht komme und zum Nachlass ein Wohnhaus mit einem Wert von … DM gehöre. Zudem seien ihr Fotoaufnahmen von einem gut erhaltenen Objekt zur Verfügung gestellt worden. Mit Kenntnis des gemeinschaftlichen Erbscheins des Amtsgerichts Schönebeck vom 18.04.1997 stand für sie dann fest, dass sie Miterbin der am 10.12.1979 verstorbenen, im Grundbuch noch eingetragenen früheren Grundstückseigentümerin ist. Vor diesem Hintergrund mag für die Klägerin kein Anlass für die Befürchtung bestanden haben, das Gebäude befinde sich in einem baufälligen, den baldigen Abriss rechtfertigenden Zustand, so dass auch kein Grund für die Ausschlagung der Erbschaft ersichtlich gewesen sein mag.
Die Klägerin hat aber die Gefahr ihrer Inanspruchnahme zu einem späteren Zeitpunkt bewusst in Kauf genommen. Nach ihrem Vortrag hat sich im Jahr 2003 der „Beauftragte“ zwar dahin geäußert, dass der Nachlass nicht überschuldet sei. Aus der (weiteren) Mitteilung, dass das Grundstück wohl immer noch … € wert sei, es sich aber schwierig gestalte, es zu veräußern, musste die Klägerin davon ausgehen, dass sich der Zustand des aufstehenden Gebäudes deutlich verschlechtert hatte. Aufgrund des nicht unerheblichen Wertverlusts um mehr als 70 % in einem Zeitraum von ca. acht Jahren musste der Klägerin bewusst sein, dass zeitnah Instandhaltungsmaßnahmen erforderlich sein könnten, auch wenn sie sich über den konkreten Zustand des Gebäudes vor Ort kein Bild gemacht haben sollte. Insofern liegt ein mit einer „risikoreichen Nutzung des Grundstücks“ vergleichbarer Fall einer „risikoreichen“ Nichtüberprüfung einer Instandsetzungsbedürftigkeit des Gebäudes vor. Der Grundstückseigentümer kann sich seiner Instandhaltungspflicht und einer möglichen späteren Inanspruchnahme nicht dadurch entziehen, dass er vom Zustand des aufstehenden Gebäudes keine Kenntnis nimmt bzw. nehmen will. Eine Begrenzung der von der Klägerin zu tragenden Beseitigungskosten auf den Verkehrswert des Grundstücks ist vor diesem Hintergrund nicht geboten.
f) Die Höhe der für den Gebäudeabbruch entstandenen Kosten unterliegt keinen rechtlichen Bedenken. Es handelt sich um Kosten, die dem Beklagten durch die in rechtmäßiger Weise erfolgte Beauftragung von Dritten (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 1 SOG LSA) entstanden sind (§ 9 Abs. 2 Satz 1 SOG LSA).
Bei Durchführung einer Ersatzvornahme richtet sich die Höhe der vom Pflichtigen zu zahlenden Forderung grundsätzlich nach der Vergütung, die die Behörde an den Dritten gezahlt hat. Die tatsächlich erbrachten Aufwendungen sind jedoch nicht stets maßgebend. Der Umfang des zu erstattenden Kostenbetrages lässt sich nicht gänzlich von der Art und Weise der Ausführung der ersatzweise vorgenommenen Handlung loslösen. Bei der Anwendung von Verwaltungszwang im Allgemeinen und der Durchführung der Ersatzvornahme im Besonderen hat die Behörde dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen. Es ist nicht ihrem Belieben überlassen, welche Maßnahmen sie auf Kosten des Pflichtigen veranlasst. Sie hat darauf zu achten, dass der Kostenaufwand nicht über das hinausgeht, was zur Beseitigung der Gefahr oder der Störung unumgänglich ist. Sie hat bei der Erteilung des Auftrags durch Vorkehrungen sicherzustellen, dass der dem Pflichtigen vorgegebene Handlungsrahmen nicht überschritten wird. Hat sie Anhaltspunkte dafür, dass der Unternehmer bei der Ausführung des Auftrags unsachgemäß oder unwirtschaftlich vorgeht oder die Kosten durch überhöhte Ansätze manipuliert, so hat sie dem entgegenzutreten. Das Risiko, mit Kosten belastet zu werden, die daher rühren, dass sie es versäumt hat, das kostengünstigste Mittel zu wählen, kann sie nicht auf den Pflichtigen abwälzen. Die Kostenerstattung beschränkt sich auf die Aufwendungen, die zur Erreichung des mit der Ersatzvornahme zulässigerweise verfolgbaren Zwecks erforderlich sind (zum Ganzen: BVerwG, Beschl. v. 21.08.1996 – BVerwG 4 B 100.96 -, juris, RdNr. 24). Es besteht allerdings grundsätzlich keine Verpflichtung zur Ausschreibung der für eine Ersatzvornahme vorzunehmenden Arbeiten, insbesondere weil die Ersatzvornahme der Gefahrenabwehr dient, eine Verzögerung durch Ausschreibung untunlich und eine Ausschreibung zudem nach Haushaltsrecht nicht vorgeschrieben ist (vgl. NdsOVG, Urt. v. 04.11.2015 – 1 LC 171/14 -, juris, RdNr. 23.; VG Neustadt, Urt. v. 05.03.2015 – 4 K 894/14.NW -, juris, RdNr. 62; VG Karlsruhe, Urt. v. 08.02.2008 – 6 K 1059/07 -, juris, RdNr. 22, Sadler, VwVG/VwZG, § 10 VwVG RdNr. 22 ff.; Mosbacher, in: Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG/VwZG, 11. Aufl., § 10 VwVG RdNr. 11). Diese Grundsätze gelten für die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme nach § 9 SOG LSA entsprechend.
Gemessen daran begegnet die den Gebäudeabbruch betreffende Kostenforderung des Beklagten auch der Höhe nach keinen Bedenken.
aa) Nicht zu beanstanden sind insbesondere die Kosten in Höhe von 29.155,00 €, die das mit dem Gebäudeabriss beauftrage Unternehmen (Fa. R. Dienstleistungen GmbH) dem Beklagten in Rechnung stellte.
(1) Unschädlich ist insbesondere, dass sich der von der Fa. R. Dienstleistungen GmbH ausgestellten Rechnung vom 20.02.2013 und dem zugrunde liegenden Angebot vom 15.10.2012 nicht entnehmen lässt, wie der Nettobetrag in Höhe von … € unter Berücksichtigung des Leistungsumfangs, wie er in der Leistungsbeschreibung des mit der Bauüberwachung beauftragten Bauingenieurs G. vom 12.10.2012 (Bl. 73 VV) beschrieben war, ermittelt wurde, der Beklagte sich mit dem Unternehmen vielmehr auf einen Pauschalbetrag einigte.
Die gegenüber dem Pflichtigen bestehende „Fürsorgepflicht“ der Behörde, die die Prüfung beinhaltet, ob der Unternehmer nur die erforderlichen Leistungen abrechnet und keine überhöhte Kostenansätze zugrunde legt, wird nicht schon dadurch verletzt, dass die Behörde einen Pauschalvertrag mit dem beauftragten Unternehmer abgeschlossen hat. Dies gilt ohne Zweifel dann, wenn die Behörde die Bauleistungen ausgeschrieben hat. Der Abschluss von Pauschalverträgen ermöglicht zum einen eine anhand der Ausschreibungsunterlagen transparent und nachvollziehbar im Einzelnen aufgelistete Kalkulation der erwarteten Arbeiten und der daraus entstehenden Kosten, umfasst zum anderen aber gleichzeitig die Möglichkeit, auch unvorhersehbare Abweichungen vom geschätzten Verlauf der Arbeiten und ihrer Kosten einzubeziehen. Diese „Abweichungen“ können naturgemäß sowohl zu mehr Aufwand als auch zu weniger Aufwand führen oder zu höherem oder geringerem Erlös, etwa bei der Verwertung angefallenen Materials, als prognostiziert. Die für beide Vertragsparteien bestehenden Risiken werden auf diese Weise zum Vorteil aller limitiert. Gerade bei älteren und größeren Gebäuden können sich schnell Probleme ergeben, deren Bewältigung auf „Stundenzettel-Basis“ zu ruinösen Kostenhöhen führen. Sofern der Abschluss von Pauschalverträgen im Rahmen der Ersatzvornahme grundsätzlich abgelehnt wird, geschieht dies ausschließlich mit Rücksicht auf die für die Behörde entstehenden Risiken (vgl. zum Ganzen: NdsOVG, Urt. v. 04.11.2015, a.a.O., RdNr. 24 f., m.w.N.).
Der Beklagte hat hier zwar die Werkleistungen nicht ausgeschrieben. Die von der Fa. R. Dienstleistungen GmbH erhobenen, auf einem Pauschalvertrag beruhenden Kosten begegnen unter dem Gesichtspunkt der „Fürsorgepflicht“ aber deshalb keinen Bedenken, weil der Beklagte vor Beauftragung der Fa. R. Dienstleistungen GmbH ein weiteres Angebot der F. Bau GmbH vom 17.10.2012 (Bl. 80 ff. VV) eingeholt hatte, in welchem die Einzelleistungen entsprechend der Leistungsbeschreibung des Bauingenieurs G. vom 12.10.2012 und die dafür im Einzelnen angesetzten Beträge aufgeführt waren und deshalb eine Vergleichsmöglichkeit bot. Daraus ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass das beauftragte Unternehmen dem Beklagten eine überhöhte Kostenforderung in Rechnung stellte. Das (Vergleichs-)Angebot der Fa. F. Bau GmbH wies eine Endsumme von … € aus und lag damit ca. 10% über dem (Pauschal-)Angebot der Fa. R. Dienstleistungen GmbH von … €. Die dem Leistungsumfang zugrunde liegende Leistungsbeschreibung des Bauingenieurs G. vom 12.10.2012 lässt keine für die Gefahrenbeseitigung nicht notwendigen Leistungen erkennen und wird auch von der Klägerin nicht (substantiiert) angegriffen.
b) Nicht zu beanstanden sind auch die Kosten in Höhe von … €, die der mit der Bauüberwachung betraute Bauingenieur für seine Dienstleistungen dem Beklagten in Rechnung stellte (Bl. 161 VV). Auch diese Kosten waren für die Durchführung des Gebäudeabrisses erforderlich. Überhöhte Kostenansätze sind auch insoweit nicht ersichtlich.
2. Der Beklagte hat auch in rechtmäßiger Weise die Absperrung der Straße für die Zeit vom 26.07.2012 bis 13.03.2013 durch die Fa. S. unmittelbar ausgeführt und die von diesem Unternehmen in Rechnung gestellten Kosten von der Klägerin angefordert.
a) Wie bereits dargelegt, ging von dem Gebäude G-Straße spätestens nach Feststellung der Einsturzgefahr durch die gutachterliche Stellungnahme vom 27.07.2012 eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit aus, die bis zur Beendigung der Abbruch- und Beräumungsarbeiten am 18.02.2013 andauerte. Die Maßnahme war vorübergehend geeignet und erforderlich, um der von dem drohenden Einsturz ausgehenden Gefahr zu begegnen. Auch insoweit war nicht damit zu rechnen, dass die nach §§ 7 und 8 SOG Verantwortlichen vor Durchführung der Absperrmaßnahme rechtzeitig erreicht werden konnten.
b) Zu den für die Durchführung der unmittelbaren Ausführung erforderlichen Kosten gehören auch die Kosten für die Absperrmaßnahmen. Die Einordnung der Absperrung als unmittelbare Ausführung oder als Teil der unmittelbaren Ausführung des Gebäudeabrisses scheidet insbesondere nicht deshalb aus, weil gegen die Klägerin im gestreckten Verwaltungsvollzug ein entsprechender fiktiver Grundverwaltungsakt wegen rechtlicher Unmöglichkeit nicht hätte erlassen werden können.
Erfordert der Zustand eines Gebäudes wegen einer von ihm für Dritte, insbesondere Passanten, ausgehenden Gefahr eine Straßenabsperrung, kann der Pflichtige nach Einholung und nach Maßgabe einer entsprechenden straßenverkehrsrechtlichen Genehmigung bzw. Anordnung eine Fachfirma mit der Durchführung der erforderlichen Absperrmaßnahmen beauftragen. Eine entsprechende straßenverkehrsrechtliche Genehmigung kann er oder ein von ihm beauftragtes Unternehmen auf der Grundlage von § 45 Abs. 6 StVO erlangen. Nach dieser Vorschrift müssen Unternehmer vor dem Beginn von Arbeiten, die sich auf den Straßenverkehr auswirken, von der zuständigen Behörde Anordnungen nach Absatz 1 und 3 unter anderem darüber einholen, wie ihre Arbeitsstellen abzusperren und zu kennzeichnen sind, ob und wie der Verkehr, auch bei teilweise Straßensperrung, zu beschränken, zu leiten und zu regeln ist. Diese Vorschrift ist grundsätzlich für alle Arbeiten anwendbar, sofern sie sich auf den Straßenverkehr auswirken, betrifft also nicht nur Arbeiten am Straßenkörper selbst. Sie bildet auch eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für Fälle, in dem nicht erst die bevorstehenden Bauarbeiten selbst zu einer Gefährdung von Verkehrsteilnehmern führen, denen durch entsprechende verkehrsrechtliche Anordnungen begegnet werden muss, sondern bereits ein die Straßenverkehrsteilnehmer gefährdender Zustand einer baulichen Anlage vorliegt, der in Erfüllung bauordnungsrechtlicher Pflichten beseitigt werden muss. Eine rechtliche Unmöglichkeit folgt hiervon ausgehend auch nicht daraus, dass der Pflichtige mit einer fiktiven Grundverfügung aufgegeben würde, im Hinblick auf die Regelung des Verkehrs hoheitlich tätig zu werden. Handelt ein Privater auf der Grundlage von Anordnungen nach § 45 Abs. 6 StVO, wird er gerade nicht selbst hoheitlich tätig. Die hoheitliche Entscheidungskompetenz verbleibt bei der Behörde. Dem Privaten obliegt lediglich die tatsächliche Umsetzung der zuvor von dieser getroffenen Entscheidung, er ist lediglich als sogenannter Verwaltungshelfer technisches Ausführungsorgan der anordnenden Behörde (vgl. zum Ganzen: OVG NW, Urt. v. 08.04.2014 – 2 A 371/13 -, juris, RdNr. 51 ff.).
c) Die von der Fa. S. mit Rechnungen vom 04.10.2012 (Bl. 76 VV), 09.01.2013 (Bl. 89 VV) und 13.03.2013 (Bl. 156 VV) angeforderten Kosten in Höhe von … €, … € und … € begegnen in Bezug auf die einzelnen Kostenansätze ebenfalls keinen Bedenken. Dies gilt auch für die Kosten der Absperrung, die nach Beendigung der Abbruch- und Beräumungsarbeiten bis zum 13.03.2013 fortdauerte. Zwar war die Gefahrenlage bereits mit Beendigung der Abbruch- und Beräumungsarbeiten – laut Bautagebuch am 18.02.2013 – beseitigt. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die Werkleistungen des Abbruchunternehmens noch abgenommen mussten und das mit der Absperrung der Straße beauftragte Unternehmen für die Beseitigung der Absperrvorrichtungen einen gewissen zeitlichen Vorlauf benötigte. Maßstab ist insoweit, wie ein Grundstückseigentümer bei einem von ihm in Auftrag gegebenen Gebäudeabriss vernünftigerweise gehandelt hätte. Die Abnahme erfolgte laut Abnahmebescheinigung (Bl. 151 VV) am 08.03.2013, einem Freitag, bei der der für die Bauüberwachung zuständige Bauingenieur festhielt, dass die Baustellenabsperrung entfernt werden könne. Der Abbau der Absperreichrichtung erfolgte dann am darauffolgenden Mittwoch, dem 13.03.2013. Dies hält sich noch im Rahmen des Zulässigen.
C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
D. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
E. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.
F. Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren ergeht auf der Grundlage der §§ 47, 52 Abs. 3 GKG.

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