OLG Brandenburg, Urt. v. 04.11.2014 – 3 U 156/11 Mögliche Schadensersatzpflicht des Abwesenheitspflegers

Juni 7, 2018

OLG Brandenburg, Urt. v. 04.11.2014 – 3 U 156/11

Mögliche Schadensersatzpflicht des Abwesenheitspflegers

(LG Potsdam, Urt. v. 23.11.2011)

Gründe:

I.

Der Kläger verlangt vom Beklagten als Mitglied der ungeteilten Erbengemeinschaft nach dem am 02.07.1947 verstorbenen G.S. Zahlung von Schadensersatz an die Erbengemeinschaft wegen des Verkaufs eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks, das der Beklagte in seiner Eigenschaft als Abwesenheitspfleger am 30.05.2001 mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes zu einem Preis von 152.000,00 DM (77.716,73 €) veräußert hat.

Der Kläger ist der Auffassung, der Beklagte habe durch den Verkauf seine ihm als Abwesenheitspfleger obliegenden Pflichten verletzt, so dass er der Erbengemeinschaft zum Schadensersatz verpflichtet sei. Die Höhe des Schadensersatzes orientiere sich an der Wertsteigerung des Grundstückes, den er erstinstanzlich mit mindestens 43.885,15 € beziffert hat.

Der Beklagte meint, eine Pflichtverletzung sei ihm nicht vorzuwerfen. Darüber hinaus fehle es an einem ersatzfähigen Schaden, da er das Grundstück zu einem den damaligen Verhältnissen angemessenen Preis verkauft habe. Zudem erhebt der Beklagte die Einrede auf Verjährung. […]

II.

  1. 2. Die Berufung hat, ebenso wie die Klageerweiterung, auch in der Sache bis auf einen geringfügigen Teil Erfolg.

Die Erbengemeinschaft nach G.S. hat einen Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten, den der Kläger als Mitglied der Erbengemeinschaft nach § 2039 BGB in gesetzlicher Prozessstandschaft in eigenem Namen geltend machen kann (Palandt/Weidlich, BGB, 73. Aufl., § 2039 Rn. 6).

  1. a) Der Beklagte hat durch den Verkauf des Grundstücks seine Pflicht als Abwesenheitspfleger verletzt.

Die Haftung des Abwesenheitspflegers richtet sich nach §§ 1911, 1915, 1833 BGB.

Unter einer Pflichtverletzung i.S.v. § 1833 BGB ist jeder Verstoß gegen das Gebot treuer und gewissenhafter Amtsführung zu verstehen; sie kann in einem Tun oder Unterlassen liegen, in der Abgabe oder Unterlassung einer Willenserklärung, in der Vornahme oder Nichtvornahme beliebiger Rechtshandlungen oder Realakte. Nicht nötig ist ein Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften oder gegen eine Anordnung des Vormundschaftsgerichts (in: MünchKomm-BGB/Wagenitz, 6. Aufl., § 1833 Rn. 3; Staudinger-BGB/Engler, Neubearb. 2004, § 1833 Rn. 12).

Stellte man für die Frage, ob der Pfleger pflichtgemäß gehandelt hat, allein darauf ab, ob der Verkauf des Grundstückes wirtschaftlich sinnvoll war, so könnte dies, jedenfalls aus damaliger Sicht, zu bejahen sein. Die Zinsen aus dem Verkauf des Grundstückes waren höher als die Einnahmen aus dem Pachtvertrag.

Hierauf kommt es aus Sicht des Senates aber nicht entscheidend an. Diese Sichtweise berücksichtigt nämlich nicht, dass durch den Verkauf dem Abwesenden bzw. dessen Erben das Eigentum entzogen wurde.

Ob eine zum Schadensersatz führende Pflichtverletzung vorliegt, richtet sich grds. danach, welche Aufgaben der Abwesenheitspfleger wahrzunehmen hat und welchen Pflichten er hierbei unterliegt. Der Abwesenheitspfleger hat die Vermögensangelegenheiten des Abwesenden – im Rahmen seines Wirkungskreises – in dessen Interesse treuhänderisch wahrzunehmen. Regelmäßig ist er hierbei, wie der Nachlassverwalter, nur zu Rechtsgeschäften befugt, die die ordnungsgemäße Sicherung, Erhaltung und Verwaltung des Vermögens des Abwesenden im Auge haben (für den Nachlasspfleger vgl. Firsching/Graf, Nachlassrecht, 9. Aufl., Rn. 4.653). Der Nachlasspfleger ist zu Verfügungen über Vermögensgegenstände zwar ermächtigt, muss sich aber grds. davon leiten lassen, das Vermögen in seinem ursprünglichen Zustand zu erhalten. Dies hat auch für den Abwesenheitspfleger zu gelten.

Für die Nachlasspflegschaft gilt weiter, dass der Gesichtspunkt der Erhaltung des Nachlasses unter Umständen auch die Veräußerung von Nachlassgegenständen zweckmäßig erscheinen lassen kann. Ein Grundstücksverkauf wird aber nur dann als zweckmäßig und im Interesse der Erben liegend angenommen, wenn besondere Voraussetzungen vorliegen, es sich z.B. um ein nur lastenbringendes Grundstück handelt oder ein Grundstücksverkauf zur Deckung von dringenden Schulden als vorteilhaft erscheint (Beispiele bei Firsching/Graf, a.a.O.). In einem Verfahren gegen einen Vermögenspfleger hat der BGH die Pflichtwidrigkeit eines Grundstücksverkaufes etwa in einem Fall verneint, in dem es notwendig war, wegen des Alters und des Gesundheitszustandes des Pfleglings eine Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse herbeizuführen und das Vermögen möglichst rasch zugunsten des Pfleglings einzusetzen (BGH, Urt. v. 22.02.1967, MDR 1967, 473 [BGH 22.02.1967 – IV ZR 279/65]).

All diese Voraussetzungen, die auch auf die Tätigkeit des Abwesenheitspflegers übertragen werden können, liegen hier nicht vor. Durch den Pachtvertrag brachte das Grundstück dem Abwesenden regelmäßige Einkünfte ein. Es war auch nicht etwa so, dass ein erheblicher Wertverlust drohte, so dass ein Verkauf zur Erhaltung des Vermögens notwendig war. Aus Sicht des Abwesenden gab es kein besonderes Interesse an dem Verkauf des Grundstückes zum damaligen Zeitpunkt.

Hinzu kommt, dass der Abwesenheitspfleger schon nach der Regelung des § 1911 Abs. 1 BGB grds. nur tätig werden soll, soweit eine Vermögensangelegenheit des Abwesenden der Fürsorge bedarf und dass auch nur unter dieser Voraussetzung ein Abwesenheitspfleger bestellt werden kann. Voraussetzung ist also ein Bedürfnis zur Fürsorge in Vermögensangelegenheiten des Abwesenden, wobei der Wirkungskreis des Pflegers sich nach dem Fürsorgebedürfnis richtet. Bei der Frage, ob ein Fürsorgebedürfnis besteht, ist nach h.M. nur auf den Abwesenden abzustellen. Ein ausschließliches Interesse eines Dritten reicht nicht aus, die Abwesenheitspflegschaft kann aber neben den eigenen Interessen des Abwesenden auch Dritten dienlich sein (in: MünchKomm-BGB/Schwab, 6. Aufl. § 1911, Rn 14; Palandt/Diederichsen, BGB, 72. Aufl., § 1911 Rn. 6).

Es ist darauf abzustellen, ob dem Abwesenden irgendwelche Nachteile drohen, wenn kein Pfleger bestellt wird und ob die Bestellung eines Pflegers gegenüber etwa drohenden Nachteilen das kleinere Übel darstellt.

Als Eigeninteressen des Abwesenden werden dabei etwa die Vermeidung einer öffentlichen Zustellung, durch die der Betroffene schlechter stünde, die Vermeidung einer Todeserklärung durch Bestellung eines Abwesenheitspflegers, die Kündigung der für die Familie nicht benötigten Wohnung des Abwesenden, um unnötige Mietkosten zu vermeiden, oder die Erteilung einer Löschungsbewilligung, um die Hinterlegung von Geld abzuwenden, genannt (MünchKomm-BGB a.a.O., § 1911, Rn, 14).

Als allein im Drittinteresse liegend und damit abgelehnt wurde die Anordnung einer Abwesenheitspflegschaft für den Verkauf eines Grundstücks allein aufgrund einer intensiven Nutzung des Grundstücks durch Dritte. Ein solche stelle einen unzulässigen Eingriff in Art. 14 GG dar (LG Potsdam, 5 T 473/08).

Vorliegend lässt sich unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ein Fürsorgebedürfnis, das die Anordnung einer Abwesenheitspflegschaft zum Verkauf des Grundstücks rechtfertigt, nicht feststellen. Wie sich aus der beigezogenen Pflegschaftsakte ergibt, erfolgte die Bestellung des Abwesenheitspflegers offenbar allein auf die Anfrage der Pächterin, die das Grundstück gerne kaufen wollte. Ein Interesse des Pfleglings am Verkauf lässt sich nicht feststellen. Nachteile drohten nicht.

Nach alldem lag im Verkauf des Grundbesitzes ein pflichtwidriges Handeln des Beklagten.

  1. b) Der Beklagte handelte auch schuldhaft.

Das Verschulden entfällt nicht dadurch, dass das Vormundschaftsgericht die Pflegschaft genau mit dem Wirkungskreis „Verkauf ” angeordnet hat und den Verkauf dann auch genehmigt hat.

Der Abwesenheitspfleger haftet für jeden Grad von Fahrlässigkeit, wobei auch berücksichtigt wird, welche Sorgfalt in den Lebenskreisen, denen er angehört, geübt wird und dort billigerweise erwartet werden kann (in: Staudinger-BGB/Engler, Neubearb. 2004, § 1833 Rn. 13; MünchKomm-BGB/Wagenitz, 6. Aufl., § 1833 Rn. 4). Er kann sich grds. nicht darauf berufen, dass das Vormundschaftsgericht die Handlung des Vormundes (Abwesenheitspflegers) genehmigt hat oder dieser auf Anregung des Vormundschaftsgerichtes gehandelt hat.

Die Erteilung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung nimmt dem Vormund nicht die Verpflichtung ab, das Rechtsgeschäft selbst auf Vorteile und Nachteile hin gewissenhaft zu prüfen, die es dem Mündel bringt oder nach den Erfahrungen des täglichen Lebens bringen kann. Er kann aber dann entlastet sein, wenn er nach der besondere Lage des Falles die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes für maßgebend und sie seiner Entschließung zugrunde legen durfte (Staudinger/Engler, a.a.O., § 1833, Rn. 15; Palandt/Götz, a.a.O., § 1833 Rn. 4 unter Berufung auf BGH FamRZ 1964, 199).

Vorliegend ist dem Beklagten jedenfalls leichte Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Er handelte zwar entsprechend dem Bestellungsbeschluss des Vormundschaftsgerichts, das den Verkauf auch genehmigt hat. Er hätte aber, jedenfalls unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten als Rechtsanwalt, selbst prüfen müssen und können, ob das Fürsorgebedürfnis für einen Verkauf vorlag und dem Abwesenden ohne einen Verkauf Nachteile drohten, die einen Eigentumsverlust rechtfertigten. Er hätte auch erkennen können, dass Grund für den Verkauf allein der Wunsch der Pächterin war, das Grundstück zu erwerben.

  1. c)Der Erbengemeinschaft ist ein Schaden i.H.v. 210.601,72 € entstanden. […]

 

  1. bb) Der Umfang der Ersatzpflicht des Abwesenheitspflegers richtet sich nach § 249 ff BGB. Der Geschädigte, hier die Erbengemeinschaft, ist so zu stellen, als ob das schädigende Ereignis, d.h. der Verkauf und damit der Eigentumsverlust nicht eingetreten wäre (§ 249 Abs. 1 BGB). Hätte der Beklagte das Grundstück nicht verkauft, wäre der eingetretene Wertzuwachs des Grundstücks der Erbengemeinschaft ungeschmälert zugeflossen. Zum ausgleichspflichtigen Schaden gehört damit der gesamte bis zur letzten mündlichen Verhandlung – dem aus prozessualen Gründen letztmöglichen Beurteilungszeitpunkt – eingetretene Wertzuwachs.

Der Schaden bemisst sich nach der Summe, den der Kläger im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht zur Beschaffung eines vergleichbaren Grundstücks hätte aufwenden müssen, also nach dem Verkehrswert des Grundstückes zu diesem Zeitpunkt (BGH, Urt. v. 12.07.1996 – V ZR 117/95, NJW 1996, 2652; vergl. auch BGH, Urt. v. 21.02.1974 – VII ZR 52/72, BeckRS 1974, 31125333). Im Falle einer Wertsteigerung bemisst sich der Schadensersatzanspruch nach dem derzeitigen Wert, wenn der Geschädigte das Recht heute noch hätte. Dies gilt auch dann, wenn eine Wiederherstellung (wie hier) nicht möglich ist (Palandt/Grüneberg, BGB, a.a.O., Vorb. vor § 249, Rn. 127; in: MünchKomm-BGB/Oetker, § 249 Rn. 311 ff.; BGH, NJW 1996, 2652 [BGH 12.07.1996 – V ZR 117/95]).

Der Beklagte und der Streithelfer können sich danach nicht darauf berufen, dass, da der Verkaufspreis dem damaligen Wert des Grundstücks entsprach, ein Schaden nicht eingetreten sei. Die Wertsteigerung gehört zum ersatzfähigen Schaden. Der Kläger macht entgegen der Auffassung des Beklagten nicht einen Anspruch auf entgangenen Gewinn nach § 252 BGB, bzw. eine bloße Gewinnerwartung geltend. Es handelt sich vielmehr um einen Anspruch aus § 251 Abs. 1 BGB, da die Wiederherstellung, d.h. die Rückübertragung des Grundstücks wegen des wirksamen Verkaufs nicht möglich ist. Der Beklagte hat der Erbengemeinschaft also die Differenz zwischen dem Wert des Vermögens, wie es sich ohne das schädigende Ereignis darstellen würde, und dem durch das schädigende Ereignis verminderten Wert zu ersetzen. (Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 251 Rn. 10). Dies entspricht auch den Grundsätzen des Schadenersatzrechtes. Grundregel ist die Naturalrestitution, d.h. geschuldet wäre nach § 249 BGB eigentlich die Rückgabe des Grundstückes in dem Zustand, in dem es sich jetzt befindet, also mit der im Laufe der Jahre eingetretenen Wertsteigerung. Dies muss sich auch im Anspruch aus § 251 Abs. 1 BGB widerspiegeln.

  1. cc) Der derzeitige Verkehrswert des verkauften Grundbesitzes zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung beläuft sich nach den Feststellungen im vom Senat eingeholten Gutachten des Gutachterausschusses für Grundstückswerte in Sachsen Anhalt beim Landesamt auf insgesamt 300.800,00 €. Diesen Feststellungen im insgesamt nachvollziehbaren und plausiblen Gutachten, die auch von keiner der Parteien in Frage gestellt worden sind, folgt der Senat. Sie können der weiteren Schadensberechnung zugrunde gelegt werden.
  2. dd) Abzuziehen von diesem Betrag ist der der Erbengemeinschaft bereits zugeflossenen Kaufpreis i.H.v. 77.716,37 € sowie die auf diesen Kaupreisanteil entfallenen Zinsen. Da auf dem Konto gleichzeitig der Pachtertrag aus den Vorjahren angelegt war (17.493,58 € zum Zeitpunkt 28.12.2001), der der Erbengemeinschaft unabhängig von dem hier streitgegenständlichen Verkauf zusteht, lassen sich die angefallenen Zinserträge allerdings nicht komplett dem Kaufpreis zuordnen. Der auf den Kaufpreis entfallende Anteil der Zinsen beträgt nach der insoweit nachvollziehbaren und plausiblen Berechnung des Klägers im Schriftsatz v. 12.01.2012, nach der 81,63 % der Zinsen den Kaupreisanteil betreffen, 11.746,75 €. Diese Berechnung, die der Beklagte und der Streithelfer nicht konkret angreifen, kann als Schätzgrundlage (287 ZPO) herangezogen werden.

Abzuziehen sind weiter die auf den Kaufpreis entfallenen Zinserträge, die seit dem 24.02.2011 erwirtschaftet wurden. […].

Nach Abzug der genannten Beträge ergibt sich ein ersatzfähiger Schaden i.H.v. 210.601,72 €.

  1. d) Der Anspruch ist auch nicht verjährt.

Die Verjährung des Anspruches richtet sich nach §§ 195, 199 BGB. Sie beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

Bei der Erbengemeinschaft kommt es grds. auf die Kenntnis aller Miterben an (Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 199, Rn. 26), wobei allerdings auch die Kenntnis des Wissensvertreters ausreichen kann, wenn diesem die Tatsachermittlung zur Durchsetzung eine Anspruchs übertragen worden ist.

Hier kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger, ein anderes Mitglied der Erbengemeinschaft oder gar alle Mitglieder vor dem Jahr 2010 die notwendige Kenntnis hatten.

Der Gläubiger muss die Kenntnisse kennen oder grob fahrlässig nicht kennen, die die Voraussetzung der anspruchsbegründenden Norm erfüllen (Palandt/Ellenberger, § 199, Rn. 28). Hierzu gehören bei Schadensersatzansprüchen die Pflichtverletzung, der Eintritt des Schadens und die Kenntnis von der eigenen Schadenbetroffenheit. Die Pflichtverletzung liegt vorliegend in dem Verkauf des Grundstückes im Jahr 2001. Hiervon hat nach dem hinreichend substantiierten Vortrag des Klägers der Oberstaatsanwalt Sp. als erstes Mitglied der Erbengemeinschaft erst im Jahr 2010 durch die von ihm angeforderten Unterlagen beim Grundbuchamt H. erfahren.

Dass die Erbengemeinschaft diese Kenntnis grob fahrlässig nicht bereits vorher hatte, lässt sich nicht feststellen.

Grob fahrlässig handelt der Gläubiger, wenn seine Unkenntnis darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen (Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 199 Rn. 39). Grobe Fahrlässigkeit liegt u.a. dann vor, wenn der Geschädigte, der sich die Kenntnisse in zumutbarer Weise ohne nennenswerte Mühe beschaffen könnte, die auf der Hand liegenden Erkenntnismöglichkeiten nicht ausnutzt.

Der Beklagte und der Streitverkündete werfen dem Kläger bzw. der Erbengemeinschaft insoweit vor, sie hätten zeitnah für eine Berichtigung des Grundbuches sorgen müssen, da der Erblasser bereits im Jahr 1947 verstorben sei. Es hätte sich auf aufgedrängt, bei der zuständigen Landwirtschaftsbehörde, dem Landkreis H., Nachforschungen über die Grundstücke anzustellen. Dann hätte man von der Verpachtung und der Anordnung der Abwesenheitspflegschaft erfahren.

Darin, dass der Kläger bzw. die Erbengemeinschaft dies nicht getan habe, liegt aber keine grobe Fahrlässigkeit im Hinblick auf die Kenntnis von der Pflichtverletzung und der Person des Schuldners.

Die Erbengemeinschaft hatte einen Grundbuchauszug, der den Erblasser als letzten eingetragenen Eigentümer auswies. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sie die Befürchtung haben musste, dass sich hieran etwas ändert. Es bestand auch keine Verpflichtung, die Erteilung eines Erbscheins zugunsten der Erbengemeinschaft zu forcieren, schon gar nicht, um den Abwesenheitspfleger vor unberechtigten Verfügungen über das Grundstück zu bewahren. Es gab auch keine Anzeichen dafür, dass bei dem AG Potsdam eine Abwesenheitspflegschaft mit dem Wirkungskreis „Verkauf” eingerichtet worden sein könnte, so dass die Erbengemeinschaft auch nicht gehalten war, hierüber Nachforschungen anzustellen. Sie konnte davon ausgehen, dass die Grundstücke nach wie vor zum Nachlass gehörten und sich an den Eigentumsverhältnissen nichts ändern würde.

Die im Jahr 2011 erhoben Klage hat demgemäß die Verjährung gehemmt. Dies gilt auch für die in der Berufungsinstanz erst im Jahr 2014 durch abschließende Bezifferung des endgültigen Schadens erfolgte Klageerweiterung. Insoweit war die Hemmung bereits durch die bezüglich des weitergehenden Schadens erhobene Feststellungklage – unabhängig vom Bestehen eines Feststellungsinteresses – gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, vergl. Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 204 Rn. 2, 5).

  1. e) Der Zinsanspruch beruht auf § 291, 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2, 91a, 101 Abs. 1 ZPO.

 

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