OLG Frankfurt am Main, 02.08.2017 – 13 U 222/16

März 20, 2019

OLG Frankfurt am Main, 02.08.2017 – 13 U 222/16
Tenor:

Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 28.10.2016 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 27. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Gründe

Die Berufung der Klägerin ist zwar zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Nach der heutigen Beratung der Berufungssache im Senat erweist sich das Rechtsmittel jedoch nach derzeitiger Beurteilung des Sach- und Streitstandes als offensichtlich unbegründet.

Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung in der Sache (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Die weiteren Zurückweisungsvoraussetzungen gemäß § 522 Abs. 1 Nr. 2 – 4 ZPO liegen ebenfalls vor, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil erfordern. Ebenso wenig ist unter Berücksichtigung von Umfang und Schwierigkeitsgrad der Sache eine mündliche Verhandlung vor dem Senat geboten.

Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die von der Klägerin hiergegen erhobenen Einwendungen und vorgebrachten Gesichtspunkte rechtfertigen eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung nicht.

Der Klägerin steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu. Insbesondere liegen die Voraussetzungen eines deliktischen Schadensersatzanspruches nach § 823 Abs. 1 BGB nicht vor.

Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat zunächst auf die ebenso kurzen wie prägnanten Ausführungen des Landgerichts, denen er sich nach Maßgabe der nachfolgenden ergänzenden Ausführungen anschließt, Bezug.

Unter Zugrundelegung des gesamten entscheidungserheblichen erst- und zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie den von den Parteien im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung vor dem Landgericht in der mündlichen Verhandlung am 13.09.2016 (vgl. Sitzungsprotokoll Bl. 118 – 121 d. A.) gemachten Angaben kann bei wertender Betrachtung die vom Senat ausdrücklich bedauerte und für die Klägerin mit weitreichenden privaten und beruflichen Konsequenzen verbundene Schädigung dem Beklagten haftungsrechtlich nicht zugerechnet werden.

Zwar ist mit der Klägerin schon nach dem unstreitigen Sachverhalt in Verbindung mit den Bekundungen der Parteien im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung völlig zweifelsfrei davon auszugehen, dass die alleinige – und nachhaltige – Initiative zu dem schließlich von den Parteien auf der privaten Geburtstagsfeier ausgeführten Paartanz vom Beklagten ausgegangen ist. Durch das an den Händen fassen der Klägerin hat der Beklagte – konkludent – seinem Wunsch Ausdruck verliehen, mit der Klägerin einen Paartanz auszuführen. Von seinem Vorhaben hat sich der Beklagte durch die Äußerungen der Klägerin, dass sie nicht tanzen könne und das Ganze zu schnell für sie sei, nicht abhalten lassen und mit der Ausführung von Tanzschritten begonnen.

Wenngleich der Senat das Verhalten des Beklagten als egoistisch und wenig einfühlsam bewertet, kann – auch nach der eigenen Schilderung der Klägerin – nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte Gewalt ausgeübt hat und sein Verhalten – strafrechtlich relevanten – Nötigungscharakter erreicht hat.

Vielmehr ist nach den eigenen Angaben der Klägerin davon auszugehen, dass sie sich letztlich freiwillig auf den Tanz mit dem Beklagten eingelassen hat.

Es ist im vorliegenden Zusammenhang insbesondere nicht hinreichend von der Klägerin dargetan, dass sie ohne jedwedes eigenes Zutun und gegen ihren ausdrücklich erklärten Willen vom Beklagten geradezu zum Tanzen „gezwungen“ worden sei. Nach dem als unstreitig anzusehenden Sachverhalt hat die Klägerin – lediglich – geäußert, sie könne nicht tanzen und das Ganze sei zu schnell für sie.

Von diesem Sachverhalt hat der Senat auszugehen. Einen Tatbestandsberichtigungsantrag nach § 320 ZPO hat keine der Parteien gestellt.

Eine klare und ausdrückliche Erklärung gegenüber dem Beklagten wie etwa „nein, ich möchte bzw. werde nicht mit dir/Ihnen tanzen“, hat die Klägerin nicht abgegeben. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass für die Klägerin keine ihr zumutbare Möglichkeit bestanden hätte, dem Tanzwunsch des Beklagten entgegenzuwirken bzw. sich diesem zu entziehen. Es hätte in der konkreten Situation nach Einschätzung des Senats durchaus die Möglichkeit bestanden, sowohl in verbaler und auch physischer Hinsicht, etwa durch eine klar artikulierte Absage gegenüber dem Beklagten, ein Verlassen der Tanzfläche oder wenn ihr dies aufgrund des an den Händen Gehaltenwerdens durch den Beklagten nicht ohne weiteres möglich gewesen sein sollte, durch ein einfaches Stehenbleiben in zumutbarer Weise den Tanz mit dem Beklagten und die daraus resultierenden Folgen zu vermeiden.

Stattdessen hat die Klägerin sich dem Wunsch des Beklagten gebeugt und mit ihm getanzt. Das unstreitige Ausführen der Tanzschritte – auch durch die Klägerin – durfte der Beklagte letztlich als Einwilligung der Klägerin in den Paartanz auffassen, wobei diese rechtliche Bewertung durch den Senat keineswegs so verstanden werden soll, dass der Senat das Verhalten des Beklagten als solches gutheißt. Nachdem die Klägerin sich auf den Tanz mit dem Beklagten letztlich eingelassen hat, musste sie dann allerdings auch mit dem üblicherweise beim Paartanz zur Anwendung kommenden Tanzschritten und Drehungen der Tanzpartner rechnen.

Im Unterschied zur Haftung für den Schaden, der einem außenstehenden Dritten zugefügt wird, welcher mehr oder weniger zufällig mit einer von einem bzw. mehreren anderen angesetzten Gefahr in Berührung kommt, was etwa dann der Fall gewesen wäre, wenn durch den Tanz, beim Sturz der Klägerin eine andere auf der Tanzfläche befindliche Person verletzt worden wäre, steht vorliegend die eigene freie Willensentscheidung der Klägerin im Vordergrund. Die Klägerin hat den Tanz mit dem Beklagten ausgeführt und hätte die hiermit verbundenen Gefahren, insbesondere im Hinblick auf ihr eigenes fehlendes tänzerisches Können, erkennen können. Für die von ihr getroffene Entscheidung, sich auf einen Tanz mit dem Beklagten – wenn auch zunächst widerwillig – einzulassen und die damit verbundene Selbstgefährdung ist die Klägerin letztlich selbst verantwortlich.

In Fällen der vorliegenden Art gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Grundsatz, dass weder ein allgemeines Gebot besteht, andere vor Selbstgefährdung zu bewahren, noch ein Verbot, sie zur Selbstgefährdung psychisch zu veranlassen, sofern nicht – was vorliegend ausscheidet – das selbstgefährdende Verhalten durch Hervorrufen einer mindestens im Ansatz billigenswerten Motivation „herausgefordert“ worden ist (vgl. BGH, Urt. v. 21.01.1986, Az.: VI ZR 208/84, recherchiert nach juris, Rz. 14). Der BGH hat in der vorgenannten Entscheidung unter anderem ausgeführt: „Beschränkt sich die Rolle des für die Selbstschädigung des Geschädigten zur Mitverantwortung herangezogenen Schädigers dergestalt auf die bloße Teilnahme an dem gefahrenträchtigen Unternehmen, dann fehlt es nach Auffassung des Senats an dem erforderlichen inneren Zusammenhang zwischen dem Schadenserfolg und einer von dem „Schädiger“ verletzten Verhaltungsnorm, der es rechtfertigen könnte, den Geschädigten anders zu behandeln, als wenn er das Unternehmen für sich allein durchgeführt hätte und schon deshalb mit seinem Schaden allein belastet bliebe“

Nach der Rechtsprechung des BGH, der sich der Senat in vollem Umfang anschließt, kommt die Annahme eines Zurechnungszusammenhanges zwischen der schädigenden Handlung und dem eingetretenen Erfolg allenfalls dann in Betracht, wenn der „Schädiger“ – hier also der Beklagte – durch die Inanspruchnahme einer übergeordneten Rolle als „Experte“ der Klägerin gegenüber eine Garantenstellung für die Durchführung des gemeinsamen Unternehmens übernommen oder durch sein Verhalten einen zusätzlichen Gefahrenkreis für die Schädigung der Klägerin eröffnet hätte (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 20.10.2015, Az.: 9 U 142/14; sowie BGH a. a. O.). Wenngleich sich der Beklagte selbst als „Tanzkönig“ seines Ortes bezeichnet und seine Tanzkünste diejenigen der Klägerin deutlich übersteigen, kann er nicht als Experte im vorstehenden Sinne angesehen werden. Der Beklagte ist unstreitig weder beruflich mit dem Tanzsport verbunden noch führt die Teilnahme an einigen – wenigen – Tanzkursen zu einer Experten- und damit Garantenstellung gegenüber der Klägerin. Vielmehr zeigt das Verhalten des Beklagten, dass es sich bei ihm gerade nicht um einen routinierten und professionellen Tänzer handelt, da ein solcher – anders als der Beklagte – entweder der – zunächst – ablehnenden Haltung der Klägerin gegenüber dem gemeinsamen Tanz Rechnung getragen und nach einer anderen Tanzpartnerin Ausschau gehalten hätte oder zumindest die Art und Weise der Ausführung des Tanzes an den Tanzkenntnissen und Fertigkeiten des schwächeren Tanzpartners ausgerichtet hätte.

Die Gefahr eines Sturzes beim Tanz besteht grundsätzlich und war für alle Beteiligten, insbesondere für die Klägerin aufgrund ihrer fehlenden Paartanzkenntnisse, gleichermaßen erkennbar.

Die weitreichenden persönlichen Konsequenzen aus dem Tanzunfall für die Klägerin bedauert der Senat ausdrücklich. Gleichwohl vermag das aus Sicht der Klägerin nachvollziehbare Begehren, einen anderen für die ihr entstandenen Schäden haftbar zu machen, das Vorliegen der anspruchsbegründenden Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches nicht zu ersetzen.

Die Klägerin erhält Gelegenheit, zum Hinweisbeschluss binnen zwei Wochen ab Zustellung des Beschlusses schriftsätzlich Stellung zu nehmen. Es wird darauf hingewiesen, dass die Berufungsrücknahme vor Erlass einer abschließenden Senatsentscheidung nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO kostenrechtlich privilegiert ist (zwei statt vier Gerichtsgebühren).

Den Berufungsstreitwert beabsichtigt der Senat, entsprechend der unbeanstandet gebliebenen erstinstanzlichen Wertfestsetzung, auf 50.000,- € festzusetzen.

Auch hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen vorstehender Frist.

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