OLG Frankfurt am Main – 17 U 224/15 Widerruf eines grundpfandrechtlich gesicherten Darlehensvertrages

Juli 19, 2017

Oberlandesgericht Frankfurt am Main
Urt. v. 22.06.2016, Az.: 17 U 224/15
Widerruf eines grundpfandrechtlich gesicherten Darlehensvertrages nach Abweichung von Gestaltungshinweisen
Verfahrensgang:

vorgehend:LG Wiesbaden – 06.11.2015 – AZ: 8 O 141/15

1.

Es liegt eine der sog. Gesetzlichkeitsfiktion entgegenstehende inhaltliche Änderung und Abweichung von der Musterbelehrung vor, wenn der Gestaltungshinweis Nr. 9 der Musterbelehrung betreffend die Hinweise für finanzierte Geschäfte dadurch missachtet wird, dass im Fall des finanzierten Grundstückserwerbs die darlehensgewährende Bank anstatt den Satz 2 der allgemeinen Hinweise zwingend durch die speziellen Hinweise zu ersetzen, die Belehrung betreffend den finanzierten Grundstückserwerb hinter Satz 2 in die vollständig beibehaltenen Hinweise für finanzierte Geschäfte einfügt.
2.

Zu den Voraussetzungen der Verwirkung des Widerrufsrechts und der unzulässigen Rechtsausübung
3.

Von einem Rechtsmissbrauch kann auch dann nicht ausgegangen werden, wenn der Verbraucher – wie hier – für sich keinen Übereilungsschutz in Anspruch zu nehmen gedenkt, sondern aus dem Widerruf einen wirtschaftlichen Vorteil ziehen will (BGH, Urteil vom 16.03.2016, Az. VIII ZR 146/15, Juris Rn. 16 ff.; Senat, Urteil vom 26.08.2015, Az. 17 U 202/14, Juris Rn. 35).
4.

Bei der vom Darlehensgeber gegenüber dem Darlehensnehmer gemäß § 346 Abs. 1 Hs. 1 BGB geschuldeten Herausgabe bereits erbrachter Zins- und Tilgungsleistungen und dem gemäß § 346 Abs. 1 Hs. 2 BGB herauszugebenden Nutzungsersatz wegen der (widerleglich) vermuteten Nutzung der bis zum Wirksamwerden des Widerrufs erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen gilt der gesetzliche Verzugszins von 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 497 Abs. 1 BGB a.F. bzw. § 503 n.F. bei Realkrediten ohne zusätzliche Angaben auch für die Verzinsung des von der Bank herauszugebenden Nutzungsersatzes.

Tenor:

Das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 06.11.2015 (Az.: 8 O 141/15) wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.806,49 € nebst Zinsen in Höhe von 2,5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 16.05.2011 bis zum 26.02.2015 und Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.02.2015 zuzüglich vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.029,35 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 17.09.2015 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung und die weitergehende Anschlussberufung werden zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits fallen der Beklagten 2/3 und dem Kläger 1/3 zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe

I.

Die Beklagte wendet sich gegen ihre erstinstanzliche Verurteilung zur Rückzahlung empfangener Leistungen sowie Nutzungen aus zwei beendeten Darlehensverträgen.

Der Kläger schlossen als Verbraucher mit der Beklagten am 01.08.2003 zwei Darlehensverträge über ein Darlehen im Nennbetrag von 58.000,- € (Kto.-Nr. … – neu: …) und ein Darlehen im Nennbetrag von 62.000,00 € (Kto.-Nr.: … – neu: …). Wegen der Einzelheiten der Verträge wird auf deren Kopien (Anlage K 1 u. 2 – Bl. 7 ff. d. A.) verwiesen. Diesen Darlehensverträgen war jeweils eine Widerrufsbelehrung beigefügt, die auszugsweise wie folgt lautet:

„Widerrufsbelehrung zum (1) Darlehens-/ Kreditvertrag vom 01.08.2003

Widerrufsrecht

Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen (2)

ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an: (Name und ladungsfähige Anschrift des Kreditinstituts, ggf Fax-Nr, E-Mail-Adresse und/oder, wenn der Verbraucher eine Bestätigung seiner Widerrufserklärung erhält, auch eine Internet-Adresse).

… Sparkasse

Postfach …, Stadt

Fax: …

Widerrufsfolgen

Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und ggf. gezogene Nutzungen (z.B. Zinsen) herauszugeben. Können Sie uns die empfangene Leistung ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren, müssen Sie uns insoweit ggf. Wertersatz leisten.

Finanzierte Geschäfte

Widerrufen Sie diesen Darlehensvertrag, mit dem Sie ihre Verpflichtung aus einem anderen Vertrag finanzieren, so sind Sie auch an den anderen Vertrag nicht gebunden, wenn beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn wir zugleich auch Ihr Vertragspartner im Rahmen des anderen Vertrages sind, oder wenn wir uns bei Vorbereitung und Abschluss des Darlehensvertrages der Mitwirkung Ihres Vertragspartners bedienen. Bei einem finanzierten Erwerb eines Grundstückes oder grundstücksgleichen Rechts ist eine wirtschaftliche Einheit nur anzunehmen, wenn wir zugleich auch Ihr Vertragspartner im Rahmen des anderen Vertrages sind oder wenn wir über die Zurverfügungstellung von Darlehen hinaus Ihr Grundstücksgeschäft durch Zusammenwirken mit dem Veräußerer fördern, indem wir uns dessen Veräußerungsinteressen ganz oder teilweise zu eigen machen, bei der Planung, Werbung oder Durchführung des Projektes Funktionen des Veräußerers übernehmen oder den Veräußerer einseitig begünstigen. […]

Ort, Datum
Unterschrift des Verbrauchers

Ihre … Sparkasse

Hinweis: Jeder Verbraucher erhält ein Exemplar der Widerrufsbelehrung

1 Bezeichnung des konkret betroffenen Geschäfts, z.B. Darlehensvertrag vom … 2 Bitte Frist im Einzelfall prüfen.“

Wegen des weiteren Inhalts und der äußeren Gestaltung der Belehrung wird auf die Kopie (Anlage K 1 – Bl. 10 d. A.) Bezug genommen.

Nach dem Verkauf des finanzierten Objekts löste der Kläger die Darlehen ab und entrichtete am 16.05.2011 an die Beklagte insgesamt 113.432,05 €. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits 52.046,44 € an Zins- und Tilgungsleistungen an die Beklagte gezahlt.

Mit Schreiben vom 22.02.2015 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten, dass die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung unwirksame Formulierungen enthalte, und bat um Erstattung seiner Kosten. Mit anwaltlichem Schreiben vom 30.03.2015 widerrief der Kläger die Darlehensverträge und forderte die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 30.04.2015 zur Zahlung in Höhe von 15.848,06 € auf. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 29.07.2015 jede Zahlung ab.

Der Kläger hat vorgetragen, das Recht zum Widerruf der Vertragserklärungen sei mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung nach § 355 Abs. 3 S. 3 BGB zum Zeitpunkt der Erklärung des Widerrufs noch nicht erloschen gewesen. Die Belehrung entspreche im Hinblick auf den Fristbeginn nicht den gesetzlichen Vorgaben, wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden habe. Die Beklagte könne sich nicht auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a. F. berufen, da die von ihr erteilte Widerrufsbelehrung inhaltlich nicht vollständig der Musterwiderrufsbelehrung entspreche. Insbesondere seien die Fußnote 1 mit dem Inhalt: „Bezeichnung des konkret betroffenen Geschäfts, z.B. Darlehensvertrag vom …“, sowie die Fußnote 2 mit dem Inhalt: „Bitte Frist im Einzelfall prüfen“, als wesentliche Abweichungen von der Musterbelehrung zu bewerten. Gleiches gelte für den Zusatz zur Überschrift: „zum Darlehens-/Kreditvertrag vom 01.08.2003“.

Die Beklagte sei deshalb verpflichtet, die empfangenen Zins- und Tilgungsleistungen sowie gezogene Nutzungen in Höhe von insgesamt 162.513,21 € zu zahlen. Die Nutzungen seien nach dem gesetzlichen Verzugszinssatz in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu bemessen.

Dem stehe das Kapitalnutzungsrecht des Klägers gegenüber, welches zu einem Anspruch der Beklagten gegen den Kläger in Höhe von 162.513,21 € führe. Die vom Kläger gezogenen Nutzungen seien für den Zeitraum 02.08.2003 bis 16.05.2011 aus dem vertraglich vereinbarten Zinssatz von 4,55 % zu berechnen.

Per Saldo ergebe sich damit eine Forderung der Beklagten gegen dem Kläger zum 16.05.2011 in Höhe von 97.583,99 €. Da der Kläger jedoch an die Beklagte 113.432,05 € gezahlt habe, bestehe eine Überzahlung in Höhe von 15.848,06 €, die die Beklagte nun an den Kläger zurückzuzahlen habe.

Der Kläger hat in erster Instanz beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 15.848,06 € nebst 5 % über dem Basiszins seit dem 16.05.2011 zu zahlen,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.029,35 € nebst 5 % über dem Basiszins seit Zustellung dieses Schriftsatzes zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, das zweiwöchige Widerrufsrecht des Klägers sei zum Zeitpunkt der Erklärung des Widerrufs bereits abgelaufen gewesen. Die Gesetzlichkeitsfiktion des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV greife hier ein, so dass es nicht darauf ankomme, ob die von der Beklagten erteilte Belehrung im Hinblick auf den Fristbeginn gesetzeskonform sei. Die Regelung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV setze nicht voraus, dass die Musterwiderrufsbelehrung unverändert und entsprechend den Gestaltungshinweisen verwendet werde. Aus der Anfügung der Fußnoten ergebe sich keine inhaltliche Abweichung von der Musterwiderrufsbelehrung, da sich der Fußnotentext nicht an den Darlehensnehmer richte, das Widerrufsrecht nicht tangiere und den Darlehensnehmer in keiner Weise betreffe, was sich schon daraus ergebe, dass der Fußnotentext außerhalb der eingerahmten Widerrufsbelehrung abgedruckt sei.

Weiter hat die Beklagte geltend gemacht, die Ausübung des Widerrufsrechts sei rechtsmissbräuchlich und im Übrigen nach § 242 BGB verwirkt.

Zur ergänzenden Darstellung des Sach- und Streitstandes wird insoweit gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 15.848,06 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2015 verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der in der Hauptsache geltend gemachte Anspruch bestehe, da der Kläger die Darlehensverträge fristgerecht widerrufen habe. Der Lauf der Widerrufsfrist sei mit Zugang der Widerrufsbelehrung in Gang gesetzt worden, da die Belehrung fehlerhaft sei. Sie belehre den Verbraucher nicht richtig über den nach § 355 Abs. 2 S. 1 BGB maßgeblichen Beginn der Widerrufsfrist. Die Beklagte könne sich auch nicht auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in der bis zum 07.12.2004 geltenden Fassung berufen. Dies setze prinzipiell die Verwendung eines Formulars voraus, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a. F. sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspreche. Die Beklagte habe die Musterwiderrufsbelehrung jedoch einer inhaltlichen Bearbeitung unterzogen. Durch die Einfügung der Fußnote 2 habe die Beklagte inhaltlich in den Text eingegriffen. Die Beklagte könne nicht mit Erfolg geltend machen, dass die Fußnote keinen Text enthalte, der an den Verbraucher gerichtet sei, da dies der Verbraucher nicht ohne Weiteres erkennen könne.

Das Widerrufsrecht des Klägers sei nicht verwirkt. Es fehle jedenfalls am erforderlichen Umstandsmoment. Die Beklagte habe nicht dargetan, dass sie sich in ihren Maßnahmen so eingerichtet habe, dass ihr durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde. Die zur Refinanzierung eingegangenen Verpflichtungen stellten keine Dispositionen dar, da die Beklagte im Hinblick auf die Nichtausübung des Widerrufsrechts getroffen habe. Vielmehr handele es sich um eine Folge der Vertragsabschlüsse.

Die Geltendmachung des Widerrufsrechts stelle auch keine unzulässige Rechtsausübung dar. Widersprüchliches Verhalten sei nach der Rechtsordnung grundsätzlich zulässig und nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden sei oder wenn andere besondere Umstände hinzuträten, die die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen ließen. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Es sei nicht treuwidrig, wenn der Berechtigte bis zur Ausübung des ihm eingeräumten Gestaltungsrechts den bestehenden Vertrag anerkenne. Das Widerrufsrecht könne ohne Angaben von Gründen geltend gemacht werden. Es komme mithin nicht auf die Motive für dessen Ausübung an.

Aufgrund des Widerrufs der Darlehensverträge seien die Parteien verpflichtet, einander die jeweils empfangenen Leistungen zurück zu gewähren und die in der Zwischenzeit gezogenen Nutzungen herauszugeben. Eine Saldierung finde nicht statt. Allerdings habe der Kläger wirksam die Aufrechnung erklärt.

Der Kläger müsse an die Beklagte die ausbezahlte Darlehensvaluta sowie Nutzungen in Höhe von 42.513,21 € zahlen. Die Beklagte sei zur Rückzahlung der Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von 52.046,44 € verpflichtet. Des Weiteren müsse die Beklagte den vom Kläger zur Ablösung des Darlehens gezahlten Betrag in Höhe von 113.432,05 € zurückzahlen. Hinzu komme ein Nutzungsersatz, der mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu bemessen sei, so dass sich ein Betrag in Höhe von 12.882,78 € ergebe. Entgegen der Ansicht der Beklagten seien bei der Berechnung der Nutzungen nicht lediglich 2,5, sondern 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz in Ansatz zu bringen. Per Saldo stehe dem Kläger damit ein Anspruch auf Zahlung von 15.848,06 € zu.

Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz könne der Kläger nur für die Zeit 30 Tage nach Abgabe der Widerrufserklärung, mithin ab dem 01.05.2015 verlangen. In der Zeit zuvor habe sich die Beklagte nicht im Verzug befunden.

Ein Anspruch auf Ersatz der aufgewendeten Rechtsanwaltskosten bestehe nicht. Insoweit habe der Kläger die Anspruchsvoraussetzungen nicht schlüssig vorgetragen. Er habe nicht dargelegt und unter Beweis gestellt, dass er die Forderung seiner vorgerichtlich tätigen Prozessbevollmächtigten ausgeglichen habe.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie macht geltend, das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a. F. nicht eingreife. Entgegen der Ansicht des Landgerichts entspreche die von der Beklagten verwendete Belehrung dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV a. F. Die eingefügte Fußnote 2 stelle keine inhaltliche Bearbeitung dar. Dies sehe offenbar auch der zuständige Senat so, wie sich aus dessen Beschluss vom 27.01.2016 ergebe.

Ebenso sei es fehlerhaft, wenn das Landgericht das für die Verwirkung erforderliche Umstandsmoment als nicht gegeben ansehe. Angesichts des Geschehensablaufs sei bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen entstanden, dass sich der Kläger an die vertraglichen Vereinbarungen, insbesondere die im Zusammenhang mit der vorzeitigen Ablösung getroffenen, halten werde.

Im Übrigen sei das Verhalten des Klägers widersprüchlich. Der Kläger habe von dem ihm eingeräumten Recht, eine vorzeitige Ablösung des Darlehens zu erreichen, Gebrauch gemacht. Es stelle ein widersprüchliches Verhalten dar, wenn er Jahre nach dieser Ablösung von einem vermeintlichen Widerrufsrecht, welches auf einer marginalen Abweichung im Text der Widerrufsbelehrung beruhe, Gebrauch mache, und sich damit auch von den im Zusammenhang mit der Ablösung der Darlehen getroffenen Vereinbarungen verabschieden wolle.

Schließlich sei das Landgericht fehlerhaft von einem von der Beklagten herauszugebenden Nutzungsvorteil in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ausgegangen. Das Landgericht habe übersehen, dass der übliche Verzugszins, der für die Berechnung des Nutzungsvorteils maßgeblich sei, bei Immobiliendarlehen lediglich 2,5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz betrage.

Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Wiesbaden vom 06.11.2015 (Az.: 8 O 141/15) die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags die angefochtene Entscheidung und beantragt im Wege der Anschlussberufung,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger über den vom Landgericht zuerkannten Betrag hinaus weitere 1.029,35 € nebst 5 % über dem Basiszins seit Zustellung der Klageschrift und 5 % Zinsen über dem Basiszins aus 15.848,06 € seit dem 16.05.2011 zu zahlen.

Der Kläger macht geltend, die Beklagte schulde die vom Landgericht zugesprochene Verzinsung in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nicht erst seit dem 01.05.2015, sondern bereits seit dem 16.05.2011. Zu diesem Zeitpunkt sei das Vertragsverhältnis endgültig abgewickelt worden und der Beklagten habe die Überzahlung von 15.848,06 € zur Verfügung gestanden. Daher habe die Beklagte Nutzungen gezogen, die sie nunmehr aufgrund des wirksamen Widerrufs herausgeben müsse.

Zudem habe die Beklagte die angefallenen außergerichtlichen Kosten zu ersetzen. Ob die Kostenforderung des Rechtsanwalts tatsächlich bezahlt sei, spiele keine Rolle. Maßgeblich sei, dass die außergerichtliche Interessenvertretung notwendig gewesen und tatsächlich erfolgt sei.

Die Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten ist zulässig. In der Sache hat sie jedoch nur zum Teil Erfolg.

Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass durch den Widerruf der auf den Abschluss der Darlehensverträge vom 01.08.2003 gerichteten Willenserklärungen die Darlehensverträge in Rückgewährschuldverhältnisse umgewandelt worden sind.

Der Widerruf ist nicht gem. § 355 Abs. 1 S. 2 BGB in der bis zum 10.06.2010 gültigen Fassung = a.F. (Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB) verfristet. Zwar hat der Kläger seine Vertragserklärungen nicht innerhalb von zwei Wochen seit Aushändigung der Widerrufsbelehrung widerrufen. Dies ist jedoch unerheblich, da die Widerrufsfrist mangels ordnungsgemäßer Belehrung nicht zu laufen begonnen hat und das Widerrufsrecht gem. § 355 Abs. 3 S. 3 BGB a. F. nicht erloschen ist. Nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat angeschlossen hat, wird ein Verbraucher durch die in einer Widerrufsbelehrung verwendete Formulierung: „[…] frühestens mit Erhalt dieser Belehrung […]“, nicht richtig über den nach § 355 Abs. 2 BGB a. F. maßgeblichen Beginn der Widerrufsfrist belehrt, da die Formulierung nicht umfassend ist. Der Verbraucher kann der Verwendung des Wortes „frühestens“ zwar entnehmen, dass der Beginn des Fristlaufs noch von weiteren Voraussetzungen abhängt. Er wird jedoch darüber im Unklaren gelassen, um welche Voraussetzungen es sich dabei handelt (BGH v. 15.08.2012, Az. VIII ZR 378/11, Juris Rn. 9; BGH v. 01.03.2012, Az. III ZR 83/11, Juris Rn. 15; BGH v. 02.02.2011, Az. VIII ZR 103/10, Juris Rn. 14). Da die Belehrung den Verbraucher nicht eindeutig über den Beginn der Widerrufsfrist aufklärt, setzt sie den Verbraucher nicht in der gebotenen Weise in die Lage, den Fristbeginn ohne Weiteres zu erkennen, und verstößt damit gegen das Deutlichkeitsgebot (BGH, Urteil vom 17.01.2013, Az. III ZR 145/12, Juris Rn. 10; Senat, Urteil vom 26.08.2015, Az. 17 U 202/14, Juris Rn. 30).

Auf § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in der bis zum 31.03.2008 geltenden Fassung (a. F.) i. V. m. der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV a. F. kann sich die Beklagte nicht berufen. Nach § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a. F. genügt die Belehrung den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB a. F., wenn das Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a. F. in Textform verwendet wird. Dafür reicht es nicht aus, dass die Belehrung hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist mit der entsprechenden Formulierung des Musters für die Widerrufsbelehrung übereinstimmt. Die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a. F. besteht nur dann, wenn ein Formular verwendet wird, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a.F. sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht (vgl. BGH v. 10.02.2015, Az. II ZR 163/14, Juris Rn. 8; BGH v. 18.03.2014, Az. II ZR 109/13, Juris Rn. 15; BGH v. 01.12.2010, Az. VIII ZR 82/10, Juris Rn. 15). Greift der Unternehmer in den Mustertext selbst ein, kann er sich schon deshalb unabhängig vom konkreten Umfang der Änderung auf eine etwa mit der unveränderten Übernahme der Musterbelehrung verbundene Schutzwirkung nicht mehr berufen (BGH v. 01.03.2012, Az. III ZR 83/11, Juris Rn. 17; Senat, v. 26.08.2015, Az. 17 U 202/14, Juris Rn. 31). Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Veränderungen wesentlich sind oder sich negativ auf Verständlichkeit der Belehrung auswirken. Maßgeblich ist allein, ob der Unternehmer den Text der Musterbelehrung bei der Abfassung der Widerrufsbelehrung einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzogen hat (vgl. BGH v. 10.02.2015, Az. II ZR 163/14, Juris Rn. 8; BGH v. 18.03.2014, Az. II ZR 109/13, Juris Rn. 18; Senat a.a.O.). Geringfügige Anpassungen, wie etwa diejenige der Formulierung des Fristbeginns an das Gesetz (vgl. hierzu BGH v. 20.11.2012, Az. II ZR 264/10, Juris Rn. 6), bleiben allerdings möglich (Senat, Beschluss vom 10.08.2015, Az. 17 U 194/14, Juris Rn. 24; OLG Frankfurt v. 29.12.2014, Az. 23 U 80/14, Juris Rn. 17). Nach diesem Maßstab hat die Beklagte die Musterbelehrung einer inhaltlichen Bearbeitung unterzogen.

Die verwendete Widerrufsbelehrung enthält zunächst abweichend von dem Mustertext einen Zusatz in der Überschrift sowie zwei Fußnotenverweise und einen Klammerzusatz, die in dem Mustertext nicht enthaltenen sind. Es kann letztlich dahingestellt bleiben, ob hierin eine inhaltliche Bearbeitung und damit Abweichung von der in Anlage 2 zur § 14 BGB-InfoV vorgesehenen Musterbelehrung liegt. Allerdings geht der Senat davon aus, dass durch die Anbringung der Fußnote 2, deren Text sich zudem außerhalb der Umrandung befindet, gerade keine inhaltliche Bearbeitung des Textes stattfinden sollte, sondern diese damit nicht mehr Bestandteil der eigentlichen Widerrufsbelehrung ist und zudem keine inhaltliche Änderung darstellt, da sie lediglich klarstellt, dass die Frist im Einzelfall zu prüfen ist und damit weder die Angaben zu der Frist selbst oder zu deren Beginn und Lauf inhaltlich einer Bearbeitung unterzieht oder ändert (Senat, Urteil vom 27. Januar 2016 – 17 U 16/15 -, Rn. 28, juris; ebenso OLG Bamberg, Beschluss vom 01. Juni 2015 – 6 U 13/15 -, Rn. 83 f., juris; a. A.: OLG Nürnberg, Urteil vom 11. November 2015 – 14 U 2439/14 -, Rn. 31, juris; OLG München, Urteil vom 21. Oktober 2013 – 19 U 1208/13; Brandenburgisches OLG, Urteil vom 17.Oktober 2012 – 4 U 194/11). Dies gilt auch für die Fußnote 1 und den Zusatz in der Überschrift, da die Überschrift selbst nicht Bestandteil der Belehrung ist (Senat, Urteil vom 27. Januar 2016 – 17 U 16/15 -, Rn. 28, juris; vgl. BGH, Urteil vom 09. November 2011 – Az. I ZR 123/10 -, Rn. 25, juris).

Allerdings sieht der Senat in dem dritten Absatz, der mit „Finanzierte Geschäfte“ überschrieben ist, eine inhaltliche Änderung und Abweichung von der Musterbelehrung. Zunächst ergibt sich aus dem Gestaltungshinweis Nr. 9 des damaligen Musters, dass diese Passage entfallen kann, wenn ein verbundenes Geschäft nicht vorliegt. Dies bedeutet, dass der Gesetzgeber grundsätzlich eine umfassende Belehrung für notwendig erachtet hat, dem Verwender jedoch freigestellt hat, auch auf diese Passage zu verzichten, wenn kein finanziertes Geschäft vorliegt. Hiervon hat die Beklagte aber keinen Gebrauch gemacht, sondern diesen Absatz aufgenommen, obwohl kein verbundenes Geschäft i. S. d. § 358 Abs. 3 S. 3 BGB vorliegt. Weiterhin sieht Nr. 9 der Gestaltungshinweise der Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV a. F. vor, dass für das Vorliegen eines finanzierten Geschäftes mehrere Alternativen der Belehrung zur Verfügung stehen und zwar je nachdem, ob für das finanzierte Geschäft oder den Darlehensvertrag belehrt werden soll und um welche Art eines verbundenen Geschäfts es sich handelt, bspw. ob es um den finanzierten Erwerb eines Grundstückes geht. Vorliegend hat die Beklagte allerdings den Gestaltungshinweis Nr. 9 des Musters betreffend die Hinweise für finanzierte Geschäfte missachtet, wonach im Fall des finanzierten Grundstückserwerbs der Satz 2 der allgemeinen Hinweise zwingend durch die speziellen Hinweise zu ersetzen ist. Statt Satz 2 zu ersetzen, hat die Beklagte die Belehrung betreffend den finanzierten Grundstückserwerb hinter Satz 2 in die vollständig beibehaltenen Hinweise für finanzierte Geschäfte eingefügt. Zudem hat sie die in den Gestaltungshinweisen vorgegebene Musterformulierung inhaltlich verändert, indem sie die einleitende Formulierung: „Dies ist nur anzunehmen“, durch die abweichende Formulierung: „Bei einem finanzierten Erwerb eines Grundstücks oder grundstücksgleichen Rechts ist eine wirtschaftliche Einheit nur anzunehmen“, ersetzt hat. Damit ist sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten zur Gestaltung der Widerrufsbelehrung durch die Gestaltungshinweise inhaltlich von der vorgesehenen Gestaltung abgewichen, so dass sie sich auf den Vertrauensschutz des § 14 BGB-InfoV a. F. nicht mehr berufen kann. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Veränderungen wesentlich sind oder sich negativ auf die Verständlichkeit der Belehrung auswirken. Maßgeblich ist allein, ob der Unternehmer den Text der Musterbelehrung bei der Abfassung der Widerrufsbelehrung einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzogen hat (vgl. BGH v. 10.02.2015, Az. II ZR 163/14, juris Rn. 8). Gerade dies ist vorliegend erfolgt, da die Beklagte durch Missachtung des Gestaltungshinweises Nr. 9 und durch Umformulierung des vorgegebenen Mustertextes in das zur Verfügung gestellte Muster inhaltlich eingegriffen hat. Dann kann sie sich auf die mit einer unveränderten Übernahme der Musterbelehrung verbundene Schutzwirkung nicht mehr berufen, unabhängig davon, ob der geänderte Teil der Musterbelehrung im konkreten Fall einschlägig ist (vgl. BGH, Urteil vom 28.06.2011, Az. XI ZR 349/10, juris Rn. 39).

Da die Widerrufsbelehrung der Beklagten insoweit von der Musterbelehrung der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a. F. abweicht und die Beklagte schon aus diesem Grund keinen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen kann, kommt es nicht darauf an, ob die Widerrufsbelehrung auch wegen der Angabe einer Postfachanschrift von der Musterbelehrung abweicht.

Der Ausübung des Widerrufsrechts durch den Kläger steht nicht der Einwand der Verwirkung entgegen.

Zwar können grundsätzlich auch unbefristete Gestaltungsrechte wie das Widerrufsrecht im Falle illoyaler Verspätung der Verwirkung unterliegen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.09.2015, Az. 23 U 24/15, Juris Rn. 42). Die Voraussetzungen der Verwirkung sind hier jedoch nicht erfüllt. Ein Recht ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (BGH v. 20.07.2010, Az. EnZR 23/09, Juris Rn. 20). Im vorliegend betroffenen Anwendungsbereich von Verbraucherschutzrechten und damit zusammenhängenden Widerrufsrechten sind strenge Anforderungen an das Umstandsmoment zu stellen (Senat, Urteil vom 26.08.2015, Az. 17 U 202/14, Juris Rn. 34). Danach kommt hier eine Verwirkung nicht in Betracht. Die jahrelange unbeanstandete Durchführung des Vertrages allein reicht ebenso wenig wie die Rückführung des Darlehens aus, um von einer Verwirkung ausgehen zu können (Senat a.O. m.w.Nw.; Müggenborg/Horbach, NJW 2015, 2145 [2149]; a. A.: OLG Frankfurt, Urteil vom 07.08.2015, Az. 19 U 5/15, Juris Rn. 59 – Nichtzulassungsbeschwerde anhängig). Außer der seit der vollständigen Rückführung des Darlehens verstrichenen Zeit steht damit kein Verhalten der Kläger im Raum, aus dem die Beklagte bei objektiver Betrachtung den Schluss ziehen durfte, der Kläger würde sein Recht nicht mehr geltend machen. Überdies hat die Beklagte auch nicht vorgetragen, dass sie sich auf die Nichtausübung des Widerrufsrechts eingerichtet hätte und ihr ein unzumutbarer Nachteil entstünde, falls der Widerruf Wirksamkeit entfaltete, worauf bereits das Landgericht zutreffend abgestellt hat. Schließlich wäre die Beklagte auch nicht schutzwürdig. Nach § 355 Abs. 3 S. 3 BGB a. F. erlischt das Widerrufsrecht nicht, wenn der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist. Derjenige, der eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung verwendet, muss mithin regelmäßig mit der Ausübung des Widerrufsrechts rechnen (vgl. (BGH, Urteil vom 07.05.2014, Az. IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101-121, Juris Rn. 39; OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.09.2015, Az. 23 U 24/15, Juris Rn. 42). Die bloße Hoffnung der Beklagten, auf ihr eigenes Schweigen hin würde auch der Kläger die Anlageentscheidung im Laufe der Zeit vielleicht auf sich beruhen lassen, begründet die Schutzwürdigkeit der Beklagten jedenfalls nicht (Senat, Urteil vom 26.08.2015, Az. 17 U 202/14, Juris Rn. 36). Sonstigen begründete Umstände, aufgrund derer die Beklagte im konkreten Fall nicht mehr mit einem Widerruf nach der bereits erfolgten vollständigen Rückzahlung des Darlehens rechnen musste, liegen nicht vor.

Entgegen der Ansicht der Beklagten stellt sich die Ausübung des Widerrufs nicht als unzulässige Rechtsausübung dar.

Dem Kläger ist insbesondere nicht vorzuwerfen, sich mit der Erklärung des Widerrufs in einen mit den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht in Übereinstimmung zu ihrem früheren Verhalten stehenden Widerspruch gesetzt zu haben. Allein der Umstand, dass ein Berechtigter bis zur Ausübung eines ihm eingeräumten Gestaltungsrechts den bestehenden Vertrag anerkennt, kann der Geltendmachung von Rechten nach der Ausübung grundsätzlich nicht entgegenstehen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.09.2015, Az. 23 U 24/15, Juris Rn. 42), da andernfalls die vom Gesetzgeber in § 355 Abs. 3 S. 3 BGB a. F. getroffene Regelung in ihr Gegenteil verkehrt würde (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 17.03.2015, Az. 31 U 40/15, Juris Rn. 7). Widersprüchliches Verhalten ist nach der Rechtsordnung grundsätzlich zulässig und nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Eine Rechtsausübung kann unzulässig sein, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig erscheinen (BGH, Urteil vom 07.05.2014, Az. IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101-121, Juris Rn. 40). Eine solche vorrangige Schutzwürdigkeit kann ein Unternehmer nicht für sich beanspruchen, wenn er es – so wie hier – versäumt hat, den Verbraucher über sein Widerrufs bzw. Widerspruchsrecht zu belehren (vgl. BGH a.a.O.).

Die Geltendmachung des Widerrufsrechtes ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil sie zu einem Zweck erfolgte, der der Zwecksetzung der Norm, die das Widerrufsrecht grundsätzlich eröffnet, zuwiderliefe. Zwar liegen Sinn und Zweck eines Widerrufsrechts grundsätzlich darin, dem Kunden die Möglichkeit einzuräumen, die Sinnhaftigkeit des von ihm abgeschlossenen Vertrages im Nachhinein noch einmal zu überdenken und auf eine voreilige Entschließung überprüfen zu können. Dennoch kann von einem Rechtsmissbrauch auch dann nicht ausgegangen werden, wenn der Verbraucher – wie hier – für sich keinen Übereilungsschutz in Anspruch zu nehmen gedenkt, sondern aus dem Widerruf einen wirtschaftlichen Vorteil ziehen will (BGH, Urteil vom 16.03.2016, Az. VIII ZR 146/15, Juris Rn. 16 ff.; Senat, Urteil vom 26.08.2015, Az. 17 U 202/14, Juris Rn. 35). Nach der gesetzlichen Regelung kann ein Verbraucher das Widerrufsrecht ohne besondere Begründung ausüben (vgl. § 355 Abs.1 S.2 BGB a.F.); eine wie auch immer geartete „Gesinnungsprüfung“ findet nicht statt – und zwar weder innerhalb der Zwei-Wochen-Frist noch danach. Insofern ist es ohne Weiteres legitim, das Widerrufsrecht aus rein wirtschaftlichen Erwägungen geltend zu machen (BGH, Urteil vom 16.03.2016, Az. VIII ZR 146/15, Juris Rn. 16 ff.; OLG Frankfurt a.a.O.; OLG Stuttgart, Urteil vom 06.10.2015, Az. 6 U 148/14, Juris Rn. 44; Müggenborg/Horbach, NJW 2015, 2145 [2148]; a.A.: OLG Hamburg, Urteil vom 02.04.2015, Az. 13 U 87/14, BeckRS 2015, 17033, […] Rn. 18 ff.).

Aufgrund des wirksam erklärten Widerrufs des Vertrages sind nach §§ 357 Abs. 1 S. 1, 346 Abs. 1 BGB a. F. die empfangenen Leistungen zurück zu gewähren. Der Darlehensnehmer schuldet dem Darlehensgeber gemäß § 346 Abs. 1 Hs. 1 BGB Herausgabe der gesamten Darlehensvaluta ohne Rücksicht auf eine (Teil-)Tilgung und gemäß § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und S. 2 BGB Herausgabe von Wertersatz für Gebrauchsvorteile am jeweils tatsächlich noch überlassenen Teil der Darlehensvaluta. Der Darlehensgeber schuldet dem Darlehensnehmer gemäß § 346 Abs. 1 Hs. 1 BGB die Herausgabe bereits erbrachter Zins- und Tilgungsleistungen und gemäß § 346 Abs. 1 Hs. 2 BGB die Herausgabe von Nutzungsersatz wegen der (widerleglich) vermuteten Nutzung der bis zum Wirksamwerden des Widerrufs erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen (BGH, Beschluss vom 12. Januar 2016 – XI ZR 366/15 -, Rn. 13, juris; BGH, Beschluss vom 22.09.2015, Az. XI ZR 116/15, Juris Rn. 7).

Der Kläger kann danach von der Beklagten die Rückzahlung der bis zum 16.05.2011 laufend entrichteten Zins- und Tilgungsleistungen (52.046,44 €) sowie der zur Tilgung der restlichen Darlehensschuld per 16.05.2011 erbrachten Zahlung (109.103,46 €) zuzüglich der entrichteten Vorfälligkeitsentschädigung (3.933,25 €) und der (Ablöse-)Gebühren (395,34 €) mithin insgesamt 165.478,49 € verlangen. Hinzu kommen Zinsen in Höhe von 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für den Zeitraum 02.08.2003 bis 16.05.2011 aus den laufend entrichteten Zins- und Tilgungsleistungen. Bei Zahlungen an eine Bank besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Bank Nutzungen im Wert des üblichen Verzugszinses gezogen hat, die sie als Nutzungsersatz herausgeben muss (BGH a.a.O.; BGH, Urteil vom 10.03.2009, Az. XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123-134, Juris Rn. 29). Der gesetzliche Verzugszins beträgt im vorliegenden Fall nach § 497 Abs. 1 S. BGB in der bis zum 10.06.2010 gültigen Fassung bzw. nach § 503 Abs. 2 BGB in der ab 11.06.2010 gültigen Fassung 2,5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz, da das Darlehen durch die Bestellung von Grundpfandrechten gesichert war. Anhaltspunkte dafür, dass das Darlehen zu für grundpfandrechtlich abgesicherte Verträge unüblichen Bedingungen ausgereicht worden ist, bestehen nicht. Es ist daher von einem Immobiliardarlehen im Sinne des § 492 Abs. 1a S. 2 BGB a. F. bzw. § 503 Abs. 1 BGB n. F. auszugehen. Von der für Schadenersatzansprüche einer Bank entwickelten Rechtsprechung, nach der die Bank im Rahmen der abstrakten Schadensberechnung als Verzögerungsschaden Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe geltend machen kann, ohne Angaben zur Schadenshöhe machen zu müssen, sind Realkredite ausgenommen (BGH, Urteil vom 18.02.1992, Az. XI ZR 134/91, Juris Rn. 14; BGH, Urteil vom 12.05.1998, Az. XI ZR 79/97, juris Rn. 23; OLG Nürnberg, Urteil vom 11.11.2015, Az. 14 U 2439/14, Juris Rn. 47). Da die zugunsten einer Bank bei der Berechnung ihres Verzugsschadens geltenden Grundsätze auch im Rahmen der Schätzung der von ihr gezogenen Nutzungszinsen Beachtung finden (BGH, Urteil vom 12.05.1998, Az. XI ZR 79/97, juris Rn. 24), kann in Fällen des Realkredits nicht zum Nachteil der Bank eine Nutzungsziehung in Höhe des allgemeinen gesetzlichen Verzugszinses von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz (§ 288 Abs. 1 S. 2 BGB) widerleglich vermutet werden, wenn die Bank ihrerseits in einem solchen Fall bei Kündigung des Kredits wegen Zahlungsverzugs vom Kunden nur einen Verzugszins nach § 503 Abs. 2 BGB n. F. – als abstrakt berechneten Verzugsschaden – verlangen dürfte (OLG Nürnberg, Urteil vom 11.11.2015, Az. 14 U 2439/14, Juris Rn. 47). Der Kläger kann daher, wie nachfolgend dargestellt, Nutzungsersatz in Höhe von lediglich 7.841,21 € verlangen.

(Von der Darstellung der nachfolgenden Tabelle wird abgesehen – die Red.).

Die Beklagte hat hingegen einen Anspruch auf Rückzahlung der Darlehensvaluta in Höhe von 120.000,- € sowie auf Nutzungsersatz in unstreitiger Höhe von 42.513,21 €.

Nach der vom Kläger erklärten Aufrechnung dieser per 16.05.2011 rechnerisch bestehenden Ansprüche ergibt sich folgender Saldo:
laufend erbrachte Zins- und Tilgungen 52.046,44 €
Zahlung zur Tilgung der restlichen Darlehensschuld 15.05.2011 109.103,46 €
Vorfälligkeitsentschädigung 3.933,25 €
(Ablöse-)Gebühren 395,34 €
Nutzungsersatz 7.841,21 €
Darlehensvaluta – 120.000,00 €
Nutzungsersatz – 42.513,21 €
10.806,49 €

Der Zahlungsanspruch des Klägers beläuft sich mithin auf lediglich 10.806,49 €.

Die vom Kläger eingelegte Anschlussberufung ist zulässig. In der Sache hat sie teilweise Erfolg.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung von Zinsen in Höhe von 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 10.806,49 € seit dem 16.05.2011 gem. § 346 Abs. 1 Hs. 2 BGB. Wie bereits ausgeführt, besteht bei Zahlungen an eine Bank eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Bank Nutzungen im Wert des üblichen Verzugszinses gezogen hat, die sie als Nutzungsersatz herausgeben muss. Der danach maßgebliche Verzugszins beträgt bei Immobiliarkrediten gem. § 497 Abs. 1 S. BGB in der bis zum 10.06.2010 gültigen Fassung bzw. nach § 503 Abs. 2 BGB in der ab 11.06.2010 gültigen Fassung 2,5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Ab dem 27.03.2015 belaufen sich die von der Beklagten zu entrichtenden Zinsen auf 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Bei verständiger Würdigung hat der Kläger bereits mit seinem Schreiben vom 22.02.2015 seine Vertragserklärung widerrufen. Die Beklagte ist deshalb gem. §§ 357 Abs. 1 S. 2, 286 Abs. 3 BGB a. F. 30 Tage nach Zugang dieses Schreibens mit der Rückzahlung der empfangenen Leistungen in Verzug geraten. Der Senat geht davon aus, dass der Beklagten das Schreiben des Klägers vom 22.02.2015 spätestens am 26.02.2015 zugegangen ist, so dass ab dem 27.02.2015 der gesetzliche Verzugszins zu entrichten ist.

Der Kläger hat des Weiteren einen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.029,35 € gem. §§ 286, 280 BGB. Die nach Eintritt des Verzugs entstandenen vorgerichtlichen Kosten sind als Verzugsschaden zu ersetzen. Diese Forderung ist wiederum seit dem Tag nach Eintritt der Rechtshängigkeit gem. §§ 286, 288 BGB zu verzinsen.

Auch wenn die Beklagte die Begleichung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten durch den Kläger bestritten und der Kläger dafür keinen Beweis angetreten hat, war nicht lediglich auf Freistellung, sondern gleichwohl auf Zahlung zu erkennen. Nach § 250 BGB kann ein Befreiungsanspruch in einen Zahlungsanspruch übergehen, wenn der Gläubiger unter Setzung einer Frist mit Ablehnungsandrohung den Ersatzpflichtigen erfolglos zur Erfüllung aufgefordert hat. Nach fruchtlosem Ablauf kann der Gläubiger dann Ersatz in Geld verlangen und der Anspruch auf Freistellung ist ausgeschlossen. Das Erfordernis einer entsprechenden Fristsetzung entfällt, wenn der Schuldner ernsthaft und endgültig die Befreiung oder überhaupt jede Schadensersatzleistung verweigert, was auch in einem entsprechenden prozessualen Verhalten liegen kann, so dass sich der Befreiungsanspruch in dem Zeitpunkt in eine Geldforderung umwandelt, in dem der Berechtigte Geldersatz fordert (BGH, Urteil vom 17.02.2011 – III ZR 144/10, Rn. 22, juris; OLG Hamm, Urteil vom 04. Februar 2015 – 8 U 89/14 -, Rn. 78, juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

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