OLG Frankfurt am M. 23 U 98/15 Verbraucherdarlehen: Schutzwirkung des § 14 I BGB-InfoV

Juli 19, 2017

Oberlandesgericht Frankfurt am Main
Urt. v. 25.04.2016, Az.: 23 U 98/15
Verbraucherdarlehensvertrag: Schutzwirkung des § 14 I BGB-InfoV nur bei Übereinstimmung mit Musterwiderrufsbelehrung ohne inhaltliche Bearbeitung

vorgehend:LG Hanau – 13.05.2015 – AZ: 7 O 1017/14

nachgehend:BGH – AZ: XI ZR 226/16

Tenor:

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Hanau vom 13.5.2015 wie folgt abgeändert:

Es wird festgestellt, dass der zwischen der Beklagten und den Klägern abgeschlossene Darlehensvertrag Kontonr. …1 vom 29.4.2008 durch den Widerruf der Darlehensnehmer aufgelöst ist und die Beklagte aus dem Darlehensverhältnis keine Leistung mehr verlangen kann.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 2.203,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.7.2014 zu zahlen.

Die Hilfswiderklage wird abgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe

I.

Hinsichtlich des Sachverhalts wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, die keiner Änderung oder Ergänzung bedürfen, gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Die Kläger machen gegen die Beklagte einen Anspruch auf Feststellung der Auflösung eines Darlehensvertrags aufgrund Widerrufs und auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten geltend.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, dass sie mangels wirksamen Widerrufs unbegründet sei.

Den Klägern stehe kein Anspruch auf Feststellung der Auflösung des streitgegenständlichen Darlehensvertrags zu. Der mit Schriftsatz vom 30.6.2014 erklärte schriftliche Widerruf der auf Abschluss des streitgegenständlichen Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung der Kläger sei verfristet, da die zweiwöchige Widerrufsfrist durch Übergabe der Vertragsunterlagen samt Widerrufsbelehrung in Gang gesetzt worden sei. Zwar sei die erteilte Widerrufsbelehrung zum Darlehensvertrag vom 29.4.2008 (Anlage B 1) fehlerhaft gewesen, weil die Belehrung über den Fristlauf mit „frühestens“ nicht dem Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 BGB a.F. genügt habe. Der Beklagten komme jedoch insoweit hinsichtlich der von ihr verwendeten Widerrufsbelehrung der durch die im Zeitraum vom 8.12.2004 bis 31.3.2008 geltende Fassung der Musterbelehrung in Anlage 2 zur anzuwendenden Regelung des § 14 Abs. 1, 3 BGB-InfoV a.F. erzeugte Vertrauensschutz zugute (BGH BGHZ 194, 238).

Zwar sei grundsätzlich vom Erfordernis eines vollständigen Entsprechens von inhaltlicher und äußerer Gestaltung von Widerrufsbelehrung und Musterbelehrung auszugehen mit der Folge, dass die Gesetzlichkeitsfiktion und damit der Vertrauensschutz entfielen, wenn der Unternehmer in den Mustertext selbst eingreife, und zwar unabhängig vom konkreten Umfang der vorgenommenen Änderung, sowie wenn der Verwender den Text der Musterbelehrung einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterziehe (BGH NJW 2014, 2022 [BGH 18.03.2014 – II ZR 109/13]). Danach sei nicht jede Abweichung vom Mustertext unzulässig; eine schablonenhafte Übereinstimmung von Widerrufsbelehrung und Musterbelehrung sei nicht erforderlich. Jedenfalls Zusätze, die die Musterbelehrung individualisierten, seien schon nach dem in § 14 Abs. 3 BGB-InfoV a.F. deutlich zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers als zulässig zu qualifizieren. Vor diesem Hintergrund stellten die von den Klägern gerügten „Abweichungen“ vom Mustertext keine unzulässigen Abweichungen dar. Die verwendete Überschrift, die in Bezug genommen Fußnoten, die angegebene Telefonnummer der Beklagten und ein weiterer Hinweis auf eine Fristüberprüfung im Einzelfall sowie Anweisungen des Mustertextes an die Verwender seien nicht geeignet, den verständigen Verbraucher in seiner Eigenschaft als Darlehensnehmer über den Fristbeginn im Unklaren zu lassen, wie im Einzelnen ausgeführt.

Die Kläger haben am 11.6.2015 gegen das ihnen am 18.5.2015 zugestellte Urteil des Landgerichts fristgerecht Berufung eingelegt und diese am 20.7.2015 fristgerecht begründet.

Gegen die Klageabweisung richtet sich die Berufung der Kläger, mit der sie die erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgen.

Die Kläger seien nicht in einer den gesetzlichen Vorgaben entsprechenden Weise über ihr Widerrufsrecht belehrt worden, weshalb sie den Widerruf wirksam erklärt hätten. Die Gesetzesfiktion des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a.F. greife nicht; die Auffassung des Landgerichts widerspreche der ständigen Rechtsprechung des BGH (Beschluss vom 10.2.2015, II ZR 163/14 zu Zusatzinformationen und BGH II ZR 109/13 zu inhaltlichen Eingriffen in die Musterwiderrufsbelehrung). Das Landgericht überspanne den Bogen der Auslegung des § 14 BGB-InfoV, wo die Möglichkeiten der eigenen Eingriffe enumerativ und abschließend aufgeführt seien. Nicht erfasst seien davon Zusätze in der Überschrift, die besagten Fußnoten und abweichende und fehlerhafte Darstellungen der Widerrufsfolgen und irreführende Angaben bzw. Abweichungen zu den „Finanzierten Geschäften“, wie von diversen Gerichten so entschieden (u.a. OLG Stuttgart, Urteil vom 29.9.2015, 6 U 21/15). Wenn Hinweise zu den „Finanzierten Geschäften“ erfolgten, müssten diese auch richtig oder wenigstens dem Muster entsprechend sein, anderenfalls liege eine Abweichung vom Mustertext vor. Nach dem Hinweis Nr. 9 des Musters der Widerrufsbelehrung vom 8.12.2004 bis 31.3.2008 bedeute dies eben auch, dass die Sätze 2 und 3 „Finanzierte Geschäfte“ gerade nicht gleichzeitig verwendet werden dürften, sondern Satz 2 durch den angegebenen Satz zu ersetzen sei. Ob sich dies auf das Verständnis der Kläger zum Widerrufsrecht auswirke, sei irrelevant. Die Gesetzlichkeitsfiktion komme nur bei vollständiger und unbearbeiteter Übernahme des Mustertextes zum Tragen.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Landgerichts Hanau vom 13.5.2015 abzuändern und

festzustellen, dass der zwischen der Beklagten und den Klägern abgeschlossene Darlehensvertrag Kontonr. …1 vom 29.4.2008 durch den Widerruf der Darlehensnehmer aufgelöst ist und die Beklagte aus dem Darlehensverhältnis keine Leistung mehr verlangen kann;

die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 2.203,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.7.2014 zu zahlen;

die Hilfswiderklage abzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Kläger zurückzuweisen;

hilfsweise im Wege der Widerklage die Kläger zu verurteilen, an die Beklagte 31.978.- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte verteidigt das Urteil des Landgerichts.

Das Landgericht habe zu Recht angenommen, dass nicht jede Abweichung von der Musterwiderrufsbelehrung unzulässig sei. Seine rechtliche Würdigung entspreche der geltenden Rechtsprechung. Der BGH verlange gerade keine ausnahmslose und hundertprozentige Identität zu der Musterwiderrufsbelehrung. In der Entscheidung vom 10.2.2015 (II ZR 163/14) habe der BGH ausdrücklich offengelassen, ob die Übernahme von Gestaltungshinweisen, die nicht einschlägig seien, eine inhaltliche Bearbeitung der Widerrufsbelehrung darstellten.

Die Kläger versuchten, die hier rein äußerlichen Veränderungen an den Widerrufsbelehrungen als eine inhaltliche Bearbeitung des Textes auszugeben, die als Kriterium von der Rechtsprechung herangezogen werde. In mehreren Entscheidungen sei festgestellt worden, dass es sich bei den vorliegenden Abweichungen wie der Verwendung von „Fußnoten“, Internetadresse, Telefonnummer, gerade um keine inhaltliche Bearbeitung des Musters handele. Der Vortrag der Klägerseite zu den Widerrufsfolgen bei finanzierten Geschäften werde als verspätet gerügt. Außerdem stellten die sogenannten Sammelbelehrungen nach der ständigen Rechtsprechung der Instanzgerichte keine Abweichung von der Musterwiderrufsbelehrung dar (insbesondere OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 12.2.2015, 5 U 175/14).

Darüber hinaus verstoße die Geltendmachung der Ansprüche der Klägerseite zum einen als Rechtsmissbrauch gegen Treu und Glauben nach § 242 BGB und zum anderen seien sämtliche Ansprüche der Klägerseite verwirkt.

Schließlich hat die Beklagte vorgebracht, dass der Feststellungsantrag der Kläger unzulässig sei. Abstrakte Rechtsfragen wie die Wirksamkeit eines Widerrufs oder die Frage, ob die Beklagte aus dem Darlehensverhältnis keine Leistung mehr verlangen könne, könnten nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein. Im Übrigen würden der Beklagten aus dem Rückabwicklungsschuldverhältnis noch Ansprüche zustehen, die bezifferbar seien, was gegen das Feststellungsinteresse spreche. Der Vorrang der Leistungsklage sei zu beachten.

Die Gesamtschau der sich im Rahmen der Rückabwicklung gegenüberstehenden Ansprüche (Darlehensbetrag sowie Kapitalnutzungsentschädigung versus Zins- und Tilgungsleistungen sowie Nutzungsersatz) ergebe einen Saldo zugunsten der Kläger in Höhe von 2.042.- €. Darüber hinaus hätten die Kläger aber auch die aus der Nutzung der mit dem Darlehensvertrag finanzierten Immobilie gezogenen Nutzungen in Form von Gebrauchsvorteilen herauszugeben nach § 355 BGB a.F. mit § 346 BGB in Höhe von 34.020.- €. Dieser Differenzbetrag als Anspruch aus dem Rückabwicklungsschuldverhältnis von 31.978.- € werde im Wege der Hilfswiderklage für den Fall der Wirksamkeit des Widerrufs geltend gemacht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II.

Die Berufung der Kläger ist form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Es liegt insoweit ein Berufungsgrund im Sinne des § 513 ZPO vor, denn die Entscheidung des Landgerichts beruht im Ergebnis auf einer Rechtsverletzung nach § 546 ZPO bzw. nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung.

Den Klägern steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Feststellung der Auflösung des streitgegenständlichen Darlehensvertrags aufgrund Widerrufs und auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zu, denn der mit Schriftsatz vom 30.6.2014 erklärte schriftliche Widerruf der auf Abschluss des streitgegenständlichen Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung der Kläger ist wirksam und nicht verfristet, da die zweiwöchige Widerrufsfrist nach § 355 Abs. 1 BGB a.F nicht durch eine wirksame Widerrufsbelehrung in Gang gesetzt worden ist.

Durchgreifende Bedenken gegen die Zulässigkeit der Feststellungsklage bestehen dabei entgegen der Ansicht der Beklagten nicht.

Die Feststellungklage ist zulässig gemäß 256 ZPO. Das erforderliche Feststellungsinteresse der Kläger liegt vor. Ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses ist gegeben, wenn dem Recht oder der Rechtslage des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und wenn das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (vgl. BGH, Urteil vom 13.1.2010, VIII ZR 351/08 – bei juris).

Die Beklagte ist der Ansicht, der Darlehensvertrag würde nach wie vor fortgelten und die Kläger müssten ihre Verpflichtungen daraus bedienen. Sie lehnt eine Rückabwicklung daher ab. Die Kläger haben daher ein berechtigtes Interesse, die Frage des Bestehens des Darlehensvertrages als Rechtsverhältnis und der daraus resultierenden Verpflichtungen klären zu lassen. Um Vor- oder Rechtsfragen wie die Wirksamkeit des Widerrufs geht es dabei entgegen der Ansicht der Beklagten gerade nicht. Eine bessere Rechtsschutzmöglichkeit für die Kläger besteht nach dem Parteivortrag nicht. Insbesondere ist nach der eigenen Darlegung der Beklagten keine Leistungsklage möglich, denn die Beklagte ermittelt aus der Verrechnung der wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus dem Rückabwicklungsschuldverhältnis (§§ 357 Abs. 1, 346 Abs. 1 BGB) schließlich einen Saldo zu ihren eigen Gunsten in Höhe von 31.978.- € .

Die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung entspricht nicht den Anforderungen des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. und die Beklagte kann sich auch nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion und den daraus folgenden Vertrauensschutz des § 14 Abs. 1, 3 BGB-InfoV a.F. i.V.m. § 16 BGB-InfoV a.F. berufen.

Dabei ist zunächst davon auszugehen, dass die hier in der Widerrufsbelehrung verwendete Formulierung, die Frist beginne „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“, nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH unzureichend ist und dem in § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. enthaltenen Deutlichkeitsgebot nicht genügt. So hat der BGH mit Urteil vom 28.6.2011 (XI ZR 349/10 – bei juris) unter Verweis auf die vorangegangene Rechtsprechung entschieden:

„Unzureichend war die den Klägern erteilte Nachbelehrung jedenfalls hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist, über den der Verbraucher gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB ebenfalls eindeutig zu informieren ist (vgl. Senatsurteil vom 10. März 2009 – XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 Rn. 14 mwN). Die von der Beklagten verwendete Formulierung, die Frist beginne „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“, belehrt den Verbraucher, wie der Bundesgerichtshof bereits wiederholt entschieden hat, nicht richtig über den nach § 355 Abs. 2 BGB maßgeblichen Beginn der Widerrufsfrist, weil sie nicht umfassend und zudem irreführend ist. Die Verwendung des Wortes „frühestens“ ermöglicht es dem Verbraucher nicht, den Fristbeginn ohne Weiteres zu erkennen. Er vermag ihr lediglich zu entnehmen, dass die Widerrufsfrist „jetzt oder später“ (Marx/Bäuml, WRP 2004, 162, 164; s. auch Dörrie, ZfIR 2002, 685, 690) beginnen, der Beginn des Fristlaufs also ggf. noch von weiteren Voraussetzungen abhängen soll. Der Verbraucher wird jedoch darüber im Unklaren gelassen, welche – etwaigen – weiteren Umstände dies sind (BGH, Urteile vom 9. Dezember 2009 – VIII ZR 219/08, WM 2010, 721 Rn. 13, 15, vom 29. April 2010 – I ZR 66/08, WM 2010, 2126 Rn. 21, vom 1. Dezember 2010 – VIII ZR 82/10, WM 2011, 86 Rn. 12 und vom 2. Februar 2011 – VIII ZR 103/10, WM 2011, 474 Rn. 14).“

Mit Urteil vom 15.8.2012 hat der VIII. Zivilsenat des BGH (VIII ZR 378/11 – bei juris) dies wie folgt nochmals bekräftigt:

„Die hier jedenfalls nach §§ 500, 495 Abs. 1, § 355 Abs. 2 BGB aF zu erteilende Widerrufsbelehrung hat zwar den Anforderungen des in § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB aF geregelten Deutlichkeitsgebots nicht genügt. Denn eine Belehrung, die sich – wie hier – hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist auf die Aussage beschränkt, dass die Frist frühestens mit Erhalt dieser Belehrung beginnt, ist – wie durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs inzwischen geklärt ist – nicht in der erforderlichen Weise eindeutig und umfassend, weil die Verwendung des Wortes „frühestens“ es dem Verbraucher nicht ermöglicht, den Fristbeginn ohne Weiteres zu erkennen (BGH, Urteile vom 9. Dezember 2009 – VIII ZR 219/08, WM 2010, 721 Rn. 13, 15; vom 1. Dezember 2010 – VIII ZR 82/10, WM 2011, 86 Rn. 12; vom 2. Februar 2011 – VIII ZR 103/10, WM 2011, 474 Rn. 14; vom 28. Juni 2011 – XI ZR 349/10, WM 2011, 1799 Rn. 34; vom 1. März 2012 – III ZR 83/11, juris, Rn. 15).“

In diesem Urteil hat der BGH zugleich die im zuvor zitierten Urteil noch dahingestellte – umstrittene – Frage, ob die vollständige Verwendung des in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV geregelten Musters für die Widerrufsbelehrung in der jeweils geltenden Fassung einen Vertrauensschutz zu Gunsten des Verwenders begründe mit der Folge, dass der Verbraucher sich nicht mit Erfolg darauf berufen könne, die Widerrufsfrist sei nicht wirksam in Gang gesetzt worden, positiv beantwortet und zur Begründung ausgeführt (BGH, VIII ZR 378/11 – bei juris):

„Gleichwohl hat dieser Mangel nicht zur Folge gehabt, dass die Widerrufsfrist gemäß § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB aF wegen einer nicht ordnungsgemäßen Belehrung der Beklagten über ihr Widerrufsrecht nicht erloschen wäre. Die erteilte Belehrung gilt vielmehr gemäß § 14 Abs. 1 BGB-InfoV (aufgehoben mit Wirkung ab 11. Juni 2010 durch Art. 9 Nr. 4 des Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht vom 29. Juli 2009 [BGBl. I S. 2355]) als ordnungsgemäß. Nach dieser Bestimmung genügt die Belehrung über das Widerrufsrecht den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB aF und den diesen ergänzenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wenn – wie hier – das Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in Textform verwandt wird. Allerdings ist in der Instanzrechtsprechung und im Schrifttum umstritten, ob die in § 14 Abs. 1 BGB-InfoV für die in Bezug genommene Musterbelehrung angeordnete Gesetzlichkeitsfiktion noch von der dafür in Art. 245 Nr. 1 EGBGB aF geschaffenen Ermächtigungsgrundlage gedeckt wird, ob § 14 Abs. 1 BGB-InfoV und die Musterbelehrung mangels hinreichender Ermächtigungsgrundlage und eines dann zugleich gegebenen Verstoßes gegen die gesetzlichen Belehrungsanforderungen des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB aF nichtig sind und ob sich dies auf ein Vertrauen des Verwenders in die Ordnungsmäßigkeit der Musterbelehrung auswirken kann. …

In den bisher entschiedenen Fällen konnte der Senat die Frage offen lassen (vgl. Senatsurteil vom 2. Februar 2011 – VIII ZR 103/10, aaO Rn. 21 mwN). Er entscheidet sie nunmehr dahin, dass der Verwender einer Widerrufsbelehrung sich auf die Schutzwirkungen des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV berufen kann, wenn er das in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV geregelte Muster für die Widerrufsbelehrung in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung verwendet hat. Die Gesetzlichkeitsfiktion, die der Verordnungsgeber der Musterbelehrung durch § 14 Abs. 1 BGB-InfoV beigelegt hat, wird trotz der hier in Rede stehenden Abweichung vom Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB aF (dazu vorstehend unter II 1) von der Ermächtigungsgrundlage des Art. 245 Nr. 1 EGBGB aF gedeckt.

Die Verordnungsermächtigung ist im Zuge der Beratungen des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz geschaffen worden. In den Materialien findet sich folgende Begründung (BT-Drucks. 14/7052, S. 208):

„Der Ausschuss ist sich bewusst, dass es Unternehmern angesichts der zunehmenden Informationspflichten zunehmend schwerer fällt, dieser „Informationslast“, die freilich zum Schutz des Verbrauchers unabdingbar ist, fehlerfrei nachzukommen. Die korrekte Abfassung der Widerrufsbelehrung und ihre korrekte Verbindung mit den Verbraucherinformationen ist indessen für den Unternehmer wie auch für den Verbraucher von entscheidender Bedeutung. Es hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass immer wieder Rechtsstreitigkeiten darüber entstehen, ob ein Unternehmer den Verbraucher ordnungsgemäß über das Widerrufs- oder Rückgaberecht belehrt hat. Dem Ausschuss erscheint es daher aus Gründen der Vereinfachung für die Geschäftspraxis der Unternehmer, aber auch der Rechtssicherheit und Entlastung der Rechtspflege zweckmäßig, im Verordnungswege den gesetzlich erforderlichen Inhalt und die Gestaltung der Belehrung einheitlich festzulegen. Dem dient die hier neu einzustellende Verordnungsermächtigung…“

Der Gesetzgeber hat hiernach dem Verordnungsgeber zwar den Auftrag erteilt, bei einem Gebrauchmachen von der Ermächtigung den gesetzlich erforderlichen Inhalt einer Widerrufsbelehrung in korrekter Weise in die von ihm zu gestaltende Belehrung einfließen zu lassen und darüber eine ordnungsgemäße Information des Verbrauchers über dessen Widerrufsrecht zu gewährleisten. Der vorrangig mit der Ermächtigung und dem darin enthaltenen Gestaltungsauftrag verfolgte Zweck, die Geschäftspraxis der Unternehmer zu vereinfachen sowie Rechtssicherheit herzustellen und in der Folge die Rechtspflege zu entlasten, würde jedoch verfehlt, wenn sich der Unternehmer auf die Gesetzlichkeitsfiktion der von ihm verwendeten Musterbelehrung nicht berufen könnte. Das gilt umso mehr, als dem Verordnungsgeber aufgetragen war, neben dem Interesse des Verbrauchers an einer korrekten Belehrung auch das Interesse an einer Vereinfachung und Vereinheitlichung der Belehrungsgestaltung und ihrer Handhabung zu berücksichtigen, was zugleich gewissen Standardisierungen zu Zwecken der Handhabbarkeit und Verständlichkeit Raum gibt. Dass der Verordnungsgeber, der davon ausgegangen ist, die Musterwiderrufsbelehrung brauche nicht umfassend über jedes Detail bei jeder denkbaren Fallgestaltung zu belehren, sondern müsse dem Verbraucher nur grundsätzlich seine Rechte verdeutlichen (vgl. BT-Drucks. 16/3595, S. 2), den ihm eröffneten Gestaltungsspielraum bei Abfassung der Musterbelehrung überschritten hätte, ist deshalb nicht ersichtlich. Zudem sollte er, um das vom Gesetzgeber mit der Verordnungsermächtigung verfolgte Programm effektiv verwirklichen zu können, nämlich den Gebrauch von Widerrufsbelehrungen zu vereinfachen und rechtssicher zu machen, auch berechtigt sein, die von ihm einheitlich festzulegende Widerrufsbelehrung einem Streit über ihre Ordnungsmäßigkeit zu entziehen und ihr dazu etwa die gewählte Gesetzlichkeitsfiktion beizulegen. Dem ist er mit § 14 Abs. 1 BGB-InfoV und dem darin in Bezug genommenen Belehrungsmuster in rechtlich zulässiger Weise nachgekommen.“

Hiernach kann sich vorliegend die Beklagte als Verwenderin einer Widerrufsbelehrung nur dann auf die Schutzwirkungen des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV berufen, wenn sie das in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV geregelte Muster für die Widerrufsbelehrung in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung verwendet hat, wobei zu berücksichtigen ist, dass gemäß § 16 BGB-InfoV a.F. zum damaligen Zeitpunkt die Regelung des § 14 Abs. 1, 3 BGB-InfoV a.F. auch auf solche Belehrungen anzuwenden war, die dem bis 31.3.2008 gültigen Muster entsprachen und dem Verbraucher vor dem 1.10.2008 mitgeteilt wurden; letzteres war hier für die von der Klägerseite am 30.4.2008 unterzeichnete Widerrufsbelehrung der Fall.

Im Tatbestand des vorstehend zitierten Urteils des BGH vom 15.8.2012 (VIII ZR 378/11 – bei juris) heißt es zur Verwendung der Musterbelehrung lediglich: „Der Leasingantrag enthält auf einer gesonderten Seite eine von der Beklagten unterzeichnete Widerrufsbelehrung, die mit dem Muster gemäß Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der bei Vertragsschluss geltenden Fassung inhaltlich übereinstimmt.“ Der BGH spricht demnach in diesem Urteil vom Erfordernis einer „inhaltlichen Übereinstimmung“ von verwendeter Widerrufsbelehrung mit Musterbelehrung.

Der XI. Zivilsenat des BGH hatte zuvor in seinem Urteil vom 28.6.2011 (XI ZR 349/10 – bei juris), in dem er die Frage ausdrücklich hatte dahinstehen lassen, ob die vollständige Verwendung des in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV geregelten Musters für die Widerrufsbelehrung in der jeweils geltenden Fassung einen Vertrauensschutz zu Gunsten des Verwenders begründen kann mit der Folge, dass der Verbraucher sich nicht mit Erfolg darauf berufen könne, die Widerrufsfrist sei nicht wirksam in Gang gesetzt worden, ein vollständiges Entsprechen von inhaltlicher und äußerer Gestaltung von verwendeter Widerrufsbelehrung mit Musterbelehrung verlangt:

„Nach § 14 Abs. 1 BGB-InfoV genügt eine Widerrufsbelehrung den Anforderungen des § 355 Abs. 2 und den diesen ergänzenden Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wenn das Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in Textform verwandt wird. Wie der Bundesgerichtshof wiederholt ausgeführt hat, kann ein Unternehmer sich auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV von vornherein nur dann berufen, wenn er gegenüber dem Verbraucher ein Formular verwendet hat, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in der jeweils maßgeblichen Fassung sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht (BGH, Urteile vom 12. April 2007 – VII ZR 122/06, BGHZ 172, 58 Rn. 12, vom 9. Dezember 2009 – VIII ZR 219/08, WM 2010, 721 Rn. 20, vom 1. Dezember 2010 – VIII ZR 82/10, WM 2011, 86 Rn. 14 f. und vom 2. Februar 2011 – VIII ZR 103/10, WM 2011, 474 Rn. 21; Senatsurteil vom 23. Juni 2009 – XI ZR 156/08, WM 2009, 1497 Rn. 15). Ob das in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV geregelte Muster für die Widerrufsbelehrung nichtig ist, weil die Musterbelehrung den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht in jeder Hinsicht entspricht, hat der Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang bislang offen gelassen (BGH, Urteile vom 1. Dezember 2010 – VIII ZR 82/10, WM 2011, 86 Rn. 14 f. und vom 2. Februar 2011 – VIII ZR 103/10, WM 2011, 474 Rn. 21). Diese Frage bedarf auch hier keiner Entscheidung. …

Entscheidend ist vielmehr allein, dass die Beklagte den vom Verordnungsgeber entworfenen Text der Musterbelehrung bei der Abfassung der Nachbelehrung ersichtlich einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzogen hat. Greift der Unternehmer aber in den ihm zur Verfügung gestellten Mustertext selbst ein, kann er sich schon deshalb auf eine etwa mit der unveränderten Übernahme der Musterbelehrung verbundene Schutzwirkung nicht berufen. Das muss unabhängig vom konkreten Umfang der von ihm vorgenommenen Änderungen gelten, zumal sich schon mit Rücksicht auf die Vielgestaltigkeit möglicher individueller Veränderungen des Musters keine verallgemeinerungsfähige bestimmte Grenze ziehen lässt, bei deren Einhaltung eine Schutzwirkung noch gelten und ab deren Überschreitung sie bereits entfallen soll.“

Vom grundsätzlichen Erfordernis eines vollständige Entsprechens von inhaltlicher und äußerer Gestaltung von verwendeter Widerrufsbelehrung mit Musterbelehrung geht auch der II. Zivilsenat des BGH in seinem aktuellen Urteil vom 18.3.2014 (II ZR 109/13 – bei juris) aus, hat jedoch (unter Berufung auf das Urteil des VIII. Zivilsenats vom 15.8.2012 (VIII ZR 378/11, BGHZ 194, 238) ausdrücklich eine Ausnahme hiervon zugelassen für den Fall, dass der Verwender den im Muster fehlerhaft gefassten Fristbeginn angepasst hat, somit hierin lediglich eine geringfügige Modifikation gesehen.

Dies zeigt, dass von der Rechtsprechung des BGH keine ausnahmslose und hundertprozentige Identität von verwendeter Widerrufsbelehrung mit Musterbelehrung verlangt wird, sondern entscheidend darauf abzustellen ist, ob in der Änderung eine „inhaltliche Bearbeitung“ liegt (ebenso Senat mit Urteilen vom 7.7.2014, 23 U 172/13 und vom 29.12.2014, 23 U 80/14 sowie mit Beschluss vom 13.5.2015, 23 U 204/14; ferner auch Hanseatisches OLG, Urteil vom 3.7.2015, 13 U 26/15 – bei juris; Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 25.6.2015, 5 U 9/15; OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.6.2015, 22 U 17/15 – bei juris; zuvor schon OLG Bamberg vom 25.6.2012 (4 U 262/11 – bei juris).

Nicht ausnahmslos jede Veränderung der Musterbelehrung müsste danach zwangsläufig zum Verlust des Vertrauensschutzes führen. Denn die Musterbelehrung kann schon aufgrund der in ihr enthaltenen, unterschiedliche Sachverhalte betreffenden und daher im Einzelfall vom Verwender immer anzupassenden bzw. nicht aufzunehmenden Klammerzusätze nicht unter Vermeidung jeglicher Änderung verwendet werden, womit die Forderung nach einer vollständigen Identität von verwendeter Widerrufsbelehrung mit Musterbelehrung unter Ausschluss jedweder Änderung bereits denklogisch nicht aufgestellt werden kann.

Geringfügige Anpassungen, die noch keine solche „inhaltliche Bearbeitung“ darstellen, sondern etwa rein redaktioneller oder grammatikalischer Natur sind, bleiben danach möglich.

Vorliegend ist indessen nach diesem Maßstab eine inhaltliche Bearbeitung mit der Folge des Wegfalls der Gesetzlichkeitsfiktion gegeben im Gegensatz zur Auffassung des Landgerichts.

Eine solche inhaltliche Bearbeitung ist bei der streitgegenständlichen Widerrufsbelehrung (Bl. 55, 91 d.A.) nämlich jedenfalls im mit „Finanzierte Geschäfte“ überschriebenen Abschnitt mit den Sätzen 2 und 3 erfolgt.

Diesen Abschnitt hat das Landgericht keiner Prüfung unterzogen, obwohl die Kläger insoweit bereits mit erstinstanzlichem Schriftsatz vom 13.4.2015 (Bl. 102 d.A.) gerügt hatten, dass dort die Widerrufsbelehrung nicht dem Muster entspreche, sondern inhaltliche Veränderungen und Anpassungen vorgenommen worden seien sowie Satz 2 und 3 abgedruckt worden seien entgegen dem damals gültigen Muster.

Die diesbezügliche Verspätungsrüge der Beklagten geht daher bereits aus dem vorgenannten Grund fehl; außerdem ist die betreffende Textpassage unstreitig.

Die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung enthält im Abschnitt „Finanzierte Geschäfte“ nicht nur kumulativ die beiden Sätze 2 und 3 entgegen dem einschlägigen und eindeutigen Hinweis Nr. 9 der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in der maßgeblichen bis 1.10.2008 anwendbaren Fassung gemäß der hier unstreitig einschlägigen Übergangsregelung des § 16 BGB-InfoV a.F., wonach bei einem finanzierten Erwerb eines Grundstücks oder eines grundstücksgleichen Rechts Satz 2 durch den nachfolgenden Satz zu ersetzen, also alternativ vorzugehen ist. Die kumulative Verwendung zweier von der Musterbelehrung stattdessen alternativ vorgegebener Sätze stellt sich als eine über eine geringfügige Anpassung hinausgehende inhaltliche Bearbeitung dar, die nicht mehr nur rein redaktioneller oder grammatikalischer Natur ist, sondern darüber hinausgehend den Inhalt der Musterwiderrufsbelehrung verändert.

Dieselbe Beurteilung gilt im Übrigen auch bei Anwendung der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in der seit 1.4.2008 geltenden Fassung nach dem dortigen Hinweis Nr. 10 mit im Übrigen unveränderten Textfassungen gegenüber der vorherigen Regelung.

Darüber hinaus entspricht zudem die verwendete Fassung des Satzes 3 an mehreren Stellen nicht dem Text der Musterbelehrung gemäß vorgenannter Fassung und stellt eine inhaltliche Bearbeitung dar.

Satz 3 lautet nach der Musterbelehrung wie folgt:

„Dies ist nur anzunehmen, wenn die Vertragspartner in beiden Verträgen identisch sind oder wenn der Darlehensgeber über die Zurverfügungstellung von Darlehen hinausgeht und Ihr Grundstücksgeschäft durch Zusammenwirken mit dem Veräußerer fördert, indem er sich dessen Veräußerungsinteressen ganz oder teilweise zu Eigen macht, bei der Planung, Werbung oder Durchführung des Projekts Funktionen des Veräußerers übernimmt oder den Veräußerer einseitig begünstigt.“

Satz 3 der streitgegenständlichen Widerrufsbelehrung lautet hingegen wie folgt:

„Bei einem finanzierten Erwerb eines Grundstücks oder eines grundstücksgleichen Rechts ist eine wirtschaftliche Einheit nur anzunehmen, wenn wir zugleich auch Ihr Vertragspartner im Rahmen des anderen Vertrags sind oder wenn wir über die Zurverfügungstellung von Darlehen hinaus Ihr Grundstücksgeschäft durch Zusammenwirken mit dem Veräußerer fördern, indem wir uns dessen Veräußerungsinteressen ganz oder teilweise zu Eigen machen bei der Planung, Werbung oder Durchführung des Projekts Funktionen des Veräußerers übernehmen oder den Veräußerer einseitig begünstigen.

Jedenfalls der durch Unterstreichung kenntlich gemachte Eingangstext sowie auch die nachfolgende Passage erweisen sich als inhaltliche Bearbeitung der Musterbelehrung, die wiederum nicht mehr nur rein redaktioneller oder grammatikalischer Natur ist, sondern über eine geringfügige Anpassung hinausgehend den Inhalt der Musterwiderrufsbelehrung verändert und darüber hinaus dem Verbraucher die Subsumtion unter die Begriffe „finanzierten Erwerb eines Grundstücks oder eines grundstücksgleichen Rechts“ überlässt, die nach der Musterbelehrung der Verwender vorzunehmen hat.

Auch hier gilt dieselbe Beurteilung auch bei Anwendung der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in der seit 1.4.2008 geltenden Fassung nach dem dortigen Hinweis Nr. 10 mit im Übrigen unveränderten Textfassungen gegenüber der vorherigen Regelung.

Bereits für sich allein genommen, jedenfalls aber in ihrer Gesamtheit stellen die beiden dargelegten Umstände der Kumulation und Modifikation in der streitgegenständlichen Widerrufsbelehrung nach dem genannten Maßstab eine inhaltliche Bearbeitung der Musterwiderrufsbelehrung dar mit der Folge des Wegfalls der Gesetzlichkeitsfiktion.

Die gleiche Beurteilung hat im Ergebnis das OLG Stuttgart mit Urteil vom 29.9.2015 (6 U 21/15 – bei juris) vorgenommen und wie folgt begründet:

„Es kann offen bleiben, ob geringfügige Abweichungen und lediglich sprachliche Abweichungen der Widerrufsbelehrung von der Musterbelehrung die Schutzwirkung des § 14 Abs.1 BGB-InfoV unberührt lassen (so OLG Frankfurt v. 7.7.2014 – 23 U 172/13; OLG Düsseldorf v. 7.12.2012 – 17 U 139/11). Das kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn die erteilte Belehrung aufgrund der vorgenommenen Änderungen – wie hier – nicht in gleichem Maße deutlich ist wie die Musterbelehrung. …

Ebenfalls weniger deutlich ist die Belehrung über „Finanzierte Geschäfte“, weil die Beklagte folgende Formulierung aufgenommen hat: „Bei einem finanzierten Erwerb eines Grundstücks oder eines grundstückgleichen Rechts ist eine wirtschaftliche Einheit nur anzunehmen, wenn wir zugleich Ihr Vertragspartner im Rahmen des anderen Vertrages sind oder wenn wir über die Zurverfügungstellung des Darlehens hinausgehen […]“. Nach dem einschlägigen Gestaltungshinweis der Musterbelehrung war hingegen einzufügen: „Dies ist nur anzunehmen, wenn die Vertragspartner in beiden Verträgen identisch sind oder wenn der Darlehensgeber über die Zurverfügungstellung des Darlehens hinaus geht […]“. Durch ihre Umformulierung überlässt die Beklagte die Subsumtion unter die Begriffe „finanzierter Erwerbe eines Grundstücks oder eines grundstücksgleichen Rechts“ dem Verbraucher. Das Muster sieht jedoch vor, dass der Unternehmer die Subsumtion vornimmt und entsprechend belehrt. Die von der Beklagten gewählte Umformulierung bedeutet daher einen Verlust an Deutlichkeit und ist deshalb als inhaltliche Bearbeitung des Musters einzuordnen.

Irrelevant ist in diesem Zusammenhang, dass die Beklagte auf die Belehrung zu den finanzierten Geschäften hätte verzichten können, da ein solches unstreitig nicht vorlag. Entscheidet sich der Verwender für die Aufnahme dieser Passage in die Widerrufsbelehrung, muss sie dem Muster entsprechen, um dem Verwender die Schutzwirkung zu erhalten (BGH Urt. v. 28.6.2011 – XI ZR 349/10 Rn. 39).“

Hiernach greift aus dem im letzten Absatz dargelegten Grund auch der Verweis auf die Verzichtbarkeit der Belehrung zu den finanzierten Geschäften nicht durch.

Es bedarf auch nicht etwa der Feststellung, dass sich der Mangel der Musterbelehrung konkret ausgewirkt hat (vgl. BGH NJW 2009, 3020 [BGH 23.06.2009 – XI ZR 156/08]); ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Veränderung wesentlich ist oder sich negativ auf Verständlichkeit der Belehrung auswirkt. Maßgeblich ist allein, ob der Unternehmer den Text der Musterbelehrung bei der Abfassung der Widerrufsbelehrung einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung nach den dargelegten Kriterien unterzogen hat. Greift er – wie hier – in den Mustertext selbst und über eine geringfügige Anpassung hinausgehend ein, kann er sich schon deshalb unabhängig vom konkreten Umfang der Änderung auf eine mit der unveränderten Übernahme der Musterbelehrung verbundene Schutzwirkung nicht mehr berufen (BGH NZG 2012, 427 [BGH 01.03.2012 – III ZR 83/11]; NJW-RR 2012, 183 [BGH 28.06.2011 – XI ZR 349/10]).

Soweit sich die Beklagte für eine abweichende Beurteilung auf das Urteil des OLG Schleswig-Holstein vom 12.2.2015 (5 U 175/24 – bei juris) berufen will, steht einer Vergleichbarkeit mit der vorliegenden Sachverhaltskonstellation bereits entgegen, dass es in jenem Fall lediglich geht um eine „sprachliche Anpassung des Satzes 3 dahingehend, dass der Satz 3 nicht aus der Perspektive eines Dritten, sondern aus der Sicht des Kreditinstitutes formuliert wurde („wir“ statt „Darlehensgeber“ bzw. statt „er“)“ was dort noch nicht als inhaltliche Änderung angesehen wird. Vorliegend wird die Beurteilung insoweit hingegen auf die behandelten weitergehenden Veränderungen des Textes der Musterbelehrung gestützt.

Entsprechendes gilt für den von der Beklagten herangezogenen Hinweisbeschluss des OLG München vom 30.4.2015 (19 U 4833/14, Bl. 180ff d.A.), wo der Passage b)1) keine Änderung der betreffenden Sätze der verwendeten Widerrufsbelehrung gegenüber der Musterwiderrufsbelehrung zu entnehmen ist im Unterschied zum vorliegenden Fall.

Schließlich besteht im Hinblick auf die dargelegte Beurteilung auch kein von der Beklagten angenommener Widerspruch zum Urteil des Senats vom 23.12.2015 (23 U 51/15) mit dem allgemein gehaltenen obiter dictum, „Ohnedies „können“ nach dem Gestaltungshinweis zu 9 diese Hinweise ggf. entfallen, müssen dies aber nicht und sind unschädlich für die Frage der Übereinstimmung.“, denn die vorliegend oben behandelte konkrete Problematik der Kumulation sowie Abänderungen war dort in jenem Fall weder vorgetragen noch Gegenstand des Urteils.

Die von der Beklagten angeführten Gesichtspunkte der Verwirkung und des (sonstigen) Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB stehen vorliegend der Ausübung des Widerrufsrechts bzw. Wirksamkeit des fristgerecht erklärten Widerrufs der Kläger nicht entgegen.

Das Widerrufsrecht ist nicht verwirkt (vgl. Senat, Beschlüsse vom 17.10.2014, 23 U 13/14 und vom 24.11.2014, 23 U 41/14; wie hier kürzlich: OLG Nürnberg, Beschuss vom 8.2.2016, 14 U 895/15; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 26.8.2015, 17 U 202/14; OLG Dresden, Urteil vom 11.6.2015, 8 U 1760/14; OLG Celle, Urteil vom 21.5.2015, 13 U 38/14; OLG Hamm ZIP 2015, 1113).

Zwar können auch grundsätzlich unbefristete Gestaltungsrechte wie das Widerrufsrecht im Falle illoyaler Verspätung der Verwirkung unterliegen (Palandt-Grüneberg, BGB, 75. Aufl. 2016, § 242 Rn 88, 107 jew. m.w.N.). Jedenfalls das für die Annahme der Verwirkung erforderliche Umstandsmoment ist jedoch im vorliegenden Fall nicht gegeben. Nach der Rechtsprechung des BGH ist ein Recht verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment); letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde, und sich im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (BGH NJW 2014, 2646 [BGH 07.05.2014 – IV ZR 76/11]; NJW 2014, 1230 [BGH 23.01.2014 – VII ZR 177/13]; NJW 2011, 212 [BGH 20.07.2010 – EnZR 23/09]; jew. m.w.N.; Palandt-Grüneberg, § 242 Rn 87). Allein der Ablauf einer gewissen Zeit vermag das notwendige Umstandsmoment nicht zu begründen; dass der andere Teil „natürlich“ nicht mehr mit der Ausübung des Rechts rechnete, führt allein nicht zur Verwirkung (vgl. BGH NJW 2014, 1230 [BGH 23.01.2014 – VII ZR 177/13] m.w.N.). Vorliegend ist nichts dazu vorgetragen, dass die Beklagte sich in irgendeiner Weise auf die Nichtausübung des Widerrufsrechts eingerichtet oder im Hinblick auf das Vertrauen in die Nichtausübung des Widerrufsrechts gar irgendwelche Dispositionen getroffen hätte, so dass ihr nun ein unzumutbarer Nachteil entstünde (vgl. BGH NJW-RR 2011, 403 [BGH 26.10.2010 – XI ZR 367/07]). Die Annahme eines unzumutbaren Nachteils erscheint in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem der verbraucherkreditrechtliche Widerruf zu einer an sich wertneutralen Rückabwicklung führt, auch eher fernliegend.

Soweit in diesem Kontext die Kreditinstitute auf die von ihnen zur Refinanzierung eingegangenen Verpflichtungen verweisen, ist festzustellen, dass hierin keine Disposition zu sehen ist, die gerade im Hinblick auf das (jahrelange) Ausbleiben der Ausübung eines (fortbestehenden) Widerrufsrechts getroffen worden wäre; sie war vielmehr (unmittelbare) Folge des Vertragsschlusses selbst. Gegen die Annahme, die Beklagte habe sich wegen des erheblichen Zeitablaufs darauf eingerichtet, dass ein Widerrufsrecht ungeachtet seines Bestehens nicht mehr geltend werden würde, spricht im Übrigen auch, dass die Beklagte bis heute das Fortbestehen eines Widerrufsrechts in Abrede stellt. Vor diesem Hintergrund erklärt sich nicht, wie sich die Beklagte zugleich auf die Nichtausübung eines fortbestehenden Widerrufsrecht eingestellt haben sollte.

Insofern besteht auch kein wesentlicher Unterschied zwischen den Fällen einer fehlenden und denen einer unwirksamen Belehrung. Es spielt für das Vertrauen des anderen Teils keine Rolle, ob der Verbraucher von einem Widerrufsrecht gar nichts weiß und es deswegen nicht ausübt oder ob er nur irrtümlich meint, er könne das Recht wegen Fristablaufs nicht mehr ausüben. In beiden Fällen besteht das Recht unerkannt fort. Der Unterschied besteht allenfalls darin, dass im Falle einer (zunächst unerkannt) fehlerhaften Belehrung auch die andere Seite davon ausgehen wird, es bestehe kein Widerrufsrecht mehr. Wenn aber beide Seiten von dem Recht nichts wissen, liegt es fern, von einem Vertrauenstatbestand auszugehen. Da es auf das Vertrauen des anderen Teils ankommt, fehlt es an dem für die Verwirkung erforderlichen Vertrauenstatbestand, wenn der andere Teil davon ausgehen muss, dass der Berechtigte keine Kenntnis von seinem Recht hat (BGH NJW 2000, 140 [BGH 15.09.1999 – I ZR 57/97]; vgl. auch LG Dortmund, Urteil vom 20.12.2013, 3 O 35/13).

Es geht auch nicht an, die Feststellung der Unrichtigkeit der Widerrufsbelehrung dadurch aufzuheben, dass man den fehlerhaft Belehrenden über § 242 BGB wegen der angeblichen Schwierigkeit der Rechtslage vor deren Folgen schützt; ebenso wenig darf auf diesem Wege ein nach der BGH-Rechtsprechung (BGH NJW 2009, 3020 [BGH 23.06.2009 – XI ZR 156/08]) gerade nicht bestehendes Kausalitätskriterium auf Umwegen doch eingeführt werden. Tatsächlich fehlt es der Beklagten vielmehr an der Schutzbedürftigkeit, nachdem sie selbst die Situation durch Erteilung einer objektiv falschen Widerrufsbelehrung herbeigeführt hat (vgl. BGH NJW 2014, 2646 [BGH 07.05.2014 – IV ZR 76/11]).

Ebenso wenig kann etwa eingewendet werden, dass die Mängel der Belehrung die Kläger nicht von der Ausübung des Widerrufsrechts in zeitlicher Nähe zum Vertragsschluss hätten abhalten können, denn auch insoweit würde „durch die Hintertür“ ein Kausalitätskriterium eingeführt, dem der BGH schon lange eine Absage erteilt hat (vgl. BGH NJW 2009, 3020 [BGH 23.06.2009 – XI ZR 156/08]). Tatsächlich gibt es keine Widerrufsbelehrung „zweiter Klasse“, die zwar nicht ordnungsgemäß ist, aber den Verbraucher trotzdem zur baldigen Ausübung seines Widerrufsrechts anhalten könnte. Damit wäre die Sanktion des § 355 Abs. 3 S. 3 BGB a.F. letztlich auf die Fälle aktiv irreführender oder gänzlich fehlender Belehrungen beschränkt, was evident nicht der Rechtsprechung des BGH entspricht.

Es besteht demgemäß auch kein neben dem Verwirkungseinwand (als Spezialfall der unzulässigen Rechtsausübung) zu berücksichtigender allgemeiner Einwand des Rechtsmissbrauchs wegen widersprüchlichen Verhaltens.

Ein solches widersprüchliches Verhalten der Kläger ist hier schon nicht festzustellen; dass ein Berechtigter bis zur Ausübung eines ihm eingeräumten Gestaltungsrechts den bestehenden Vertrag anerkennt, also sich vor der Widerrufserklärung während der Vertragslaufzeit an seine darlehensvertraglichen Verpflichtungen gehalten und auch darlehensvertragliche Rechte wahrgenommen hat, steht der Geltendmachung von Rechten nach der Ausübung offenkundig nicht grundsätzlich entgegen. Dies gilt umso mehr, wenn man annimmt, dass die Belehrung ungeachtet der Mängel einen Verbraucher über ein zweiwöchiges Widerrufsrecht belehrt. Denn dann kann aus dem Umstand, dass der Verbraucher seinen vertraglichen Verpflichtungen in der Folgezeit – z.B. im Glauben an eine Verfristung des Widerrufsrechts – nachgekommen ist und keine Anstalten gemacht hat, sich vom Vertrag zu lösen, logischerweise auch kein Schluss auf ein unredliches Verhalten gezogen werden.

Hinzu kommt der besonders erhebliche Umstand, dass der Verbraucher das Widerrufsrecht ohne besondere Begründung ausüben kann, vgl. § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F.; eine wie auch immer geartete „Gesinnungsprüfung“ findet nicht statt – und zwar weder innerhalb der Zwei-Wochen-Frist noch danach. Insofern ist es ohne weiteres legitim, das Widerrufsrecht aus rein wirtschaftlichen Erwägungen geltend zu machen. Genauso wenig wie bei ordnungsgemäßer Belehrung ein am letzten Tag der Widerrufsfrist nicht wegen Übereilung, sondern allein wegen gesunkener Zinsen erklärter Widerruf rechtsmissbräuchlich wäre, ist es ein späterer Widerruf, der nur wegen unzureichender Belehrung noch fristgemäß ist.

Soweit die angebliche Schutzzweckwidrigkeit des Widerrufs argumentativ herangezogen wird, ist dies grundlegend verfehlt und stellt letztlich einen Zirkelschluss dar (vgl. Senat, Beschluss vom 27.2.2016, 23 U 135/15). Wenn nur Widerrufe zulässig wären, deren Zweck in dem Berufen auf den gesetzgeberisch beabsichtigten zweiwöchigen Übereilungsschutz besteht, wäre die Nichterteilung einer ordnungsgemäßen Belehrung immer folgenlos, weil ein außerhalb der vom Gesetzgeber vorgesehenen Frist erklärter Widerruf ungeachtet der Frage, ob die Frist im konkreten Fall auch wirksam in Lauf gesetzt worden ist, zwangsläufig nicht mehr aus den gesetzgeberischen Zwecken erklärt wäre. Tatsächlich setzt die Begrenzung des Übereilungsschutzes auf den gesetzlich vorgesehenen kurzen Zeitraum aber gerade eine ordnungsgemäße Belehrung über die Frist voraus (siehe Senat a.a.O.).

Die Beklagte kann ohnehin keine vorrangige Schutzwürdigkeit für sich beanspruchen, nachdem sie es versäumt hat, die Kläger ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht zu belehren (vgl. BGH NJW 2014, 2646 [BGH 07.05.2014 – IV ZR 76/11]).

Es ist und bleibt nach alledem im Grundsatz ohne weiteres legitim, in laufender Frist das Verbraucherwiderrufsrecht aus rein wirtschaftlichen Erwägungen heraus geltend zu machen.

Der Senat sieht sich in dieser Einschätzung dadurch bestätigt, dass schließlich auch der BGH aktuell für eine vergleichbare Fragestellung die Annahme von Verwirkung oder Rechtsmissbrauch bei der Ausübung des Widerrufsrechts ohne Rücksicht auf Beweggründe des Verbrauchers ebenfalls explizit abgelehnt hat (BGH vom 16.3.2016, VIII ZR 146/15 – bei juris): „Nach Auffassung des BGH (a.a.O.) steht dem Kläger ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises zu, da er den Kaufvertrag wirksam widerrufen hat. Dem stehe nicht entgegen, dass es dem Kläger darum ging, einen günstigeren Preis für die Matratzen zu erzielen. Für die Wirksamkeit des Widerrufs eines im Internet geschlossenen Kaufvertrags genüge allein, dass der Widerruf fristgerecht erklärt wird. Die Vorschriften über den Widerruf sollten dem Verbraucher ein effektives und einfach zu handhabendes Recht zur Lösung vom Vertrag geben. Einer Begründung des Widerrufs bedürfe es nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung nicht. Deshalb sei es grundsätzlich ohne Belang, aus welchen Gründen der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht Gebrauch mache.

Ein Ausschluss dieses von keinen weiteren Voraussetzungen abhängenden Widerrufsrechts wegen eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Verbrauchers komme nur in Ausnahmefällen in Betracht, in denen der Unternehmer besonders schutzbedürftig ist. Das könne beispielsweise der Fall sein, wenn ein Verbraucher arglistig handelt, etwa indem er eine Schädigung des Verkäufers beabsichtigt oder schikanös handelt. Damit sei der vorliegende Fall jedoch nicht vergleichbar. Dass der Kläger Preise verglichen und der Beklagten angeboten habe, den Vertrag bei Zahlung der Preisdifferenz nicht zu widerrufen, stelle kein rechtsmissbräuchliches Verhalten dar. Das sei vielmehr Folge der sich aus dem grundsätzlich einschränkungslos gewährten Widerrufsrecht ergebenden Wettbewerbssituation, die der Verbraucher zu seinem Vorteil nutzen dürfe.“

Wenn ein Kreditinstitut argumentiert, es habe im Vertrauen auf den Bestand des Vertrages und das Verhalten des Darlehensnehmers von einer Nachbelehrung abgesehen, so führt dies ebenfalls nicht weiter (vgl. Senat, Beschluss vom 27.2.2016, 23 U 135/15).

Denn wenn der Fehler der Belehrung im Hause des Kreditinstituts erkannt worden sein sollte, bestand – ohne ordnungsgemäße, die Frist in Lauf setzende Belehrung – gerade kein Vertrauenstatbestand, der ein Unterlassen der Nachbelehrung gerechtfertigt und verursacht hätte. Vollends widersprüchlich würde es, wenn das Kreditinstitut weiter ausführte, dass das Erfordernis der Erteilung einer Nachbelehrung gar nicht erkennbar gewesen sei sowie dass es zu keinem Zeitpunkt eine bewusste Entscheidung getroffen hätte, von einer Nachbelehrung des Darlehensnehmers abzusehen. Denn wenn es sich tatsächlich so verhalten hätte, käme ein Unterlassen des Kreditinstituts „im Vertrauen“ nicht in Betracht, weil dies doch gerade ein Bewusstsein von der Rechtslage, vorliegend also von der an sich gegebenen Handlungsnotwendigkeit voraussetzt. Anders ausgedrückt: Dass das Kreditinstitut die Fehlerhaftigkeit der eigenen Belehrung gar nicht erkannt, über die Möglichkeit einer fristauslösenden Nachbelehrung gar nicht nachgedacht und/oder hierzu auch keine Entscheidung getroffen hat, ist nicht kausal auf das angeblich den Vertrauenstatbestand schaffende, den Vertrag bejahende Verhalten des Darlehensnehmers zurückzuführen (siehe Senat a.a.O.).

Durch den wirksamen Widerruf der Kläger ist der streitgegenständliche Darlehensvertrag beendet bzw. aufgelöst und an dessen Stelle tritt ein Rückabwicklungsschuldverhältnis.

Daraus folgt auch, dass der Beklagten aus dem – beendeten – Darlehensvertrag (unmittelbar) kein Anspruch mehr gegen die Kläger zusteht.

Darüber hinaus ist nach dem insoweit unstreitigen eignen Vortrag der Beklagten zudem davon auszugehen, dass nach der Gesamtschau der sich im Rahmen der Rückabwicklung gegenüberstehenden Ansprüche (Darlehensbetrag sowie Kapitalnutzungsentschädigung versus Zins- und Tilgungsleistungen sowie Nutzungsersatz) ein Saldo zugunsten der Kläger in Höhe von 2.042.- € besteht, was somit dem Erfolg des Feststellungsantrags nicht entgegen steht.

Den Klägern steht gegen die Beklagte auch der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.203,40 € gemäß § 280 Abs. 1 BGB zu, deren – nachvollziehbare – Berechnung und Höhe unstreitig geblieben sind.

Die Hilfswiderklage der Beklagten ist nicht begründet und daher abzuweisen.

Nach § 357 Abs. 1 Satz 1, 346 Abs. 1 BGB a.F. sind im Fall des Widerrufs die jeweils empfangenen Leistungen zurück zu gewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben, zu denen gemäß § 100 BGB auch die Gebrauchsvorteile gehören.

Der Beklagten steht gegen die Kläger jedoch kein Anspruch auf Nutzungsherausgabe aus §§ 357 Abs. 1, 346 Abs. 1 BGB hinsichtlich der von ihr geltend gemachten aus der Nutzung der mit dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag finanzierten Immobilie gezogenen Nutzungen in Form von Gebrauchsvorteilen zu.

Nach § 100 BGB sind Nutzungen die Früchte einer Sache oder eines Rechts sowie die Vorteile, welche der Gebrauch der Sache oder des Rechts gewährt. Keine Nutzung im Sinne des von der Beklagten angeführten § 100 BGB ist dasjenige, was durch die Verwertung der Sache erzielt wird (Palandt-Ellenberger, BGB, 75. Aufl. 2016, § 100 Rn 1). Verwertung des Darlehens war in diesem Sinne der finanzierte Erwerb der Immobilie, weshalb weder etwaige Wertsteigerungen der Immobilie noch deren Gebrauch Nutzungen nach § 100 BGB sind. Die Nutzungen von Geld bestehen in erlangten Zinsen sowie in ersparten Schuldzinsen (Palandt-Ellenberger a.a.O.); zu letzteren hat die Beklagte nicht vorgetragen. Ersparte Miete ist ebenfalls keine Nutzung von Geld, sondern bloß mittelbare Folge des finanzierten Immobilienerwerbs.

So hat auch das OLG Stuttgart mit Urteil vom 6.10.2015 (6 U 148/14 – bei juris) den vergleichbaren Fall von Steuervorteilen des Darlehensnehmers im Zusammenhang mit dem finanzierten Geschäft nicht als nach § 346 Abs.1 BGB herauszugebende tatsächlich gezogene Nutzungen angesehen und dies wie folgt begründet:

„Der Darlehensnehmer hat Steuervorteile, die er im Zusammenhang mit dem finanzierten Geschäft erlangt hat, auch nicht gemäß § 346 Abs.1 BGB als tatsächlich gezogene Nutzungen herauszugeben.

Dabei kann offen bleiben, ob mit dem Wertersatz, den der Darlehensnehmer für die Kapitalüberlassung gemäß § 346 Abs.2 S. 1 Nr. 1 BGB schuldet, stets sämtliche Gebrauchsvorteile abgegolten sind und dementsprechend daneben kein Nutzungsersatz nach § 346 Abs. 1 BGB verlangt werden kann (dafür Gaier in Münchener Kommentar, BGB, 6. Aufl., § 346 Rn. 20 und 22; Schmidt in BeckOK, BGB (Stand 1.8.2015), § 346 Rn. 33). Denn möglicherweise gezogene Steuervorteile lassen sich als bloß mittelbare Folge des finanzierten Immobilienerwerbs nicht als Gebrauchsvorteil oder sonst als Nutzung im Sinne des § 100 BGB qualifizieren.“

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 i.V.m. 709 Satz 2 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung mangels divergierender Entscheidungen eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 ZPO).

Da die entscheidenden Rechtsfragen vielmehr geklärt sind, bedarf es keiner Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts bzw. der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO). § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO steht nämlich einer Zurückweisung der Berufung durch einstimmigen Beschluss nur entgegen, wenn die beabsichtigte Berufungsentscheidung von einem tragenden Rechtssatz eines höher- oder gleichrangigen Gerichts abweicht und die beabsichtigte Entscheidung auf dieser Abweichung beruht (BVerfG, Beschluss vom 26.6.2012, 1 BvR 285/11). Der Senat weicht jedoch nicht von Entscheidungen des BGH oder anderer Oberlandesgerichte ab. Dass andere Oberlandesgerichte in ähnlich gelagerten Fällen zu abweichenden Ergebnissen gelangen mögen, ist nicht relevant; maßgeblich wäre dies nur, wenn dies auf einer Abweichung bei der Anwendung tragender Rechtssätze beruhte. Solches wird nicht aufgezeigt und ist auch nicht erkennbar.

Haben Sie Fragen? 

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.
© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.