OLG Frankfurt am Main, 04.01.2019 – 6 W 99/18

März 14, 2019

OLG Frankfurt am Main, 04.01.2019 – 6 W 99/18
Leitsatz:

Ist nach Einreichung einer Schutzschrift durch einen Rechtsanwalt der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen worden und hat die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde ebenfalls keinen Erfolg, können dem Rechtsanwalt keine Gebührenansprüche für die Vertretung des Antragsgegners im Beschwerdeverfahren entstehen, wenn er und der Antragsgegner bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens von der Beschwerde keine Kenntnis hatten.
Tenor:

Die Beschwerde wird auf Kosten der Antragsgegnerinnen zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 3403,00 €
Gründe

I.

Die Parteien haben in einem einstweiligen Verfügungsverfahren in einer Designstreitigkeit vor dem Landgericht Frankfurt gestritten. Streitgegenstand war die Verletzung eingetragener Gemeinschaftsgeschmacksmuster der Antragstellerin durch von den Antragsgegnerinnen vertriebene Schuhsohlen.

Die Antragsgegnerinnen haben unter dem 11.10.2016 – nachdem sie vorher abgemahnt worden waren – eine Schutzschrift hinterlegt. Den auf Erlass einer einseitigen Verfügung gerichteten Antrag der Antragstellerin vom 14.11.2016 hat das Landgericht mit Beschluss vom 30.11.2016 (Bl. 199) zurückgewiesen. Der hiergegen eingelegten Beschwerde der Antragstellerin hat das Landgericht vom 12.12.2016 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt, der die Beschwerde mit Beschluss vom 20.12.2016 zurückgewiesen hat.

Unter dem 24.08.2017 haben die Antragsgegnerinnen ein Kostenfestsetzungsantrag gestellt (Bl. 237), mit dem sie die Festsetzung der Kosten für rechtsanwaltliche und patentanwaltliche Vertretung sowohl für das erstinstanzliche Verfügungsverfahren als auch für das Beschwerdeverfahren begehrt. Das Landgericht hat mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17.4.2018 die erstinstanzlichen Kosten für die rechtsanwaltliche und patentanwaltliche Vertretung der Antragsgegnerin in Höhe jeweils einer 1,3 Verfahrensgebühr festgesetzt. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat das Landgericht hingegen abgesetzt, da eine Beteiligung der Antragsgegnerinnen an dem Beschwerdeverfahren nicht ersichtlich sei.

Hiergegen hat die Antragstellerin am 26.4.2018 sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie die Absetzung der Patentanwaltskosten sowie im Hinblick auf eine anhängige Verfassungsbeschwerde im Hinblick auf § 50 Abs. 2 DesignG die Aussetzung des Rechtsstreits begehrt.

Am 8.5.2018 haben die Antragsgegnerinnen sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss eingelegt, mit der sie sich gegen die Absetzung der Gebühren für das Beschwerdeverfahren wenden.

Der Rechtspfleger des Landgerichts hat mit Beschluss vom 26.11.2018 die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17.4.2018 bezüglich des an die Antragsgegnerin zu 1.) zu zahlenden Betrag i.H.v. 3513,52 € sowie bezüglich den an die Antragsgegnerin zu 2.) zu zahlenden Betrag i.H.v. 878,38 € eingestellt (Patentanwaltskosten). Zur Begründung hat der Rechtspfleger ausgeführt, dass das Kostenfestsetzungsverfahren durch den Kostenfestsetzungsbeschluss bereits abgeschlossen sei und nicht rückwirkend ruhen könne. Da auf Grundlage der durch die Antragstellerseite vorgebrachten Argumente das Verfahren bezüglich der Patentanwaltskosten hätte ruhen müssen, sei nun die Vollstreckung aus dem angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss hinsichtlich der Patentanwaltskosten einzustellen und das Beschwerdeverfahren selbst ruhe bis zu einer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde.

Mit weiterem Beschluss vom 26.11.2018 hat der Rechtspfleger des Landgerichts der sofortigen Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss nicht abgeholfen und die Sache insoweit dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerinnen hat in der Sache keinen Erfolg. Der Rechtspfleger des Landgerichts hat zu Recht eine Erstattung Rechts- und Patentanwaltskosten der Antragsgegnerinnen in Beschwerdeverfahren abgelehnt.

1.) Über die Beschwerde war gemäß § 568 ZPO durch den Einzelrichter zu entscheiden, da die in Satz 2 dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

2.) Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der Rechtspfleger des Landgerichts hat zu Recht die Kosten der Antragsgegnerinnen für Patent- und Rechtsanwalt abgesetzt. Die 0,5-Gebühren der Nr. 3500 VV-RVG sind nicht entstanden.

Nach § 17 Nr. 1 RVG sind das Verfahren über ein Rechtsmittel und der vorausgegangene Rechtszug verschiedene Angelegenheiten, so dass jede Instanz grundsätzlich als ein Rechtszug im Sinne von § 17 Nr. 1 RVG zu behandeln ist. Wird die Entscheidung der ersten Instanz (ein Rechtszug) Gegenstand eines Rechtsmittelverfahrens (neuer Rechtszug), so sind zwei Rechtszüge gegeben. Das gilt nicht nur für Berufungen und Revisionen, sondern auch für Beschwerden. Dabei ist es gleichgültig ob die angegriffene Entscheidung eine die Instanz beendende Entscheidung oder nur eine Zwischenentscheidung ist (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe RVG § 17 Rnr. 8-10).

Dementsprechend erfordert die Auslösung der jeweils neuen Gebühr auch jeweils ein (neues) Tätigwerden in dieser Angelegenheit. Die Gebühr entsteht nach VV Vorbemerkung 3 Abs. 2 für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Entgegennahme der Information. Eine nach außen gerichtete Tätigkeit des Anwalts ist nicht erforderlich, so dass es auch der Einreichung eines Schriftsatzes nicht bedarf (OLG Koblenz AGS 2016, 102 [OLG Koblenz 14.04.2015 – 14 W 233/15]). Die Fertigung des Entwurfs einer Beschwerdeerwiderung und deren Übersendung an die Mandantschaft lässt die Gebühr bereits entstehen (OLG Naumburg AGS 2017, 106 [OLG Naumburg 22.06.2016 – 12 Wx 32/16 (KfB)]). Auch die Prüfung, ob nach Erhalt der Beschwerdeschrift etwas für die Mandantschaft zu veranlassen ist, lässt die Gebühr entstehen (OLG Jena IBRRS 2016, 0430). Voraussetzung ist aber neben der anwaltlichen Tätigkeit stets auch eine ordnungsgemäße Beauftragung. Dass der Anwalt eine Prüfungstätigkeit vorgenommen hat, darf jedoch nicht ohne weiteres unterstellt werden. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, insoweit Vermutungen anzustellen (OLG Jena IBRRS 2016, 0430).

An dem hierfür notwendigen Vortrag der Antragsgegnerinnen fehlt es hier. Die Antragstellerin hat nicht dargelegt, dass ihre Rechts- und Patentanwälte im Beschwerdeverfahren irgendwelche – auch interne – Tätigkeiten entfaltet haben. Dies ist auch zwanglos dadurch zu erklären, dass die Antragsgegnerinnen vom einstweiligen Verfügungsverfahren einschließlich des Beschwerdeverfahrens schlicht keine Kenntnis hatten. Aus ihrem Schriftsatz vom 17.08.2017 ergibt sich, dass sie erst ein halbes Jahr nach Abschluss des Verfahrens Kenntnis erhalten haben.

Die Einreichung der Schutzschrift stellt ein Tätigwerden im ersten Rechtszug dar, für die der Rechtspfleger insoweit eine eigene Gebühr festgesetzt hat. Auch das Argument, dass die Prozessvollmacht auch im Beschwerdeverfahren fortwirkt, kann der Beschwerde der Antragstellerin nicht zum Erfolg verhelfen. Die Entstehung der Gebühren nach RVG steht offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den prozessualen Regelungen über die Prozessvollmacht. Würde man dieses Argument ernst nehmen, wäre mit Verfahrenseinleitung nicht nur die Verfahrensgebühr, sondern auch die Termins- und Vergleichsgebühr verdient, weil auch hier die Prozessvollmacht Wirksamkeit entfaltet.

Der Versuch, für nicht entfaltete Tätigkeiten Gebühren festsetzen zu lassen, ist daher vor dem Landgericht zu Recht gescheitert.

3.) Eine Entscheidung über die Beschwerde der Antragstellerin ist nicht veranlasst. Zwar hat der Rechtspfleger das Beschwerdeverfahren ausweislich des Beschlusses vom 26.11.2018 zum Ruhen gebracht, ohne sich zur Frage der Vorgreiflichkeit zu verhalten, an der es jedenfalls fehlen dürfte (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 20.12.2017, 6 W 108/17). Da jedoch gegen die Aussetzung des Verfahrens nach § 148 ZPO keine sofortige Beschwerde eingelegt worden ist, ist dem Senat eine Sachentscheidung verwehrt.

4.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO.

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