OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.05.2019 – 16 U 102/18

Juli 22, 2020

OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.05.2019 – 16 U 102/18

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 11. Juli 2018 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Kläger ab seiner Widerrufserklärung vom 12. Juli 2017 aus dem mit der Beklagten zwecks Finanzierung des Fahrzeugs des Herstellers: Citroen, Modell/Typ: Berlingo, Fahrgestell-Nr.: …, abgeschlossenen Darlehensvertrag zu der Darlehensvertrags-Nr.: … weder Zins- noch Tilgungsleistungen gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB schuldet.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 2.592,48 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen nach Herausgabe des Fahrzeugs des Herstellers: Citroen, Modell/Typ: Berlingo, Fahrgestell-Nr.: …, nebst Fahrzeugschlüsseln und Fahrzeugpapieren durch den Kläger an die Beklagte.

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs des Herstellers: Citroen, Modell/Typ: Berlingo, Fahrgestell-Nr.: … in Verzug befindet.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 70 % und die Beklagte zu 30 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe

I.

Auf die Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 313a ZPO verzichtet.

II.

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

A.

Die Zulässigkeit der Klage begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

1.

Die mit dem Klageantrag zu Ziffer 1) begehrte Feststellung, dass der Kläger keine weiteren Zins- und Tilgungsleistungen nach Widerruf schuldet, stellt sich als negative Feststellungsklage dar. Das Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO ist gegeben. Der Kläger verfolgt ein zulässiges Feststellungsziel nach Darlehenswiderruf, da die Beklagte sich berühmt, aufgrund des wirksamen Darlehensvertrages weiter Zins- und Tilgungsleistungen fordern zu können (siehe dazu BGH, Urteil vom 16. Mai 2017, Az.: XI ZR 586/15, zitiert nach juris, Rn. 13; Urteil vom 4. Juli 2017, Az.: XI ZR 741/16, zitiert nach juris, Rn. 16).

Das Feststellungsinteresse betreffend den Klageantrag zu Ziffer 1) besteht unabhängig davon fort, dass das Gericht für die Entscheidung über den Klageantrag zu Ziffer 2), mit dem ein Anspruch aus dem Rückgewährschuldverhältnis geltend gemacht wird, die Wirksamkeit des Widerrufs zu prüfen hat. Die Ausführungen hierzu erwachsen nicht in Rechtskraft, weil es sich lediglich um ein Begründungselement handelt (vgl. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 32. Auflage, vor § 322 Rn. 31 mit weiteren Nachweisen). Auch wenn das Gericht den Widerruf für wirksam erachtet, ist die Beklagte durch die Entscheidung über den Klageantrag zu Ziffer 3) nicht daran gehindert, weiterhin Ansprüche aus dem Darlehensvertrag gerichtlich geltend zu machen. Erfolgt aber die mit dem Klageantrag zu Ziffer 1) begehrte Feststellung, sind diese Ansprüche aberkannt.

2.

Auch der Klageantrag zu Ziffer 3) ist zulässig. Dies gilt, obwohl der Kläger ausweislich seines Klageantrages zu Ziffer 2) keine Zugum-Zug-Verurteilung erstrebt. Die Zulässigkeit eines Antrages, gerichtet auf die Feststellung, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug befindet, ist auch dann anerkannt, wenn er – wie hier – im Zusammenhang mit einem Antrag auf Leistung nach Empfang der Gegenleistung steht. Weil eine solche Verurteilung in der Vollstreckung gemäß § 322 Abs. 3 BGB einer Verurteilung auf Leistung Zugum-Zug gleichsteht (siehe dazu BGH, Urteil vom 13. Dezember 2001, Az.: VII ZR 27/00, zitiert nach juris, Rn. 14), besteht auch insoweit ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers, die Zwangsvollstreckung zu erleichtern und unabhängig von der Gegenleistung durch Vorlage des Titels über den Annahmeverzug betreiben zu können.

B.

In der Sache hat die Klage nur in dem aus dem Tenor ersichtlichem Umfang Erfolg.

1.

Entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung hat der Kläger den streitgegenständlichen Darlehensvertrag mit Erklärung vom 12. Juli 2017 wirksam widerrufen.

1.1.

Dem Kläger stand im Hinblick auf den mit der Beklagten im Oktober 2014 abgeschlossenen Verbraucherdarlehensvertrag ein Widerrufsrecht gemäß §§ 495 Abs. 1, 355 Abs. 1 BGB zu. Es finden das BGB und das Einführungsgesetz zum BGB in der ab dem 13. Juni 2014 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.) Anwendung.

1.2.

Bei Bestehen eines Widerrufsrechts gemäß § 495 Abs. 1 BGB a.F. läuft dieses Widerrufsrecht gemäß § 355 Abs. 1 BGB a.F. für vierzehn Tage ab Vertragsschluss. Bei einem Verbraucherdarlehensvertrag beginnt die Widerrufsfrist gemäß § 356b Abs. 2 Satz 1 BGB nicht zu laufen, bevor der Verbraucher ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht informiert wurde und ihm die Pflichtangaben zum Darlehensvertrag gemäß § 492 Abs. 2 BGB a.F. in Verbindung mit Art. 247, §§ 6-13 EGBGB erteilt worden sind.

Im Streitfall ist die Widerrufsfrist gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. nicht angelaufen, weil dem Kläger die erforderlichen Angaben zu der für den Darlehensgeber zuständigen Aufsichtsbehörde gemäß Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGBGB a.F. nicht ordnungsgemäß erteilt wurden. Die für die Beklagte zuständige Aufsichtsbehörde wird an keiner Stelle des Darlehensvertrages angegeben. Unerheblich ist, dass der Kläger die fehlende Angabe der Aufsichtsbehörde erstmals im Rahmen des Berufungsverfahrens rügt, denn die Einhaltung der Pflichtangaben gemäß Art. 247, §§ 6-13 EGBGB ist auch ohne entsprechende Rüge von Amts zu prüfen. Ob weitere Pflichtangaben unzureichend sind, wie von dem Kläger beanstandet, bedarf keiner Entscheidung.

2.

Rechtsfolge der fehlenden Angabe der Aufsichtsbehörde ist nach § 494 Abs. 6 Satz 1 BGB a.F. ein jederzeitiges Kündigungsrecht des Klägers als Darlehensnehmer. Rechtsfolge des vom Kläger erklärten Widerrufs ist das Erlöschen der Primärpflichten aus dem Darlehensvertrag mit der Folge, dass der Klageantrag zu Ziffer 1) begründet ist.

3.

Gemäß § 358 Abs. 2 BGB lässt der wirksame Widerruf des Klägers nicht nur die Bindung an den mit der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrag, sondern auch die Bindung an den verbundenen Kfz-Kaufvertrag entfallen und zwar unabhängig davon, ob Letzterer widerruflich ist oder nicht; es kommt zum gesetzlich angeordneten Widerrufsdurchgriff (siehe dazu Habersack, in: Münchner Kommentar, BGB, 7. Auflage, § 358 Rn. 1 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Ist – wie hier – die Darlehensvaluta dem Kfz-Verkäufer bei Wirksamwerden des Widerrufs bereits zugeflossen, kommt es gemäß § 358 Abs. 4 Satz 3 BGB a.F. zu einer bilateralen Rückabwicklung im Verhältnis zwischen Verbraucher und Darlehensgeber (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 2017, Az.: II ZR 179/16, zitiert nach juris, Rn. 18). Die Bank tritt also hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs in die Rechte und Pflichten des Verkäufers aus dem finanzierten Kaufvertrag ein und wird im Abwicklungsverhältnis folglich auch in Bezug auf den verbundenen Vertrag sowohl alleiniger Schuldner als auch Gläubiger des Verbrauchers (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 2017, Az.: II ZR 179/16, zitiert nach juris, Rn. 18; Urteil vom 10. März 2009, Az.: XI ZR 33/08, zitiert nach juris, Rn. 14).

3.1.

Danach hat der Kläger gegen die Beklagte nach dem Widerruf einen Anspruch auf Rückzahlung in Höhe von 9.404,48 €.

Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass der Kläger bis zur Erklärung des Widerrufs 32 Monatsraten in Höhe von jeweils 293,89 €, insgesamt also 9.404,48 €, gezahlt hat. Die nach Widerruf gezahlten Raten kann der Kläger zwar nach § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB verlangen, da die Zahlungen mangels fortbestehenden Darlehensvertrages ohne rechtlichen Grund erfolgt sind. Weitere, nach Widerruf gezahlte Raten sind aber nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits, denn der Kläger verlangt mit vorliegender Klage – wie sich aus seinen Ausführungen auf Seite 4 der Klageschrift vom 2. Februar 2018 und auf Seite 4 der Berufungsbegründung vom 12. September 2018 ergibt – lediglich die Rückzahlung der bis zum Widerruf erbrachten Monatsraten. Dementsprechend geht der Kläger von einem Rückzahlungsanspruch in Höhe von 9.404,48 € aus und bringt davon vereinbarte Zinsen in Höhe von 1.557,62 € in Abzug (siehe Seite 13 der Berufungsbegründung vom 12. September 2018), so dass sich – rechnerisch richtig – der mit dem Klageantrag zu Ziffer 2) geltend gemachte Betrag in Höhe von 7.846,86 € ergibt. Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 24. Mai 2019 darauf hingewiesen, dass von dem Klageantrag zu Ziffer 2. bislang lediglich die bis zur Erklärung des Widerrufs erbrachten Monatsraten erfasst sind, obwohl der Kläger – dem Vorbringen der Beklagten mit Schriftsatz vom 18. April 2019 zufolge – nach Widerruf weitere Monatsraten geleistet hat. Dieser Hinweis hat dem Prozessbevollmächtigten des Klägers indessen keine Veranlassung gegeben, den Klageantrag zu Ziffer 2) der Höhe nach anzupassen mit der Folge, dass der Senat gemäß § 308 ZPO nicht befugt ist, dem Kläger etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist.

3.2.

Von dem Rückzahlungsanspruch des Klägers in Höhe von 9.404,48 € sind Zinsen in Höhe von 1.557,62 € in Abzug zu bringen.

a. Der Bank steht – in der Rolle des Verkäufers – ein Anspruch auf Rückgabe des Fahrzeugs und Übertragung des Eigentums an dem Fahrzeug zu. Dieser Anspruch tritt dabei an die Stelle der Rückzahlung der Darlehensvaluta, denn aufgrund des gesetzlich angeordneten Eintritts der Bank in die Rechte und Pflichten des Verkäufers wird der Anspruch auf Rückzahlung der Darlehensvaluta mit dem Anspruch des Verbrauches gegen die Bank auf Rückzahlung des geleisteten Entgelts, also des Kaufpreises für das Fahrzeug, kraft Gesetzes saldiert (so Habersack, in: Münchner Kommentar, BGB, 7. Auflage, § 358 Rn. 84). Ferner steht der Bank beim Widerruf des Darlehens durch den Verbraucher gemäß §§ 355 Abs. 3, 357a Abs. 1 BGB a.F. ein Anspruch auf den vertraglich vereinbarten Sollzins zu. Der Zinsanspruch besteht gemäß § 357a Abs. 3 Satz 1 BGB für den Zeitraum zwischen der Auszahlung der Darlehensvaluta bis zum Widerruf des Darlehens. Liegt – wie hier – ein verbundener Vertrag im Sinne des § 358 Abs. 3 Satz 1 BGB a.F. vor, tritt an die Stelle der Rückzahlung des Darlehens der Zeitpunkt des Widerrufs. Der den Darlehensvertrag widerrufende Verbraucher schuldet nämlich keine Rückzahlung; vielmehr wird dieser Anspruch des Darlehensgebers mit dem Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises saldiert, indem der Darlehensgeber gemäß § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB im Verhältnis zum Verbraucher in die Rechtsposition des Verkäufers eintritt (vgl. BGH, Urteil vom 3. März 2016, Az.: XI ZR 132/15, zitiert nach juris, Rn. 15; Habersack, in: Münchner Kommentar, BGB, 7. Auflage, § 358 Rn. 84; Herresthal, in: Staudinger, BGB Neubearbeitung 2016, § 358 Rn. 199).

b. Zur Höhe des Geschuldeten hat der Kläger – abweichend von Vorbringen in erster Instanz – vorgetragen, der Beklagten stünden vertraglich vereinbarte Zinsen in Höhe 1.557,62 € zu. Da nach den allgemeinen Grundsätzen des Zivilprozesses die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig für die Höhe des ihr zustehenden Zinsanspruches ist und sie dem zweitinstanzlichen Vortrag des Klägers nicht entgegen getreten ist, ist anzunehmen, dass sie sich keines weitergehenden Zinsanspruches berühmt. Die Beklagte hat die Aufrechnung erklärt mit ihrem Anspruch auf den vertraglich vereinbarten Sollzins gegen den Anspruch des Klägers auf Rückgewähr der geleisteten Monatsraten. Der Anspruch des Klägers in Höhe von 9.404,48 € ist durch Aufrechnung gemäß §§ 387, 389 BGB in Höhe von 1.557,62 € erloschen. Es verbleibt ein Anspruch zu Gunsten des Klägers in Höhe von 7.846,86 €.

3.3.

Darüber hinaus hat die Beklagte hilfsweise mit einem Anspruch auf Wertersatz für die Nutzung des Fahrzeugs durch den Kläger aufgerechnet. Über diese Hilfsaufrechnung ist zu entscheiden, da der Widerruf wirksam erfolgt ist.

a. Entgegen der vom Kläger vertretenen Ansicht steht der Beklagten gemäß § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB a.F. in Verbindung mit § 357 Abs. 7 BGB a.F. ein Wertersatzanspruch zu. Die gegenteiligen Ausführungen des Klägers verfangen nicht. Der Berufung ist darin zuzustimmen, dass es für Beurteilung dieser Frage maßgeblich auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ankommt, da sich seit der Gesetzeslage ab dem 13. Juni 2014 mit Einführung des Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucher-Richtlinie die Rechtsfolgen des Widerrufs nicht mehr nach den Vorschriften des Rücktrittsrechts, sondern ausschließlich nach den §§ 355 ff. BGB richten. Das bedeutet für nach dem 13. Juni 2014 abgeschlossene Verträge, dass dem Darlehensgeber kein Anspruch auf Ersatz des allein durch die Nutzung des Fahrzeugs erlangten Vorteils zusteht. Denn die neuen Regelungen betreffend die Rechtsfolgen nach Widerruf verwiesen nicht mehr auf die §§ 346 ff. BGB. Auch nach Auffassung des Senats verbietet sich angesichts der Sperrklausel in § 361 Abs. 1 BGB eine ergänzende Anwendung des Rücktrittsfolgenrechts, denn der Gesetzgeber hat ausdrücklich klargestellt, dass die Widerrufsfolgen, soweit es um Ansprüche des Verbrauchers geht, in den §§ 355 ff. BGB abschließend geregelt sind (vgl. Schwab, JZ 2015, 644 (650); Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13. Auflage, Seite 473 – 474 mit weiteren Nachweisen). Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Verbraucher Wertersatz für den Wertverlust am Fahrzeug schuldet. Der Senat vermag dem Kläger nicht darin beizutreten, dass § 357 BGB auf den vorliegenden Sachverhalt keine Anwendung findet, weil es sich um ein Präsenzgeschäft gehandelt habe. Die Klärung der Frage, welche der Vorschriften der §§ 357 bis 357 b BGB neben der Grundnorm des § 355 Abs. 3 BGB hinsichtlich der weiteren Rückabwicklungsfolgen jeweils zur Anwendung gelangen, richtet sich nach Inhalt bzw. Gegenstand des verbundenen Vertrages (vgl. Schön, BB 2018, 2115 (2120); Habersack, in: Münchner Kommentar, BGB, 7. Auflage, § 358 Rn. 78a mit Hinweis auf BT-Drs. 17/12637, Seite 98). Dementsprechend muss es sich bei dem rückabzuwickelnden verbundenen Vertrag selbst gerade nicht um einen (seinerseits widerruflichen) Außergeschäftsraumvertrag oder einen Fernabsatzvertrag handeln, um § 357 BGB heranziehen zu können (so auch LG Berlin, Urteil vom 5. Dezember 2017, Az.: 4 O 150/16, zitiert nach juris Rn. 55; LG Ellwangen, Urteil vom 25. Januar 2018, Az.: 4 O 232/17, zitiert nach juris Rn. 96).

b. Zusammenfassend ist mithin festzustellen, dass die beklagte Bank vorliegend Wertersatz für einen Wertverlust des in Rede stehenden Fahrzeugs verlangen kann, wenn der Wertverlust auf einen Umgang mit dem Fahrzeug zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise nicht notwendig war und die Beklagte den Kläger über sein Widerrufsrecht unterrichtet hat. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.

aa. Umstritten ist, welche Anforderungen im Rahmen des § 357 Abs. 7 Nr. 2 BGB a.F. an die Unterrichtung des Verbrauchers über das Widerrufsrecht zu stellen sind. Dabei geht es darum, aus welcher Norm die Anforderungen an die Unterrichtung herzuleiten sind, ob jegliche Unterrichtung, also auch eine fehlerhafte, ausreicht und ob über die Verpflichtung zur Leistung von Wertersatz zu unterrichten ist. Für den Streitfall kann allerdings dahinstehen, wie der Verweis in § 357 Abs. 7 Nr. 2 BGB a.F. auf Art. 246a § 1 Nr. 1 EGBGB a.F. im hier fraglichen Zusammenhang auszulegen ist. Im Ergebnis kommt es vorliegend nicht darauf an, ob und – wenn ja – wie der Verbraucher im Zusammenhang mit der Unterrichtung über sein Widerrufsrecht auch über seine Wertersatzpflicht zu unterrichten ist, denn für den hier zu entscheidenden Fall ist von einer ordnungsgemäßen Belehrung über die Wertersatzpflicht auszugehen. Ausreichend ist, dass die Widerrufsbelehrung unter der Überschrift „Widerrufsfolgen / Besonderheiten bei weiteren Verträgen“ im dritten Spiegelstrich einen Hinweis auf die Wertersatzpflicht entsprechend dem Gestaltungshinweis 6 c) des einschlägigen Musterwiderrufsformulars für Verbraucherdarlehensverträge (Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB a.F.) enthält. Dieses Muster spiegelt die Auffassung des Gesetzgebers darüber wieder, welchen Inhalt eine ordnungsgemäße Belehrung haben soll. Soweit der Darlehensgeber Formulierungen aus diesem Muster benutzt, ist davon auszugehen, dass diese Formulierungen nach Auffassung des Gesetzgebers für eine deutliche Widerrufsinformation geeignet sind. Im Übrigen hat der Kläger keine Mängel der Widerrufsbelehrung gerügt und solche sind auch nicht ersichtlich. Die von der Beklagten verwandte Widerrufsbelehrung war geeignet, den Verbraucher vollständig über sein Widerrufsrecht in Kenntnis zu setzen. Die Darstellung muss so erfolgen, dass der angemessen aufmerksame Verbraucher diese ohne detailliertes Lesen auffinden und zur Kenntnis nehmen kann (vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 2016, Az.: XI ZR 549/14, zitiert nach juris). Die streitgegenständliche Widerrufsinformation ist der äußeren Form nach ausreichend hervorgehoben und hinreichend deutlich gestaltet. Der Belehrungstext ist übersichtlich aufgebaut und gegliedert. Er befindet sich auf einer gesonderten Seite und zudem an exponierter Stelle im Vertrag, nämlich großräumig auf Seite 2 des Darlehensvertrages, und ist damit ausreichend erkennbar.

Für die Frage des Anspruches der Beklagten gegen den Kläger auf Wertersatz gemäß § 357 Abs. 7 Nr. 2 BGB a.F. ist ohne Belang, dass – wie dargetan – die erforderliche Pflichtangabe zu der für den Darlehensgeber zuständigen Aufsichtsbehörde gemäß Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGBGB a.F. fehlt. Der Senat muss nicht entscheiden, ob die vereinzelt in der Literatur vertretene Ansicht, jeder Fehler der Widerrufsinformation führe zum Wegfall der Wertersatzpflicht, Zustimmung verdient (ablehnend: LG München, Urteil vom 9. Februar 2018, Az.: 29 O 14138/17, zitiert nach juris). Maßgebend ist, dass eine fehlende Pflichtangabe nicht mit einem Fehler der Widerrufsinformation gleichzusetzen ist. Die fehlende Pflichtangabe führt gemäß § 356b Abs. 2 Satz 1 BGB dazu, dass der Lauf der Widerrufsfrist nicht beginnt. Davon strikt zu trennen ist die Frage, welche Anforderungen im Rahmen des § 357 Abs. 7 Nr. 2 BGB a.F. an die Unterrichtung des Verbrauchers über das Widerrufsrecht zu stellen sind.

bb. Auch die weitere Voraussetzung für einen Wertersatzanspruch der Beklagten liegt vor. Es liegt auf der Hand, dass das in Rede stehende Fahrzeug dadurch an Wert verloren hat, dass der Kläger es jahrelang genutzt hat. Es bedarf auch keiner näheren Begründung, dass die Nutzung seit dem 10. Oktober 2014 über die Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und Funktionsweise des Fahrzeugs hinausgeht.

c. Die Höhe des der Beklagten gegenüber dem Kläger zustehenden Wertersatzanspruches beträgt 5.254,38 €.

Maßgeblich ist insoweit die Wertverzehrmethode, deren Grundlage der Bruttokaufpreis und das Verhältnis der zurückgelegten Kilometer zu der erwarteten Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs sind (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2014, Az.: VIII ZR 215/13; Urteil vom 17. Mai 1995, Az.: VIII ZR 70/94, jeweils zitiert nach juris). Der Senat verkennt nicht, dass gewichtige Argumente für die Ermittlung des Wertverlustes eines Fahrzeugs im Rahmen der §§ 358 Abs. 4 Satz 1, 357 Abs. 7 BGB nach der sogenannten Vergleichswertmethode sprechen können (siehe dazu Herrsthal, in: ZIP 2019, 49 – 61 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Gegen die lineare Teilwertabschreibung zur Berechnung des Wertverlustes ist anzuführen, dass sich mit dieser Berechnungsmethode erhebliche „Typisierungsunschärfen“ (so Herrsthal, in: ZIP 2019, 49 – 61) verbinden. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die Pauschalierung der Gesamtnutzungsdauer für Gebrauchsgüter gleicher Art als auch für die unterstellte Annahme, der Verbraucher ziehe einen gleichbleibenden Nutzen aus der Sache. Hinzu kommt, dass die lineare Teilwertabschreibung den vergleichsweise hohen Wertverlust der anfänglichen Nutzung eines Neufahrzeugs nur unzureichend abbildet. Gleichwohl gelangt der Senat hier in Ausübung des ihm gemäß § 287 ZPO zustehenden Ermessens zur Anwendung der Wertverzehrmethode, denn es ist nicht ersichtlich, dass die dargestellten Defizite der linearen Teilwertabschreibung unter Berücksichtigung aller Besonderheiten des Streitfalles tatsächlich zum Tragen kommen. Zureichende tatsächliche Anhaltspunkte, aufgrund derer anzunehmen ist, die Anwendung der Wertverzehrmethode führe in dem hier zu entscheidenden Einzelfall zu Typisierungsunschärfen, die so erheblich sind, dass sie unbillig und deshalb nicht mehr hinnehmbar erscheinen, sind weder von den Parteien vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der Kläger hatte ein Neufahrzeug erworben und dieses in erheblichem Umfang genutzt, so dass der Wertverlust durchaus einer linearen Betrachtungsweise zugänglich ist, zumal mangels entgegenstehender Anhaltspunkte davon auszugehen ist, dass er gleichbleibenden Nutzen aus dem Fahrzeug gezogen hat. Mangels anderer Angaben ist vorliegend von einem durchschnittlichen Pflegezustand des Fahrzeugs auszugehen; es spricht zudem nichts für das Vorhandensein von Schäden, insbesondere Unfallschäden, die über die Bagatellgrenze hinausgehen. Auch gegen die vom Senat angenommene und mit Beschluss vom 17. Januar 2019 mitgeteilte Gesamtnutzungsdauer von 250.000 km sind von keiner Partei Einwendungen erhoben worden. Dies zugrunde gelegt, errechnet sich bei einem Kilometerstand von 82.151 km und einem Kaufpreis in Höhe von 15.990,- € ein Wertersatzanspruch in Höhe von 5.254,38 €. Um diesen Betrag ist der zu Gunsten des Klägers verbliebene Anspruch in Höhe von 7.846,86 € reduziert. Es verbleibt eine Forderung in Höhe von 2.592,48 € (= 7.846,86 € – 5.254,38 €), die zuzuerkennen war.

4.

Der Klageantrag zu Ziffer 3) hat Erfolg. Die Beklagte befindet sich mit der Annahme des zurückzugebenden Fahrzeugs in Verzug.

Für den Annahmeverzug genügt nach § 295 Satz 1, 1. Alt BGB ein wörtliches Angebot, wenn der Gläubiger erklärt hat, er werde die Annahme verweigern. Ein wörtliches Angebot des Klägers, den Wagen zurückzugeben, liegt in seinem Klageantrag zu Ziffer 2), mit dem er Leistung nach Erbringung der eigenen Gegenleistung („nach Herausgabe“) beantragt hat. Die Beklagte hat zwar nicht ausdrücklich die Annahme des Fahrzeugs abgelehnt. Sie hat aber ihre Rückzahlungspflicht in Abrede gestellt. In dem gesamten prozessualen Verhalten der Beklagten ist daher eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung zu erblicken.

5.

Ein Anspruch des Klägers gegenüber der Beklagten auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten besteht nicht.

Die Beklagte ist gemäß §§ 358 Abs. 4 Satz 1, Satz 5, 357 Abs. 4 Satz 1 BGB a.F. berechtigt, die Rückzahlung eines sich nach Aufrechnung zu Gunsten des Klägers ergebenden Zahlungsanspruches bis zur Rückgabe des Fahrzeugs zu verweigern. Es besteht insoweit eine Vorleistungspflicht des Verbrauchers; eine Rückabwicklung Zugum-Zug findet gerade nicht statt (vgl. Fritsche, in: Münchner Kommentar, BGB, 7. Auflage, § 357 Rn. 15 mit weiteren Nachweisen). Für einen Ausnahmefall nach § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB ist nichts ersichtlich. Ein durchsetzbarer Zahlungsanspruch zu Gunsten des Klägers besteht daher erst nach Rückgabe des Fahrzeugs. Dies sieht auch der Kläger so, denn ausweislich des Klageantrages zu Ziffer 2) verlangt er Zahlung „nach Herausgabe des Fahrzeugs“. Da dem Kläger gegen die Beklagte kein durchsetzbarer Leistungsanspruch zusteht, fehlt es auch an einem Anknüpfungspunkt für einen Anspruch auf Ersatz von Rechtsverfolgungskosten als Verzugsschaden, wie dies mit dem Klageantrag zu Ziffer 4) begehrt wird. Das Bestehen einer dauernden oder aufschiebenden Einrede schließt den Verzug aus, wenn sich der Schuldner spätestens im Prozess auf diese Einrede beruft (vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB, 76. Auflage, § 286 Rn. 10). Eine zum Schadensersatz führende Pflichtverletzung ergibt sich auch nicht aus der Weigerung der Beklagten, den Widerruf anzuerkennen. Jedenfalls vor dem Hintergrund der divergierenden und von den Parteien umfassend zitierten Rechtsprechung zu der Frage der erforderlichen Pflichtangaben durfte die Beklagte ihre Rechtsposition verteidigen, ohne sich einem Verschuldensvorwurf auszusetzen. Hervorzuheben ist dabei, dass der Kläger die fehlende Pflichtangabe zur Aufsichtsbehörde, die den Erfolg der Klage begründet, weder vorprozessual noch in erster Instanz zum Thema gemacht hat.

III.

1.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO.

2.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 8 EGZPO.

3.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Gründe, die die Zulassung der Revision rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

4.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis 17.633,40 € festgesetzt.

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