OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05. November 2014 – II-5 UF 71/14

August 4, 2020

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05. November 2014 – II-5 UF 71/14
Zugewinnausgleich: Bewertung von Vermögensgegenständen; Voraussetzungen einer zur Leistungsverweigerung berechtigenden unbilligen Härte
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der am 10. März 2014 verkündete Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Langenfeld unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Antragstellerin wird verpflichtet, an den Antragsgegner 120.125,26 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. Januar 2012 zu zahlen.
Im übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens erster Instanz und des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Wert des Beschwerdeverfahrens: bis 140.000 EUR.
Gründe
I.
Die Beteiligten heirateten am 18. Oktober 1995 und trennten sich Ende 2006. Der Scheidungsantrag der Antragstellerin ist dem Antragsgegner in dem Verfahren 42 F 134/07 vor dem Amtsgericht Langenfeld am 15. November 2007 zugestellt worden. Das Amtsgericht hat mit am 5. Dezember 2012 verkündeten Beschluss die Folgesache Zugewinnausgleich abgetrennt (dort Bl. 38). Mit weiterem am 5. Dezember 2012 verkündeten Beschluss hat es die Ehe der Beteiligten geschieden und festgestellt, dass der Versorgungsausgleich aufgrund der Ausschlussvereinbarung der Beteiligten nicht stattfindet (dort Bl. 41). Die Scheidung ist rechtskräftig seit dem 4. Januar 2012.
Im abgetrennten Zugewinnausgleichsverfahren hat der Antragsgegner zuletzt geltend gemacht, die Antragstellerin habe einen Zugewinn in Höhe von 264.366,46 EUR erzielt, während er keinen Zugewinn erzielt habe (Bl. 785 f.).
Er hat zuletzt beantragt,
die Antragstellerin zu verpflichten, an ihn 132.183,23 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. Januar 2012 zu zahlen.
Die Antragstellerin hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat Einwendungen gegen die Berechnung des Antragsgegners erhoben und sich für den Fall, dass ein Ausgleichsanspruch rechnerisch besteht, auf ein Leistungsverweigerungsrecht wegen grober Unbilligkeit berufen.
Das Amtsgericht hat zu verschiedenen Vermögenspositionen Beweis erhoben durch Einholung von Sachverständigengutachten. Mit am 10. März 2014 verkündeten Beschluss hat es den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Das Endvermögen der Antragstellerin betrage 345.523,36 EUR, das Anfangsvermögen 137.835,94 EUR, der Zugewinn mithin 207.687,42 EUR. Das Endvermögen des Antragsgegners betrage 2.087.558,80 EUR, das Anfangsvermögen 3.613.161,70 EUR, der Zugewinn mithin 0 EUR. Dem rechnerisch bestehenden Zugewinnausgleichanspruch in Höhe von 103.843,71 EUR könne die Antragstellerin jedoch das Leistungsverweigerungsrecht wegen unbilliger Härte aus § 1381 Abs. 1 BGB entgegenhalten. Denn bei Zahlung dieses Betrages wäre die Antragstellerin angesichts der verbleibenden Zinserträge und ihres geringen Renteneinkommens nicht in der Lage, einen Lebensstandard entsprechend den sehr guten ehelichen Lebensverhältnissen aufrechtzuerhalten.
Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde macht der Antragsgegner nunmehr noch geltend, der Zugewinn der Antragstellerin betrage 259.541,18 EUR, sein Ausgleichsanspruch mithin 129.770,59 EUR, weil die Bewertung der im Endvermögen der Antragstellerin befindlichen Grundstücke nicht nach dem geringeren, vom Sachverständigen ermittelten Verkehrswert, sondern nach dem – nach dem Stichtag – tatsächlich erzielten, höheren Kaufpreis zu erfolgen habe. Die Voraussetzungen eines Leistungsverweigerungsrechts nach § 1381 BGB lägen nicht vor.
Er beantragt,
abändernd die Antragstellerin zu verpflichten, an ihn 129.770,59 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. Januar 2012 zu zahlen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss.
II.
Die gemäß §§ 58 ff., 117 FamFG zulässige Beschwerde hat auch in der Sache überwiegend Erfolg.
Auf das Verfahren ist gemäß der Übergangsvorschrift des Art. 111 Abs. 5 FGG-Reformgesetz das seit dem 1. September 2009 geltende Recht anzuwenden, weil im Verbundverfahren am 31. August 2010 im ersten Rechtszug noch keine Endentscheidung erlassen war.
Der Antragsgegner hat gegen die Antragstellerin aus § 1378 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Zahlung von Zugewinnausgleich in Höhe von 120.125,26 EUR.
Bei der Ermittlung des Endvermögens der Antragstellerin ist für die Bewertung des verkauften unbebauten Hinterlands der Grundstücke sowie der Parzelle 73 auf den tatsächlich vereinbarten Kaufpreis abzustellen, nicht auf den vom Sachverständigen ermittelten Schätzwert. Auch unter Berücksichtigung der von der Antragstellerin vorgetragenen Umstände hat der Antragsgegner einen Zugewinn nicht erzielt. Die Voraussetzungen eines Leistungsverweigerungsrechts gemäß § 1381 BGB liegen nicht vor.
1. Zugewinn der Antragstellerin
Das vom Amtsgericht ermittelte Anfangs- und Endvermögen der Antragstellerin ist der Höhe nach unstreitig abgesehen vom Wert der Grundstücke und der Parzelle 73 im Endvermögen (Bl. 845 GA). Das Amtsgericht hat für die Berechnung des Endvermögens der Antragstellerin die vom Gutachterausschuss im Kreis M. ermittelten Verkehrswerte von 105.000 EUR für die Grundstücke und von 48.000 EUR für die Parzelle 73 zugrundegelegt. Dem folgt der Senat hinsichtlich der am 3. März 2008 veräußerten Grundstücke nicht.
a) Die Grundstücke H.-Str. 82 und 84 befanden sich je zur einen Hälfte im Eigentum der Schwester der Antragstellerin und zur anderen Hälfte im Eigentum der Erbengemeinschaft bestehend aus der Antragstellerin und ihrer Schwester, an der beide je hälftig beteiligt waren. Auf dem Hälfteanteil der Erbengemeinschaft lastete ein Nießbrauch. Die Grundstücke bestanden aus je einer vorderen bebauten und einer hinteren unbebauten Hälfte.
Der Gutachterausschuss im Kreis M. hat in seinem Gutachten vom 27. Juni 2012 (Bl. 481 GA) den Verkehrswert der vorderen bebauten Flächen auf 290.635 EUR, den Verkehrswert der hinteren unbebauten Flächen auf 292.016 EUR bestimmt (Bl. 28 f. des Gutachtens). Er hat den Hälfteanteil der Erbengemeinschaft an der vorderen bebauten Fläche von 145.317,50 EUR um den Wert des Nießbrauchs von 59.939 EUR sowie weitere wertbeeinflussende Umstände von 185 EUR auf 85.193,50 EUR gemindert. Hiervon entfiel die Hälfte auf die Antragstellerin, mithin 42.596,75 EUR. Vom Wert der hinteren unbebauten Fläche entfiel ¼ auf die Antragstellerin, mithin 73.004 EUR. Die Summe von 42.596,75 EUR + 73.004 EUR = 115.600,75 EUR hat der Gutachterausschuss um einen 10%igen Marktanpassungsabschlag auf 104.040,68 EUR, gerundet 105.000 EUR, reduziert (Bl. 30 des Gutachtens).
Die Parzelle 73 befand sich zu ¼ im Eigentum der Antragstellerin, zu ¾ im Eigentum der Schwester. Der Gutachterausschuss hat in seinem weiteren Gutachten vom 27. Juni 2012 (Bl. 483 GA) den Verkehrswert auf 190.275 EUR, den ¼-Anteil der Antragstellerin mithin auf 47.568,75 EUR, gerundet 48.000 EUR, bestimmt (S. 9 f. des Gutachtens).
An allen drei Grundstücken (und dem im Alleineigentum der Schwester befindlichen Grundstück ) bestand jedoch aufgrund notariellen Vertrags vom 28. Juni 2007 (Bl. 830 ff. GA) und Eintragungsbewilligung vom selben Tag ein auf den 31. Dezember 2008 befristetes Vorkaufsrecht zugunsten der F. M. GmbH. Diese kaufte mit notariellem Vertrag vom 3. März 2008 (Bl. 733 ff. GA) das unbebaute Hinterland der Grundstücke H.-Str. sowie die Parzelle 73 unter den in § 3 des Vertrags genannten Bedingungen (Rechtskraft des Bebauungsplans, Erschließungsvertrag, Bau- und Abbruchgenehmigungen), die eingetreten sind. Der Kaufpreis betrug gemäß § 5 Nr. 4 des Vertrags 578.162,10 EUR (Bl. 742 GA) zzgl. der sich aus der Endabrechnung der Erschließungskosten ergebenden weiteren 10.741,97 EUR (Bl. 826 GA), insgesamt 588.904,07 EUR. Hiervon entfiel nach § 6 Nr. 3 des Vertrags (Bl. 744 GA) ¼ auf die Antragstellerin, mithin 147.226,02 EUR.
b) Der Antragsgegner vertritt die Auffassung, dieser tatsächliche Kaufpreis sei statt des vom Gutachterausschuss ermittelten Verkehrswerts zugrundezulegen, da der Verkauf durch den Vorvertrag vor dem Stichtag schon vorbereitet gewesen und kurze Zeit nach dem Stichtag erfolgt sei. Diese Auffassung trifft zu. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Bewertung von Nachlassgegenständen muss sich die Bewertung von Nachlassgegenständen, die bald nach dem Erbfall veräußert worden sind, von außergewöhnlichen Verhältnissen abgesehen grundsätzlich an dem tatsächlich erzielten Kaufpreis orientieren, da Schätzungen des Verkaufswerts im Zeitpunkt des Erbfalls mit Unsicherheiten verbunden sind (vgl. BGH FamRZ 2011, 214; NJW-RR 1993, 834; NJW-RR 1993, 131; NJW 1982, 2497). Dies hat auch hier zu gelten, weil dem Sachverständigengutachten zum Stichtag dieselben Marktverhältnisse zugrundelagen wie dem späteren Kaufvertrag. Auch die Gutachter haben infolge des zum Stichtag bereits vorliegenden Bebauungsplanentwurfs angenommen, das nicht bebaute Hinterland der Grundstücke und die Parzelle 73 seien bereits als Rohbauland im allgemeinen Wohngebiet zu bewerten (Bl. 481 GA, S. 7 des Gutachtens, Bl. 483, S. 5 des Gutachtens). Sie haben auf dieser Grundlage einen Bodenwert von 365 EUR/m² als Ausgangswert für marktgerecht erachtet (Bl. 481, S. 18 des Gutachtens, Bl. 483, S. 7 des Gutachtens), den sie durch Abzüge für Erschließungs- und Infrastrukturkosten sowie für weitere wertbeeinflussende Umstände auf 225 EUR/m² reduziert haben (Bl. 481, S. 20 des Gutachtens, Bl. 483, S. 8 des Gutachtens), von denen sie weiterhin geschätzte Abbruchkosten von insgesamt 8.000 EUR (Bl. 481, S. 20 des Gutachtens, Bl. 483, S. 9 des Gutachtens) abgezogen haben. Tatsächlich hat die Antragstellerin bei den auch von den Gutachtern zugrundegelegten Verhältnissen einen höheren Kaufpreis erzielt; die Abweichung beruht allein auf den mit der gutachterlichen Schätzung verbundenen Unsicherheiten, so dass der tatsächlich erzielte Erlös für die Bewertung zum Stichtag maßgeblich ist.
Anzusetzen ist demnach der Veräußerungserlös von 147.226,02 EUR sowie für das nicht verkaufte bebaute Vorderland der Grundstücke der vom Gutachterausschuss ermittelte Betrag von 42.596,75 EUR, vermindert um den 10%igen Marktanpassungsabschlag, also 38.337,08 EUR. Soweit der Antragsgegner, der der Bewertung durch die Sachverständigen insoweit grundsätzlich folgt, einen höheren Verkehrswert dieser Fläche von 57.627,75 EUR errechnet (Bl. 783, 867 GA), beruht dies darauf, dass er nicht berücksichtigt, dass der Wert des Nießbrauchs nur vom Hälfteanteil der Erbengemeinschaft abzuziehen ist, wovon der Antragstellerin dann wiederum die Hälfte zusteht.
c) Insgesamt sind in das Endvermögen der Antragstellerin 185.563,10 EUR statt 153.000 EUR einzustellen. Das Endvermögen beträgt damit 378.086,46 EUR, der Zugewinn 378.086,46 EUR – 137.835,94 EUR = 240.250,52 EUR, der Zugewinnausgleichsanspruch 120.125,26 EUR.
2. Zugewinn des Antragsgegners
Das Amtsgericht hat zu Recht festgestellt, dass der Antragsgegner einen Zugewinn nicht erzielt hat. Die Berechnung des Anfangsvermögens mit 3.613.161,70 EUR ist im Beschwerdeverfahren unstreitig. Bezüglich des vom Amtsgericht mit 2.087.558,80 EUR festgestellten Endvermögens macht die Antragstellerin nur noch geltend, der Wert des Grundstücks in K. sei nicht mit dem vom Gutachterausschuss im Landkreis M. festgestellten Verkehrswert von 130.000 EUR (Bl. 367 GA), sondern mit dem Sachwert von 228.145 EUR (Bl. 390) zu berücksichtigen, und dem Endvermögen seien gemäß § 1375 Abs. 2 BGB weitere Vermögenswerte hinzuzurechnen, nämlich 69.024,40 EUR aufgrund einer Grundstücksschenkung an die Tochter aus erster Ehe, 240.000 EUR an verschwendeten Kosten für Lkw-Oldtimer, 375.000 EUR für das unter Wert veräußerte Ackergrundstück R. Straße und 67.500 EUR, weil er seit 2003/2004 eine Wohnung unvermietet gelassen habe, um darin Prostituierte empfangen zu können und diesen Geschenke gemacht habe (Bl. 945 ff., 491 GA). Das Amtsgericht hat betreffend das Grundstück in K. den vom Gutachterausschuss ermittelten Wert zugrundegelegt, im übrigen eine Zurechnung nach § 1375 Abs. 2 BGB verneint. Im Ergebnis kommt es darauf nicht an. Selbst wenn dem Endvermögen die Beträge von 228.145 EUR – 130.000 EUR = 98.145 EUR + 69.024,40 EUR + 240.000 EUR + 375.000 EUR + 67.500 EUR = 849.669,40 EUR hinzuzurechnen wären und dieses 2.937.228,20 EUR betragen würde, hätte der Antragsgegner keinen Zugewinn erzielt.
Soweit die Antragstellerin auf S. 17 ihres Schriftsatzes vom 13. Juni 2014 (Bl. 943 GA) weitere Vermögenswerte aufführt, veranlasst dies keine weitere Aufklärung. Die Antragstellerin hat sich auf diese Vermögenswerte schon erstinstanzlich mit Schriftsatz 7. November 2011 (Bl. 436 GA) berufen. Der Antragsgegner hat hierauf mit Schriftsatz vom 21. September 2012 (Bl. 511 GA) erwidert, lediglich die Beteiligung in Höhe von 105.000 EUR an der W. LB T. eingeräumt, die zur Vorerbschaft gehörte (Bl. 500 GA) und vom Amtsgericht im Endvermögen des Antragsgegners als Position 26 berücksichtigt ist (Bl. 712, 851 GA). Im übrigen hat er behauptet, die weiteren Vermögenswerte im Endvermögen nicht gehabt zu haben. Die Antragstellerin substantiiert ihren Vortrag auch in der Beschwerde nicht weiter, legt insbesondere die angeblich vorgefundenen Unterlagen nicht vor.
3. Unbillige Härte im Sinne des § 1381 BGB
Die Antragstellerin kann sich nicht auf ein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 1381 BGB berufen.
Nach § 1381 Abs. 1 BGB kann der Schuldner die Erfüllung der Ausgleichsforderung verweigern, soweit der Ausgleich des Zugewinns nach den Umständen des Falles grob unbillig wäre. Dabei ist es nicht Sinn der Vorschrift, die auf der Starrheit und dem Schematismus der gesetzlichen Regelung des Zugewinnausgleichs beruhenden Ergebnisse nach Billigkeitsmaßstäben zu korrigieren (vgl. Staudinger/Thiele, BGB, § 1381 Rdnr. 2; MünchKomm/Koch, BGB, § 1381 Rdnr. 2). Entscheidend ist, ob der nach den gesetzlichen Vorschriften ermittelte Zugewinnausgleich im Einzelfall den Sinn und den Gerechtigkeitsgehalt der Vermögensteilhabe unter Ehegatten grob verfehlt, dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widerspricht (vgl. BGH FamRZ 2014, 24; FamRZ 1992, 787).
a) Der Umstand allein, dass der Antragsgegner über ein wesentlich höheres Endvermögen verfügte als die Antragstellerin, macht den Zugewinnausgleich nicht in diesem Sinne unbillig. Die Höhe der bei Beendigung des Güterstands vorhandenen Vermögen der Ehegatten und deren Verhältnis zueinander ist grundsätzlich unbeachtlich. Für die Anwendung von § 1381 BGB ist auch bei größten Vermögensunterschieden kein Raum (vgl. Staudinger/Thiele a.a.O., Rdnr. 31).
b) Ebensowenig kommt es darauf an, dass der Zugewinn der Antragstellerin jedenfalls zum Teil – ohne Mitwirkung des Antragsgegners – auf der Wertsteigerung beruht, die die oben genannten Grundstücke dadurch erfahren haben, dass sie Bauland wurden. Durch den Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns soll sichergestellt werden, dass beide Ehegatten an dem, was während der Ehe erworben wurde, gerecht beteiligt werden. Dabei macht das Gesetz den Ausgleichsanspruch nicht von einer im Einzelfall festzustellenden Mitwirkung oder Mitarbeit des Ehegatten, der den Ausgleich rechnerisch beanspruchen kann, abhängig. Deswegen ist es im allgemeinen ohne Bedeutung, aus welchen Gründen und auf welche Weise ein Ehegatte den höheren Zugewinn erzielt hat (vgl. BGH FamRZ 2014, 24; FamRZ 2002, 606; FamRZ 1992, 787, FamRZ 1980, 877). Auch der Umstand, dass die Wertsteigerung aufgrund des Bebauungsplanentwurfs im Jahre 2007 und damit erst nach der Trennung der Beteiligten eintrat, rechtfertigt für sich genommen die Anwendung des § 1381 Abs. 1 BGB nicht. Nach § 1384 BGB fällt die Trennungszeit bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags in den Zeitraum, für den ein Zugewinnausgleich stattfindet. Vermögensänderungen, die in der Zeit zwischen Trennung und Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags eingetreten sind, sind deshalb in die Ausgleichsberechnung einzubeziehen (vgl. BGH FamRZ 2014, 24). Zwar kann bei der im Rahmen der Prüfung des § 1381 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Gesamtbetrachtung auch eine außergewöhnlich lange Trennungszeit und der Umstand, dass der ausgleichspflichtige Ehegatte sein Endvermögen erst nach der Trennung und ohne jeglichen inneren Bezug zu der ehelichen Lebensgemeinschaft erwirtschaftet hat, zu berücksichtigen sein (vgl. BGH FamRZ 2002, 606). Solche Umstände liegen aber hier nicht vor. Die Beteiligten lebten nach über 11jähriger ehelicher Gemeinschaft weniger als ein Jahr getrennt, als die Wertsteigerung eintrat, die im übrigen – anders als in dem entschiedenen Fall – nicht auf besonderen persönlichen Anstrengungen des Ausgleichspflichtigen während der Trennungszeit beruhte.
c) Zu Unrecht macht die Antragstellerin geltend, der Antragsgegner habe ihr gegenüber seine Unterhaltspflichten im Sinne von § 1381 Abs. 2 BGB über längere Zeit schuldhaft nicht erfüllt, weil er ab Januar 2007 zunächst keinen Trennungsunterhalt gezahlt habe. Er ist durch Urteil des Amtsgerichts Langenfeld vom 9. Oktober 2007 (Az. 42 F 36/07) zur Zahlung von Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich 1.000 EUR rückwirkend ab Januar 2007 verurteilt worden und hat dem unstreitig Folge geleistet. Unabhängig von der Frage, ob die Voraussetzungen des längeren Zeitraums und der Schuldhaftigkeit erfüllt sind, begründet die bloße zeitliche Verzögerung der Zahlung mangels erheblicher Störung des Gleichgewichts der beiderseitigen Pflichterfüllung (vgl. Staudinger/Thiele a.a.O., Rdnr. 11) die Einrede aus § 1381 BGB nicht. Denn weder hat die Antragstellerin hierdurch eine messbare wirtschaftliche Beeinträchtigung erlitten, noch hat der Antragsgegner sich dauerhaft einen unberechtigten Vermögensvorteil verschafft, der die zusätzliche Durchführung des ungeschmälerten Zugewinnausgleichs als grob unbillig erscheinen ließe.
d) Die Antragstellerin vermag sich im Rahmen des § 1381 BGB auch nicht auf Verschwendung von Vermögensgegenständen durch den Antragsgegner wie die Grundstücksschenkung an die Tochter aus erster Ehe, Aufwendung von Kosten für Lkw-Oldtimer, Veräußerung des Ackergrundstücks R. Straße unter Wert und Nichtvermietung einer Wohnung, um darin Prostituierte empfangen zu können, zu berufen. Allerdings können Umstände wirtschaftlicher Art, die für sich allein nicht die Voraussetzungen des § 1381 Abs. 2 BGB erfüllen, im Rahmen einer Gesamtwürdigung nach Abs. 1 mitberücksichtigt werden (vgl. BGH FamRZ 2002, 606). Inwiefern die mangelhafte Verwaltung des eigenen Vermögens ein Leistungsverweigerungsrecht des anderen Ehegatten nach § 1381 BGB begründen kann, ist in der Literatur streitig (bejahend etwa Staudinger/Thiele a.a.O., Rdnr. 13; MünchKomm/Koch a.a.O., Rdnr. 17; ablehnend Palandt/Brudermüller, BGB, § 1381 Rdnr. 16). Einigkeit besteht aber insoweit, als § 1381 BGB nicht anwendbar ist, wenn eine Vermögensminderung schon gemäß § 1375 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen ist (vgl. Staudinger/Thiele a.a.O., Rdnr. 16; MünchKomm/Koch a.a.O., Rdnr. 17; Palandt/Brudermüller a.a.O., Rdnr. 16; offen gelassen von BGH FamRZ 1992, 787). Hier hätte der Antragsgegner auch dann keinen Zugewinn erzielt, bestünde der Ausgleichsanspruch daher auch dann in voller Höhe, wenn die genannten Vermögenswerte seinem Endvermögen hinzugerechnet würden. Hat aber der Verlust dieser Vermögenswerte auf die Höhe des Zugewinnausgleichsanspruchs des Antragsgegners keinen Einfluss, so begründet er auch nicht dessen grobe Unbilligkeit.
e) Ein Leistungsverweigerungsrecht kommt auch nicht wegen schuldhafter Verletzung persönlicher Ehepflichten im Hinblick darauf in Betracht, dass die Antragstellerin behauptet, der Antragsgegner habe in der leerstehenden Wohnung Prostituierte empfangen. Die Verletzung persönlicher Verpflichtungen, die sich aus dem ehelichen Verhältnis ergeben, kann für sich allein das Leistungsverweigerungsrecht nicht begründen. Hinzukommen müssen weitere Umstände, etwa dass durch die Eheverfehlung die wirtschaftlichen Verhältnisse beeinträchtigt worden sind (vgl. Staudinger/Thiele a.a.O, Rdnr. 21; MünchKomm/Koch a.a.O., Rdnr. 30). Das ist hier – unterstellt, der Vortrag der Antragstellerin trifft zu – nicht der Fall, während der Ehe aufgrund der sehr guten finanziellen Verhältnisse nicht und im Rahmen des Zugewinnausgleichs nicht, weil auch bei Hinzurechnung der Antragsgegner einen Zugewinn nicht erzielt hat. Soweit die Rechtsprechung auch bei persönlichen Eheverfehlungen ohne wirtschaftliche Relevanz im Ausnahmefall ein Leistungsverweigerungsrecht bejaht (vgl. die Nachweise bei MünchKomm/Koch a.a.O. Rdnr. 32 Fn 39), ist die erforderliche Schwere hier nicht erreicht. Denn die Antragstellerin trägt nicht vor, dass die Ehegemeinschaft aufgrund dieser Verfehlung des Antragsgegners nachhaltig gestört oder zerstört worden sei (vgl. OLG Bamberg FamRZ 1990, 408; OLG Düsseldorf FamRZ 1981, 262). Auch wird im Rahmen der Abwägung nach § 1381 BGB die persönliche Verfehlung dadurch aufgewogen, dass der Antragsgegner zugunsten der Antragstellerin Vermögen gebildet hat (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 2009, 1068), indem er den Kaufpreis von 1.095.968,98 DM für das Hausgrundstück in L., das die Beteiligten als Ehewohnung zu jeweils hälftigem Miteigentum erwarben, in Höhe von 545.968 DM aus eigenen Mitteln zahlte und den Zins- und Tilgungsdienst für den finanzierten Kaufpreisanteil in Höhe von 550.000 DM allein übernahm.
f) Schließlich können die wirtschaftlichen Verhältnisse des Ausgleichsschuldners Berücksichtigung finden und zu einer Stundung gemäß § 1382 BGB oder – falls diese nicht ausreicht – zu einem Leistungsverweigerungsrecht nach § 1381 BGB führen, wenn der Ausgleichsschuldner bei sofortiger vollständiger Zahlung der Ausgleichsforderung in seiner Existenz gefährdet würde. Einem ausgleichspflichtigen Ehegatten, dessen unterhaltsrechtliche Versorgungslage durch den Zugewinnausgleich auf Dauer in Frage gestellt würde, kann das Überschreiten einer solchen Opfergrenze jedenfalls dann nicht zugemutet werden, wenn die unterhaltsrechtliche Versorgungslage des Gläubigers auch bei Nichterfüllung der Ausgleichsforderung ungefährdet bleibt (vgl. BGH FamRZ 1992, 787). Solches ist etwa dann angenommen worden, wenn der Ausgleichspflichtige mangels anderweitiger Einkommensmöglichkeiten darauf angewiesen ist, seinen Unterhalt aus der Nutzung seines Kapitals zu decken (vgl. BGH NJW 1973, 749), oder wenn der Zugewinn des erwerbsunfähigen Ausgleichspflichtigen allein in der Wertsteigerung eines vom ihm bewohnten Grundstücks besteht, das er veräußern müsste, um den Ausgleichsanspruch des anderen Ehegatten zu befriedigen, der über geregeltes Einkommen verfügt (OLG Schleswig NJW-RR 1998, 1225)
Diese Voraussetzungen, auf die das Amtsgericht das Leistungsverweigerungsrecht der Antragstellerin maßgeblich gestützt hat, hat die Antragstellerin nicht vorgetragen, so dass weder eine Stundung der Ausgleichsforderung noch ein Leistungsverweigerungsrecht in Betracht kommen. Dabei sind für die Frage, ob die Zahlung der Ausgleichsforderung die Antragstellerin in existentielle Bedrängnis bringen würde, in zeitlicher Hinsicht nach der Rechtsprechung nicht nur solche Umstände bedeutsam, die bis zur Zustellung des Scheidungsantrags oder der Rechtskraft der Scheidung vorliegen, sondern auch spätere Umstände, also solche bis zur letzten mündlichen Verhandlung (vgl. BGH NJW 1970, 1600; NJW 1973, 749; OLG Köln FamRZ 2009, 1070). Daran ist trotz der Kritik in der Literatur (vgl. MünchKomm/Koch a.a.O. Rdnr. 26 f.; Palandt/Brudermüller a.a.O., Rdnr. 6) festzuhalten. Es ist nicht ersichtlich, warum es unbillig sein sollte, eine rechnerisch gegebene Ausgleichsforderung zu erfüllen, wenn dies dem Ausgleichspflichtigen zwar bei Zustellung des Scheidungsantrags oder Rechtskraft der Scheidung nur unter Inkaufnahme der Existenzgefährdung, jetzt aber unschwer möglich wäre. Ebenso muss es dem Ausgleichsschuldner möglich sein, sich wegen außergewöhnlicher Umstände heute auf die Unbilligkeit einer Zahlung zu berufen, die er zu früheren Zeitpunkten noch hätte erbringen können.
Dass die Zahlung der Ausgleichsforderung heute eine unzumutbare Härte für die Antragstellerin bedeuten würde, insbesondere deshalb, weil sie auf ihr gesamtes Kapital angewiesen sei, um daraus ihren Unterhalt zu bestreiten, hat diese nicht dargetan. Der Unterhaltsbedarf der Antragstellerin beträgt nach den Feststellungen des Amtsgerichts Langenfeld im Trennungsunterhaltsverfahren 42 F 36/07 (dort Bl. 189) wie im Abänderungsverfahren 42 F 50/10 (dort Bl. 112) monatlich 1.900 EUR. Diesen deckt sie durch monatliche Renteneinnahmen in Höhe von 834,79 EUR netto (dort Bl. 6) sowie durch monatliche Unterhaltszahlungen des Antragsgegners von 142 EUR, insgesamt 976,79 EUR, sowie durch Zinseinnahmen aus ihrem Kapital, das zum einen aus dem Erlös der Veräußerung der Ehewohnung in Höhe von 192.700 EUR abzgl. des Kaufpreises für die neue Eigentumswohnung von 125.000 EUR, zum anderen aus dem Erlös des Verkaufs der Grundstücke sowie der Parzelle 73 in Höhe von letztendlich 194.000 EUR (Bl. 868 GA) besteht. Die Antragstellerin erzielte im Jahr 2009 Kapitaleinkünfte in Höhe von 10.614 EUR brutto (Bl. 887 GA). Diese würden sich zwar bei einer Ausgleichszahlung von rund 120.000 EUR reduzieren, allerdings nicht mit der Folge einer Existenzgefährdung. Denn die Antragstellerin ist nach dem Tod ihres Vaters am 1. Juli 2012 und dem Fortfall von dessen Nießbrauchsrecht an den Grundstücken neben ihrer Schwester zu ¼ an den Mieteinnahmen berechtigt und hat ihren Vater zudem beerbt. Die Antragstellerin selbst hat die Mieteinnahmen mit jährlich durchschnittlich 51.041,25 EUR angegeben, wovon ¼ = 12.760,31 EUR, d.h. monatlich 1.063,36 EUR, auf sie entfallen (Bl. 880 ff. GA). Soweit sie nunmehr behauptet, sie erhalte monatlich nur 400 EUR, weil eine darlehensfinanzierte Sanierung erforderlich gewesen sei (Bl. 934 GA), ist das ohne weitere Darstellung von Art und Umfang der Arbeiten und des Finanzierungsaufwands und ohne Vorlage von Unterlagen unsubstantiiert, worauf der Antragsteller bereits hingewiesen hat (Bl. 1008 GA), im übrigen unbeachtlich, weil auch Einnahmen von monatlich nur 400 EUR den Verlust der Zinseinnahmen bei Zahlung einer Ausgleichsforderung von 120.000 EUR noch übersteigen. Denn aus einem Kapital von 120.000 EUR lassen sich bei 3%iger Verzinsung monatlich nur 300 EUR erzielen. Zudem hat die Antragstellerin ihren Vater beerbt, jedoch trotz Hinweises des Antragsgegners (Bl. 1009 GA) zur Höhe der Erbschaft nicht vorgetragen, so dass die Feststellung, die Antragstellerin sei zur Sicherung ihres Unterhalts auf ihr Kapital angewiesen und könne daher daraus die Zugewinnausgleichsforderung nicht ohne eigene Existenzgefährdung zahlen, nicht getroffen werden kann.
4. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 150 Abs. 1 und 5 FamFG. Die Vorschrift ist entgegen der im Schriftsatz des Antragsgegners vom 3. November 2014 vertretenen Auffassung anwendbar, Art. 111 Abs. 5 FGG-Reformgesetz. Die Kostenverteilung nach der Regel des § 150 Abs. 1 FamFG erscheint im Hinblick auf die Vermögensverhältnisse der Beteiligten und die Schwierigkeit der im Rahmen von § 1381 BGB vorzunehmenden Abwägungen nicht unbillig im Sinne von § 150 Abs. 3 FamFG.
6. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor.

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