OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31.10.2011 – I-24 W 99/11

August 25, 2020

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31.10.2011 – I-24 W 99/11

Tenor

Auf die Beschwerde der Kläger wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal -Rechtspflegerin- vom 19. August 2011 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Auf Grund des Beschlusses der 3. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 1. August 2011 sind von den Klägern als Gesamtschuldnern 224,91 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17. August 2011 an die unbekannten Erben des früheren Beklagten zu erstatten.

Das weitergehende Kostenfestsetzungsgesuch wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die unbekannten Erben des Beklagten als Gesamthandschuldner.

Beschwerdewert: 345,58 EUR
Gründe

I.

Der Beklagte ist am 11. Februar 2011 verstorben. Die Kläger beantragten gegen ihn am 24. Februar den Erlass eines Mahnbescheids über 5.275,86 EUR nebst Zinsen und Kosten. Nachdem der Mahnbescheid am 4. März 2011 nicht durch Übergabe möglich war, hat der Postbedienstete den Mahnbescheid in den zur Wohnung des verstorbenen Beklagten (im folgenden: Beklagter) gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt. Am 15. März 2011 haben die Prozessbevollmächtigten des Beklagten „namens und im Auftrage des Antragsgegners“ gegen den Mahnbescheid Widerspruch eingelegt, ohne auf das Ableben ihres Mandanten hinzuweisen.

Die Kläger zahlten auf Anforderung des Mahngerichts (Amtsgericht Hagen) die weiteren Kosten des Verfahrens ein. Dann wurde der Rechtsstreit zur Durchführung des streitigen Verfahrens an das Landgericht Wuppertal abgegeben. Nachdem die Kläger den geltend gemachten Anspruch begründet hatten, teilten die Prozessbevollmächtigten des Beklagten mit, dass dieser „mittlerweile“ verstorben sei und das Verfahren unterbrochen sei. Erst mit Schriftsatz vom 16. Mai 2011 offenbarten die Prozessbevollmächtigten des Beklagten dessen Todesdatum.

Nachdem die Kläger die Klage zurückgenommen hatten, hat ihnen das Landgericht die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Die Prozessbevollmächtigten des Beklagten haben 570,49 EUR, davon 224,91 EUR für das Mahnverfahren und 345,58 EUR für das streitige Verfahren, zuzüglich Prozesszinsen zur Festsetzung angemeldet. Durch den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss hat das Landgericht – Rechtspflegerin – dem Kostenfestsetzungsantrag gemäß angeordnet, die Kläger hätten den geltend gemachten Betrag in vollem Umfang „an den Beklagten“ zu erstatten.

Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Kläger mit dem Ziel einer Ermäßigung um 345,58 EUR, den Kosten des streitigen Verfahrens. Sie machen geltend, diese Kosten seien nicht notwendig gewesen. Hätten die Prozessbevollmächtigten des Beklagten im Mahnverfahren den Tod ihres Mandanten angezeigt, hätten sie weitere Gebühren nicht eingezahlt und die Abgabe des Verfahrens an das Landgericht Wuppertal wäre unterblieben. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht vorgelegt.

II.

Die gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 567 Abs. 1, 568 Abs. 1 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Zugunsten der Kläger ist der Kostenfestsetzungsbeschluss auf 224,91 EUR herabzusetzen, weil die unbekannten Erben des Beklagten die Kosten ihrer Prozessbevollmächtigten im streitigen Verfahren nicht erstattet verlangen können.

1.

Die für „den Beklagten“ – tatsächlich und rechtlich für die unbekannten Erben – geltend gemachten Anwaltsgebühren sind nicht als notwendige Kosten im Sinne von § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO anzuerkennen.

a) Schon der Mahnbescheid war von Anfang an gegen eine nicht existente Partei, den vor der Antragstellung verstorbenen Beklagten gerichtet. Dieser konnte deshalb Prozesshandlungen nicht mehr vornehmen, insbesondere nicht einen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung beauftragen. Anwaltskosten konnten ihm deshalb nicht entstehen. Das Mahngericht hätte den Antrag auf Erlass des Mahnbescheids in Kenntnis der fehlenden Existenz des Beklagten als unzulässig abweisen müssen (vgl. zur Klage BGHZ 24, 91 = NJW 1957, 989). Der gegen eine vor Beginn des Mahnverfahrens verstorbene Partei erwirkte Mahnbescheid ist wirkungslos (vgl. zum Urteil gegen eine nicht existente Partei BGH WM 2000, 260; MDR 1959, 121; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., Vor § 50 Rn. 11). Dass seine Prozessbevollmächtigten hier Widerspruch eingelegt haben, beruhte auf der ihnen zu Lebzeiten erteilten Vollmacht, die ihre Wirkung gemäß § 86 ZPO auch nach dem Tode des Beklagten behielt. Ob der Beklagte auch schon einen Prozessauftrag erteilt hatte, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn die Verpflichtung, die Kosten des Mahnverfahrens zu erstatten, nehmen die Kläger hin.

b) Die Kosten des streitigen Verfahrens waren hier jedoch nicht notwendig. Allerdings ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die nicht existente Partei in einem gegen sie angestrengten Prozess insoweit als parteifähig zu behandeln ist, als sie ihre fehlende Existenz geltend macht (allg. M.; BGH NJW 2008, 528; NJW-RR 2004, 1505; BGH NJW 1993, 2943 [2944]; BGHZ 24, 91 [94] = NJW 1957, 989; Senat RuS 2009, 42). Durch diese Fiktion soll erreicht werden, dass die Partei die Frage ihrer Existenz klären lassen kann. Dabei handelt es sich aber regelmäßig um juristische Personen.

Nach überwiegender Auffassung in der Rechtsprechung gilt die im Prozess fingierte begrenzte Parteifähigkeit der nicht existenten Partei auch für das sich anschließende Kostenfestsetzungsverfahren und berechtigt die nicht existente Partei, einen Antrag auf Kostenfestsetzung zu stellen. Dessen Gegenstand sind die Aufwendungen, die dem Dritten, der für die nicht existente Partei in einem für zulässig erachteten Verfahren tätig wurde, entstanden sind (BGH NJW 2008, 528; Senat aaO. m.w.N.). Zu Gunsten der nicht existenten Partei kann daher ein Kostenfestsetzungsbeschluss erlassen werden, in dem die Aufwendungen desjenigen zu berücksichtigen sind, der für die nicht existente Partei einen Rechtsanwalt beauftragt hat (BGH NJW-RR 2004, 1505).

c)

So liegen die Dinge hier indessen nicht. Die fehlende Existenz des Beklagten im vorausgegangenen Rechtsstreit war niemals streitig, sondern den Klägern bis zu der Offenbarung durch die Prozessbevollmächtigten des Beklagten unbekannt geblieben. Das Risiko, eine nicht mehr lebende Partei verklagt zu haben, trägt hinsichtlich der Kosten der Kläger als Veranlasser des Verfahrens. Das ziehen die Kläger grundsätzlich auch nicht in Zweifel. Sie beanstanden nur den Umfang der von ihnen zu erstattenden Kosten, weil sie erst sehr spät vom Tode des Beklagten erfahren haben. Damit haben sie recht.

Im vorliegenden Fall haben die unbekannten Erben des Beklagten unnötig die Kosten ihrer Prozessbevollmächtigten im streitigen Verfahren entstehen lassen. Zwar haben sie, nachdem ihnen die Anspruchsbegründung mit der Ladung zum Verhandlungstermin zugestellt worden war, mitgeteilt, der Beklagte sei „mittlerweile“ verstorben, aber erst im weiteren Verlauf des Rechtsstreits vorgetragen, der Todestag sei der 11. Februar 2011 gewesen. Hätten die Prozessbevollmächtigten dieses Datum schon in dem Widerspruch gegen den Mahnbescheid angegeben, hätte sich das Verfahren auf Veranlassung der Kläger sofort erledigt. Denn sie weisen zu Recht darauf hin, dass es sinnlos gewesen wäre, das Verfahren gegen den vor Anhängigkeit des Mahnverfahrens verstorbenen Beklagten fortzusetzen, weil der gegen eine vor Beginn des Mahnverfahrens verstorbene Partei erwirkte Mahnbescheid keine Wirkungen entfaltet. Dieser Fall liegt auch vor, wenn die Klage gegen eine schon verstorbene Partei erhoben wird. Die Klage gegen eine verstorbene natürliche Person ist nicht als gegen die Erben gerichtet auszulegen (BGH WM 2000, 260 m.w.N.; Zöller/Vollkommer aaO: Rn. 12).

Die Prozessbevollmächtigten können den Widerspruch gegen den Mahnbescheid auch nicht ohne Mitwirkung des Empfängers des Mahnbescheides eingelegt haben. Denn dessen Zustellung erfolgte nicht an sie selbst. Darauf haben die Kläger zu Recht hingewiesen. So kann ihnen der durch Einwurf in den Briefkasten oder eine entsprechende Einrichtung zugestellte Mahnbescheid nur von einer dritten Person, nicht mehr von dem Beklagten selbst überlassen worden sein, weil dieser bei Zustellung am 1. März 2011 nicht mehr lebte. Entsprechendes gilt, wenn die Prozessbevollmächtigten telefonisch vom Eingang des Mahnbescheids unterrichtet und um den notwendigen rechtlichen Beistand gebeten worden sein sollten. Dass ihnen der Tod des Beklagten bei dieser Gelegenheit verborgen geblieben ist, behaupten die Prozessbevollmächtigten namens der unbekannten Erben auch gar nicht. Sie berufen sich auf die – formal ausreichende – Vollmacht. Diese ist aber für die Frage, ob die Entstehung weiterer Rechtsanwaltskosten notwendig war, ohne Bedeutung.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

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