OLG Frankfurt am Main 17 U 46/16 Widerruf von Verbraucherdarlehensverträgen

Juli 19, 2017

Oberlandesgericht Frankfurt am Main
Urt. v. 07.09.2016, Az.: 17 U 46/16
Widerruf von Verbraucherdarlehensverträgen

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

1. Zur Frage der Abweichung einer Widerrufsbelehrung von der Musterwiderrufsbelehrung

2. Die Beendigung eines Darlehensvertrages und Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung steht der Ausübung des Widerrufsrechts nicht entgegen.

Tenor:

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 23.02.2016 unter Zurückweisung der weitgehenden Berufung teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 9.600,64 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.11.2010 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil – und das angefochtene Urteil im Umfang der Berufungszurückweisung – sind vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe

I.

Die Kläger verlangen von der Beklagten die Rückzahlung eines geleisteten Vorfälligkeitsentgeltes nach einem Darlehenswiderruf.

Die Kläger schlossen mit der Beklagten zur Finanzierung eines Wohnhauses am 04.07.2007/11.07.2007 einen Darlehensvertrag über 89.000,- € mit einem Jahreszins von 4,95 %, der Zins war bis 30.09.2017 festgeschrieben.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Darlehensvertrages wird auf Anlage B 1 (Blatt 49 ff. d. A.) Bezug genommen. Das Darlehen wurde durch eine Grundschuld gesichert.

Den Klägern wurde eine Widerrufsbelehrung erteilt. Diese unterzeichneten sie zusammen mit dem Vertrag am 11.07.2007.

Diese lautet wie folgt: (Von der Darstellung der nachfolgenden Textpassage wird abgesehen – die Red.).

Insoweit wird auf die Kopie Anlage B1 (Bl. 57 dA) Bezug genommen.

Im November 2009 setzten sich die Kläger mit der Beklagten in Verbindung und teilten mit, dass sie evtl. beabsichtigen würden, das Darlehen vorzeitig zurückzuführen. Am 01.11.2010 erteilten die Kläger der A eine Ablösevollmacht, aufgrund derer sich diese mit der Beklagten in Verbindung setzte. Mit Schreiben vom 25.11.2010 teilte die A der Beklagten mit, dass sie das von der Beklagten verlangte Aufhebungsentgelt in Höhe von 9.600,64 € an diese ausgezahlt habe. Die Zahlung des Aufhebungsentgelts erfolgte am 30.11.2010, was den Klägern durch Schreiben der Beklagten vom 08.12.2010 mitgeteilt wurde.

Mit Schreiben vom 26.03.2015 (Anlage K3 – Anlagenband) erklärten die Kläger, vertreten durch ihre Bevollmächtigten, den Widerruf des Darlehensvertrags.

Die Kläger begehren die Rückzahlung des an die Beklagten gezahlten Aufhebungsentgeltes nebst vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.723,67 € aus einem Streitwert von 89.000 €.

Die Kläger haben die Ansicht vertreten, dass die erteilte Widerrufsbelehrung fehlerhaft sei, da die Formulierung hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist durch die Verwendung des Wortes „frühestens“ verwirrend sei. Die Widerrufsbelehrung entspreche auch nicht dem Muster zu Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV in der zum Vertragsschluss geltenden Fassung, denn sie enthalte nicht die vorgeschriebenen Belehrungen zu den Folgen des Widerrufs für Finanzdienstleistungen, auch sei die Angabe einer Postfachanschrift als Widerrufsadressat nicht zulässig.

Zudem seien die Hinweise zum Widerrufsrecht bezüglich verbundener Geschäfte fehlerhaft.

Die Kläger haben beantragt:

die Beklagte zu verurteilen, an sie 9.600,64 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.11.2010 zu zahlen,

die Beklagte zu verurteilen, an sie außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 2.723,67 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.11.2015 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, das Widerrufsrecht sei erloschen, nachdem die Parteien eine Einigung über die Aufhebung des Baufinanzierungsvertrages geschlossen hätten. Für einen Widerruf sei danach kein Raum mehr. Die Widerrufsbelehrung genüge zudem den gesetzlichen Anforderungen, insoweit könne sich die Beklagte zumindest auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Musters zu Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV in der zum Vertragsschluss geltenden Fassung berufen, eine inhaltliche Veränderung der Musterbelehrung sei von der Beklagten nicht vorgenommen worden. Letztlich beruft sich die Beklagte darauf, dass der Widerruf treuwidrig beziehungsweise verwirkt sei.

Die Beklagten bestreiten die Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die zulässige Klage sei unbegründet. Ob die Widerrufserklärung fehlerhaft sei, könne dahinstehen. Die Ausübung des Widerrufsrechts durch die Kläger stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar. Der Durchsetzung des von der Klägerseite verfolgten Anspruchs stehe der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung entgegen. Maßgeblich sei, dass die Kläger aus eigenem Antrieb aktiv die vorzeitige Ablösung des Darlehensvertrages von der Beklagten begehrt hätten und hierzu bereits im November 2009 an diese herangetreten seien. Das für die Verwirkung erforderliche Zeitmoment sei erfüllt, denn die Kläger hätten das im April 2007 aufgenommene Darlehen im November 2010 vorzeitig abgelöst. Ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung hätten die Kläger erst mit außergerichtlichem Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 26.03.2015 widerrufen. Sie hätten somit viereinhalb Jahre zwischen der vorzeitigen und einvernehmlichen Vertragsbeendigung und der Erklärung des Widerrufs verstreichen lassen, was deutlich über der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) liege. Auch das Umstandsmoment sei erfüllt. Die Beklagte habe nicht mehr mit einem Widerruf des Darlehensvertrags rechnen müssen, sondern habe auf den Bestand der mit der vorzeitigen Ablösung im November 2010 erfolgten beiderseitigen Vertragserfüllung vertrauen können.

Dass die Kläger erst nach der Ablösung des Darlehens von einem potentiellen Widerrufsrecht Kenntnis erlangt hätten, sei unerheblich. Das Vertrauen der Beklagten in die Nichtausübung des Widerrufsrechts nach vorzeitiger Ablösung des Darlehens sei auch schutzwürdig.

Zur ergänzenden Darstellung des Sach- und Streitstandes wird insoweit gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger. Sie wenden sich gegen die Annahme des Landgerichts, der Widerruf sei verwirkt. Die Beklagte könne bereits deshalb kein schutzwürdiges Vertrauen in Anspruch nehmen, weil sie dem Kunden keine ordnungsgemäße Belehrung erteilt habe. Insoweit vertiefen und wiederholen die Kläger ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Die Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil des Landgerichts Frankfurt (Az.:2-02 O 155/15) vom 23.03.2016 abzuändern und

die Beklagte zu verurteilen, an sie 9.600,64 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.11.2010 zu zahlen,

die Beklagte zu verurteilen, an sie außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 2.723,67 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.11.2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages verteidigt sie die angefochtene Entscheidung.

II.

Die zulässige Berufung hat überwiegend Erfolg.

Die Kläger haben aufgrund des von ihnen erklärten Widerrufs der auf den Abschluss des Darlehensvertrags vom 04.07.2007/11.07.2007 gerichteten Willenserklärungen einen Anspruch auf Rückzahlung des geleisteten Vorfälligkeitsentgeltes in Höhe von 9.600,64 € gem. § 346 Abs. 1, 2 BGB, i. V. m. §§ 495 Abs. 1, 355 BGB in der bis zum 10.06.2010 gültigen Fassung = a.F. (Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB). Durch den Widerruf ist der Darlehensvertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt worden.

Der mit Schreiben vom 26.03.2015 erklärte Widerruf ist nicht gem. § 355 Abs. 1 S. 2 BGB a. F. verfristet. Zwar haben die Kläger ihre Vertragserklärungen nicht innerhalb von zwei Wochen seit Aushändigung der Widerrufsbelehrung widerrufen. Dies ist jedoch unerheblich, da die Widerrufsfrist mangels ordnungsgemäßer Belehrung nicht zu laufen begonnen hat und das Widerrufsrecht gem. § 355 Abs. 3 S. 3 BGB a. F. nicht erloschen ist.

Die von der Beklagten erteilte Belehrung ist fehlerhaft, da ein Verbraucher durch die in einer Widerrufsbelehrung verwendete Formulierung „frühestens mit Erhalt dieser Erklärung“ nicht richtig über den nach § 355 Abs. 2 BGB a. F. maßgeblichen Beginn der Widerrufsfrist belehrt wird (vgl. BGH, Urteil vom 15.08.2012 – VIII ZR 378/11, Juris Rn. 9; BGH, Urteil vom 01.03.2012 – III ZR 83/11, Juris Rn. 15; BGH, Urteil vom 02.02.2011 – VIII ZR 103/10, Juris Rn. 14).

Die Belehrung entspricht auch nicht dem Wortlaut der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 der BGB-InfoV in der vom 8.12.2004 bis 31.03.2008 geltenden Fassung. Nach § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a. F. genügt die Belehrung den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB a. F., wenn das Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a. F. in Textform verwendet wird. Die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV besteht nur dann, wenn ein Formular verwendet wird, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a.F. sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht (vgl. BGH, Beschluss vom 10.02.2015 – II ZR 163/14, Juris Rn. 8; BGH, Urteil vom 18.03.2014 – II ZR 109/13, Juris Rn. 15; BGH, Urteil vom 01.12.2010 – VIII ZR 82/10, Juris Rn. 15). Greift der Unternehmer in den Mustertext selbst ein, kann er sich schon deshalb unabhängig vom konkreten Umfang der Änderung auf eine etwa mit der unveränderten Übernahme der Musterbelehrung verbundene Schutzwirkung nicht mehr berufen (BGH, Urteil vom 01.03.2012 – III ZR 83/11, Juris Rn. 17; Senat, Urteil vom 26.08.2015, Az. 17 U 202/14, Juris Rn. 31). Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Veränderungen wesentlich sind oder sich negativ auf die Verständlichkeit der Belehrung auswirken. Maßgeblich ist allein, ob der Unternehmer den Text der Musterbelehrung bei der Abfassung der Widerrufsbelehrung einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzogen hat (vgl. BGH Beschluss vom 10.02.2015 – II ZR 163/14, Juris Rn. 8; BGH Urteil vom 18.03.2014 – II ZR 109/13, Juris Rn. 18; Senat a.a.O.). Geringfügige Anpassungen, wie etwa diejenige der Formulierung des Fristbeginns an das Gesetz (vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 20.11.2012 – II ZR 264/10, Juris Rn. 6), bleiben allerdings möglich (Senat, Beschluss vom 10.08.2015, Az. 17 U 194/14, Juris Rn. 24; OLG Frankfurt vom 29.12.2014, Az. 23 U 80/14, Juris Rn. 17). Nach diesem Maßstab hat die Beklagte die Musterbelehrung vorliegend einer inhaltlichen Bearbeitung unterzogen.

Die Musterbelehrung sah in der für den Vertragsschluss am 4./11.07.2007 geltenden Fassung in Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV als Gestaltungshinweis Nr. 6 vor: „Bei Finanzdienstleistungen ist folgender Satz einzufügen: ‚Dies kann dazu führen, dass Sie die vertraglichen Zahlungsverpflichtungen für den Zeitraum bis zum Widerruf gleichwohl erfüllen müssen.'“ Diesen Satz hat die Beklagte nicht in die von ihr verwendete Belehrung eingefügt und damit die Musterbelehrung einer inhaltlichen Bearbeitung unterzogen. Bei diesem Zusatz handelt es sich auch nicht um eine Angabe, die ins Belieben des Unternehmers gestellt worden ist. Vielmehr sieht der Gestaltungshinweis Nr. 6 der Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV a.F. ausdrücklich vor, dass der entsprechende Satz bei Finanzdienstleistungen einzufügen „ist“. Zwar weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass § 355 BGB a.F. eine Pflicht zur Belehrung über die Widerrufsfolgen nicht vorsah, hierauf kommt in diesem Zusammenhang jedoch entgegen der Ansicht der Beklagten nicht an. Denn entscheidend ist für die Gesetzlichkeitsfiktion der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 der BGB-InfoV a.F., dass ein Formular verwendet wird, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a.F. sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht.

Zudem hat die Beklagte darauf verzichtet, den in der Musterwiderrufsbelehrung vorgesehenen Satz: „Verpflichtungen zur Erstattung von Zahlungen müssen Sie innerhalb von 30 Tagen nach Absendung ihrer Widerrufserklärung erfüllen“, in die Widerrufsbelehrung zu übernehmen. Auch damit hat sie bearbeitend in den Mustertext eingegriffen.

Die Beendigung des Darlehensvertrags durch Abschluss der Aufhebungsvereinbarungen und Zahlung des Aufhebungsentgeltes im November 2010 steht der Ausübung des Widerrufsrechts nicht entgegen.

Zwar ist das Oberlandesgericht Düsseldorf (Beschluss vom 18. Januar 2015- I-6 W 221/11, Juris Rn. 15; Urteil vom 27. November 2014 – I-6 U 135/14, Juris Rn. 31) insoweit der Ansicht, dass für einen Widerruf kein Raum mehr sei, wenn die entsprechenden Verträge aufgrund einer Kündigung oder einer Ersetzung durch einen neuen Vertrag ohnehin keinen Bestand mehr hätten.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Versicherungsnehmer durch die Kündigung eines Versicherungsvertrages nicht an der Ausübung des Widerrufsrechts gehindert. Denn da der Kläger über sein Widerspruchsrecht nicht ausreichend belehrt wurde, habe er sein Wahlrecht zwischen Kündigung und Widerspruch nicht sachgerecht ausüben können (BGH, Urteile vom 7. Mai 2014 – IV ZR 76/11, Juris Rn. 36; vom 16.10.2013 – IV ZR 52/12, Juris Rn. 24). Dabei stellt der BGH ausdrücklich darauf ab, dass bei Fehlen einer ordnungsgemäßen Belehrung über das Widerrufsrecht nicht sichergestellt sei, dass dem Versicherungsnehmer zur Zeit der Kündigung bewusst sei, neben dem Kündigungsrecht ein Recht zum Widerruf zu haben, um so die Vor- und Nachteile einer Kündigung gegen die eines Widerrufs abwägen zu können (BGH, Urteil vom 16. Oktober 2013 – IV ZR 52/12, Juris Rn. 24; ebenso OLG Stuttgart, Urteil vom 06.09.2015- 6 U 21/15, Juris Rn. 52; OLG Hamm, Urteil vom 4. November 2015- I-31 U 64/15 Rn. 24).

Für den Fall des Abschlusses eines Abwicklungsvertrages kann nichts anderes gelten.

Demzufolge wird die Frage, ob durch eine Beendigung des Darlehensvertrages das Widerrufsrecht entfallen ist, in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auch einhellig im Rahmen eines Rechtsmissbrauches erörtert (vgl. nur OLG Hamburg, Urteil vom 26. Februar 2016 – 2 U 92/15, Juris Rn. 29 ff.; OLG Nürnberg, Beschluss vom 8. Februar 2016 – 14 U 895/15, Juris Rn. 44 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 4. November 2015- I-31 U 64/15 Rn. 24).

Auch der Senat hat bereits entschieden, dass die Erklärung eines Widerrufs zwei Monate nach Rückführung des Darlehens und Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung weder verwirkt noch rechtsmissbräuchlich sei (Senat, Urteil vom 27. Januar 2016 – 17 U 16/15, Juris Rn. 31 ff.; Beschluss vom 10. März 2014 – 17 W 11/14, Juris Rn. 13). Soweit sich aus dem Beschluss des Senats vom 04.04.2016 – 17 U 199/15 etwas anderes ergeben sollte, hält der Senat hieran nicht fest.

Der Ausübung des Widerrufsrechts durch die Kläger steht nicht der Einwand der Verwirkung entgegen.

Zwar können grundsätzlich auch unbefristete Gestaltungsrechte wie das Widerrufsrecht im Falle illoyaler Verspätung der Verwirkung unterliegen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.09.2015 – 23 U 24/15, Juris Rn. 42). Die Voraussetzungen der Verwirkung sind hier jedoch nicht erfüllt. Ein Recht ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (BGH, Urteil vom 20.07.2010 – EnZR 23/09, Juris Rn. 20).

Im vorliegend betroffenen Anwendungsbereich von Verbraucherschutzrechten und damit zusammenhängenden Widerrufsrechten sind strenge Anforderungen an das Umstandsmoment zu stellen (Senat, Urteil vom 26.08.2015 – 17 U 202/14, Juris Rn. 34). Danach kommt hier eine Verwirkung nicht in Betracht. Die jahrelange unbeanstandete Durchführung des Vertrages allein reicht nicht aus, um von einer Verwirkung ausgehen zu können (Senat a.O. m.w.Nw.; Müggenborg/Horbach, NJW 2015, 2145 [2149]; a. A.: OLG Frankfurt, Urteil vom 07.08.2015 – 19 U 5/15, Juris Rn. 59 – Nichtzulassungsbeschwerde anhängig). Auch die bloße Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung und damit Erfüllung des Darlehensvertrages genügt hierfür nicht, da dies kein Verhalten der Kläger darstellt, aus dem die Beklagte bei objektiver Betrachtung den Schluss ziehen durfte, die Kläger würden ihr Recht nicht mehr geltend machen. Überdies hat die Beklagte auch nicht vorgetragen, dass sie sich auf die Nichtausübung des Widerrufsrechts eingerichtet hätte und ihr ein unzumutbarer Nachteil entstünde, falls der Widerruf Wirksamkeit entfaltete. Schließlich wäre die Beklagte auch nicht schutzwürdig. Nach § 355 Abs. 3 S. 3 BGB a. F. erlischt das Widerrufsrecht nicht, wenn der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist. Derjenige, der eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung verwendet, muss mithin regelmäßig mit der Ausübung des Widerrufsrechts rechnen (vgl. (BGH, Urteil vom 07.05.2014 – IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101-121, Juris Rn. 39; OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.09.2015 – 23 U 24/15, Juris Rn. 42). Die bloße Hoffnung der Beklagten, auf ihr eigenes Schweigen hin würde auch die Kläger die Sache im Laufe der Zeit vielleicht auf sich beruhen lassen, begründet die Schutzwürdigkeit der Beklagten jedenfalls nicht (Senat, Urteil vom 26.08.2015 – 17 U 202/14, Juris Rn. 36). Sonstigen begründete Umstände, aufgrund derer die Beklagte im konkreten Fall nicht mehr mit einem Widerruf des Darlehensvertrages rechnen musste, liegen nicht vor.

Entgegen der Ansicht der Beklagten stellt sich die Ausübung des Widerrufs auch nicht als unzulässige Rechtsausübung dar. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt ein Ausschluss des Widerrufsrechts wegen Rechtsmissbrauchs beziehungsweise unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) nur ausnahmsweise – unter dem Gesichtspunkt besonderer Schutzbedürftigkeit des Unternehmers – in Betracht, etwa bei arglistigem Verhalten des Verbrauchers gegenüber dem Unternehmer (BGH, Urteile vom 16. März 2016 – VIII ZR 146/15, Juris Rn. 16; vom 25. November 2009 – VIII ZR 318/08, Juris Rn. 20).

Derartige Umstände sind vorliegend nicht gegeben. Den Klägern ist insbesondere nicht vorzuwerfen, sich mit der Erklärung des Widerrufs in einen mit den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht in Übereinstimmung zu seinem früheren Verhalten stehenden Widerspruch gesetzt zu haben. Denn das Gesetz knüpft die Ausübung des Widerrufsrechts – wie schon das Fehlen einer Begründungspflicht (§ 355 Abs. 1 Satz 2 BGB aF) zeigt – nicht an ein berechtigtes Interesse des Verbrauchers, sondern überlässt es allein seinem freien Willen, ob und aus welchen Gründen er seine Vertragserklärung widerruft (BGH, Urteil vom 16. März 2016 – VIII ZR 146/15, Juris Rn. 20). Nur dieses Verständnis wird – wie der Bundesgerichtshof nach Erlass der angefochtenen Entscheidung für das vergleichbar ausgestaltete Widerrufsrechts beim Fernabsatzvertrag entschieden hat – dem Sinn des Widerrufsrechtes, dem Verbraucher ein einfaches und effektives Recht zur Lösung von einem im Fernabsatzgeschäft geschlossenen Vertrag an die Hand zu geben, gerecht (BGH, Urteil vom 16. März 2016 – VIII ZR 146/15, Juris Rn. 20; vgl. Senat, Urteil vom 26.08.2015 – 17 U 202/14, Juris Rn. 35; OLG Stuttgart, Urteil vom 06.10.2015 – 6 U 148/14, Juris Rn. 44; Müggenborg/Horbach, NJW 2015, 2145 [2148]; a.A.: OLG Hamburg, Urteil vom 02.04.2015 – 13 U 87/14, BeckRS 2015, 17033, Rn. 18 ff.). Daher hat es der Bundesgerichtshof nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen, wenn der Verbraucher – beim Fernabsatzvertrag – sein Widerrufsrecht ausübt, weil der Verkäufer seinem Angebot auf Zahlung einer Preisdifferenz nicht nachkommt (BGH aaO Rn. 21).

Demzufolge kann allein der Umstand, dass ein Berechtigter bis zur Ausübung eines ihm eingeräumten Gestaltungsrechts den bestehenden Vertrag anerkennt, der Geltendmachung von Rechten nach der Ausübung daher nicht entgegenstehen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.09.2015 – 23 U 24/15, Juris Rn. 42). Auch handelten die Beklagten nicht deshalb rechtsmissbräuchlich, wenn sie das ihnen zustehende Widerrufsrecht aus rein wirtschaftlichen Erwägungen heraus geltend machten.

Nach alledem ist auf die Berufung das landgerichtliche Urteil abzuändern. Die Kläger haben Anspruch auf Erstattung der gezahlten Vorfälligkeitsentschädigung.

Anspruch auf Zinsen haben die Kläger nur in Höhe von 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz (§§ 357, 346 Abs. 1 BGB). Bei Zahlungen an eine Bank besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Bank Nutzungen im Wert des üblichen Verzugszinses gezogen hat, die sie als Nutzungsersatz herausgeben muss (BGH a.a.O.; BGH, Urteil vom 10.03.2009, Az. XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123-134, Juris Rn. 29). Der gesetzliche Verzugszins beträgt im vorliegenden Fall nach § 497 Abs. 1 S. BGB in der bis zum 10.06.2010 gültigen Fassung bzw. nach § 503 Abs. 2 BGB in der ab 11.06.2010 bis zum 20.03.2016 gültigen Fassung sowie § 497 Abs. 4 BGB in der ab dem 21.03.2016 geltenden Fassung 2,5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz, da das Darlehen durch die Bestellung von Grundpfandrechten gesichert war. Anhaltspunkte dafür, dass das Darlehen zu für grundpfandrechtlich abgesicherte Verträge unüblichen Bedingungen ausgereicht worden ist, bestehen nicht. Es ist daher von einem Immobiliardarlehen im Sinne des § 492 Abs. 1a S. 2 BGB a. F. bzw. § 503 Abs. 1 BGB n. F. auszugehen. Von der für Schadenersatzansprüche einer Bank entwickelten Rechtsprechung, nach der die Bank im Rahmen der abstrakten Schadensberechnung als Verzögerungsschaden Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe geltend machen kann, ohne Angaben zur Schadenshöhe machen zu müssen, sind Realkredite ausgenommen (BGH, Urteil vom 18.02.1992, Az. XI ZR 134/91, Juris Rn. 14; BGH, Urteil vom 12.05.1998, Az. XI ZR 79/97, juris Rn. 23; OLG Karlsruhe, Urteil vom 10. Februar 2016 – 17 U 77/15 -, Rn. 47, juris; OLG Nürnberg, Urteil vom 11.11.2015, Az. 14 U 2439/14, Juris Rn. 47). Da die zugunsten einer Bank bei der Berechnung ihres Verzugsschadens geltenden Grundsätze auch im Rahmen der Schätzung der von ihr gezogenen Nutzungszinsen Beachtung finden (BGH, Urteil vom 12.05.1998, Az. XI ZR 79/97, juris Rn. 24), kann in Fällen des Realkredits nicht zum Nachteil der Bank eine Nutzungsziehung in Höhe des allgemeinen gesetzlichen Verzugszinses von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz (§ 288 Abs. 1 S. 2 BGB) widerleglich vermutet werden, wenn die Bank ihrerseits in einem solchen Fall bei Kündigung des Kredits wegen Zahlungsverzugs vom Kunden nur einen Verzugszins nach § 503 Abs. 2 BGB n. F. – als abstrakt berechneten Verzugsschaden – verlangen dürfte (OLG Karlsruhe, Urteil vom 10. Februar 2016 – 17 U 77/15 -, Rn. 49, juris; OLG Nürnberg, Urteil vom 11.11.2015, Az. 14 U 2439/14, Juris Rn. 47; Senat, Urteil vom 18.05.2016 – 17 U 61/15, Juris Rn. 41).

Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten haben die Kläger nicht. Die Kläger haben bereits die Widerrufserklärung durch ihre Rechtsanwälte abgegeben, so dass sie den Anspruch nicht auf einen Verzugsschaden nach §§ 286, 280 BGB stützen können. Die Beklagte befand sich vor Beauftragung der Prozessbevollmächtigten nicht im Schuldnerverzug.

Es entspricht der überwiegenden, vom Senat geteilten Ansicht, dass ein Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB wegen einer Verletzung einer Verpflichtung der Beklagten zur ordnungsgemäßen Belehrung nicht besteht. Dabei kann dahinstehen, ob im Hinblick auf die zur Zeit des Vertragsschlusses bestehenden Unsicherheiten im Hinblick auf die Widerrufsbelehrung ein Verschulden zu verneinen ist (LG Bonn, Urteil vom 03.02.2016 – 17 O 311/15, Juris Rn. 37 unter Bezugnahme auf OLG Köln, Beschluss vom 19.08.2015 – 13 U 19/15) oder aber § 357 BGB a.F. als abschließende Regelung hinsichtlich der Sanktionen einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung anzusehen ist (OLG Karlsruhe, Urteil vom 10.02.2016 – 17 U 77/15, Juris Rn. 40; Palandt/Grüneberg § 361 Rn. 1). Denn in beiden Fällen sind Ansprüche aus § 280 BGB auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten ausgeschlossen.

Andererseits wird § 357 BGB a.F. als abschließende Regelung hinsichtlich der Sanktionen einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung angesehen, so dass weitergehende Ansprüche ausgeschlossen seien (OLG Karlsruhe, Urteil vom 10. Februar 2016 – 17 U 77/15, Juris Rn. 40; Palandt/Grüneberg § 361 Rn. 1; Senat, Urteil vom 24.08.2016 – 17 U 13/16).

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 92 Abs. 2 Nr. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Gründe die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Insbesondere liegt keine Divergenz zu Entscheidungen des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 18. Januar 2012 – I-6 W 221/11, Juris Rn. 15; Urteil vom 27. November 2014 – I-6 U 135/14, Juris Rn. 31) vor, denn die Sachverhalte unterscheiden sich bereits dadurch, dass hier der Darlehensvertrag anders als in den Fällen, über die das OLG Düsseldorf zu entscheiden hatte, nicht durch einen anderen Vertrag ersetzt wurde, sondern von den Klägern vorzeitig abgelöst wurde, zudem hat der Bundesgerichtshof die sich stellenden Fragen insoweit beantwortet (BGH, Urteile vom 7. Mai 2014 – IV ZR 76/11, Juris Rn. 36; vom 16. Oktober 2013 – IV ZR 52/12, Juris Rn. 24).

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