OLG Frankfurt am Main, 03.02.2017 – 8 U 128/16

März 20, 2019

OLG Frankfurt am Main, 03.02.2017 – 8 U 128/16
Leitsatz:

Die dem Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer aus § 618 Abs. 1 BGB obliegenden Pflichten bleiben auch dann in vollem Umfang bestehen, wenn sich unmittelbare Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Hersteller einer Arbeitsmaschine aus einem Vertrag zwischen dem Arbeitgeber und diesem Hersteller ergeben, der bezüglich der Pflichten aus § 618 Abs. 1 BGB als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zu qualifizieren ist. In dieser Konstellation besteht vielmehr eine gesamtschuldnerische Haftung des Arbeitgebers einerseits sowie des Herstellers andererseits, da die Haftung des Herstellers den Arbeitgeber nicht entlastet; der Hersteller ist insoweit Erfüllungsgehilfe des Arbeitgebers (§ 278 BGB).
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 19. April 2016 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Gießen wird zurückgewiesen.

Das am 19. April 2016 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Gießen wird für vorläufig vollstreckbar erklärt.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits im zweiten Rechtszug zu tragen.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe

I.

Die Klägerin nimmt als gesetzlicher Unfallversicherer die Produzentin und Lieferantin der unfallursächlichen Maschine zu 2/3 bei eingeräumter Mitverantwortung des Geschädigten von maximal 1/3 in Regress.

Ausweislich der Auftragsbestätigung der Beklagten an die A GmbH vom 26. September 2006 (Anlage B 6, Bl. 230 ff. d. A.) sollte seitens der Beklagten eine Rollenhubbühne (Rollenförderer ON 6008) geliefert und montiert werden. Dies geschah Anfang des Jahres 2009. Vor Inbetriebnahme der Maschine fand am 25. Februar 2009 ein sicherheitstechnisches Gespräch vor Ort zwischen Vertretern der Klägerin, der Beklagten und der A GmbH statt. Die Klägerin wies in ihrem diesbezüglichen Schreiben vom 9. März 2009 an die A GmbH (Anlage B 5, BI. 225 ff. d. A.) darauf hin, dass die darin enthaltenen Vorschläge und Empfehlungen den Hersteller nicht von seiner Verpflichtung zu einer umfassenden Beurteilung der Risiken und Gefährdungen der Maschine befreien.

Am … 2011 arbeitete der Geschädigte, der Zeuge B, an der Stapelanlage der Rollenhubbühne und wurde dabei an der linken Hand erheblich verletzt; die Einzelheiten sind streitig. Im Anschluss wendete die Klägerin für die Behandlung des Zeugen B insgesamt € 57.758,14 auf.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Beklagte hafte bei einer maximalen Mithaftung des Zeugen B von 1/3 zu 2/3, weil die Beklagte als Produzentin und Lieferantin der Maschine diese entgegen der EG-Maschinenrichtlinie 98/37/EG – insbesondere entgegen den Ziffern 1.3.7 und 1.3.8 des Anhangs I – nicht mit einer Schutzeinrichtung versehen habe, die einen derartigen Zugriff bei laufender Maschine hätten verhindern können.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

1.

die Beklagte zu verurteilen, an sie € 38.518,76 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Klagezustellung zu zahlen, und
2.

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin im Wege des Rechtsüberganges gem. § 116 SGB X nach einer Haftungsquote von 2/3 sämtliche weiteren übergangsfähigen Aufwendungen zu ersetzen, soweit diese dem Ersatz derjenigen Schäden dienen, die ihrem Versicherten B aus dem Unfallereignis vom 17. Januar 2011 erwachsen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, sie habe mit der A GmbH vereinbart, diese habe die von der Beklagten nur gelieferten Schutzgitter auch an der Unfallstelle montieren sollen, wie es bereits in der Auftragsbestätigung der Beklagten vom 26. September 2006 vorgesehen gewesen sei. Insofern bestehe keine gestörte Gesamtschuld und entfalle eine Regresshaftung der Beklagten vollständig, weil die A GmbH vorsätzlich gehandelt habe. Die Mithaftung des Zeugen B sei auf mindestens 1/2 zu veranschlagen. Ferner müsse die Klägerin sich haftungsmindernd eine unzureichende sicherheitstechnische Beratung am 25. Februar 2009 anrechnen lassen. Schließlich seien die klägerischen Aufwendungen „nicht erforderlich und angemessen“ gewesen.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird ergänzend Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens und Vernehmung des Zeugen B hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Gießen mit dem angegriffenen Urteil vom 19. April 2016 (Bl. 274 ff. d. A.) die Beklagte verurteilt, an die Klägerin € 19.259,38 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 29. Dezember 2014 zu zahlen. Darüber hinaus hat das Landgericht festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin gem. § 116 SGB X nach einer Quote von 1/3 sämtliche übergangsfähigen Aufwendungen zu ersetzen, die der Klägerin aus dem Unfall des Versicherten B vom … 2011 erwachsen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat das Landgericht u. a. ausgeführt, die Beklagte habe als verantwortliche Herstellerin und Lieferantin der Maschine entgegen den geltenden Vorschriften der EG-Maschinenrichtlinie 98/37/EG – insbesondere deren Ziffern 1.3.7 und 1.3.8 – die Maschine nicht mit Schutzeinrichtungen versehen, „die jedes unfallträchtige Risiko durch Erreichen der Gefahrenstelle“ ausschlössen und insbesondere dafür sorgten, dass durch feststehende oder bewegliche Schutzeinrichtungen ein Zugriff in die Maschine während des gefahrenauslösenden Betriebsvorgangs ausgeschlossen sei. Die Installation einer derartigen Schutzeinrichtung sei auch nicht technisch generell oder aufgrund der konkreten örtlichen Gegebenheiten unmöglich. All dies habe der Sachverständige detailliert, nachvollziehbar und überzeugend in seinem schriftlichen Gutachten dargestellt.

Es sei auch bewiesen, dass sich der Unfall genauso ereignet habe, wie es die Klägerin zuletzt im Anschluss an die Darstellung in dem Sachverständigengutachten (hilfsweise) vorgetragen habe. Dies ergebe sich aus der Zusammenschau der insoweit übereinstimmenden Darstellung des Sachverständigen aus technischer und des Zeugen „aus empirischer Sicht“. Danach habe der Zeuge bei laufender Maschine zwischen Ausricht- bzw. Anschlagschieber und Hubtisch gegriffen, um ein aus dem Stapelmagazin zu viel heruntergefallenes Brett herauszuziehen, was ihm deswegen möglich gewesen sei, weil unstreitig keine entsprechende Schutzeinrichtung gegen einen derartigen Zugriff existiert habe. Dabei sei die Hand des Zeugen B zwischen Hubtisch und Ausrichtschieber eingeklemmt mit den in dem ausführlichen fachärztlichen Bericht des C-Krankenhauses O1 vom … 2011 im Einzelnen attestierten Verletzungsfolgen.

Auch die sich daran anschließende langwierige Behandlung des Klägers (14 Tage stationärer Krankenhausaufenthalt mit mehrfacher Operation, zweimonatiges Anlegen eines Fixateurs und insgesamt rund 15 Monate andauernde weitere ambulante, insbesondere häufige krankengymnastische Behandlung) stehe auf der Grundlage der Aussage des uneingeschränkt glaubwürdigen Zeugen zur Überzeugung des Landgerichts fest.

Freilich treffe den Zeugen B als Geschädigten eine Mitverantwortung von 1/3. Denn auf der Grundlage seiner Aussage stehe fest, dass er in die Maschine hineingegriffen habe, obwohl er ausdrücklich angewiesen gewesen sei, dies nicht zu tun. Ein höherer Mitverantwortungsanteil des Zeugen sei allerdings nicht gegeben, insbesondere mit Rücksicht auf den von ihm glaubhaft bekundeten Umstand des besonderen Zeitdrucks an einer derartigen Maschine, welche dem Beschäftigen den Zeittakt vorgebe und eine entsprechende Hektik begründe.

Ferner komme es zu einer weiteren Minderung des Schadenersatzanspruches des Zeugen „als Rechtsvorgängers der Klägerin“, weil im Verhältnis der Beklagten und der A GmbH als Arbeitgeberin des Zeugen eine gestörte Gesamtschuld vorliege, die im Ergebnis zu Lasten des Geschädigten zu lösen sei.

Der Mitverantwortungsanteil der – in vollem Umfang haftungsprivilegierten (§ 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII) – A GmbH als Arbeitgeberin des Zeugen betrage ebenfalls 1/3. Denn als Dienstberechtigte sei auch die A GmbH mit für die bereits beschriebenen geforderten Schutzmaßnahmen verantwortlich gewesen (§ 618 Abs. 1 BGB). Der Arbeitgeber müsse nämlich neu angeschaffte Arbeitsmittel darauf untersuchen, ob sie den einschlägigen Sicherheitsanforderungen entsprächen. Er müsse sie sogar in der Folgezeit regelmäßig kontrollieren und erforderliche Maßnahmen ergreifen, damit von Arbeitsmitteln keine Gefahren für Leben oder Gesundheit seiner Arbeitnehmer ausgingen.

Da indessen die A GmbH als Arbeitgeberin des Zeugen in vollem Umfange haftungsprivilegiert sei (§ 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII), könne die Beklagte gegenüber der im rechtlichen Ausgangspunkt gesamtschuldnerisch mithaftenden A GmbH keinen Regress nehmen, so dass im Ergebnis der Schadenersatzanspruch des Geschädigten im Umfang dieses blockierten Regresses entfalle.

Eine weitergehende Einschränkung der Haftung der Beklagten nach den Regeln der gestörten Gesamtschuld oder gar der vollständige Wegfall des Regresses der Klägerin greife nicht durch. Insbesondere habe die A GmbH nicht „vorsätzlich“ den Unfall herbeigeführt.

Auch durch die Beteiligung der Klägerin in dem sicherheitstechnischen Gespräch vom 25. Februar 2009 komme es zu keiner weiteren Herabminderung ihrer Haftung. Die Klägerin habe der Beklagten nicht eine sicherheitstechnische Beratung dahingehend geschuldet, welche Schutzeinrichtungen erforderlich seien. Dementsprechend habe die Klägerin in ihrem Schreiben vom 9. März 2009 an die B GmbH ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es bei der vollen Verantwortung der Beklagten für den geforderten Sicherheitsstandard bleibe.

Gegen dieses ihrem Prozessbevollmächtigten am 2. Juni 2016 (Bl. 285 d. A.) zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem hier per Fax am 4. Juli 2016 – einem Montag – eingegangenen Schriftsatz vom selben Tage Berufung eingelegt (Bl. 289 d. A.). Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 2. September 2016 (Bl. 297 d. A.) hat die Klägerin die Berufung sodann mit Anwaltsschriftsatz vom 26. August 2016 begründet, der hier per Fax noch am selben Tage eingegangen ist (Bl. 309 ff. d. A.).

Mit der Berufung rügt die Klägerin u. a., dass das Landgericht zu Unrecht unterstellt habe, dass die A GmbH eine gegenüber ihrem eigenen Arbeitnehmer bestehende Pflicht verletzt habe.

Dies sei jedoch bereits aufgrund des unstreitigen Sachverhaltes nicht der Fall. Die A GmbH sei ihrer Verpflichtung als Arbeitgeberin zur Kontrolle zumindest insoweit nachgekommen, als sie von der Klägerin in Bezug auf die Sicherheit der von der Beklagten erstellten Anlage eine sicherheitstechnische Beratung in Anspruch genommen habe, an der auch Vertreter der Beklagten teilgenommen hätten. Daraus folge, dass die Arbeitgeberin des Verunfallten, die A GmbH, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten zumindest bemüht habe, etwaigen sicherheitsrelevanten Mängeln der gelieferten Maschine nachzugehen. Von einer haftungsbegründenden Pflichtverletzung der A GmbH, die im Rahmen einer gestörten Gesamtschuld berücksichtigt werden müsste, könne also gar nicht ausgegangen werden.

Die Beklagte – und nicht etwa die Klägerin oder die A GmbH – sei allein für die Einhaltung der durch die Maschinenrichtlinie vorgegebenen Sicherheitsstandards verantwortlich gewesen. Im Übrigen verlagerten die „konstruktiven Vorschriften über die Sicherheitsanforderungen“, die an Maschinen zu stellen seien, die Verantwortung für die Beschaffenheit eines technischen Arbeitsmittels vom Arbeitgeber auf den Hersteller. Sie dienten insofern dem vorbeugenden Arbeitsschutz.

Indem das angegriffene Urteil also im Wege einer gestörten Gesamtschuld eine Pflichtverletzung der A GmbH berücksichtige, unterstelle es die Verletzung einer Pflicht, die es aufgrund der gesetzgeberischen Intention der Maschinenrichtlinie gar nicht gebe. Selbst wenn man eine solche unterstelle, sei die A GmbH dieser Pflicht bereits dadurch nachgekommen, in dem sie sich um eine sicherheitstechnische Beratung bemüht habe.

Selbst wenn man aber einmal davon ausginge, dass die A GmbH ihre aus § 618 BGB resultierende Pflicht verletzt habe, den Verletzten soweit wie möglich vor den Gefahren zu schützen, die aus dem Betrieb der von der Beklagten gelieferten Anlage resultierten, führe dies nicht zu einer hälftigen Haftungsverteilung zwischen den Gesamtschuldnern.

Das Landgericht habe hier selbst die Auffassung vertreten, dass der Schaden im vorliegenden Fall im Wesentlichen von der Beklagten verursacht worden sei, weil die von dieser gelieferte Maschine den konstruktiven Vorschriften des Anhangs I der EG-Maschinenrichtlinie nicht entsprochen habe. Diese verlagerten aber, wie dargelegt, die Verantwortung für die Beschaffenheit eines technischen Arbeitsmittels vom Arbeitgeber auf den Hersteller. Den Arbeitgeber treffe insoweit allenfalls eine Überwachungspflicht. Aus dem Grundgedanken des § 840 Abs. 2 BGB gehe aber hervor, dass sich derjenige, der selbst eine Pflicht verletze, im Innenverhältnis zu einem Überwachungspflichtigen nicht auf eine unzureichende Überwachung berufen könne. Daraus folge, dass auch unter diesem Gesichtspunkt von einer alleinigen Verursachung des Unfalles des Versicherten der Klägerin durch die Beklagte auszugehen sei. Eine Berücksichtigung einer Haftung der Arbeitgeberin, der A GmbH, im Wege eines fiktiven Gesamtschuldnerinnenausgleichs komme somit nicht in Betracht.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Anwaltsschriftsatz vom 26. August 2016 Bezug genommen (Bl. 310 ff. d. A.).

Die Klägerin beantragt,

1.

die Beklagte zu verurteilen, an sie € 35.818,76 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Klagezustellung zu zahlen, und
2.

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin im Wege des Rechtsüberganges gem. § 116 SGB X nach einer Haftungsquote von 2/3 sämtliche weiteren übergangsfähigen Aufwendungen zu ersetzen, soweit diese dem Ersatz derjenigen Schäden dienen, die ihrem Versicherten B aus dem Unfallereignis vom 17. Januar 2011 erwachsen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil. Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Anwaltsschriftsatz vom 11. Oktober 2016 verwiesen (Bl. 322 ff. d. A.).

II.

1. Die Berufung der Klägerin ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

2. In der Sache hat die Berufung der Klägerin hingegen keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung (vgl. § 513 Abs. 1 ZPO).

a. Der erkennende Einzelrichter des Senats nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die zutreffenden Erwägungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung Bezug und macht sich diese zu Eigen.

b. Die gegen die Beurteilung des Landgerichts erhobenen Einwände der Klägerin greifen nicht durch.

aa. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die A GmbH hier eine gegenüber ihrem Arbeitnehmer – dem Zeugen B – bestehende Pflicht verletzt hat.

Nach § 618 Abs. 1 BGB hat der Dienstberechtigte Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet. Damit korrespondiert die Verpflichtung des Arbeitgebers aus § 4 Nr. 1 des Arbeitsschutzgesetzes – ArbSchG -, die Arbeit so zu gestalten, dass „eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und die psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird“.

Es unterliegt keinem Zweifel, dass die A GmbH ihre Verpflichtung aus § 618 Abs. 1 BGB und aus § 4 Nr. 1 ArbSchG hier zumindest dadurch verletzt hat, dass sie die Maschine betrieben hat, ohne dass eine hinreichende Schutzeinrichtung gegen einen Zugriff existierte. An die entsprechende Feststellung des Landgerichts ist der erkennende Einzelrichter des Senats nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden, da keine konkreten Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der diesbezüglichen Feststellungen begründen. Dass die A GmbH sich um eine sicherheitstechnische Beratung bemüht hat, entlastet sie in Bezug auf das hier in Rede stehende Unterlassen nicht. Schon der Wortlaut des § 618 Abs. 1 BGB („einzurichten und zu unterhalten“) macht deutlich, dass ein Arbeitgeber seine Pflichten aus § 618 Abs. 1 BGB nicht bereits dadurch erfüllt, dass er einmal eine sicherheitstechnische Beratung in Anspruch nimmt.

Diese dem Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer obliegenden Pflichten bleiben auch dann in vollem Umfang bestehen, wenn sich – wie hier – unmittelbare Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Hersteller einer Arbeitsmaschine (hier: die Beklagte) aus einem Vertrag zwischen dem Arbeitgeber und dem Hersteller ergeben, der bezüglich der Pflichten aus § 618 Abs. 1 BGB als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zu qualifizieren ist. In dieser Konstellation besteht vielmehr eine gesamtschuldnerische Haftung des Arbeitgebers einerseits sowie des Herstellers andererseits, da die Haftung des Herstellers den Arbeitgeber nicht entlastet (vgl. etwa Oetker, in: Staudinger, BGB, 2016, § 618, Rdnr. 95); der Hersteller ist insoweit Erfüllungsgehilfe des Arbeitgebers (§ 278 BGB).

Vor diesem Hintergrund kann hier keine Rede davon sein, dass die Verantwortung des Herstellers für die Beschaffenheit eines technischen Arbeitsmittels diejenige des Arbeitgebers dergestalt überlagert, dass der Arbeitgeber von seinen Schutzverpflichtungen gegenüber dem Arbeitnehmer frei wird.

Auf Grund der Haftungsprivilegierung der A GmbH ist der Anspruch des Zeugen B gegen die außerhalb des Sozialversicherungsverhältnisses stehende Beklagte damit von vornherein auf das beschränkt, was auf diese im Innenverhältnis endgültig entfiele, wenn die Schadensverteilung nach § 426 BGB nicht durch die Regelung des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII gestört wäre. Der Anspruch konnte auch nur in diesem beschränkten Umfang gem. § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X auf die Klägerin übergehen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 18.11.2014 – VI ZR 47/13, NJW 2015, 940, 944). Die Anspruchsbeschränkung ist durch den Anspruchsübergang nicht wieder entfallen; der Gläubigerwechsel verändert den Inhalt des übergegangenen Anspruchs nämlich nicht (vgl. §§ 412, 404 BGB).

bb. Auch der weitere Einwand der Klägerin, das Verschulden der Beklagten sei gegenüber dem Verschulden des Arbeitgebers, der A GmbH, weit überwiegend, ist nicht stichhaltig.

Es kann dahinstehen, ob derjenige, der selbst eine Pflicht verletzt, sich im Innenverhältnis zu einem (lediglich) Überwachungspflichtigen auf eine unzureichende Überwachung berufen kann. So liegt der Fall hier nämlich nicht. Wie oben bereits ausgeführt, erstreckte sich die gegenüber dem Zeugen B bestehende Verpflichtung der A GmbH insbesondere aus § 618 Abs. 1 BGB nicht nur auf die Inanspruchnahme einer sicherheitstechnischen Beratung, sondern umfasste auch die Verpflichtung, dafür Sorge zu tragen, dass die von der Klägerin vorgeschlagenen Schutzmaßnahmen alle getroffen und sodann aufrechterhalten werden. Damit waren aus Perspektive des Arbeitnehmers, des Zeugen B, die Verpflichtung der Beklagten einerseits und die des Arbeitgebers, der A GmbH, andererseits grundsätzlich gleichgerichtet und gleichwertig. Es liegt damit kein Fall vor, in dem das Verschulden des Arbeitgebers ganz oder teilweise hinter das überwiegende Verschulden des Herstellers zurücktritt.

3. Nach alledem spielt es keine Rolle, dass die Klägerin das Datum des Unfalls im Antrag zu 2 falsch angegeben hat.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

5. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in den §§ 708 Nr. 10 Satz 1, 713 ZPO.

6. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO), liegen nicht vor.

Der Sache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zu. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Sache eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 04.11.2008 – 1 BvR 2587/06, NJW 2009, 572, 573; Beschluss vom 27.05.2010 – 1 BvR 2643/07, FamRZ 2010, 1235, 1236; Beschluss vom 29.09.2010 – 1 BvR 2649/06, juris; BGH, Beschluss vom 04.07.2002 – V ZB 16/02, NJW 2002, 3029; Ball, in: Musielak/Voit (Hrsg.), Kommentar zur ZPO, 13. Aufl. 2016, § 543 ZPO, Rdnr. 5; Heßler, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 543, Rdnr. 11; Kessal-Wulf, in: Vorwerk/Wolf (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar ZPO, Stand: 01.09.2016, § 543, Rdnr. 19). Klärungsbedürftig sind dabei solche Rechtsfragen, deren Beantwortung zweifelhaft ist oder zu denen unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und die noch nicht oder nicht hinreichend höchstrichterlich geklärt sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.07.2007 – 1 BvR 650/03, NJW-RR 2008, 26, 29; Beschluss vom 27.05.2010 – 1 BvR 2643/07, FamRZ 2010, 1235, 1236; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 03.09.2013 – 15 U 92/12, ZEV 2013, 674, 677; Heßler, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Aufl. 2016, § 543, Rdnr. 11).

Nach diesen Maßstäben wirft die vorliegende Sache keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen auf. Es handelt sich vielmehr um eine von den tatsächlichen Besonderheiten des Sachverhalts geprägte Einzelfallentscheidung.

Die Zulassung der Revision ist im vorliegenden Fall auch nicht zur „Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung“ (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO) erforderlich. Dieser Zulassungsgrund ist insbesondere dann gegeben, wenn das Berufungsgericht von einer Entscheidung eines höherrangigen Gerichts, namentlich des Bundesgerichtshofes, abweicht. Eine Abweichung in diesem Sinne liegt dann vor, wenn das Berufungsgericht ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, also einen Rechtssatz aufstellt, der sich mit dem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten Rechtssatz nicht deckt (vgl. BGH, Beschluss vom 04.07.2002 – V ZR 75/02, NJW 2002, 2295; Beschluss vom 27.03.2003 – V ZR 291/02, NJW 2003, 1943, 1945; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 31.10.2013 – 15 U 127/13, juris; Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl. 2013, § 543, Rdnr. 4b; Kessal-Wulf, in: Vorwerk/Wolf (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar ZPO, Stand: 01.09.2016, § 543, Rdnr. 26).

Eine so verstandene Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes findet im vorliegenden Fall nicht statt.

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