OLG Frankfurt am Main, 02.08.2013 – 19 U 298/12

April 19, 2019

OLG Frankfurt am Main, 02.08.2013 – 19 U 298/12
Leitsatz

Für die Annahme der subjektiven Verjährungsvoraussetzung der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis ist es ausreichend, wenn der Anleger annimmt bzw. davon ausgeht, dass die beratende Bank für die Vermittlung das Agio erhält und er lediglich die gesamte Höe der Rückvergütung nicht kannte (Anschluss an BGH, Urt. v. 26.2.2013 – XI ZR 498/11).
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 9.10.2012 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil des Landgerichts ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
1

I.

Von der Darstellung eines Tatbestandes wird nach § 540 Abs. 1 ZPO abgesehen. Es wird Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil.
2

Mit der Klage verfolgt der Kläger Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte wegen fehlerhafter Anlageberatung hinsichtlich einer vom Kläger am 22.11.2002 gezeichneten Kommanditbeteiligung an dem Medienfonds A … GmbH & Co. KG („B“) mit einer Beteiligungssumme von 35.000,00 €, die der Kläger in Höhe von 21.560,00 € (zzgl. Agio von 646,80 €) als Eigenleistung erbrachte und den verbleibenden Betrag über eine Inhaberschuldverschreibung der C-Bank finanzierte. Die Beklagte erhielt für die Vermittlung der Beteiligung eine Provision in Höhe von (mindestens) 8 %. Der Kläger hat geltend gemacht, von dem Mitarbeiter der Beklagten, dem Zeugen Z1, in einem Beratungsgespräch nicht hinreichend über die Risiken der unternehmerischen Beteiligung und auch nicht darüber aufgeklärt worden zu sein, dass die Beklagte eine Vermittlungsprovision erhalte.
3

Das Landgericht hat mit seinem am 9.10.2012 verkündeten Urteil die auf Zahlung von 22.206,80 € abzüglich erhaltener Ausschüttungen in Höhe von 2.675,02 € nebst Zinsen, auf Feststellung der Pflicht der Beklagten zur Freistellung von allen steuerlichen und wirtschaftlichen Nachteilen im Zusammenhang mit dem Fonds, auf Freistellung von allen Verbindlichkeiten aus dem Begebungsvertrag vom 17.12.2002 betreffend die Inhaberschuldverschreibung – jeweils Zug im Zug gegen Übertragung der erworbenen Fondsanteile – sowie auf Feststellung des Annahmeverzuges der Beklagten und auf Ersatz entgangener Zinsgewinne in Höhe von 3% aus der Klageforderung vom 13.12.2000 bis 29.3.2011 gerichtete Klage abgewiesen.
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Es hat – nach informatorischer Anhörung des Klägers – ausgeführt, dass bereits nicht festgestellt werden könne, dass ein Beratungsvertrag geschlossen wurde. Der Vortrag des Klägers sei unzureichend. Auch die Darstellung des Inhalts des Beratungsgesprächs sei unsubstantiiert.
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Gegen dieses ihm am 1.11.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 3.12.2012 (Montag) Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 4.2.2013 am letzten Tag der Frist begründet.
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Er rügt, das Landgericht habe die Anforderungen an die Darlegung des Zustandekommens eines Anlageberatungsgesprächs überspannt. Jedenfalls hätte die Kammer den Zeugen Z1 anhören müssen. Hinsichtlich der behaupteten Beratungsfehler wiederholt und vertieft der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen. Insbesondere stellt der Kläger darauf ab, dass die Beklagte ihn nicht über die vereinnahmten Provisionen aufgeklärt habe. Dies sei auch kausal für seine Anlageentscheidung gewesen. Er sei zwar davon ausgegangen, dass der Beklagten das Agio als Vermittlungsprovision zustehe, nicht aber, dass sie darüber hinausgehende Zahlungen erhalte. Es sei für ihn eine prinzipielle Sache, die Beklagte nicht weiter honorieren zu wollen. Zudem zeige dies ein höheres Eigeninteresse der Beklagten gegenüber der Wahrung seiner Interessen. Die zur Zinstilgung verwandten Ausschüttungen müsse er sich ebenso wenig auf seinen Schadensersatzanspruch anrechnen lassen wie die erzielten Steuervorteile.
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Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 22.208,80 € abzüglich erhaltener Ausschüttungen in Höhe von insgesamt 2.675, 02 € (am 31.12.2003: 282,80 €, am 31.12.2004: 282,80 €, am 31.12.2005: 282,79 €, am 31.12.2006: 298,06 €, am 31.12.2007: 298,06 €, am 31.12.2008: 298,16 €, am 31.12.2009: 298,19 €, am 31.12.2010: 313,13 €, am 31.12.2011: 321,03 € und am 31.12.2012: 328,54 €) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.3.2011 zu zahlen;
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von etwaigen Nachteilen – wie insbesondere Säumniszinsen und Säumniszuschlägen – freizustellen, die dieser dadurch erleidet, dass er von den Finanzbehörden nicht sogleich ohne Berücksichtigung seiner am 22.12.2002 gezeichneten Beteiligung an der A … GmbH & Co. KG –„B“, im Nennwert von 35.000,00 € steuerlich veranlagt worden ist.
3. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von allen Verbindlichkeiten aus dem Begebungsvertrag vom 17.2.2002 und der Inhaberschuldverschreibung vom 17.2.2002 über nominal 13.400,00 € freizustellen;
4. Die zu Ziff. 1 – 3 genannten Leistungen schuldet die Beklagte Zug um Zug gegen Abtretung aller Rechte des Klägers aus dem Beteiligungsvertrag vom 17.12.2002 über die Kommanditbeteiligung an der A … GmbH & Co. KG –„B“, im Nennwert von 35.000,00 €;
5. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Übertragung der vom Kläger gezeichneten Beteiligung an der A … GmbH & Co KG –„B“ im Nennwert von 35.000,00 € in Verzug befindet.

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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
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II.

Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat keinen Erfolg.
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1. Entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts hat der Kläger hinreichende Umstände zum Zustandekommen eines Beratungsgesprächs vorgetragen, so dass ein schlüssiges Vorbringen nicht verneint werden kann. Der Umstand, dass sich der Kläger nicht an das konkrete Datum des Gesprächs mit dem Zeugen Z1 erinnern kann, steht der Annahme eines schlüssigen Vortrages zum Zustandekommen eines Beratungsvertrages ebenso wenig entgegen wie der Vortrag des Klägers, sich nicht mehr an Einzelheiten des Gesprächsinhalts erinnern zu können. Im Gegenteil dürft der Vortrag der Beklagten, wonach kein Beratungsvertrag, sondern allenfalls ein Anlagevermittlungsvertrag zustande gekommen sei, der erforderlichen Konkretheit entbehren. Es ist dem Senat auf Grund langjähriger Beschäftigung mit Anlageberatungsfragen unter Beteiligung einer Bank bekannt, dass in aller Regel ein Beratungsvertrag mit den Anlegern geschlossen wird und sich die Vermittlungsbemühungen der Bank nur selten in der bloßen Anlagevermittlung erschöpfen.
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Gerade der von der Beklagten nicht konkret bestrittene Vortrag des Klägers, wonach auch in der Vergangenheit insbesondere jeweils zum Jahresende hin Gespräche mit dem Anlageberater der Beklagten, dem Zeugen Z1, erfolgt seien, spricht deutlich für ein Beratungsgespräch auch gegen Ende des Jahres 2002.
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2. Letztlich kann dies jedoch dahin stehen, da dem Kläger aus anderen Gründen ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte nicht zusteht.
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a) Dass die Anlageempfehlung des Zeugen Z1 anlegergerecht war, stellt auch der Kläger nicht in Abrede. Eine nicht objektgerechte Beratung hat der Kläger – mit Ausnahme der Provisionsproblematik – nicht schlüssig dargetan. Dem Kläger war ausweislich seiner Angaben bei seiner informatorischen Anhörung durchaus bewusst, dass es sich bei der unternehmerischen Beteiligung an dem Medienfonds nicht um eine völlig risikolose Kapitalanlage handelte. Das ergibt sich nicht zuletzt auch aus dem Umstand, dass der Kläger bereits vor der streitgegenständlichen Zeichnung auch andere geschlossene Fonds der Beklagten oder Fonds aus dem Konzernverbund der Beklagten gezeichnet hatte. Ersichtlich erfolgte die Beratung auch anhand des Fondsprospekts, den der Kläger etwa eine Woche vor der Zeichnung des Fonds und mithin so rechtzeitig erhalten hatte, dass er sich mit dessen Inhalt auseinandersetzen konnte. Soweit der Kläger angegeben hat, der Zeuge Z1 habe die Anlage wegen der Schuldübernahme durch die C-Bank als praktisch risikolos dargestellt, hat der Kläger, wie er dies selbst im Rahmen seiner informatorischen Anhörung geschildert hat, diese Angabe durch Lektüre des Prospekts überprüft und bestätigt gefunden. Der Prospekt weist aber in hinreichendem Umfang auf die Risiken der Beteiligung hin. Der Kläger selbst macht im Übrigen einen Prospektfehler auch nicht geltend. Ebenso wenig hat der Kläger substantiiert vorgetragen, dass der Zeuge Z1 vom Prospektinhalt abweichende Angaben gemacht hat. Worin die behauptete Verharmlosung der Anlagerisiken konkret bestanden haben sollte, lässt der Vortrag nicht erkennen. Auch über das bestehende Bonitätsrisiko ist dem Vortrag des Klägers zu Folge gesprochen worden. Der vorgetragene Hinweis des Zeugen Z1, dass das Bonitätsrisiko nur ein theoretisches sei, ist ersichtlich nicht fehlerhaft gewesen.
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b) Der Vortrag des Klägers, er sei von dem Zeugen Z1 nicht darauf hingewiesen worden, dass die Beklagte – über das Agio hinaus – eine Provision für die Vermittlung der Beteiligung erhält, ist hinsichtlich eines Beratungsverschuldens schlüssig. Bei der aus den Eigenkapitalbeschaffungskosten gezahlten Provision handelt es sich um eine aufklärungsbedürftige Rückvergütung. Aufklärungspflichtige Rückvergütungen sind nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des BGH – regelmäßig umsatzabhängige – Provisionen, die im Gegensatz zu versteckten Innenprovisionen nicht aus dem Anlagevermögen, sondern aus offen ausgewiesenen Provisionen wie zum Beispiel Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsvergütungen gezahlt werden, deren Rückfluss an die beratende Bank aber nicht offenbart wird, sondern hinter dem Rücken des Anlegers erfolgt. Hierdurch kann beim Anleger zwar keine Fehlvorstellung über die Werthaltigkeit der Anlage entstehen, er kann jedoch das besondere Interesse der beratenden Bank an der Empfehlung gerade dieser Anlage nicht erkennen (BGH Beschl. v. 9. 3.2011 – XI ZR 191/10, Rn. 25; juris): Die von der Beklagten vereinnahmten Provisionen in Höhe von (mindestens) 8% des Zeichnungskapitals waren nicht in den Anschaffungs- und Herstellungskosten des Fondsobjekts versteckt, sondern flossen aus den offen ausgewiesenen Kosten der „Eigenkapitalvermittlung“ an die Beklagte. Auf einen Abfluss aus dem Agio kommt es dabei nicht entscheidend an (BGH, Urt. v. 8.5.2012 – XI ZR 262/10 -, Rn. 18, juris). Danach handelt es sich hier um aufklärungspflichtige Rückvergütungen. Die Aufklärung ist nicht durch die Übergabe des Fondsprospektes erfolgt. Zwar hat der Kläger den Fondsprospekt so rechtzeitig erhalten, dass er sich mit seinem Inhalt vertraut machen konnte (vgl. BGH, Urt. v. 27.10.2009 – XI ZR 338/08 -, Rn. 31, juris). Jedoch geht aus dem Prospekt nicht hervor, dass die Beklagte Empfängerin der dort (Ziff. 3.1) genannten Vermittlungsprovision oder des Agios ist. Vielmehr wird lediglich die D GmbH als Vertragspartner der Eigenkapitalvermittlung benannt. Dem Prospekt ist ebenso wenig zu entnehmen, in welcher Höhe Rückvergütungen an die Beklagte geflossen sind. Insbesondere auch die Höhe der Rückvergütung muss aber nach der Rechtsprechung des BGH von der Bank ungefragt offen gelegt werden (BGH, Beschl. v. 9. 3.2011 – XI ZR 191/10, Rn. 27 m. w. N., juris).
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c) Es fehlt jedoch an der Kausalität des Verschweigens einer solchen Rückvergütung bzw. einer höheren Provision als vom Kläger angenommen für die Anlageentscheidung des Klägers. Zwar spricht für den Kläger die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens (BGH, Urt. v. 22.3.2011 – XI ZR 33/10 -, Rn. 40 m. w. N., juris; Urt. v. 8.5.2012 – XI ZR 262/10 -, Rn. 28 ff., juris).
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Jedoch ist diese Vermutung vorliegend widerlegt. Gegen die Kausalitätsvermutung spricht bereits, dass die mit der Beteiligung an dem Fonds erzielbaren Steuervorteile zumindest nicht unwesentliches Motiv für die Anlageentscheidung des Klägers waren, so dass der Umstand, dass die Beklagte ein Gewinninteresse hatte, nicht besonders ins Gewicht gefallen sein dürfte, überdies Steuervorteile generierende geschlossene Fonds ohne ein Provisionsinteresse der vermittelnden Banken für Anleger nicht erreichbar sein dürften. Dementsprechend hätte auch der vom Kläger erwähnte Gang zu einer anderen Bank für ihn keine andere Interessensituation geschaffen. Soweit er in diesem Zusammenhang des Weiteren erwähnt, dass die Frage des Agioaufpreises verhandelbar sei, muss er sich fragen lassen, weshalb er diese Verhandlungen nicht im Beratungsgespräch mit der Beklagten angesprochen hat, dies obgleich er doch auch bei der Beklagten davon ausgegangen ist, dass diese für ihre Vermittlungsleistungen das Agio erhält. Aus dem Prospektinhalt musste dem Kläger im Übrigen bewusst sein, dass Provisionen für die Eigenkapitalbeschaffung gezahlt werden, durch die das Fondsvermögen nicht geschmälert wurde. Soweit der Kläger bei seiner informatorischen Anhörung angegeben hat, er hätte in Kenntnis einer über das Agio hinausgehenden Rückvergütung ein höheres Eigeninteresse der Beklagten gesehen und weniger eine Interessenwahrnehmung in Bezug auf seine Anlageinteressen, ist diese Einlassung nicht hinreichend glaubhaft. In der Vergangenheit hat der Kläger geschlossene Fonds aus dem Konzernverbund der Beklagten, eigene Fonds oder solche von Tochterunternehmen der Beklagten, gezeichnet, die nach seinen Angaben alle werthaltig gewesen seien. Bei eigenen Anlageprodukten oder solchen aus dem Konzernverbund ist das Gewinninteresse der beratenden Bank jedoch so offenkundig, dass eine Bank, die eigene Anlageprodukte empfiehlt, grundsätzlich nicht verpflichtet ist, darüber aufzuklären, dass sie mit diesem Produkt Gewinne erzielt; denn in einem solchen Fall ist es für den Kunden offenkundig, dass die Bank eigene (Gewinn-)Interessen verfolgt, so dass darauf nicht gesondert hingewiesen werden muss (vgl. BGH, Urteil vom 27.9.2011 – XI ZR 182/10 – Rn. 37 m. w. N.; OLG Frankfurt, Urt. v. 01.3.2013 – 19 U 95/12–, juris). Dieses offenkundige Gewinninteresse der Beklagten hat den Kläger aber nicht davon abgehalten, diese Fonds zu zeichnen. Weshalb allein der Umstand, dass er erstmalig nach Beratung durch die Beklagte ein Fremdprodukt gezeichnet hat, bei ihm auf Grund des im Erhalt der Rückvergütung liegenden Gewinninteresses der Beklagten nunmehr der Eindruck entstanden sein soll, dass die Beklagte seine Anlageinteressen nicht gehörig wahrnehmen könnte, dies obgleich er sich auch bei Anlageempfehlungen, denen ein offensichtliches Gewinninteresse der Beklagten zu Grunde lag, eigenen Angaben zu Folge interessengerecht beraten wurde, erschließt sich nicht. Dem Kläger sind in der Vergangenheit trotz für ihn offenkundigen Gewinninteresses der Beklagten werthaltige Produkte empfohlen worden. Allein das Verschweigen des Erhalts von Rückvergütungen im Falle der erfolgreichen Vermittlung eines Fremdprodukts vermag in verständiger Würdigung der Interessen des Klägers aus Sicht des Klägers kein weitergehendes Gewinninteresse der Beklagten begründen, als dies bei Eigenprodukten der Beklagten der Fall war. Trotz offenkundigen Gewinninteresses der Beklagten bei den dem Kläger vermittelten Eigenprodukten hat es der Kläger nicht für geboten angesehen, sich nach der Höhe dieses Gewinninteresses zu erkundigen. Weshalb nunmehr die Höhe das Gewinninteresses bei dem vermittelten Fremdprodukt, nämlich die über das Agio hinausgehende Provision, für seine Anlageentscheidung ausschlaggebend gewesen sein soll, kann der Senat nicht nachvollziehen. Die Einlassung des Klägers hinsichtlich der fehlenden Beratungsneutralität wirkt auf dieser Grundlage vorgeschoben. Die Umstände sprechen nach alledem deutlich dafür, dass der Kläger auch in Kenntnis des über den Erhalt des Agios hinausgehenden Provisionsinteresses der Beklagten die ihm von ihr empfohlene anleger- und interessengerechte Beteiligung gezeichnet hätte und lediglich die (insbesondere steuerrechtliche) Fehlentwicklung Motiv seines Rückabwicklungsbegehrens ist. Nach alledem sieht der Senat die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens als widerlegt an.
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d) Im Übrigen stünde dem Kläger ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte auch dann nicht zu, wenn man von einer für die Anlageentscheidung kausalen Beratungspflichtverletzung der Beklagten wegen des Verschweigens der erhaltenen Rückvergütung ausgehen würde. Schadensersatzansprüche aus dem Gesichtspunkt, dass die Beklagte den Kläger nicht darüber aufgeklärt hat, dass sie – die Beklagte – für die Vermittlung der streitgegenständlichen Beteiligung aufklärungspflichtige Rückvergütungen erhält, sind – unabhängig davon, ob ein Beratungsvertrag zu Stande gekommen ist und davon, ob der entsprechende Beratungsfehler der Beklagten kausal für die Anlageentscheidung des Klägers gewesen wäre – jedenfalls verjährt (§§ 195, 199 BGB). Dem Kläger war bereits bei Zeichnung der Fondsbeteiligung bekannt, jedenfalls ist er – zutreffend – davon ausgegangen, dass die Beklagte für ihre Vermittlungsbemühungen das Agio erhalten werde, mithin eine Provision in Höhe des Ausgabeaufschlages.
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Er hatte mithin auch Kenntnis oder jedenfalls grob fahrlässige Nichtkenntnis von dem Umstand, dass die Beklagte für die Anlagevermittlung eine Rückvergütung erhält, ohne ihn hierüber, insbesondere hinsichtlich der konkreten Höhe, aufzuklären. Er kannte mithin alle anspruchsbegründenden Umstände oder hat sie jedenfalls in grob fahrlässiger Weise nicht gekannt, indem er keine weiteren Nachfragen stellte. Auch wenn er die konkrete Höhe der Provision nicht gekannt hat, so wusste er doch bereits bei Zeichnung der Beteiligung – oder ist jedenfalls selbst davon ausgegangen -, dass die Beklagte im Falle einer erfolgreichen Anlagevermittlung eine Provision in Höhe des Agios erhält und sie ihm die Beteiligung trotz eigenen Gewinninteresses empfohlen hatte, ohne auf den bestehenden Interessenkonflikt hinzuweisen. Wenn es ihm auch noch auf die konkrete Höhe der von der Beklagten vereinnahmten Provision angekommen wäre, so hätte es auf der Hand gelegen, sie im Beratungsgespräch zu erfragen (vgl. auch OLG Karlsruhe, Urt. v. 9.8.2011 – 17 U 4/11 – Rn. 15, juris; Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch BGH, Beschl. v. 3.4.2012 – XI ZR 383/11; vgl. auch OLG Frankfurt, Urt. v. 8.7.2013 – 23 U 246/12– Rn. 53 ff., juris). Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, für die Annahme einer Verjährung seiner Schadensersatzforderung gemäß §§ 195, 199 BGB sei es nicht ausreichend, dass er nur davon ausgegangen sei, dass der Beklagten für die Vermittlung der Beteiligung eine Provision in Höhe des Agios erhalte, ihr das Agio mithin zugestanden habe, sondern eine positive Kenntnis dieses Umstandes erforderlich sei, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Das OLG Frankfurt hat in seinem Urteil vom 8.7.3013 (a. a. O., Rn. 54 ff.) die Bekundung des Anlegers ausreichen lassen, dass er „geglaubt“ habe, dass das 5%ige Agio die Vermittlungsgebühr ist, welche die beklagte Bank bekomme, um eine Kenntnis des Anlegers von dem Erhalt der Rückvergütung und der fehlenden Aufklärung hierüber anzunehmen. Auch aus der Entscheidung des BGH (Urt. v. 26.2.2013 – XI ZR 498/11) folgt nichts anderes. Zwar hat der BGH in dieser Entscheidung auf eine positive Kenntnis abgestellt. Dies erfolgte jedoch ersichtlich nur im Hinblick darauf, dass der BGH die im Rahmen der Würdigung nach § 286 ZPO getroffene Feststellung des Berufungsgerichts beanstandet hat, wonach der dortige Kläger zur Frage, ob er bei Zeichnung der Fondsbeteiligung bereits gewusst habe, dass die beklagte Bank für deren Vermittlung eine Rückvergütung in Form eines Anteils am Agio erhalten hat, lediglich gesagt habe, er habe dies „angenommen“ oder sich nur „gedacht“.
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Diese fehlerhafte tatsächliche Würdigung durch das Berufungsgericht ist Gegenstand der Feststellung des BGH, wonach der Anleger nach eigenen Angaben positive Kenntnis gehabt habe. Die Feststellung einer fehlerhaften Würdigung des Berufungsgerichts nach § 286 ZPO ist wiederum Voraussetzung für eine eigene Sachentscheidung des BGH auf der Grundlage der Feststellung, dass der Kläger dies nicht nur angenommen oder gedacht habe, sondern positiv wusste, dar. Aus der Argumentation des BGH lässt sich indes nicht entnehmen, dass er für die Frage des Vorliegens der Verjährungsvoraussetzungen eine positive Kenntnis des Anlegers von einem, ihm lediglich der Höhe nach nicht bekannten Provisionsfluss hatte. Eine andere Auffassung wäre auch schwerlich nachvollziehbar. Es stellt sich bereits die Frage, woher der Anleger im Hinblick auf die konkrete Anlage positive Kenntnis von dem Erhalt des Agios haben soll, wenn ihm dies nicht ausdrücklich von der beratenden Bank mitgeteilt wurde. Dann aber wäre jedenfalls insoweit eine Aufklärung erfolgt, die der Anleger im Zweifel als abschließende Mitteilung des Provisionsinteresses der Bank verstehen dürfte, so dass dann wiederum ein Fall vorliegen würde, in dem die beratende Bank konkrete, jedoch fehlerhafte Angaben zur Höhe der Rückvergütung gemacht hätte, was wiederum zur Folge hätte, dass dann die Verjährung erst zu laufen begänne, sobald der Anleger Kenntnis davon hat, dass die Bank tatsächlich höhere Vertriebsvergütungen erhält, als sie ihm offenbart hat. Denn in diesen Fällen meint der Anleger, über die Höhe der Rückvergütung pflichtgemäß aufgeklärt worden zu sein, weshalb es an der Kenntnis der tatsächlichen Umstände fehlt, aus denen sich die Verletzung der Aufklärungspflicht durch die beratende Bank ergibt (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 26.2.2013, a. a. O., Rn. 30). Allein Erfahrungen mit anderen Anlageprodukten können immer nur eine dahingehende (ggf. sichere) Vermutung des Anlegers begründen. Die Angaben eines Anlegers, der als Kläger oder Zedent informatorisch angehört oder vernommen wird, sind im Zweifel immer unterhalb einer positiven Kenntnis anzusiedeln, indem sie je nach subjektiver Gewissheit mitteilen, dass sie von einem Provisionsinteresse der beratenden Bank „gewusst“ haben oder davon „ausgegangen“ sind oder dies „geglaubt“ haben. Dies macht jedoch keinen grundlegenden Unterschied, da in allen Fällen ein Bewusstsein des Anlegers von dem Gewinninteresse der beratenden Bank und damit von einem etwaigen Interessenskonflikt besteht.
22

Eben dieses Bewusstsein ist die Grundlage für die Annahme einer positiven Kenntnis oder jedenfalls einer grob fahrlässigen Unkenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 Ziff. 2 BGB.
23

In allen diesen Fällen ist, wie oben aufgezeigt, davon auszugehen, dass dem Anleger die eine Schadensersatzpflicht begründenden Umstände bekannt waren und es im Falle eines Interesses an einer positiven Kenntnis von dem Erhalt des Agios als Vermittlungsprovision oder an einer Kenntnis der genauen Provisionshöhe auf der Hand gelegen hätte, diese zu erfragen (so auch OLG Karlsruhe a. a. O.). Im Falle des OLG Karlsruhe hat der dortige Senat auch lediglich von einer (nachträglichen) Kenntnis des Anlegers von der „Provisionspraxis“ der beklagten Bank auf eine Kenntnis von der Rückvergütung auch im konkreten Anlagefall geschlossen. Aus einer allgemeinen Kenntnis der Provisionspraxis der Bank folgt jedoch nicht notwendigerweise eine positive Kenntnis der Provisionszahlungen im konkreten Anlagefall und auch nicht eine positive Kenntnis des Umstandes, dass die Bank (zumindest) das Agio als Vermittlungsprovision erhält. Es begründet vielmehr Umstände, auf Grund deren der Anleger davon „ausgehen“ konnte, dass es sich so verhält. Dies hat der BGH durch seinen Beschluss über die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde im Falle des OLG Karlsruhe für ausreichend erachtet. Entsprechend ist es auch im vorliegenden Fall hinreichend, dass der Kläger davon „ausgegangen“ ist, dass die Beklagte das Agio als Vermittlungsprovision erhält, um die Voraussetzung einer Kenntnis oder zumindest grob fahrlässigen Unkenntnis von der Tatsache der Nichtaufklärung über Rückvergütungen auszugehen. Daher ist auch vorliegend davon auszugehen, dass die subjektiven Verjährungsvoraussetzungen des § 199 Abs. 1 Ziff. 2 BGB vorliegen.
24

Da der streitgegenständliche Anspruch bereits mit Zeichnung der Fondsbeteiligung am 22.11.2002 entstanden ist und zu diesem Zeitpunkt auch die Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Ziff. 2 BGB vorlagen, war die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB jedenfalls vor der Beantragung des Güteverfahrens im Jahr 2010 und vor Klageerhebung 2012 bereits abgelaufen und wären etwaige Schadenersatzansprüche des Klägers verjährt. Unerheblich für den Verjährungsbeginn ist entgegen der Auffassung des Klägers, dass die Banken sich gegen die „Rückvergütungsrechtsprechung“ mit dem Argument eines verschuldensausschließenden Rechtsirrtums „gewehrt“ haben, da dies jedenfalls keine unsichere oder zweifelhaft Rechtslage begründete.
25

Auch ist eine zutreffende rechtliche Würdigung des Anlegers hinsichtlich der Aufklärungspflicht der beratenden Banken über Rückvergütungen nicht erforderlich, um eine Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände annehmen zu können (vgl. BGH, Urt. v. 26.2.2013, a. a. O. Rn. 27).
26

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
27

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Rechtsgrundlage in § 708 Nr. 10 Satz 2 ZPO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

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